Zirkarie
Zirkarie bezeichnet einen Visitations- und Verwaltungsbezirk im Prämonstratenserorden. Sie ist vergleichbar mit der Ordensprovinz in anderen Orden. Dies gilt allerdings bedingt, denn die Zirkarie besitzt keinen eigenen körperschaftlichen Charakter.
Geschichte
In den letzten Jahrzehnten des 12. Jahrhunderts wurden zwischen dem Generalkapitel und den Klöstern, und neben der Filiation zwischen Mutter- und Tochterklöstern, die bereits seit etwa der Mitte des Jahrhunderts geforderten Zirkarien eingeführt. Dabei handelte es sich um Visitationsbezirke ohne eigenen körperschaftlichen Charakter. Die Zirkarien waren somit nach den Provinzen der geistlichen Ritterorden die frühesten regionalen Unterteilungen im geistlichen Ordenswesen. Die Grundlage für dieses neue Organisationssystem war wahrscheinlich das ordensinterne doppelte Visitationssystem.[3] An der Spitze jeder Zirkarie standen zwei (später nur noch einer) vom Generalkapitel bestimmte „Visitatoren“ oder „Zirkatoren Capituli“, die die Klöster des Bezirks visitierten und ihre Autorität vom Generalkapitel ableiteten.[4] Mit den Zirkarien schufen sich die Prämonstratenser eine von den bischöflichen Diözesanstrukturen unabhängige Verwaltungsstruktur. Innerhalb der Zirkarien bildeten sich bald eigene Provinzialkapitel, die zunächst von Prémontré unterdrückt, dann aber doch zugelassen wurden, um im beginnenden Kampf um die Exemtion eine starke und sachnahe Institution verfügbar zu haben.[5] Ab dem Spätmittelalter ernannte der Generalabt des Ordens in jeder Zirkarie einen Vikar; diesem oblagen die Leitung der Ordensprovinz und die Einberufung und der Vorsitz der allerdings nur sporadisch durchgeführten Provinzialkapitel.[6]
In Mitteleuropa gab es seit dem 13. Jahrhundert diverse Zirkarien mit rund 300 Stiften, darunter: Burgund, Bayern, Böhmen, Friesland, Ilfeld am Harz, Lothringen, Schwaben, Sachsen, Wadgassen und Westfalen.[7][8] Westfalen war mit 48 Häusern im Mittelalter eine der größten Zirkarien des gesamten Ordens. Im 17. Jahrhundert wurden die Reste der Zirkarien Wadgassen und Ilfeld mit Westfalen vereinigt.[9] Die österreichischen Klöster gehörten teils zur bayrischen und teils zur böhmischen Zirkarie. Eigene Zirkarien bestanden in Skandinavien, Irland, Ungarn, Spanien und dem Orient. Frankreich, England, Polen und die Niederlande waren jeweils in mehrere Zirkarien unterteilt. Die Leitung der schwäbischen Zirkarie lag lange Zeit in den Händen des Abts von Rot an der Rot.[3] Die Zirkarien von Bayern und Schwaben waren eng miteinander verbunden; laut den Annales Praemonstratensis (Nancy 1734) des 1739 gestorbenen Abts Charles Louis Hugo von Prémontré soll in den 1730er Jahren sogar eine gemeinsame „Circaria Sueviae et Bavariae“ bestanden haben.[3]
Mit den neuen Konstitutionen von 1970 wurden statt geografischer Zirkarien solche nach Sprachgruppen eingeführt: eine französisch-, eine niederländisch-, eine englisch- und eine deutschsprachige Zirkarie. Die alten Zirkarien Böhmen und Ungarn blieben bestehen.[10]
Heutige Gliederung der Zirkarien
Böhmische Zirkarie
- Abtei Jasov, Slowakei
- Abtei Nová Říše, Tschechien
- Abtei Strahov, Tschechien
- Kloster Holíč, Slowakei
- Kloster Milevsko, Tschechien
- Stift Tepl, Tschechien
- Abtei Želiv, Tschechien
Brabanter Zirkarie
Sie umfasst die niederländischsprachigen Abteien in den Niederlanden und Belgien, sowie deren abhängige Häuser.
- Abtei Averbode, Belgien
- Brasschaat, Belgien
- Vejle, Dänemark
- Abtei Berne, Niederlande
- De Essenburgh, Niederlande
- Tilburg De Schans, Niederlande
- Chicuayante, Chile
- Abtei Grimbergen, Belgien
- Kommetjie, Südafrika
- Abtei Park, Belgien
- Contagem, Brasilien
- Abtei Postel, Belgien
- Abtei Tongerlo, Belgien
- Aketi, Congo
- Lolo und Titule, Congo
- Zobia, Congo
- Rancagua-Requinoa, Chile
- Prämonstratenserinnenkloster Mariengaard, Niederlande
- Prämonstratenserinnenkloster Sint-Catharinadal zu Oosterhout, Niederlande
- Prämonstratenserinnenkloster Immaculata zu Veerle-Laakdal, Belgien
Deutschsprachige Zirkarie
- Stift Geras, Österreich
- Abtei Hamborn, Deutschland
- Stift Schlägl, Österreich
- Abtei Speinshart, Deutschland
- Stift Wilten, Österreich
- Abtei Windberg, Deutschland
- Kloster Roggenburg, Deutschland
- Prämonstratenserinnenkloster Berg Sion, Schweiz
- Prämonstratenserinnenkloster Rot an der Rot/Aulendorf, Deutschland
Englischsprachige Zirkarie
- Albuquerque, Santa Maria De La Vid, USA
- Daylesford, USA
- De Pere, St. Norbert Abbey, USA
- Jamtara, Indien
- Kilnacrott, Irland
- Mananthavady (ehemals Stift Tepl-Obermedlingen), Indien
- Chelmsford, Großbritannien
- Middletown (Bayview), USA
- Orange, USA
- San Pedro, USA
- Prämonstratenserinnenkloster Tehachapi, USA
- Queens Park, Australien
- Storrington, Großbritannien
Französischsprachige Zirkarie
- Abtei Frigolet, Frankreich
- Leffe, Belgien
- Abtei Mondaye, Frankreich
- St. Constant, Kanada
Italienischsprachige Zirkarie
- Abtei Sant’Antimo, Italien
Portugiesischsprachige Zirkarie
- Itinga-Bahia, Brasilien
- Jaú, Brasilien
- Pirapora, Brasilien
- Montes Claros, Brasilien
- Piracicaba, Brasilien
- São Paulo, Brasilien
Außerhalb einer Zirkarie
Kanonien ohne Zugehörigkeit
Prämonstratenserinnenklöster unter bischöflicher Aufsicht
- Imbramowice, Polen
- Krakau (Zwierniec), Polen
- Doksany, Tschechien
- Svatý Kopeček, Tschechien
- Banská Bystrica, Slowakei
- Bratislava, Slowakei
- Humpolec, Tschechien
- Nitra Hrad, Slowakei
- Piešt’any, Slowakei
- Trnava, Slowakei
- Vráble, Slowakei
- Vrbové, Slowakei
- Olomouc, Tschechien
- Toro, Spanien
- Villoria de Orbigo, Spanien
Literatur
- Norbert Backmund: Die Entwicklung der deutschen Prämonstratenserzirkarien. In: Zeitschrift für Kirchengeschichte. Heft 95. 1984, S. 215–222.
- Norbert Backmund: Die letzten Jahre der Bayrischen Zirkarie. In: Analecta Praemonstratensia 50. 1974, S. 112–118.
- Otto Beck: Die Schwäbische Zirkarie der Prämonstratenser. In: Bad Schussenried. Geschichte einer oberschwäbischen Klosterstadt. 1983, S. 9–28.
- Irene Crusius, Helmut Flachenecker (Hg.): Studien zum Prämonstratenserorden (= Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte. Band 185), Studien zur Germania sacra. Band 25, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2003, ISBN 3-525-35183-6.
