Abteikirche Marienstatt
Die Abteikirche Unserer Lieben Frau von Marienstatt ist die Abteikirche der Zisterzienserabtei Marienstatt und eine überregional bedeutsame Marienwallfahrtskirche.
Lage
Die Abteikirche und die angrenzenden barocken Klostergebäude befinden sich im Tal der Nister in der Ortsgemeinde Streithausen im rheinland-pfälzischen Westerwaldkreis ca. 82 km (Fahrtstrecke) südöstlich von Köln bzw. ca. 65 km östlich von Bonn in einer Höhe von ca. 235 m.
Geschichte
Die möglicherweise bereits kurz nach dem Umzug der Mönche ins Nistertal (1222), spätestens aber 1245 begonnene und gut hundert Jahre später (1347) vollendete Abteikirche gilt – neben der im Jahr 1235 begonnenen Elisabethkirche von Marburg – als eine der ersten gotischen Kirchen östlich des Rheins. Allerdings hatte man schon vor 1190 begonnen, den Limburger Dom im gotischen Stil umzubauen. Und der erste große gotisch begonnene Kirchenbau östlich des Rheins war 1209 der Magdeburger Dom. Der ca. 80 km (Luftlinie) nordwestlich von Marienstatt gelegene sog. Altenberger Dom (ebenfalls ein Bauwerk der Zisterzienser) entstand erst ab dem Jahr 1255.
In den Jahren 1688 bis 1720 wurde die Kirche in Marienstatt unter Abt Benedikt Bach im barocken Stil ausgestaltet und mit zahlreichen Altären versehen. Die barocke Ausstattung wurde jedoch in der Zeit um 1980 bis auf die Altäre wieder rückgängig gemacht. Am 27. Juli 1927 verlieh Papst Pius XI. der Kirche den Ehrentitel einer Basilica minor.
Architektur
Die außen durch Strebepfeiler und Strebebögen stabilisierte Kirche hat ein dreischiffiges und siebenjochiges Langhaus, an das sich ein Querhaus und ein halbrunder, im Aufriss dreigeschossiger Chor mit Umgang und Kranzkapellen anschließen. Getreu der zisterziensischen Idee ist sie sehr schlicht gehalten: Sie hat nur einen Dachreiter statt Türmen, die maßwerklosen Fenster sind rahmenlos und wirken wie in das Mauerwerk eingeschnitten; darüber hinaus ist das Kirchenäußere nicht farbig gestaltet. Die Westfassade wird dominiert von einem ca. 10 m hohen und von einem profilierten Rahmen umgebenen Maßwerkfenster ohne Glasmalereien. Die Säulen des knapp 18 m hohen und im Aufriss nur zweigeschossigen kreuzrippengewölbten Mittelschiffs sind gemauert und anschließend verputzt; die Gewölberippen der Seitenschiffe werden – wie in der Zisterzienser-Architektur üblich – auf Konsolen abgefangen. Säulen, Wandsegmente und Gewölbekappen sind mit Fugenmalereien versehen.
Ausstattung
- Das um 1290 geschnitzte, aber weitestgehend figurenlose Chorgestühl ist eines der ältesten noch genutzten Chorgestühle Deutschlands. Lediglich die hervorgehobene Abtsstalle zeigt einen Pelikan, der seine Jungen mit dem eigenen Blut nährt.
- Im Chor der Kirche sticht besonders der Hochaltar der Basilika mit dem um 1350 geschaffenen Ursulaschrein hervor. Der Altaraufsatz (Retabel), in dessen unterem Bereich in aufgeklapptem Zustand Schädelreliquien und zwölf Reliquienbüsten der heiligen Ursula von Köln und ihrer Gefährtinnen zu sehen sind, gehört mit dem Oberweseler Goldaltar und dem Klarenaltar im Kölner Dom zu den bedeutendsten mittelalterlichen Flügelaltären des Rheinlands. Des Weiteren zeigt das Innere des Schreins im oberen Bereich Darstellungen der zwölf Apostel sowie der Krönung Mariens. Das gesamte Retabel wurde in den Jahren 2001 bis 2008 umfassend restauriert.
