A Scanner Darkly – Der dunkle Schirm
A Scanner Darkly – Der dunkle Schirm ist ein US-amerikanischer Science-Fiction-Film von Richard Linklater aus dem Jahr 2006. Die Handlung beruht auf dem dystopischen Roman Der dunkle Schirm von Philip K. Dick aus dem Jahr 1977. Die kompletten Filmaufnahmen wurden nachträglich per Rotoskopie digitalisiert.
Film | |
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Titel | A Scanner Darkly – Der dunkle Schirm |
Originaltitel | A Scanner Darkly |
Produktionsland | USA |
Originalsprache | Englisch |
Erscheinungsjahr | 2006 |
Länge | ca. 100 Minuten |
Altersfreigabe | FSK 12 |
Stab | |
Regie | Richard Linklater |
Drehbuch | Richard Linklater |
Produktion | George Clooney Tommy Pallotta John Sloss Jonah Smith Steven Soderbergh Erwin Stoff Anne Walker-McBay Palmer West |
Musik | Graham Reynolds |
Kamera | Shane F. Kelly |
Schnitt | Sandra Adair |
Besetzung | |
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Handlung
Die Vereinigten Staaten sind in naher Zukunft ein Überwachungsstaat, in dem versucht wird, die massiven durch Drogenkonsum und -abhängigkeit hervorgerufenen Probleme einzudämmen. Einzig die Organisation „Der neue Pfad“, die geschlossene Entziehungskuren für Drogenabhängige anbietet, kann sich durch besondere Verträge mit der Regierung der Überwachung entziehen. Ein Agent, genannt Fred, ermittelt verdeckt als Robert Arctor im Drogenmilieu, um die Hersteller der Droge „Substanz T“ aufzufinden. Das Kürzel „T“ steht für den Tod. Fred/Arctor ist während seiner Ermittlung selbst zum Konsumenten dieser Droge geworden.[1] Seine Anonymität wird durch einen so genannten „Jedermann-Anzug“ gewahrt, der ständig das Äußere des Trägers ändert und seine Stimme manipuliert, so dass er unidentifizierbar wird. Zusammen mit seinen kaum weniger süchtigen Hausgenossen Barris und Luckman in einem total verkommenen Haus wohnend, bekommt er eines Tages von seinem Vorgesetzten mit dem Decknamen Hank den Auftrag, Robert Arctor zu observieren – also den Auftrag, sich selbst zu überwachen.
In seinem Haus wird ein holographisches Überwachungssystem installiert, das sämtliche Aktivitäten im Haus observiert. Zunächst versucht Fred, seine eigentliche Identität zu verschleiern, aber „Substanz T“ spaltet sein Bewusstsein und führt zu einer dissoziativen Identitätsstörung, bis er nicht mehr zwischen seiner Identität als Agent Fred und der Privatperson Bob unterscheiden kann. Dies gipfelt in einer fatalen Selbstbeobachtung, in der er vollkommen den Bezug zu seiner eigenen Persönlichkeit verliert.
Bobs Freundin Donna ist eine vermeintliche Drogenhändlerin, die jedoch gleichzeitig ebenfalls Agentin ist und unter der Identität Hank arbeitet – und damit der Auftraggeber von Fred ist. Der polizeiliche Plan sieht aufgrund der gesellschaftlichen Gegebenheiten nur dann die Möglichkeit, den „Neuen Pfad“ zu überführen, wenn dort eine absolut unverdächtige Person eingeschmuggelt wird. Diese soll passiv den Beweis liefern, dass die streng kontrollierende Organisation selbst hinter der „Substanz T“ steht.
Der durch die Droge völlig zerstörte Bob Arctor eignet sich dafür nach der langen Vorbereitung am besten und wird über sogenannte psychologische Untersuchungen darauf vorbereitet, obwohl Donna nachträglich Bedenken zeigt, dass es nicht gerecht sei, einen Unfreiwilligen dafür zu opfern. Weiter wird ein Konflikt mit Donna inszeniert, indem er ermuntert wird, ihr Blumen zu schenken, speziell kleine, blaue Blumen, aus denen zugleich die „Substanz T“ hergestellt wird. Bob erhält bei seinem Entzug den Decknamen Bruce, landet in einer Entzugsklinik und wird später auf eine Entzugsfarm versetzt, wo er als Arbeiter Felder besprüht. Dabei entdeckt er in einem von ihm betreuten Maisfeld die normalerweise getarnten blauen Blumen, aus denen „Substanz T“ hergestellt wird, und steckt sich eine ein, um sie bei seinem Urlaub seinen Freunden zu zeigen. Der Ausgang der Geschichte bleibt offen, aber es scheint, als ginge der Plan der Polizei auf.
