Alabaster
Der Alabaster (auch Alabastergips und lateinisch Alabastrum[1]) ist eine sehr häufig vorkommende, mikrokristalline Varietät des Minerals Gips. Chemisch gesehen handelt es sich beim Alabaster also um ein wasserhaltiges Calciumsulfat mit der chemischen Zusammensetzung Ca[SO4]·2H2O.
Alabaster hat optisch gewisse Ähnlichkeit mit Marmor, ist aber im Gegensatz zu diesem ein schlechter Wärmeleiter und fühlt sich deshalb warm an. Ein weiterer Unterschied ist seine geringere Wetterfestigkeit, das heißt, er würde sich witterungsbedingt schnell zersetzen und unansehnlich werden. Alabaster wird daher in der Bildhauerei ausschließlich für Innenraumobjekte genutzt. Seine Farbe kann je nach Fundort weiß, hellgelb, rötlich, braun oder grau sein.
Als Ägyptischer Alabaster wird eine Varietät von Calcit mit ähnlichem Aussehen wie die Gipsspat-Varietät bezeichnet. Diese ist allerdings im Gegensatz zum Gips-Alabaster wasserunlöslich und härter. Es handelt sich dabei um Kalksinter (Onyxmarmor). Die Bezeichnung „Ägyptischer Alabaster“ für den verarbeiteten Kalksinter aus dem Wadi Sannur und dem Bosra-Wadi hält sich in der Archäologie hartnäckig.
Etymologie und Geschichte
Die Region zwischen Minia und Assiut bezeichneten die Ägypter in der ptolemäischen Zeit mit dem Gaunamen Alabastrites. Der dort gewonnene Dekorationsstein, petrographisch ein Kalksinter und heute auch als Onyxmarmor bezeichnet, bekam dieses Wort übertragen, um ihn nach seiner Herkunft zu benennen. Rosemarie Klemm und Dietrich Klemm gehen davon aus, dass die Römer diesen Begriff wegen ähnlicher optischer Eigenschaften auf das Gipsgestein aus der Umgebung von Volterra übertrugen.[2]
Für den Ursprung oder die Herleitung des Worts Alabaster sind auch andere Theorien diskutiert worden: Es wird vermutet, dass der Begriff Alabaster auf die oberägyptische Stadt Alabastron Polis zurückgeht, in deren Nähe die großen Alabastersteinbrüche von Hatnub liegen.[3] Eine andere Auslegung besagt, dass der Begriff aus ana(r) und den Namen bast(et) abgeleitet ist, was so viel heißt wie „Stein der Göttin Bastet“. Sie war mythischen Überlieferungen zufolge Besitzerin von Schminkgefäßen aus Alabaster.[4] Andere Vermutungen gehen dahin, dass er aus dem Wort ἄλαβα alaba (griechisch für „ohne Henkel“) entstanden ist. In übertragener Bedeutung bezeichnet der Begriff „Alabasterhaut“ eine sehr helle, ebenmäßige Haut mit samtigem Glanz. Im Barock galt diese „alabasterfarbene“ Haut als Schönheitsideal adliger Frauen.
Im spätmittelalterlichen England wurden in den Midlands, bei Tutbury, Staffordshire und etwas später in Chellaston, Derbyshire ausgedehnte Alabastervorkommen entdeckt. Dies führte zu einer breiten Produktion von Grabmälern, Altartafeln, Statuen und Statuetten. Die Herstellung der Andachtsobjekte wurde in Werkstätten in Nottingham vermutet. Neuere Forschungen haben jedoch gezeigt, dass die Alabasterobjekte im Umkreis der Steinbrüche entstanden sind, denn das Rohmaterial bestand aus großen Blöcken, die zweckmäßig vor Ort verarbeitet werden mussten. Der kostspielige Transport des Materials über Land nach Nottingham hätte die Produktion der Objekte unnötig verteuert, zumal der River Trent, der in der Nähe der Steinbrüche in Richtung Nottingham fließt, im Mittelalter noch nicht schiffbar war. Die „Schule von Nottingham“, der die englische Alabasterproduktion bis heute fälschlich zugeschrieben wird, ist eine Legende, die der Kunsthistoriker John Hope 1907 behauptet hat, weil dort um 1370 einmal ein Bildhauer für Alabaster nachweisbar ist, aber danach keiner mehr.
