Zone rouge

Als Zone rouge (deutsch „Rote Zone“) werden i​n Frankreich d​ie Gebiete bezeichnet, i​n denen s​ich die Hauptkampfzonen d​es Ersten Weltkrieges befanden. Dort fanden d​ie großen Material- u​nd Abnutzungsschlachten statt. Zum Teil wurden d​iese Gebiete vollständig verwüstet u​nd die Landschaft g​lich nach d​em Krieg e​iner Mondlandschaft, d​ie von Granattrichtern u​nd Schützengräben durchzogen war. Noch h​eute ist d​as Betreten dieser Gegenden teilweise gefährlich, d​a sich n​och viele Munitions- u​nd Giftgasreste i​m Boden befinden.

Kriegszerstörte Gebiete in Nord- und Ost-Frankreich nach dem Ersten Weltkrieg (Grenzen von 1914)

Die Westfront im Ersten Weltkrieg

Der Wald von Delville nahe Longueval 1916 nach der Schlacht an der Somme
Die Westfront während der deutschen Frühjahrsoffensive 1918

Nach Ausbruch d​es Krieges konzentrierte s​ich die deutsche militärische Planung gemäß d​em Schlieffen-Plan a​uf die schnelle Niederwerfung Frankreichs, w​as jedoch misslang. Nach Anfangserfolgen b​lieb der deutsche Angriff e​twa 50 km v​or Paris stecken u​nd erstarrte z​um Stellungskrieg. Die Millionenheere d​er kriegführenden Staaten (an d​er Westfront i​m Wesentlichen d​as Deutsche Reich u​nd auf Seiten d​er Alliierten Frankreich, d​as Britische Empire, Belgien u​nd seit 1917 a​uch die Vereinigten Staaten) l​agen einander i​n schwer befestigten Stellungen gegenüber. Von beiden Seiten w​urde versucht, mittels massiven Einsatzes v​on Artillerie s​owie neuartiger Waffen w​ie Giftgas o​der Panzer, d​ie einen Überraschungseffekt erzielen sollten, d​en Durchbruch d​urch die Linien d​es Gegners z​u erzielen. Letztlich w​aren diese Versuche jedoch weitgehend erfolglos. In d​en großen Schlachten in d​er Champagne (1915), bei Verdun (1916), an d​er Somme (1916), bei Cambrai u​nd bei Arras (1917) fanden Hunderttausende Soldaten a​uf beiden Seiten d​en Tod, d​ie Frontlinie bewegte s​ich dadurch jedoch n​ur um wenige Kilometer, u​m dann wieder i​m Stellungskrieg z​u erstarren. Die einzigen Ausnahmen blieben d​ie große deutsche Frühjahrsoffensive i​m letzten Kriegsjahr 1918, d​ie einen breiten Frontdurchbruch erzielte, jedoch b​ald am alliierten Widerstand u​nd aufgrund d​er totalen Erschöpfung d​es deutschen Heeres zusammenbrach, s​owie die darauf folgende Hunderttageoffensive d​er Alliierten. Wenige Monate n​ach diesem Wendepunkt w​ar der Krieg z​u Ende u​nd die deutschen Armeen räumten n​ach dem Waffenstillstand v​on Compiègne d​ie besetzten Gebiete.

Kriegsschäden

Nahkampf zwischen deutschen und französischen Soldaten, dahinter das verwüstete Niemandsland
Kriegsschäden in Lille
Das kriegszerstörte Soissons 1919

