Wulf Köpke (Ethnologe)
Wulf-Dietrich Köpke (* 1952 in Düsseldorf) ist ein deutscher Ethnologe.
Leben
Studium
Ab 1971 studierte Wulf Köpke am Institut für Ethnologie der Freien Universität Berlin (FU) bei Wolfgang Rudolph, sowie Musikethnologie, Altamerikanistik, Südosteuropäische Geschichte und Niederländisch. 1984 schloss er das Studium mit einer Promotion zum Dr. Phil. ab.
Freiberuflicher Werdegang
Von 1973 bis 1976 Werkstudent in der Abt. Europa des Museums für Völkerkunde Berlin, heute Ethnologisches Museum Berlin SPK, 1976–1984 Freier Mitarbeiter im Bereich Museumspädagogik im Museum für Völkerkunde und im Museum für Deutsche Volkskunde Berlin, heute Museum Europäischer Kulturen MEK. Er hielt Seminare zu den Themen „Dritte Welt“ und „Entwicklungshilfe“ in der Erwachsenenbildung, machte Kulturarbeit mit Migrantengruppen in Zusammenarbeit mit der AWO. Ihm oblag die wissenschaftliche Bearbeitung der ethnographischen Sammlungen der Gipsformerei der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz Berlin.
Museum für Völkerkunde Berlin SMPK
1985/1986 arbeitete Wulf Köpke als wissenschaftlicher Volontär in der Abteilung Südasien. In dieser Zeit führte er eine mehrmonatige Forschungs- und Sammelreise in Südindien durch. Ende 1986 übernahm er die Leitung der Europaabteilung. Diese kleinste Abteilung des Museums verfügte über keine eigene Ausstellungsfläche. Köpke baute daher die Sammlung zu einer auch konservatorisch angemessenen Schausammlung aus, die zumindest Führungen möglich machte. Wulf Köpke legte der Generaldirektion der Stiftung Preußischer Kulturbesitz erste Pläne vor, die letztlich zur Gründung des heutigen Museums Europäischer Kulturen führten.
Ausstellungen (Auswahl)
1989: „Europa der Völker. Einheit in der Vielfalt“
Erwerbungen
Wulf Köpke erweiterte die Sammlung von ca. 30.000 auf ca. 38.000 Objekte, insbesondere durch mehrere Sammel- und Forschungsreisen in Portugal gemeinsam mit Ernesto Veiga de Oliveira und Benjamim Pereira. Wichtig war auch die Schenkung eines Teils der Schwedensammlung des Ehepaars Marianne und Peter Reinicke und der Erwerb eines 8.000 l fassenden Weingefäßes aus Ton, einer „tinaja“, aus Spanien.
Museum für Völkerkunde Hamburg
Im April 1992 übernahm Wulf Köpke die Leitung des Museums für Völkerkunde Hamburg, heute Museum am Rothenbaum.
Das Museum litt unter einer jahrzehntelangen Vernachlässigung durch Hamburger Behörden, was schwere Gebäudeschäden zur Folge hatte, Überschwemmungen in den Kellermagazinen und undichte Dächer. Hinzu kam die völlig unzureichende Unterbringung der Objekte, ein katastrophaler Platzmangel und eine sich über ein Jahrzehnt hinziehende Asbestsanierung, die weite Teile des Hauses unzugänglich machte. Mit nachhaltiger Unterstützung durch die amtierende Kultursenatorin Christina Weiss gelang es, das Gebäude komplett zu renovieren, die Magazinflächen zu erweitern und das Asbestproblem zu lösen.
Überführung des staatlichen Museums für Völkerkunde in eine Stiftung des öffentlichen Rechts
Wulf Köpke begleitete gemeinsam mit Gernot Krankenhagen (Direktor des Hamburger Museums der Arbeit) ab 1996 aktiv die Überlegungen des Hamburger Senats zur Umwandlung der Staatlichen Museen in Stiftungen öffentlichen Rechts. Bei der erfolgten Umwandlung der Museen in Stiftungen war er ab 1999 der erste Direktor der Stiftung Museum für Völkerkunde.
Ausstellungen seit 1992 (Auswahl)
Im Zuge der Renovierungsmaßnahmen, die sich über mehr als anderthalb Jahrzehnte erstreckten, wurden zehntausende von Objekten in der Ausstellungsreihe Der innere Reichtum des Museums zum ersten Mal (oft seit 100 Jahren) der Öffentlichkeit präsentiert. Allerdings erzwang der erschwerte Zugang zu den Objekten eine weitgehende Beschränkungen auf Ausstellungen mit regionalen Schwerpunkten, übergreifende Themen konnten weniger realisiert werden. Trotz aller Schwierigkeiten konnten von 1992 bis 2015 fast 200 Ausstellungen gezeigt werden.