Die mittelalterlichen englischen Andachtsobjekte aus Alabaster haben sich vor allem in Frankreich in den Regionen erhalten, die im Mittelalter im Besitz der Engländer waren, in Aquitanien, der Normandie und der Bretagne. In England selbst wurden die Werke während der Reformation im 16. Jahrhundert und der Revolution im 17. Jahrhundert vollständig zerstört oder außer Landes geschafft, gelegentlich vergraben. Die Alabastergrabmäler für englische Könige und Adlige, aber auch zu Reichtum gekommene Bürger sind noch heute in vielen Kirchen Englands zu sehen. Herausragende Beispiele sind die Grabmäler für Edward II. in der Kathedrale von Gloucester und für Heinrich IV. und seine Frau Joan in der Kathedrale von Canterbury sowie das Dreiergrabmal für Margaret Holland, den Earl of Somerset und den Duke of Clarence ebenda.
Die Steinbrüche der Midlands sind seit den 1920er Jahren erschöpft und von Vegetation überwuchert.
Varietäten und Modifikationen
Weitere Varietäten des Gipsspat sind Marienglas (Selenit) und Fasergips.
Bildung und Fundorte
Alabaster ist in den meisten Fällen seines natürlichen Auftretens ein Sediment, das in größeren Mengen innerhalb von Salzseen oder isolierten Meeresbecken bei der Verdunstung von Wasser entsteht. Diese Bildungsweise kann man sich durch den Rückzug des Meeres im muldenförmigen Niederungen vorstellen; hier oft in Paragenese mit Karbonaten, Halit und anderen ähnlichen Mineralien. Je nach Betrachtungsweise und Lagerstättensituation spricht man von einem Mineral oder Evaporitgestein.
Alabaster kann aber auch durch Verwitterung als Sinterablagerung oder durch Oxydationsprozesse in sulfidischen Erzlagerstätten entstehen.
Fundorte für Kristalle sind unter anderem Rumänien (Cavnic), Polen (Tarnobrzeg), Spanien (Gorguel) und Mexiko (Naica, Chihuahua). Die feinkörnigen Aggregate findet man unter anderem in Italien.
Ein großes Abbaugebiet liegt zwischen Sulzheim und Bad Windsheim in Unterfranken. Dort wird schon seit Jahrhunderten Gips abgebaut und Alabaster in Form von kartoffelgroßen Knollen gefunden, der sich als Einschluss im Gips befindet.
Im Alabaster Caverns State Park in Oklahoma befindet sich eine der größten, als Schauhöhle ausgebaute, Gipshöhle der Welt mit einer Länge von etwas über einem Kilometer. Die Wände der Höhle sind mit rosafarbenem, weißem und dem seltenen schwarzen Alabaster ausgekleidet. [5]
Abbau
Beim Abbau von Alabaster zu gewerblich-kunsthandwerklichen Zwecken findet man eiförmige Rohblöcke von 1 bis 3 Metern Länge. Auch heute wird noch in Europa Alabaster gefördert und verarbeitet. Ein Zentrum der europäischen Alabasterverarbeitung ist das italienische Volterra, in dessen Umgebung das Gestein schon seit etruskischer Zeit genutzt wird.
Verwendung
Da Alabaster deutlich weicher ist als viele Gesteine, wie beispielsweise Marmor, aber härter als herkömmlicher Gips, wurde er gern für Vasen und Kunstgegenstände verwendet. Alabaster eignet sich sowohl zur Herstellung kleiner Schmuckgegenstände als auch für lebensgroße Skulpturen und Reliefs. Allerdings gehört er bildhauerisch gesehen zu den typischen Innenraum-Steinen, das heißt, Alabaster ist nicht wetterfest – solche Skulpturen sind auf geschützte Räume angewiesen. Der in Kirchen und anderen Bauwerken an Stelle von Marmor gleichbedeutend verwendete Werkstoff galt nach Auffassung von Georgius Agricola um 1546 noch als „Marmor“.[6][7] Dünn geschnitten ist Alabaster sehr lichtdurchlässig und wird daher im Kunsthandwerk gerne für Lampenschalen verwendet. In trockenen Gegenden wie beispielsweise Zentralspanien hat auch die Verwendung als Kirchenfenster Tradition. Altäre aus Alabaster aus dem Klettgau finden sich auch im Salemer Münster.