- Neben zahlreichen steinernen und gusseisernen Grabplatten befindet sich in der Abteikirche das gut erhaltene spätmittelalterliche Hochgrab des Grafen Gerhard von Sayn († 1493) und seiner Frau Elisabeth von Sierck († 1489). Es trägt auf einer steinernen, bemalten Tumba zwei hölzerne, überlebensgroße Figuren des gräflichen Paares. Ein schmiedeeisernes Gitter schließt das Grabmal ab.
- Die in den Jahren 1945 bis 1947 an das südliche Seitenschiff der Kirche angebaute Gnadenkapelle beherbergt das Gnadenbild von Marienstatt. Die im frühen 15. Jahrhundert entstandene Darstellung der „schmerzhaften Muttergottes“ stammt aus dem Donau-Alpenraum. Sie wird nachweislich seit 1425 in Marienstatt verehrt. Mit der Aufstellung der Pietà, wörtlich übersetzt „Mutter des Erbarmens“, entwickelte sich Marienstatt zu einem marianischen Wallfahrtsort.
- Die neuen Chorfenster schuf 2005 der Glasmaler Wilhelm Buschulte.
- Chorgestühl
- Ursula-Altar
- südliches Seitenschiff
- barocker Beichtstuhl
Orgel
Die Geschichte der Orgeln der Abteikirche lässt sich bis in das 16. Jahrhundert zurückverfolgen. Damals gab es ein vorbarockes Instrument, das auf der Nordseite des Hauptschiffes als Schwalbennestorgel angebracht war. Ende des 18. Jahrhunderts befand sich die große Orgel auf der Empore vor dem Westfenster. Im Jahr 1854 errichtete der Orgelbauer Daniel Raßmann (Möttau) auf der Westempore ein neues Orgelwerk mit 16 Registern auf zwei Manualwerken und Pedal, unter Wiederverwendung von Pfeifenmaterial aus dem Vorgängerinstrument. 1941 wurde die Orgel mitsamt der Orgelbühne abgerissen.
Zur Begleitung des Chorgesanges wurde im Jahr 1912 im nördlichen Querschiff eine neue Chororgel errichtet. Das romantisch disponierte Instrument hatte 45 Register; sie wurde 1941 im Zuge der Renovierung der Abteikirche ausgebaut und in den Pfarrsaal ausgelagert. 1950 errichtete der Orgelbauer Anton Feith (Paderborn) unter Wiederverwendung eines Großteils des Pfeifenmaterials der eingelagerten Chororgel ein neues Instrument, das allerdings entsprechend den Klangidealen der Orgelbewegung umintoniert wurde. 1964 wurde das Instrument, das zuletzt 41 Register hatte, an die Pfarrei St. Peter (Köln-Neuehrenfeld) verkauft und dort aufgestellt. In der Abteikirche wurde fortan ein kleines Leihinstrument benutzt.[1]
Die derzeitige Orgel wurde in den Jahren zwischen 1969/70 von Rieger Orgelbau erbaut. Das Instrument steht über den Stallen des Chorgestühls im nördlichen Vierungsjoch. Ihr Gehäuse ist aus massiver Eiche gefertigt. Die Orgel verfügt über die einzigen authentischen spanischen Trompeten (Horizontaltrompeten) außerhalb der iberischen Halbinsel. Das Pfeifenmaterial stammt aus dem Jahr 1732.
Im Anschluss an die Gesamtsanierung der Basilika seit 2001 wurde das Instrument in den Jahren 2006 und 2007 von Orgelbau Romanus Seifert & Sohn (Kevelaer) erweitert. Verstärkt wurde zum einen der Bassbereich des Pedalwerks, indem zwei 32-Fuß-Register hinzugefügt wurden. Dabei besteht jeweils nur die Subkontraoktave aus tatsächlich neu hinzugefügten Pfeifen. Die Töne c bis f′ der beiden neuen 32′-Register werden hierbei durch Extension aus den bereits vorher vorhandenen Registern Untersatz 16′ und Posaune 16′ gewonnen.[2] Die vier neuen Register stehen auf zwei Windladen hinter der Orgel. Außerdem wurde 2006 eine Celesta-Harfe, die 1920 von der US-amerikanischen Orgelwerkstatt Skinner erbaut worden war, hinzugefügt. Diese hängt unmittelbar neben der Orgel hinter dem Chorgestühl. Das Register hat einen Umfang von 61 Tönen. Es wird mittels einer eigenen, speziellen elektropneumatischen Traktur (Hochdruckgebläse) angespielt und ist mit einer Nachhalldämpfung ausgerüstet.