- 1992/93: „Afrika in Amerika“
- 1993: „Aus der Hölle ins Ungewisse – Flüchtlinge aus Bosnien.“ Fotoausstellung von Flüchtlingen und über Flüchtlinge aus Bosnien
- 1993: „Wie Blumen in der Wüste... Die Kultur der nomadischen Turkmenenstämme Zentralasiens“
- 1994/1995: „Gemaltes Land. Kunst der Aborigines aus Arnhemland/ Australien.“ In Zusammenarbeit mit dem Linden-Museum, Stuttgart
- 1995: „Bemalte Häuser Bemalte Körper. Frauenkunst aus Westafrika.“ Podai-Körper- und Hausmalerei der Loma/Guinea-Conakry
- 1995: „Der Stamm der weißen Krieger.“ Bilder des Fotografen Ralf Schmerberg
- 1996: „Verborgene Schätze. Neues, Kostbares und Besonderes aus den eigenen Sammlungen“
- 1996/1997: „Indianer der Plains und Prärien“
- 1998: „Türkei – Die Unbekannte. 75 Jahre türkische Republik“
- Ab 1999: „Das gemeinsame Haus Europa.“ Dauerausstellung zur europäischen Kulturgeschichte
- 2000: „Gegen-Stände. Der innere Reichtum des Museums“
- 2000/2001: „Japan. Der innere Reichtum des Museums“
- „Japan – Schatzsuche im Museum.“ Eine Ausstellung für Kinder
- 2001/2002: „Hexenwelten. Der magische Reichtum des Museums“
- Ab 2002: Einführungsausstellung. „Ein Dach für alle Kulturen“
- 2003/2004: „Hamburg : Südsee. Expedition ins Paradies“
- 2004: „Aldeia da Luz – Num território em mudança renasce uma aldeia. Ein Dorf zieht um. Wasser und Leben in Südportugal“
- 2006: „Befreit und selbstbewusst. Brasiliens ‚Modernismo‘ im frühen 20. Jahrhundert“
- 2006: „Faszination Fußball“
- 2007: „Schätze des tibetischen Buddhismus“
- 2010: Einweihung des Balinesischen Tempels Pura Sangga Bhuwana vor dem Museum.
- 2010: „Herz der Maya“
- 2010/2011: „Himmel aus Gold. Indianischer Barock aus Gold“
- 2011/2012: „Afrikaner in Hamburg. Eine Begegnung mit kultureller Vielfalt“
- 2012: Das Haus Rauru[1] Meisterwerk der Maori (Dauerausstellung)
- 2013/2014:„ Tscherkessen – Vom Kaukasus in alle Welt verweht. Ein legendäres Volk neu entdecken. Eine Ausstellung zum 150. Jahrestag des Völkermordes an den kaukasischen Völkern“
- 2014: „Portugiesische Geschichten. 50 Jahre Portugiesische Migration in Hamburg“
- 2015/2016: „Africa’s Top Models“
Institut für Transkulturelle Kompetenz (ITK) an der Akademie der Polizei Hamburg
2016 gründete er an der Akademie der Polizei Hamburg das Institut für Transkulturelle Kompetenz (ITK), das er bis 2020 leitete. Köpke gilt als Spezialist für migrantische Communities in Deutschland.
Lehre
Seit 1996 führte Wulf Köpke, vermittelt durch die damalige Kultursenatorin Christina Weiss, interkulturelle Seminare für die Hamburger Polizei durch. Angesichts der gestiegenen Zahl von Geflüchteten bat ihn die Polizei 2015, vollständig in ihren Dienst zu wechseln. Gemeinsam mit Thomas Model, dem Leiter der Akademie der Polizei Hamburg, gründete Wulf Köpke im selben Jahr das Institut für Transkulturelle Kompetenz an der Akademie der Polizei (ITK). Anfang 2016 wechselte er dann vollständig an die Akademie.
Ziel des Instituts ist es, das Verhältnis zwischen Polizisten und Migranten kontinuierlich zu verbessern. Es hat dabei einen in der deutschen Polizei völlig neuen Ansatz gewählt. In unserer multiethnischen und mittlerweile tendenziell multilingualen Gesellschaft ist gerade für Polizeibeamten eine große Sensibilität für kulturelle Differenzen sehr wichtig. Sie muss regelmäßig trainiert werden. Das darf aber nicht als Bürde noch „obendrauf“ kommen, sondern muss möglichst selbstverständlich in ihre alltägliche Lebenswirklichkeit integriert werden. Ziel war eine Stärkung der sozialen und transkulturellen Kompetenz der Polizei, also eine Art positiver Affirmation. In der Zeit von 2015 bis 2020 konnten ca. 7.500 Polizisten in Hamburg, aber z. T. auch in Mecklenburg-Vorpommern und in Schleswig-Holstein mit Kursen zur Stärkung der Transkulturellen Kompetenz erreicht werden.
