Bahnstrecke Herborn–Montabaur
Die Bahnstrecke Herborn–Montabaur, auch Westerwaldquerbahn genannt, ist eine Nebenbahn in Hessen und Rheinland-Pfalz. Sie führte ursprünglich von Herborn über Driedorf, Fehl-Ritzhausen und Westerburg nach Montabaur. Heute ist nur noch der Abschnitt zwischen Wallmerod und Montabaur für den Güterverkehr in Betrieb.
Geschichte
Pläne für die Westerwaldquerbahn kamen am Ende des 19. Jahrhunderts auf. Motivation war, wie für alle Bahnprojekte im Westerwald, die bessere Erschließung der insbesondere mineralischen Rohstoffquellen (vor allem Ton und verschiedene Gesteine, teils auch Eisenerz), die Anbindung der an diesen Abbaustellen entstandene Weiterverarbeitungsbetriebe, eine bessere Beförderung der zahlreichen Wanderarbeiter der Region zu den industriellen Zentren und allgemein die wirtschaftliche Aufwertung der ärmlichen Region. Die Westerwaldquerbahn sollte dabei als relativ spätes Eisenbahnprojekt in der Region den nordöstlichen, von den älteren Bahnstrecken abgelegenen Teil des Westerwalds besser an die bereits stärker industrialisierten Zonen des Siegerlands und an der Lahn anschließen. 1898 genehmigte der preußische Landtag den Bau einer Eisenbahnlinie von Herborn bis zu einem noch zu bestimmenden Einmündungspunkt in die Oberwesterwaldbahn und weiter westlich bis nach Montabaur oder Siershahn an der Unterwesterwaldbahn. Es folgten politische Auseinandersetzungen über den genauen Streckenverlauf sowie mehrere Vorschläge für verschiedene Streckenverläufe, so dass es erst von 1906 an zu folgenden Streckeneröffnungen kam:
Von | Nach | Eröffnungsdatum |
---|---|---|
Herborn | Driedorf | 1. Mai 1906 |
Driedorf | Rennerod | 1. Oktober 1906 |
Rennerod | Westerburg | 16. Juli 1907 |
Westerburg | Montabaur | 1. Juni 1910 |
Weitere Westerwaldquerbahn-Entwürfe um 1900 herum, die nie verwirklicht wurden, waren die Strecken Burbach – Niederroßbach, Erbach – Selters, Montabaur – Vallendar und Montabaur – Lahn.
Ein Wallmeroder Bürger, Karl Hutter, stiftete dieser Bahn einen größeren Geldbetrag, so dass die schon anders geplante Eisenbahnlinie in weitem Bogen nach Südosten in Richtung seines Heimatdorfes umgeleitet wurde.[4]
Im Zuge des Baus der Krombachtalsperre von 1946 bis 1949 musste die Strecke zwischen Rennerod und Mademühlen nach Norden verlegt werden.
Verkehrseinstellungen und Stilllegungen
Von | Nach | Einstellung PV |
Einstellung GV |
Stilllegung |
---|---|---|---|---|
Herborn | Schönbach | 31. Mai 1980 | 27. September 1985 | |
Schönbach | Steinringsberg | 31. Mai 1966 | 1. Juni 1984 | |
Steinringsberg | Driedorf | 31. Mai 1959 | 1. Juni 1984 | |
Driedorf | Mademühlen | 31. Mai 1959 | 1. April 1974 | |
Mademühlen | Rennerod | 31. Mai 1959 | 1. Januar 1967 | |
Rennerod | Westerburg | 31. Mai 1981 | 18. April 1995 | 25. April 1998[5] |
Westerburg | Wallmerod | 31. Mai 1981 | 30. Mai 1985 | |
Wallmerod | Montabaur | 31. Mai 1981 | in Betrieb | |
Zwischen Herborn und Rennerod sowie zwischen Westerburg und Wallmerod ist die Strecke abgebaut.
Auf dem Abschnitt zwischen Westerburg und Wallmerod wurde 1989 ein Bahntrassenradweg eröffnet.[6]
Aktueller Betrieb
Zwischen Wallmerod und Montabaur dient die Strecke als Teil der Infrastruktur von DB Netz bis heute dem Güterverkehr. DB Cargo befördert dort in Ganzzügen Ton aus den Tongruben rund um Wallmerod (u. a. Villeroy & Boch).
Zukunft
Die Interessengemeinschaft Westerwald-Querbahn (IWQ) e. V. hat im August 2013 die Strecke Westerburg–Rennerod von der DB Netz AG gepachtet und strebt eine abschnittweise Instandsetzung als Touristikbahn an.