Es folgt vor dem Abspann eine Widmung aus Philip K. Dicks Romanvorlage, in der er Drogen explizit als „Feind“ bezeichnet, den es zu bekämpfen gelte, sowie die Nennung von 15 seiner Freunde (mit dem Hinweis auf viele mehr), die aufgrund von Drogenkonsum verstorben sind oder wie Dick selbst schwere und schwerste gesundheitliche Schäden erlitten haben.
Hintergrund
Charlie Kaufman schrieb ein Drehbuch für die Adaption der Buchvorlage, welches jedoch keine Berücksichtigung fand, nachdem die Zuständigen für das Filmprojekt gewechselt hatten.[2] Terry Gilliam arbeitete bereits 1991 nach seiner Arbeit an Der König der Fischer an einer Verfilmung des Buches Der dunkle Schirm, welches auf den Drogenerfahrungen des Autors Philip K. Dick basiert.[2] Allerdings scheiterte das Projekt an dem fehlenden Einverständnis der Filmstudios. Ursprünglich plante Richard Linklater den Roman Ubik von Philip K. Dick zu verfilmen, entschied sich jedoch aufgrund eines Vorschlags von Wiley Wiggins, der die Hauptrolle in seinem ebenfalls in Comic-Optik erschienenen Film Waking Life spielte, für die Verfilmung des Romans Der dunkle Schirm.[2]
Der Film wurde in Austin und Elgin im US-Bundesstaat Texas sowie im kalifornischen Irvine gedreht.[3] Die Dreharbeiten begannen am 17. Mai 2004 und endeten am 9. Juni 2004.[4] Die Bilder wurden anschließend mit dem von Bob Sabiston entwickelten Programm Rotoshop, das das klassische Verfahren der Rotoskopie anwendet, digitalisiert. Anschließend wurde ähnlich dem Durchpausen über jedes Bild gezeichnet. Hierbei fiel die Entscheidung gegen ein pixel- und für ein vektorbasiertes Verfahren. Jeder Animator war einem Team von bis zu zehn Personen zugeordnet, welche jeweils ausschließlich für die Darstellung eines bestimmten Schauspielers zuständig waren. So konnte eine über die gesamte Dauer des Films gleichbleibende Darstellung gewährleistet werden.
Die Dreharbeiten wurden nach Aussage von Richard Linklater binnen 23 Tagen abgewickelt.[2] Für die Nachproduktion, die von der Animation dominiert wurde, wurden 18 Monate benötigt, wobei ursprünglich mit der halben Dauer von nur neun Monaten geplant worden war.[2] Nach der Beendigung der Arbeiten an der Romanverfilmung schenkten die Töchter von Philip K. Dick dem Regisseur Richard Linklater die persönliche Erstausgabe des Werkes Der dunkle Schirm ihres Vaters.[2]
Die Erstaufführung war bei den 59. Internationalen Filmfestspielen von Cannes am 25. Mai 2006.[5] In den USA wurde A Scanner Darkly am 7. Juli 2006 veröffentlicht, war allerdings anfänglich nur in ausgewählten Kinos zu sehen, bis er am 28. Juli 2006 seinen breiten Kinostart in den USA feierte.[5]
Die Premiere in Deutschland fand am 15. Juli 2006 auf dem Filmfest München statt. Der Film wurde noch auf einigen anderen Festivals gezeigt, darunter am 29. Juli 2006 beim Fantasy Filmfest in Nürnberg, war darüber hinaus jedoch nur im Rahmen der bundesweiten Filmtournee „ueber morgen“ von Aktion Mensch, Chaos Computer Club und Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung sowie in diversen nichtkommerziellen Kinos zu sehen.[5] Am 19. Oktober 2006 erfolgte die Filmpremiere in Österreich bei der Viennale.[5] Am 11. Mai 2007 veröffentlichte Warner den Film in Deutschland auf DVD.[5] Am 15. August 2007 erfolgte der Kinostart in Österreich.[5] In Deutschland war der Film am 26. Dezember 2009 erstmals im Free-TV auf RTL II zu sehen.[5]
Das Budget des Films wurde auf 8,5 Millionen US-Dollar geschätzt.[4] In den USA konnte der Film über 5,5 Millionen US-Dollar einspielen, davon gut 391.000 US-Dollar am Eröffnungswochenende.[4] Weltweit wurden über 7,6 Millionen US-Dollar eingenommen.[4]
Trivia
- Der Titel des Buches lehnt sich an eine Stelle aus dem 1. Korintherbrief an.[2]
“For now we see through a glass darkly; but then, face to face: now I know in part; but then I shall know even as I am known.”
