Alexanderkirche (Wildeshausen)
Die St.-Alexander-Kirche ist ein spätromanisches Kirchengebäude in Wildeshausen. Sie gilt als das älteste sakrale Gebäude und als die einzige erhaltene romanische Basilika im Oldenburger Land.
Geschichte
Bereits im Jahre 851 gründete Waltbert – ein Enkel des Sachsenherzoges Widukind – das Stift St. Alexandri. Dazu überführte er die Reliquien des Märtyrers Alexander aus Rom hierher und überließ ihm als wirtschaftliche Grundlage den Herrenhof Wigaldihus samt zugehörigem Dorf. Von der Übertragung und den sie begleitenden Wundern berichtet die Translationslegende De miraculis sancti Alexandri. Die erste und die zweite Kirche des Stiftes sind archäologisch nachgewiesen, beide aus Holz.
Basilika seit dem 13. Jahrhundert
Der älteste erhaltene Teil der Kirche ist der um 1200 errichtete Westbau aus Granitquadern. Seine beiden Türme stürzten kurz nach einander in den Jahren 1219 und 1224 ein, wie durch eine im 17. Jahrhundert verfasste Chronik indirekt überliefert ist. Das Westportal aus Sandstein gilt als nachträgliche Einfügung und wird stilistisch auf das 2. Viertel des 13. Jahrhunderts datiert, also nach dem Einsturz der Türme. Offensichtlich nahm dabei auch das Kirchenschiff schweren Schaden, denn 1224 begann man mit dem Bau einer neuen Kirche. Diese Kreuzbasilika aus Backstein wurde um 1270 fertiggestellt.
Im 17. Jahrhundert fand eine Renovierung in Formen der eigentlich schon abgeklungenen Gotik statt. Einige bauliche Veränderungen wurden bei einer großen Renovierung 1907–1910 rückgängig gemacht, die unter der Leitung des Architekten und oldenburgischen Baubeamten Adolf Rauchheld ausgeführt wurde. Der Chor erhielt eine Ausmalung im Jugendstil. Auch Altar, Kanzel und Fenster wurden in strengen Jugendstil-Formen neu errichtet, wobei darauf geachtet wurde, dass diese mit dem spätromanischen Bau gut harmonierten. Im Zweiten Weltkrieg geriet der Turm im Jahr 1945 durch Artilleriebeschuss in Brand, wobei die Turmspitze vernichtet wurde. Sie wurde 1948 in der Form von 1224 wieder errichtet.
Im Jahr 1970 wurde eine 1951 begonnene Renovierung abgeschlossen. Bei ihr kehrte das große gotische Kreuz an seinen angestammten Platz unter den Vierungsbogen zurück. Darunter wurde ein weiterer Altar und eine weitere, dazu passende neue Kanzel eingerichtet. Im Jahr 1953 wurden einige Fresken freigelegt, von denen die ältesten – in der Sakristei – aus dem 13. Jahrhundert stammen. Die Jugendstilausmalung wurde mit weißer Farbe übertüncht.
In den Jahren 2000 bis 2004 wurde die Kirche vollständig restauriert und die Jugendstilmalereien von 1910 wieder freigelegt und restauriert.
Baubeschreibung
Der Grundriss der Kirche hat die Form eines lateinischen Kreuzes, mit einem dreischiffigen Langhaus und einem nach den Seiten nicht sehr weit ausladenden Querhaus. Das Langhaus ist nach dem sogenannten gebundenen System gegliedert, die Seitenschiffe haben je sechs Joche bis zur Vierung, das Mittelschiff drei. Westlich ist das Langhaus durch einen Westbau begrenzt. Er ist der älteste Teil des Bauwerks und ragt nach beiden Seiten über die Seitenschiffe hinaus. Er stammt noch vom Vorgängerbau und trug die beiden 1219 und 1224 eingestürzten Türme. Während die übrige Kirche aus Backstein errichtet ist, besteht der Westbau aus Granitquadern, zurechtgehauen aus Findlingen.