Seit April 2014 finden auf dem sechs Kilometer langen und von der IG Westerwald-Querbahn e.V. (IWQ) betreuten Teilstück zwischen Fehl-Ritzhausen und Rennerod Fahrten mit Handhebeldraisinen statt. Eine Weiterführung ist für die kommenden Jahre geplant.
Unfall
Am 13. August 1973 kam es im Bahnhof Erdbach zu einem spektakulären Unfall: Durch den Eingriff Betriebsfremder im Bahnhof Mademühlen wurden 16 Güterwagen von einem Zug abgekuppelt und begannen im Gefälle bergabwärts zu rollen. Nach 15 Kilometern und Querung von 20 Bahnübergängen trafen sie auf den Prellbock des Spitzkehren-Bahnhofs Erdbach, überfuhren ihn und schlugen 50 Meter weiter in ein Wohnhaus ein, in dem eine Frau ums Leben kam.[7]
Bauliche Besonderheiten
Mit der Spitzkehre in Erdbach, den beiden Tunneln bei Erdbach und Schönbach sowie den beiden unter Denkmalschutz stehenden Stahlträgerviadukten der Hülsbachtalbrücke in Westerburg und der Fischbauchträgerbrücke bei Fehl-Ritzhausen wies sie einige bauliche Besonderheiten auf.
Literatur
- Merzhäuser, Wenzel: Eisenbahnen im Westerwald. Eisenbahn-Kurier-Verlag, Freiburg 1996, ISBN 3-88255-579-3.
- Udo Kandler: Eisenbahnen im Westerwald. Eisenbahn-Journal Sonderausgabe I/92, Hermann Merker Verlag, Fürstenfeldbruck 1992, ISSN 0720-051X.
- Udo Kandler: Hoch über den Westerwald. Streckenjubiläum 100 Jahre Westerwaldquerbahn. In: Eisenbahn-Journal. Band 5/2006, S. 26–33.
- Ulrich Schoth, Michael Reeh, Manuel Zimmermann: 100 Jahre Eisenbahnstrecke Westerburg–Rennerod 1907–2007.
- Konrad Fuchs: Die Erschließung des Westerwaldes durch die Eisenbahn, in: Nassauische Annalen 72. Band, 1961. S. 143–159
Film
- SWR: Eisenbahn-Romantik – Westerwälder Visionen (Folge 786)[8]
Weblinks
- Herborn–Westerburg auf westerwaelder-bahnen.net
- Westerburg–Montabaur auf westerwaelder-bahnen.net
- Fotostrecke der Bahnstrecke
- Bilder der Tonverladungen (Memento vom 16. September 2011 im Internet Archive)
- IG Westerwald-Querbahn e. V.
- Meßtischblätter der Deutschen Fotothek:
- Meßtischblatt 3104 : Herborn, 1907 (Driedorf ↔ Uckersdorf)
- Meßtischblatt 3042 : Dillenburg, 1915 (Uckersdorf ↔ Burg)
- Meßtischblatt 3103 : Rennerod, 1907 (Fehl-Ritzhausen ↔ Mademühlen)
- Meßtischblatt 3102 : Marienberg, 1907
- Meßtischblatt 3102 : Marienberg, 1927
- Meßtischblatt 3161 : Westerburg, 1935 (Westerburg ↔ Herschbach)
Einzelnachweise
- Nachträglich zum 20. Oktober 1952 eingerichtet (Eisenbahndirektion Mainz (Hg.): Amtsblatt der Eisenbahndirektion Mainz vom 24. Oktober 1952, Nr. 47. Bekanntmachung Nr. 677, S. 343).
- DB Netze - Infrastrukturregister
- Eisenbahnatlas Deutschland. 9. Auflage. Schweers+Wall, Aachen 2014, ISBN 978-3-89494-145-1.
- Nach H.J. Roth: Der Westerwald. Köln, DuMont, 1981, S. 57.
- Martin Krauss: Entwicklung der Eisenbahninfrastruktur 1997/98, in: Bahn-Report 2/1999, S. 4–7, hier: S. 7.
- Beschreibung des Bahntrassenradwegs auf der Webseite von Achim Bartoschek
- Hans-Joachim Ritzau, Jürgen Höstel: Die Katastrophenszenen der Gegenwart = Eisenbahnunfälle in Deutschland Bd. 2. Pürgen 1983. ISBN 3-921304-50-4, S. 159.
- In der ARD-Mediathek abrufbar