„Jetzt schauen wir in einen Spiegel und sehen nur rätselhafte Umrisse, dann aber schauen wir von Angesicht zu Angesicht. Jetzt erkenne ich unvollkommen, dann aber werde ich durch und durch erkennen, so wie ich auch durch und durch erkannt worden bin.“
- Während der Szene, in der Robert Arctor auf den Beginn seiner Rede auf der Bühne der Brown Bear Lodge wartet, zeigt sein „Jedermann-Anzug“ das Gesicht des Autors Philip K. Dick – eine Anspielung auf den Roman, in dem es heißt, der Anzug zeige nach mehreren Millionen Permutationen auch das Abbild seines Schöpfers.[2]
- Als Hommage an die Band Uranium Savages, die die Zahl 709 als „geheime“ Zahl populär machte, vergab der Regisseur diese Zahl als Hausnummer des Appartements von Robert Arctor.[2]
- In Robert Arctors Küche ist ein Bild zu sehen, das neben einem Porträt den Schriftzug „Time to thaw Walt out!“ (dt. „Es ist Zeit Walt aufzutauen!“) enthält. Die ist eine Anspielung auf die moderne Sage, nach der sich der Animator Walt Disney mittels Kryonik habe einfrieren lassen.[2]
- Als Freck sich eine Flasche Wein kauft, ist auf einem Flaschenetikett die Aufschrift „St. Ubik“ zu lesen, eine Anspielung auf den Roman Ubik von Philip K. Dick.[2]
- Eine weitere Hommage an den Autor ist der Schriftzug „Phil D.“, der auf dem Kopfhörer der Frau im Überwachungsraum zu lesen ist, sowie der Markenname „Philip“ des Armband-Rechners, den Barris trägt.[2]
- Für die Szene, in der Freck einen erfolglosen Selbstmordversuch unternimmt, war geplant, eine 1976 von Philip K. Dick für den kalifornischen Radiosender KPFK-FM eingelesene Passage seines Buches zu verwenden. Da das Tonmaterial jedoch in zu schlechter Verfassung für die Verwendung im Film war, wurde der Text von Leif Anders erneut eingesprochen.[2]
- Die Szene, in der Barris erfolglos versucht, einen Schalldämpfer für seinen Revolver zu bauen, wurde in der Verfilmung Sherlock Holmes aufgegriffen, in der Robert Downey Jr. in der Titelrolle dasselbe Unterfangen erneut unternimmt.[2]
- In der Szene, in der Robert Arctor zum zweiten Mal einem medizinischen Test unterzogen wird, ist ein einem Laptop ähnelndes Gerät zu sehen, das mit dem Schriftzug „V K mk1“ versehen ist. Die Abkürzung „V K“ steht für „Voight Kampff“, einen Test, der dem Roman „Träumen Androiden von elektrischen Schafen?“ von Philip K. Dick entnommen ist.[2]
- Robert Downey Jr. notierte sich die meisten seiner Dialoge auf Klebezettel, die er am Filmset platzierte, um sie während der Dreharbeiten ablesen zu können. In der Postproduktion wurden diese Notizen digital entfernt[2], außer in dem Notizbuch, das er im Film der Polizei als Beweismittel überreicht.
- Der Verschwörungstheoretiker Alex Jones ist mit einem Cameo-Auftritt als Straßenprediger zu sehen.[2]
- Die Filmcrew sichtete 60 Häuser, bevor die Entscheidung für das im Film zu sehende Haus von Robert Arctor fiel.[2]
- Keanu Reeves und Winona Ryder spielten bereits 1992 in Bram Stoker’s Dracula ein Liebespaar.[2]
- Das Buch basiert auf Philip K. Dicks persönlichen Erfahrungen mit Drogen.