Arbeit mit Geflüchteten
2015/2016 waren Jahre, in denen eine überdurchschnittlich starke Zuwanderung von Migranten nach Europa und damit auch nach Hamburg zu verzeichnen war. Viele Geflüchtete kamen mit traumatischen Polizeierfahrungen an und übertrugen diese Erfahrungen nicht selten auf die deutsche Polizei. Diese wusste oft nicht, wie sie mit dieser abwehrenden und in ihren Augen grundlos feindseligen Haltung umgehen sollte. Im Februar 2016 beauftragten daher der Staatsrat der Innenbehörde Hamburg, Bernd Krösser, und der Polizeipräsident Ralf Martin Meyer das ITK damit, eine Strategie zu entwickeln, mit deren Hilfe das Verhältnis zwischen Polizei und Geflüchteten verbessert werden könnte.
Das ITK griff bei der Entwicklung eines Konzeptes auf die in der Jugendsozialarbeit bereits seit langem bewährte „Peer-to-Peer“-Methode zurück. Für deren Umsetzung konnte sich das ITK auf Kräfte mit Migrationshintergrund stützen. Schließlich wurde mit Hilfe von ca. 50 Muttersprachlern Unterricht in bis zu 15 Sprachen für Menschen aus den Hauptfluchtländern durchgeführt. Den Geflüchteten wurde durch das Beispiel von in Deutschland erfolgreichen Migranten ein Impuls gegeben, dass und wie sie in Deutschland Erfolg haben können. Die Dozenten erklärten ihnen in ihrer jeweiligen Muttersprache, wie die deutsche Gesellschaft funktioniert und die Geflüchteten konnten über ihre Probleme sprechen, die sie damit hatten, sich in ihrer neuen Umgebung zurechtzufinden. Dieser strikt muttersprachliche Ansatz stieß zunächst bei der Sozialbehörde auf große Skepsis, erwies sich aber als außerordentlich erfolgreich, wie verschiedene Evaluierungen zeigten. Von 2016 bis zum Abschluss des Projektes 2020 konnten etwa 9.500 Geflüchtete unterrichtet werden.
Feldforschung (Auswahl)
- 1972–2016: (insgesamt 17 Monate) in Portugal: Untersuchungen zur dörflichen Kultur, Migrationsgeschichte
- 1972–1997: (insgesamt 15 Monate) in Spanien: Traditionelle Töpferei
- 1975: (sechs Monate) in der Türkei: Studien zum dörflichen Handwerk
- 1986, 2007: (vier Monate) in Indien: Städtische Alltagskultur und traditionelles Handwerk in Tamil Nadu und im südlichen Andra Pradesh
- 2010–2015: (3 Monate) in Kabardino-Balkarien (Russ. Föderation): Völkermord an den Tscherkessen und die heutige Kultur der Tscherkessen
- 2010–2015: (10 Monate) „Afrikaner in Hamburg“
- 2013/2014: (2 Monate) Aktuelle Kultur der Te Arawa-Maori/Neuseeland
Daneben ab 1992 bis 2015 zahlreiche kleinere Feldstudien zur Kultur verschiedener Migrantengruppen in Hamburg und Norddeutschland (v. a. Abchasen, Bosnier, Brasilianer, Ecuadorianer, Guatemalteken, Inder, Indonesier, Japaner, Koreaner, Mexikaner, Portugiesen, Schweden, Senegalesische Sufis, Tibeter, Tunesier und Türken).
Mitgliedschaften (Auswahl)
- Gründungsmitglied der EEMDG (European Museums Director’s Group)
- Gründungsmitglied des Vereins südostEuropa Kultur e. V. Berlin
- Pazifik Netzwerk
Konsul der Republik Palau
Seit 2018 ist Wulf Köpke Honorarkonsul für den pazifischen Inselstaat Palau. Sein Zuständigkeitsbereich umfasst ganz Deutschland.
Tätigkeiten nach 2020
Seit seiner Pensionierung Mitte 2020 ist Wulf Köpke mit dem Publizieren seiner Forschungsergebnisse beschäftigt. Außerdem arbeitet er den künstlerischen Nachlass seines Vaters E. O. Köpke auf und bereitet eine große Internet-Ausstellung von dessen gesamtem malerischen Œuvre vor.
Schriften (Auswahl)
- als Herausgeber:
- Themenschwerpunkte. Ethnographie Afrikas, ethnographische Photographie. Festschrift für Jürgen Zwernemann zum 65. Geburtstag. Bonn 1999, ISBN 3-86097-460-2.
- mit Bernd Schmelz: Fiesta Latina. Lateinamerikanische Feste und Festbräuche. Bonn 2002, ISBN 3-89144-338-2.