- Burkhard Gehle: Die Prämonstratenser in Köln und Dünnwald: Eine Würdigung ihres Wirkens im Rahmen der Rechtsentwicklung vom hohen Mittelalter bis in die Neuzeit. B.R. Grüner, Amsterdam 1978, ISBN 9060321065, ISBN 9789060321065.
- Ingrid Kessler: Entstehung und Entwicklung der westfälischen Zirkarie im Mittelalter. In: Analecta Praemonstratensia 81. 2005, S. 35–63.
- Hellmut Müller: Statuten des Prämonstratenserordens in der sächsischen Zirkarie Magdeburg, 6. Juni 1424. In: Lapidarium Jerichowense: Kloster, Backsteinbau, Stadtgeschichte. Band 1. 2002, S. 11–37.
- Tore Nyberg: Die skandinavische Zirkarie der Prämonstratenserchorherren. In: Gert Melville (Hg.): Secundum regulam vivere. Festschrift für P. Norbert Backmund O.Praem. Windberg 1978, S. 265.
- Theologische Realenzyklopädie. Band 27: Politik, Politologie – Publizistik, Presse. de Gruyter, Berlin 1997, ISBN 3110154358, ISBN 9783110154351.
Weblinks
- Prämonstratenserorden (englisch)
- Eintrag zu Zirkarie auf Orden online
- Theologische Realenzyklopädie, bei Google Books
- Burkhard Gehle: Die Prämonstratenser in Köln und Dünnwald; bei Google Books
- AHF-Information Nr. 23 vom 19. März 2002: Die Prämonstratenser im deutschen Südwesten. Studientagung, ausgerichtet vom Geschichtsverein der Diözese Rottenburg-Stuttgart, dem Max-Planck-Institut für Geschichte, Germania Sacra und der Akademie der Diözese Rottenburg-Stuttgart vom 12. bis 16. September 2001 in Weingarten (Memento vom 27. Oktober 2014 im Internet Archive) (PDF; 97 kB)
Einzelnachweise
- Christian Gahlbeck, Wolfgang Schößler: Brandenburg/Havel. Prämonstratenser-Domkapitel St. Peter und Paul. In: Heinz-Dieter Heimann, Klaus Neitmann, Winfried Schich und Weitere (Hrsg.): Brandenburgisches Klosterbuch. Handbuch der Klöster, Stifte und Kommenden bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Band I. 2 Bände, Be.Bra Wissenschaft Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-937233-26-0, 3. Verfassungsordnung. 3.1 Stellung im Orden, S. 235–236.
- Clemens Bergstedt, Christian Popp: Havelberg. Prämonstratenser-Domkapitel. In: Heinz-Dieter Heimann, Klaus Neitmann, Winfried Schich und Weitere (Hrsg.): Brandenburgisches Klosterbuch. Handbuch der Klöster, Stifte und Kommenden bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts. Band I. 2 Bände, Be.Bra Wissenschaft Verlag, Berlin 2007, ISBN 978-3-937233-26-0, 3. Verfassungsordnung. 3.1 Stellung im Orden, S. 576.
- Die Prämonstratenser im deutschen Südwesten, 2002. (Memento vom 27. Oktober 2014 im Internet Archive) (PDF; 97 kB)
- Gehle, S. 63–64.
- Gehle, S. 64.
- Theologische Realenzyklopädie, S. 169.
- Otto Beck, S. 9–28
- vergl. Johannes A. Mol: Beziehungen zwischen den Zirkarien Friesland und Westfalen im Mittelalter. In: Analecta Praemonstratensia, 81/2005, S. 128–153 Digitalisat (PDF; 10,3 MB)
- Ludger Horstkötter: Die Prämonstratenser in Westfalen. In: Magdalena Padberg (Hrsg.): Kloster Oelinghausen. Arnsberg 1986, S. 14
- http://www.orden-online.de/wissen/z/zirkarie/