- Die roten Pillen, die als Substanz T bezeichnet werden und die Wahrnehmung der Realität verändern, sind eine Referenz an die roten Pillen, die Douglas Quaid im Film Die totale Erinnerung – Total Recall bekommt, welche den Protagonisten angeblich aus der vom Recall-Gedächtnisimplantat verursachten Wahrnehmung ziehen sollen.[2] Die rote Pille ist ein wiederkehrendes Thema in der Science-Fiction, sie befreit auch Neo aus der virtuellen Realität der Matrix.
Kritik
Das Lexikon des internationalen Films befindet: „Eine durch Technik und Besetzung gelungene Science-Fiction-Adaption, die die Vision einer düsteren Utopie entwirft und gerade durch ihren verstörenden Charakter überzeugende Genre-Unterhaltung bietet.“[7]
Duane Byrge kritisierte im Hollywood Reporter, der Film enthalte zu viele Dialoge.[8]
Michael Wilmington schrieb in der Chicago Tribune über die „dunklen“ Welten der Romane von Philip K. Dick. Er nannte den Film stilistisch „faszinierend“ und lobte die Darstellungen, besonders jene von Robert Downey Jr. und Woody Harrelson.[9]
Nominierungen und Auszeichnungen
2007 gewann der Film den Online Film Critics Society Award in der Kategorie Best Animation und der Regisseur Richard Linklater den Austin Film Award.[10] Im selben Jahr wurde er bei den Saturn Awards als Bester Animationsfilm, bei den Hugo Awards in der Kategorie Best Dramatic Presentation – Long Form und bei den Prism Awards in der Kategorie Feature Film – Limited Release nominiert.[10] Zudem erhielt Richard Linklater bei den Chlotrudis Awards eine Nominierung für das Best Adapted Screenplay, während Robert Downey Jr. als Bester Nebendarsteller nominiert wurde.[10]
Literatur
- Philip K. Dick: Der dunkle Schirm (Originaltitel: A Scanner Darkly). Deutsch von Karl-Ulrich Burgdorf, durchgesehen und überarbeitet von Alexander Martin. Mit einem Nachwort von Christian Gasser. Heyne, München 2003, 396 S., ISBN 3-453-87368-8
Weblinks
- Offizielle Webseite (englisch)
- A Scanner Darkly – Der dunkle Schirm in der Internet Movie Database (englisch)
- Infoseite zum Film (englisch) (Memento vom 15. Oktober 2012 im Internet Archive)
- warnerbros.com – Website zum Film (englisch)
- A Scanner Darkly – Der dunkle Schirm bei Rotten Tomatoes (englisch)
Einzelnachweise
- Im englischen Original, sowohl im Buch als auch in der Verfilmung, wird nur an wenigen Stellen „Substance D“ mit „Death“ (engl. „Tod“) gleichgesetzt.
»D« is dumbness, and despair, desertion-desertion of you from your friends, your friends from you, everyone from everyone. Isolation and loneliness … and hating and suspecting each other, »D« is finally death.
„»Substanz T«, »T«, »T« steht für Torheit und Trostlosigkeit und Trennung, die Distanz zwischen deinen Freunden und dir, zwischen dir und deinen Freunden, zwischen allen Menschen, für Isolation und Einsamkeit und Hass und Misstrauen gegeneinander. »T« ist letztendlich der Tod, der schleichende Tod vom Kopf abwärts.“
- Hintergrundinformationen laut Internet Movie Database
- Drehorte laut Internet Movie Database
- Budget und Einspielergebnisse laut Internet Movie Database
- Starttermine laut Internet Movie Database
- 1 Kor 13,12
- A Scanner Darkly – Der dunkle Schirm. In: Lexikon des internationalen Films. Filmdienst, abgerufen am 2. März 2017.
- Duane Byrge: Filmkritik. (Nicht mehr online verfügbar.) In: www.hollywoodreporter.com. Hollywood Reporter, 26. Mai 2006, ehemals im Original; abgerufen am 6. Juli 2013. (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven)
- Michael Wilmington: Movie review: 'A Scanner Darkly'. Tribune movie critic. (Nicht mehr online verfügbar.) In: metromix.chicagotribune.com. Chicago Tribune, archiviert vom Original am 30. Juni 2007; abgerufen am 6. Juli 2013 (englisch).
- Nominierungen und Auszeichnungen laut Internet Movie Database