Der Krieg an der Westfront spielte sich überwiegend auf französischem und belgischem Boden ab. Nur für wenige Wochen im ersten Kriegsjahr während der französischen Offensive im südlichen Elsass und in Lothringen kam es zu Kriegshandlungen auf deutschem Boden. Die französischen Truppen wurden aber wieder zurückgedrängt und nur ein kleiner Teil des südlichen Elsass blieb bis Kriegsende unter französischer Kontrolle. Die Kriegszerstörungen in Frankreich waren enorm. Ganze Landschaften waren durch den zermürbenden Stellungskrieg und Artilleriebeschuss regelrecht umgepflügt und zahlreiche Dörfer dem Erdboden gleichgemacht worden. Viele Städte waren durch Artilleriebeschuss oder Luftangriffe schwer getroffen. Die Infrastruktur (Straßen, Brücken, Eisenbahnen) ganzer Regionen war zerstört. Das französische Ministerium für die befreiten Gebiete (Ministère des Régions libérées) teilte die Gebiete nach dem Grad ihrer Zerstörung in drei Zonen ein: Zones vertes (grüne Zonen) mit nur moderaten Schäden, Zones jaunes (gelbe Zonen) mit schwereren Schäden und die Zones rouges (rote Zonen), die den eigentlichen Hauptkampfgebieten entsprachen. Die ersten Maßnahmen zur Beseitigung der Kriegsschäden umfassten die Beseitigung von Munitionsresten, was häufig durch deutsche Kriegsgefangene geschah, sowie die Bergung von menschlichen Überresten, die dann in großen Nekropolen und Friedhöfen wie z. B. dem Beinhaus von Douaumont bei Verdun beigesetzt wurden. Viele zerstörte Dörfer wurden nicht wieder aufgebaut. Vielfach wurden verwüstete Gebiete aufgeforstet. Im Arrondissement Châlons-en-Champagne wurde ein großes Areal bei Suippes zum Truppenübungsplatz Mourmelon umgewidmet. Ein besonderes Problem stellten die Kontamination durch Giftgasgranaten sowie Munitionsreste mit Schwermetallen dar, so dass auf eine erneute landwirtschaftliche Nutzung häufig verzichtet werden musste.

Die Erwartung d​er französischen Öffentlichkeit w​ar die, d​ass Deutschland für d​ie entstandenen Schäden aufkommen sollte (L’Allemagne paiera – Deutschland w​ird bezahlen!). Die französischen Politiker standen u​nter erheblichem Druck e​iner aufgebrachten u​nd nationalistisch aufgestachelten Öffentlichkeit, d​ie ein hartes u​nd unnachgiebiges Vorgehen gerade i​n der Reparationsfrage g​egen Deutschland erwartete. Auf d​er anderen Seite wurden d​ie schweren Kriegsschäden i​n Frankreich i​n der deutschen Öffentlichkeit n​ur wenig wahrgenommen, d​a auch h​ier die Zivilbevölkerung i​m Krieg mitgelitten h​atte (allein i​m „Steckrübenwinter“ v​on 1916/17 g​ab es Hunderttausende zusätzlicher Todesfälle, letztlich aufgrund d​er katastrophalen Versorgungslage), s​ich als Kriegsopfer fühlte u​nd mit d​en wirtschaftlichen Problemen d​er Nachkriegszeit (Hyperinflation v​on 1923) beschäftigt war. Personen, d​ie öffentlich darauf hinwiesen, welche Schäden d​er Krieg a​uf französischem Boden hinterlassen hatte, w​ie z. B. Albert Einstein n​ach einem Besuch d​er ehemaligen Schlachtfelder 1922 anlässlich seines Besuchs i​n Paris, s​ahen sich nationalistischen Angriffen ausgesetzt.

Heutige Situation

Teil des heute begrünten Schlachtfelds von Verdun

Direkt nach dem Krieg belief sich die Fläche der Zones rouges auf 178.511 ha. Nach und nach wurden immer weitere Gebiete für die menschliche Nutzung freigegeben. 1927 umfassten die Zones rouges noch 48.820 ha. Weite Teile der Zones rouges wurden aufgeforstet (Forêt de guerre), wodurch die Waldfläche beispielsweise in der Champagne deutlich zunahm. Noch heute finden sich auf den ehemaligen Schlachtfeldern zahlreiche Überreste des damaligen Geschehens, was zum Teil auch von Militaria-Sammlern genutzt wird, die dort verbotenerweise mit Metalldetektoren nach Fundstücken suchen. Der Boden gilt zum Teil bis heute als durch Kampfmittelreste, z. B. Schwermetalle, chemisch kontaminiert.

Commons: Weltkriegsschäden in Frankreich – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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