- Chor
- Vierungsgewölbe
- Nördlicher Querhausarm
- Südliche Arkade
- Hauptschiff, Orgel in Bau
- Südseitenschiff
Nach manchen Beschreibungen soll das Langhaus vor den östlichen Teilen errichtet worden sein, jedoch gibt es zwei Anzeichen, dass Querhaus und Vierung vorher begonnen wurden; beide Querhausarme sind ebenso wie die im Winkel zwischen Südquerhaus und Chor anschließende Sakristei mit Bandrippengewölben gedeckt, während alle übrigen alle übrigen Teile des Kirchenraums mit Wulstrippengewölben schließen, und das Westfenster beider Querhausarme werden von den Seitenschiffen gestört, was auf einen Planwechsel nach Errichtung des Querhauses schließen lässt.
Die Gurt- und Schildbögen von Chor, Querhaus und Mittelschiff sind spitz-, die der Seitenschiffe rundbogig. Spitzbogig sind aber auch dort die Rippen. Schlussstein haben nur zwei Joche, nämlich das Chorjoch und die Vierung, beide in der für die Frühgotik typischen Zapfenform, wie in der Bremer Liebfrauenkirche. Die Vierung hat als einziges ein achtteiliges Gewölbe mit Scheitelring; das entspricht der ursprünglichen Anlage der Lippstädter Marienkirche, die allerdings später einen spätgotischen Umgangschor mit Sterngewölbe erhielt. Die Hochschiffswände sind mit Rundbogenfriesen aus Sichtbackstein geschmückt.
Die nicht ganz quadratische Vierung ist gegenüber dem Langhaus um drei Stufen erhöht. Kapitelle und Pfeilerbasen sind reicher ausgebildet als im Langhaus.
Der Chor ist gegenüber der Vierung nochmals um einige Stufen erhöht. Auf einem Stich von Matthäus Merian ist in der Ostwand noch eine Dreifenstergruppe erkennbar, wie sie in der Zeit des Übergangs von der Romanik zu Gotik in Norddeutschland weit verbreitet war. Erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erhielt der Ostgiebel das heutige Maßwerkfenster, verspätet in Formen der Spätgotik.
- Westbau, romanisch in Granit, gotisch in Backstein
- Westfassade: Sandsteinportel (Rundstäbe, Blattkapitelle), Rosenfenster, Fensteretage (Rundstäbe, Backstein teilw. glasiert)
- Turm, Südseite, Biforium mit Mittelstütze aus geriffelten Formsteinen, Blenden mit Fischgrätenmuster
- Chor und Nordquerhaus: Anschlüsse der im 18. Jh. abgebrochenen Nikolaikapelle, verschlossen mit Raseneisenstein
Die Vervollständigung des Westbaus mit einem mittelständigen Turm statt der eingestürzten zwei war wohl der letzte Schritt des Wiederaufbaus. Das unterste Backsteingeschoss zeigt mit den Spitzbögen des Fenster und der Blenden eine eindeutige Hinwendung zur Gotik, andererseits verweist die konsequente Verzierung mit Rundstäben eher noch auf das 13. Jahrhundert, als das in manchen Beschreibungen angeführte 14. Der Turm ist aus Backstein errichtet, aber die Mauerecken durch große Sandsteinquader betont. Die unteren Backsteingeschosse sind mit Blendarkaden aus gotischen Spitzbögen geschmückt. An der Westseite gibt es zudem einen (wahrscheinlich nachträglich eingefügten) spätgotischen Kielbogen aus feiner Steinmetzarbeit. Die beiden oberen Turmgeschosse haben Biforien mit rundbogigen Öffnungen in teils spitz-, teils rundbogigen Überfangbögen.
Der Kirchturm steht mittig auf dem Westbau, hat Mauerecken aus Steinquadern und ist durch Gesimse in vier Geschosse gegliedert. Die beiden unteren sind mit gotisch spitzbogigen Blendarkaden geschmückt, die beiden oberen haben, eingerahmt in Blendarkaden romanischer Form nach vorne, aber gotischer Form nach den Seiten, romanisch gestaltete Beforien als Fenster. In die Westwand des Turms ist in das zweite der vier Geschosse ein spätgotischer Kielbogen aus Sandstein eingefügt. Der Turm hat einen quer-rechteckigen Grundriss. Seine Höhne von 55 m ist für das Oldenburger Land ungewöhnlich und demonstriert, dass St. Alexander als nördlichste überregional bedeutende Kirche Westfalens errichtet wurde. Das Hauptportal in der Mitte hat Gewände aus Sandstein, der innerste Bogen ist ein Kleeblattbogen. Ein Tympanon hat das Portal nicht.