- Tischlampe aus italienischem Alabaster
- Erleuchtete Alabasterlampe im Aachener Dom, um 1900
- Alabasterschale nach etruskischem Vorbild aus Volterra/Italien
- Mit Alabaster verkleidete Wände in der Alabastermoschee in Kairo
- 12 Meter hohes Epitaph aus Heldburger Alabaster in der Morizkirche Coburg für Herzog Johann Friedrich den Mittleren (Bildhauer: Nikolaus Bergner aus Heldburg, 1596/1598)
- Der Kanzelaltar der St.-Johannes-Kirche in Castell, aus unterfränkischem Alabaster
Siehe auch
Literatur
- August Nies: Alabastrites. In: Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft (RE). Band I,1, Stuttgart 1893, Sp. 1271 f.
- Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie (= Dörfler Natur). Edition Dörfler im Nebel-Verlag, Eggolsheim 2002, ISBN 978-3-89555-076-8, S. 147.
- Friedrich Klockmann: Klockmanns Lehrbuch der Mineralogie. Hrsg.: Paul Ramdohr, Hugo Strunz. 16. Auflage. Enke, Stuttgart 1978, ISBN 3-432-82986-8, S. 613 (Erstausgabe: 1891).
- Karin Land: Die englischen Alabastermadonnen des Späten Mittelalters. University Press, Düsseldorf 2011, ISBN 978-3-940671-57-8.
Weblinks
- Alabaster. In: Mineralienatlas Lexikon. Stefan Schorn u. a., abgerufen am 6. November 2021.
- David Barthelmy: Gypsum/Alabaster Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 6. November 2021 (englisch).
- Schmucklexikon von Prof. Leopold Rössler – Alabaster (Memento vom 19. Januar 2021 im Internet Archive)
- Alabasterfenster gefertigt von Abd al-Wahhab al-Sayrafi. In: uni-heidelberg.de. 2. November 2012, abgerufen am 7. November 2021.
- Bärbel Heidenreich: Werkstoffe: Alabaster. Planet Wissen, 7. Januar 2020, abgerufen am 7. November 2021.
Einzelnachweise
- Otto Zekert, Österreichischer Apothekerverein, Gesellschaft für Geschichte der Pharmazie (Hrsg.): Dispensatorium pro pharmacopoeis Viennensibus in Austria 1570. Deutscher Apotheker-Verlag Hans Hösel, Berlin 1938 (Latein, eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Rosemarie Klemm, Dietrich Klemm: Steine und Steinbrüche im Alten Ägypten. Springer, Berlin, Heidelberg 1993, ISBN 3-540-54685-5, S. 199.
- Alabastron Polis – Hebenou (Kom el-Ahmar). In: trismegistos.org. Abgerufen am 7. November 2021.
- Frank Kammerzell: Ägyptischer Wortschatz in westeuropäischen Sprachen (Teil 1). In: Stefan J. Schierholz, Eilika Fobbe, Stefan Goes, Rainer Knirsch (Hrsg.): Die deutsche Sprache in der Gegenwart. Festschrift für Dieter Cherubim zum 60. Geburtstag. 2000, S. 115–127 (online verfügbar bei archaeologie.hu-berlin.de [abgerufen am 7. November 2021]).
- Beschreibung des Alabaster Caverns State Parks (Memento vom 9. Mai 2014 im Internet Archive)
- Gerhard Weise: Nutzung Thüringer Alabastervorkommen für die Herstellung von bildhauerischen Arbeiten, Dekorationsmaterial und Alabasterwaren. In: Semana. Naturwissenschaftliche Veröffentlichungen des Naturhistorischen Museums Schloss Bertholdsburg. Band 31, 2016, S. 57–94 (hier: S. 59).
- Stefan Kummer: Architektur und bildende Kunst von den Anfängen der Renaissance bis zum Ausgang des Barock. In: Ulrich Wagner (Hrsg.): Geschichte der Stadt Würzburg. Vom Bauernkrieg 1525 bis zum Übergang an das Königreich Bayern 1814. Band 2. Theiss, Stuttgart 2004, ISBN 3-8062-1477-8, S. 576–678, 942–952 (hier: 596–599).