Im Zuge einer Schimmelpilzbehandlung und Reinigung durch Rieger im Jahr 2012 wurde die gesamte Elektronik des Instruments erneuert und eine neue Setzeranlage (Typ Sinua Castellan) eingebaut. Außerdem erweiterte die Orgelbauwerkstatt Seifert das Instrument um zwei Hauptwerks-Register (überblasende Flöte und Gambe) in 8′-Lage, jeweils mit Extensionen in der 4′-Lage. Diese Register lassen sich einzeln auch vom ersten und vierten Manual aus anspielen. Ferner wurde hinter der Orgel ein Glockenspiel eingebaut. Es besteht aus 12 gegossenen Klangplatten in der Basslage und 37 bronzenen Röhrenglocken in der Mittellage. Zusätzlich wurde der Spieltisch neu gestaltet.
2015 wurde die Orgel erneut um drei Register erweitert, die zusammen mit der Celesta-Harfe in einem schwellbaren Gehäuse an der westlichen Seite der Orgel untergebracht und zu einem Auxiliarregister(werk) zusammengestellt wurden. Es handelt sich dabei um Choralbordun und Bordunschwebung, die den Mönchen als Choralbegleitung beim Chorgebet dienen, sowie eine durchschlagende Klarinette, die über einen eigenen Windschweller verfügt. 2016 wurde dieses Werk noch um eine historische Dulciana ergänzt, die Ende des 19. Jahrhunderts in Mittelengland gebaut worden war und ebenfalls zur Choralbegleitung gedacht ist.
Die Orgel hat 67 Register (über 5.000 Pfeifen), vier Manuale und Pedal, Schwellwerk, Brustwerk und Auxiliarregister, jeweils in einem eigenen Schwellkasten.[2]
|
|
|
|
|
|
|
|
- Koppeln
- Normalkoppeln: III/I, IV/I, I/II, III/II, IV/II, IV/III, I/P, II/P, III/P, IV/P
- Suboktavkoppeln: III/I, III/II, III/III, III/IV,
- Superoktavkoppeln: III/I, III/II, III/III, III/IV, III/P
- Spielhilfen: Frei einstellbares Registercrescendo; Setzersystem Sinua Castellan mit quasi unendlicher Anzahl von Setzerplätzen, frei definierbaren Koppeln (transponierend, Melodie-/Basskoppeln, Koppelbereiche), Nutzerprofile usw.
- Anmerkungen:
- (B) = Bass-Seite
- (D) = Diskant-Seite
- E = 2006 ergänztes Register (Seifert)
- S = 2012 ergänztes Register (Seifert)
- N = 2015 ergänztes Register
- K = 2016 ergänztes Register (Krawinkel)
- Transmission bzw. Extension von Nr. 12.
- Transmission bzw. Extension von Nr. 13.
- Überblasend.
- Schwellwerk.
- Extension von Nr. 51.
- Extension von Nr. 61.
- Register in einem schwellbaren Gehäuse unmittelbar neben der Orgel hinter dem Chorgestühl. Nr. 64–67 vornehmlich zur Choralbegleitung beim Chorgebet gedacht.
- Durchschlagende Zungen, mit eigenem Windschweller.
- Register aus Mittelengland, Ende des 19. Jahrhunderts von dem Orgelbauer Peter Conacher gebaut.
- 12 gegossene Klangplatten (Basslage) und 37 bronzene Röhrenglocken (Mittellage).
- Historisches Register von um 1920, gebaut von der US-amerikanischen Orgelbaufirma Skinner. Mit einer Nachhalldämpfung ausgerüstet.
Siehe auch
Weblinks
- Abteikirche – Website der Abtei Marienstatt
- Geschichte des Klosters Marienstatt auf regionalgeschichte.net
- Geschichte des Klosters Marienstatt auf cistopedia.org
- Vorstellung der Orgel durch den Organisten Fraser Gartshore; in mehreren Teilen, mit Hörbeispielen
- Gebaut.eu: Burgundische Romanik – Pontigny – Zisterziensergotik
Einzelnachweise
- Informationen zur Geschichte der Orgeln (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) auf der Website der Abtei, abgerufen am 15. Dezember 2016
- Die große Rieger-Orgel auf der Website der Abtei, abgerufen am 5. Juli 2018