Die Bedachung der Seitenschiffe bestand zunächst aus quer gestellten Satteldächern, deren Anschlüsse an der Südseite noch zu erkennen sind. Danach gab es zeitweise Schleppdächer die kurz unter den Traufen des Mittelschiffs ansetzten, was die Kirch zu einer Pseudobasilika machte. Wie das Ostfenster des Chors wurden auch alle anderen als gotisch erscheinenden Fenster des Kirchenraums erst in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts geschaffen.
Ausstattung
Chor und Vierung
Zur Ausstattung der Kirche zählt ein gotisches Triumphkreuz aus Eichenholz, das um 1400 geschaffen wurde und ursprünglich farbig bemalt war. Seine Arme enden in Vierpässen, in denen die Symbole der vier Evangelisten, Mensch, Löwe, Stier und Adler, dargestellt sind. Das Kreuz hing für lange Zeit im südlichen Querschiff.
In einer hockenden Stützfigur, die mit angewinkelten Armen einen Konsolstein stützt, hat sich vielleicht im 13. Jahrhundert einer der Baumeister als Selbstporträt verewigt.
Aus der Zeit vor der Reformation stammen zwei zierliche Sakramentsnischen an der Nordseite des Chors, eine aus der ersten Hälfte des 14. und eine aus dem Ende des 15. Jahrhunderts. Ebenfalls aus dem späten 15. Jahrhundert stammt der filigran gearbeitete Levitenstuhl an der Südseite des Chors, sowie die kleine Madonna am nordwestlichen Pfeiler der Vierung. Auch das einfache steinerne Taufbecken stammt aus jener Zeit; allerdings wurde 1947 eine Kupferschale für das Taufwasser darin eingepasst.
An der Nordseite unter dem Vierungsbogen befindet sich die Jugendstilkanzel, angefertigt vom Bremer Künstler Georg Karl Rohde, der auch die Fenster gestaltete. Den Jugendstilaltar unter dem großen Fenster an der Rückwand des Chores schuf der Oldenburger Künstler Max Gökes.
Unter dem Kreuz steht der 12-Apostel-Altar und an der Südseite die neue Kanzel, beide von Gerhart Schreiter während der Renovierung 1951–1970 geschaffen.
Mittelschiff
Die Wandmalereien stammen aus dem 15. Jahrhundert, sind also, wie bei vielen Kirchen deutlich jünger als die Gewölbe.
Sakristei
Die Sakristei am südlichen Ende des Querhauses ist ein Rest des Klostergebäudes. An den Wänden befindet sich ein Freskenzyklus aus dem 15. Jahrhundert, der die Jugend und das Leiden Christi darstellt. 1954 fand man darunter eine weitere Schicht mit Gemälden aus der Zeit vor 1270, insbesondere eine schön gestaltete Falkenjagd.
Orgel
Christian Vater baute 1711 eine Orgel, die 18 Register auf zwei Manualen und Pedal umfasste. Sie wurde 1719 durch Vater um Krummhorn 8′ erweitert.
Als die Kirche 1969/1970 renoviert wurde, schaffte die Gemeinde eine neue Orgel von Detlef Kleuker an, die über 38 Register auf drei Manualen und Pedal verfügte und ein neobarockes Klangbild aufwies. Die historische Vater-Orgel, von der das Gehäuse und acht Register erhalten waren, wurde 1978 in St. Stephanus in Fedderwarden aufgestellt.[1] Nach 50 Jahren wurde die Kleuker-Orgel vom polnischen Orgelbauer Zdzislaw Molin abgebaut und in einer polnischen Kirchengemeinde nahe Danzig errichtet, um einer neuen Orgel von Gerald Woehl Platz zu schaffen.
Das symphonisch konzipierte Instrument, das 2019–2021 in Marburg gebaut wurde, hat ebenfalls 38 Register, bietet aber durch zahlreiche Oktavkoppeln und Extensionen sowie ein Multiplexverfahren weitere Klangmöglichkeiten. Das dritte Manual ist zum Ausbau für eine Chororgel als Fernwerk auf der Nordempore vorbereitet. Im Unterschied zu ihrer Vorgängerin trennt die Woehl-Orgel nicht mehr das Rosenfenster über dem Westportal optisch vom Kirchenraum.[2] Die Disposition lautet wie folgt:[3]
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- Koppeln:
- Normalkoppeln: II/I, III/I, III/II, I/P, II/P, III/P
- Superoktavkoppeln: III/I, III/III
- Suboktavkoppeln: I/I, II/I, II/II, III/I, III/II
- Spielhilfen: klassischer Wind an, Walze an, Setzeranlage
Geläut
Der Kirchturm beherbergt drei Kirchenglocken. Eine davon wurde im Jahr 1448 gegossen.[4]
Nebengebäude
Remter
Als Stiftskirche hatte St. Alexander im Mittelalter eine Klausur. Deren Kreuzgang wurde Anfang des 19. Jahrhunderts abgebrochen. Erhalten ist der an die Sakristei anschließende Remter angebaut, der sich in Nordsüdrichtung erstreckt. Er enthielt Speise- und Schlafsaal der Chorherren des Stiftes Alexandri ist fast ganz aus Feldstein gemauert. Nach Westen hat er aber ein gotisches Stufenportal aus Backstein. Errichtet zwischen 900 und 1000, ist er älter als alle heutigen Teile Kirche und gilt er als eines der ältesten bewohnten Gebäude Deutschlands.
Gemeinde
Die Kirche wurde im Zuge der Reformation im Jahre 1699 evangelisch-lutherisch. Ein Gottesdienst findet jeden Sonntag um 10 Uhr statt, einmal im Monat um 17 Uhr („G17“ genannter Gottesdienst in moderner Form).
Literatur
- Hans-Joachim Prochnow, Lothar Klimek: Die Alexanderkirche zu Wildeshausen (= Große Baudenkmäler. Heft 250). 2. Auflage. Deutscher Kunstverlag, München 1977.
- Hans-Christoph Hoffmann: Evangel.-luth. Alexanderkirche Wildeshausen (= Kleine Kunstführer. Nr. 1769). Verlag Schnell und Steiner, München/ Zürich 1989.
- Ernst Andreas Friedrich: Die Alexanderkirche in Wildeshausen. In: Wenn Steine reden könnten. Band 1, Landbuch-Verlag, Hannover 1989, ISBN 3-7842-0397-3, S. 106–108.
- Wilhelm Gilly: Mittelalterliche Kirchen und Kapellen im Oldenburger Land. Baugeschichte und Bestandsaufnahme. Isensee Verlag, Oldenburg 1992, ISBN 3-89442-126-6, S. 180 ff.
- Hartmut Berlinicke: Die Alexanderkirche von Wildeshausen. Eine kunst- und kulturhistorische Betrachtung sich wandelnder inhaltlicher religiöser Vorstellungen in der künstlerischen Gestaltung einer sächsisch-romanischen Basilika. Culturcon Medien, Berlin/ Wildeshausen 2009, ISBN 978-3-941092-26-6.
- Hermann Haiduck: Die Architektur der mittelalterlichen Kirchen im ostfriesischen Küstenraum. 2. Auflage. Ostfriesische Landschaftliche Verlags- und Vertriebs-GmbH, Aurich 2009, ISBN 978-3-940601-05-6, S. 101.
Weblinks
Einzelnachweise und Fußnoten
- Informationen zur Orgel
- Das Konzept für die neue Woehl-Orgel. Abgerufen am 19. September 2021.
- Homepage Orgelbau Woehl. Abgerufen am 19. September 2021.
- Geläut der Ev.-luth. Alexanderkirche Wildeshausen, abgerufen am 3. September 2018.