- mit Bernd Schmelz: Herausgabe der Mitteilungen aus dem Museum für Völkerkunde. Neue Folge, Bd. 24–48.
- Töpfereiforschung:
- 1974: Frauentöpferei in Spanien. In: Baessler-Archiv. N.F. Bd. 22, S. 335–441. Berlin
- 1986: Origine, funzione e diffusione di un tipo di fornace pugliese. In: R. Jurlaro (Hrsg.): La ceramica in Puglia. S. 221–252.
- 1986: Südasien. In: A. Kelâmi (Hrsg.): Art & Andrology. Berlin, II, S. 61–83.
- 1986: Töpfer, Ton und Teufel – Über Religion und Magie der spanischen Töpfer. In: Tribus. Bd. 35, Stuttgart, S. 41–55.
- 1991: Töpferöfen und Brand in den traditionellen Töpfereien Spaniens, Portugals und Italiens. In: Rüdiger Vossen / Hartwig Lüdtke(Hrsg.): Töpfereiforschung – Archäologisch, Ethnologisch, Volkskundlich. Bonn 1985, ISBN 3-7749-2142-3, S. 273–289.
- 1991: Religion und Magie in der Töpferei des westlichen Mittelmeergebietes. Ebda. S. 499–524
- 1996: Formungstechniken in der indischen Töpferei. In: Hartwig Lüdtke, Rüdiger Vossen (Hrsg.): Töpferei und Keramikforschung. Bd. III (Töpfereiforschung zwischen Mittelmeer und Skandinavien. Beiträge des Internationalen Kolloquiums 1990 in Hamburg). Bonn, S. 273–288.
- Allgemeine ethnologische Feldforschung
- Museumskundliche Themen
- Transkulturelle Kompetenz/Migrationsforschung
- 1995: Verständigung zwischen den Kulturen. Ethnologische Praxis im Hamburgischen Museum für Völkerkunde. In: Gerd Becker, Peter Karrer (Hrsg.): Fremdsein – hierzulande und anderswo. Ethnologische Perspektiven. Hamburg, S. 219–226.
- 2011: Der Entstehungsprozess aus der Sicht verschiedener beteiligter Institutionen. In: Wulf Köpke, Regina Schäfer, Jörn Serbser, Siegfried Weischenberg (Hrsg.): (Hrsg.) Afrikaner in Hamburg. Eine Begegnung mit kultureller Vielfalt. Dokumentation zur Ausstellung. Hamburg, S. 13.
- 2011: Vertrauen schaffen und erhalten. Der Beginn der Zusammenarbeit mit den afrikanischen Partnern. In: Wulf Köpke, Regina Schäfer, Jörn Serbser, Siegfried Weischenberg (Hrsg.): Afrikaner in Hamburg. Eine Begegnung mit kultureller Vielfalt. Dokumentation zur Ausstellung. Hamburg. S. 17–21.
- 2017 Innovative Formen polizeilicher Arbeit mit Migranten. In: Hans-Jürgen Kerner, Erich Marks (Hrsg.): Internetdokumentation des Deutschen Präventionstages. Hannover 2017, https://www.praeventionstag.de/dokumentation/download.cms?id=2614&datei=15-Koepke-2614.pdf
- 2017: „Und, was nützt uns das in der Praxis?“ Transkulturelles Arbeiten als Ethnologe bei der Polizei Hamburg. In: Bosch, Alexander; Grutzpalk, Jonas; Müller, Thomas Georg (Hrsg.): Interkulturelle Kompetenz für die Polizei – die Perspektiven von Politik, Polizei, Minderheiten und Lehre. Reihe: Polizei. Wissen. Themen polizeilicher Bildung. Verlag für Polizeiwissenschaft, Bielefeld, S. 31–34.
- 2018: Innovative Formen polizeilicher Arbeit mit Migranten. Das Hamburger Flüchtlingsprojekt „Vermittlung von Werten und Kriterien für sozialen und beruflichen Erfolg in Deutschland“, S. 341–349. In: Prävention & Integration. Ausgewählte Beiträge des 22. Deutschen Präventionstages 2017. Herausgegeben von Erich Marks und Helmut Fünfsinn
- 2020: Das Institut für Transkulturelle Kompetenz. Ein innovativer Ansatz Hamburger Polizeiarbeit. Bd. 1–3. Hamburg. ISBN 978-3-9822192-0-2
Literatur
- Warum ist ein Museum für Völkerkunde wichtig für Hamburg? Was wird von einem Völkerkundemuseum in Hamburg erwartet? Festschrift für Wulf Köpke zum 60. Geburtstag (= Mitteilungen aus dem Museum für Völkerkunde Hamburg. Neue Folge Band 45 / 2013). ISBN 978-3-944193-00-7-
Weblinks
- Literatur von und über Wulf Köpke im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek