Wo in Paris die Sonne aufgeht
Wo in Paris die Sonne aufgeht (Originaltitel Les Olympiades) ist ein Filmdrama von Jacques Audiard, das im Juli 2021 bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes seine Premiere feierte und am 3. November 2021 in die französischen Kinos kam. Der Schwarzweißfilm basiert auf den Kurzgeschichtensammlungen und Graphic Novels Eindringlinge (Killing and Dying) und Summer Blonde des New Yorker Cartoonisten Adrian Tomine und erzählt von jungen Menschen, die im 13. Pariser Arrondissement leben und von ihren zwischenmenschlichen Beziehungen.
Film | |
---|---|
Titel | Wo in Paris die Sonne aufgeht |
Originaltitel | Les Olympiades |
Produktionsland | Frankreich |
Originalsprache | Französisch |
Erscheinungsjahr | 2021 |
Länge | 106 Minuten |
Altersfreigabe | FSK 16[1] |
Stab | |
Regie | Jacques Audiard |
Drehbuch | Jacques Audiard, Léa Mysius, Céline Sciamma |
Produktion | Jacques Audiard, Valérie Schermann |
Musik | Clément Ducol, Rone |
Kamera | Paul Guilhaume |
Schnitt | Juliette Welfling |
Besetzung | |
|
Handlung
Émilie lebt mietfrei in der Wohnung ihrer an Demenz erkrankten Großmutter in einem der Wohnhochhäuser im 13. Pariser Arrondissement, die „Les Olympiades“ genannt werden. Weil die junge, asiatischstämmige Frau befürchtet, wegen ihres unhöflichen Verhaltens gegenüber einem Kunden ihren Job in einem Call-Center zu verlieren, macht sie sich auf die Suche nach einem Mitbewohner. Sie entscheidet sich für Camille, einen Schwarzen mit einem netten Lächeln, der als Lehrer an einem Gymnasium arbeitet, nun aber gerne seinen Doktor machen würde, und schon bei seinem Vorsprechen haben sie Sex.
Später lernt Émilie die Jurastudentin Nora kennen. Die ist vom Land in die Großstadt gezogen, um mit 32 Jahren einen Neuanfang zu wagen. Ihren Verwandten erzählt sie am Telefon, wie toll hier alles ist, doch das stimmt nicht. Nachdem Kommilitonen sie für das Camgirl Amber Sweet halten, dem sie sehr ähnlich sieht, werden die Vorlesungen für sie zur Tortur. Das folgende Cyber-Mobbing ist für Nora ein Schock. Sie verliebt sich in Émilie, doch die beiden jungen Frauen sind sehr unterschiedlich.[2][3][4]
Produktion
Vorlage, Filmstab und Aufbau
Les Olympiades basiert auf Eindringlinge (Killing and Dying) und Summer Blonde, Sammlungen von Graphic-Novel-Kurzgeschichten des New Yorker Cartoonisten Adrian Tomine.[5] Tomine, dessen Mutter Japanerin ist, verwendet in seinen Comics durchgängig Asiaten als Haupt- oder Nebenfiguren. Insgesamt wurden drei der Kurzgeschichten zu einer langen zusammengefasst.[6] Eine davon mit dem Titel Amber Sweet handelt von einer jungen Frau, die einer bekannten Pornodarstellerin wie aus dem Gesicht geschnitten ist.[7][8] Summer Blonde erzählt in der Titelgeschichte von einer jungen Frau und ihrem Stalker, die darin ebenfalls enthaltene Geschichte Hawaiian Getaway von der Telefondienstmitarbeiterin Hilary, die während der schlimmsten Woche ihres Lebens ihren Job, ihre Wohnung und ihre Großmutter verliert.[9]
Regie führte Jacques Audiard. Gemeinsam mit Léa Mysius und Céline Sciamma adaptierte er auch Tomines Kurzgeschichten für den Film. Dieser ist in drei Kapitel unterteilt, „ça a commencé comme ça“, „un bon mois plus tard“ und „dimanche“ (auf Deutsch „so fing es an“, „einen guten Monat später“ und „Sonntag“).[10] Der Handlungsort wurde bei der Adaption nach Paris verlegt.
Besetzung und Dreharbeiten
Lucie Zhang spielt Émilie, Makita Samba ihren anfänglichen Mitbewohner Camille und Noémie Merlant ihre neue Freundin Nora. Pol White spielt Camilles Vater, den er später im Film besucht, Camille Léon-Fucien spielt seine 16-jährige Schwester Eponine.[3]
Der Film wurde in Schwarz-Weiß gedreht.[10] Als Kameramann fungierte Paul Guilhaume, der mit Drehbuchautorin Mysius bereits für deren Film Ava zusammenarbeitete.[11]
Filmmusik
Die Filmmusik komponierten Clément Ducol und Rone. Das Soundtrack-Album mit 16 Musikstücken von Rone soll am 5. November 2021 von InFiné als Download veröffentlicht werden. Zudem soll es im Laufe des Jahres 2022 als CD und auf Vinyl erscheinen.[12]
Marketing und Veröffentlichung
Die Premiere erfolgte am 14. Juli 2021 bei den Internationalen Filmfestspielen von Cannes, wo der Film um die Goldene Palme konkurrierte.[13] Zu dieser Zeit wurde der erste Trailer vorgestellt.[14] Ende August 2021 wurde er beim Filmfestival Karlovy Vary gezeigt[15] und im September 2021 beim Toronto International Film Festival vorgestellt.[16] Ende September, Anfang Oktober 2021 wurde der Film beim Filmfest Hamburg[17] und beim Filmfest Emden-Norderney gezeigt.[18] Hiernach erfolgten Vorstellungen beim Film Fest Gent, beim Film Festival Cologne und bei der Viennale.[19][20][21] Am 3. November 2021 kam der Film in die französischen Kinos.[22][23] Anfang November 2021 wird er beim Braunschweig International Film Festival gezeigt[24] und danach beim AFI Fest.[25] Ende Februar, Anfang März 2022 wird er beim Internationalen Film Festival in Belgrad vorgestellt.[26] Der Kinostart in der Deutschschweiz ist am 3. März 2022 geplant[27], der in Deutschland am 7. April 2022.[28] Die Rechte für die USA liegen bei IFC Films.[29]
Rezeption
Kritiken
Peter Debruge von Variety schreibt, das Werk von Adrian Tomine beschränke sich nicht auf Worte, der Comiczeichner zeige auch Menschen, deren Gesichtsausdruck und Körpersprache er über eine Reihe von Bildern hinweg bei ihrer Veränderung beobachte. Diese Technik bringe das Medium dem Kino viel näher, als es das geschriebene Wort alleine könnte, was Jacques Audiards Affinität zu dessen Arbeit erklären könnte. Der Regisseur habe aus den drei einzelnen Geschichten einen romantischen Film gemacht, der in einem ausgesprochen unromantisch wirkenden Viertel spielt. Die Figuren, die hier leben, seien alle davon überzeugt, dass sie als Single besser dran sind. Debruge findet es klug von dem klassischen „Macho-Regisseur“, dass er mit Céline Sciamma als Drehbuchautorin zusammengearbeitet hat, da sie das widersprüchliche und impulsive Verhalten junger Menschen, ähnlich wie in Girlhood und Mit Siebzehn, hervorragend einfange.[2]
Thomas Schultze von Blickpunkt:Film schreibt, mit Les Olympiades habe Audiard einmal mehr bewiesen, dass man sich auch im Alter von 69 Jahren noch einmal komplett neu erfinden kann: „Alles, was er, Frankreichs Antwort auf das muskulöse Kino eines Michael Mann, übers Kino weiß, will er noch einmal mit neuen Augen sehen, in neue Bahnen lenken, der Gewalt entsagen, die seinem Kino bisher wie selbstverständlich entsprungen ist.“ Er habe mit Les Olympiades einen Liebesfilm gemacht, der so ist, wie Frankreich im Jahr 2021, einen Liebesfilm in Schwarz-Weiß, als hätte die Nouvelle Vague nicht in den späten 1950ern, sondern 60 Jahre später begonnen. Dabei sei Noémie Merlant in der Rolle von Nora die Idealbesetzung für diese Frau, die sich wie eine Fremde fühlt in ihrem Körper, aber doch gemocht, geliebt, verstanden und begehrt werden will.[4]
Auszeichnungen
- Nominierung als Beste Nachwuchsdarstellerin (Lucie Zhang)
- Nominierung als Bester Nachwuchsdarsteller (Makita Samba)
- Nominierung für das Beste adaptierte Drehbuch (Céline Sciamma, Léa Mysius und Jacques Audiard)
- Nominierung für die Beste Kamera (Paul Guilhaume)
- Nominierung für die Beste Filmmusik (Rone)
Chicago International Film Festival 2021
Europäisches Filmfestival von Sevilla 2021
- Auszeichnung als Beste Schauspielerin (Lucie Zhang)[32]
- Nominierung für den Bernhard-Wicki-Preis[33]
Filmfest Hamburg 2021
- Auszeichnung mit dem Art Cinema Award[34]
Internationale Filmfestspiele von Cannes 2021
- Auszeichnung im Rahmen der Cannes Soundtrack Awards (Annette Sparks und Rone)
- Nominierung für die Goldene Palme (Jacques Audiard)
- Nominierung für die Queer Palm[35]
- Nominierung für die Beste Regie (Jacques Audiard)
- Nominierung als Beste Nachwuchsdarstellerin (Lucie Zhang)
- Nominierung als Bester Nachwuchsdarsteller (Makita Samba)
Literatur
- Adrian Tomine: Killing and Dying. Faber And Faber Ltd., 2015. ISBN 978-0-571-32514-6
- Adrian Tomine: Eindringlinge. Deutsche Übersetzung von Björn Laser, Reprodukt, 2016. ISBN 978-3-95640-071-1
- Adrian Tomine: Summer Blonde. ISBN 978-0-571-23342-7
Weblinks
- Wo in Paris die Sonne aufgeht in der Internet Movie Database (englisch)
- Les Olympiades im Programm der Filmfestspiele von Cannes
Einzelnachweise
- Freigabebescheinigung für Wo in Paris die Sonne aufgeht. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (PDF; Prüfnummer: 211138/K).
- Peter Debruge: 'Paris, 13th District' Review: Jacques Audiard Offers a Fresh Take on the Moody B&W French Relationship Movie. In: Variety, 14. Juli 2021.
- Peter Bradshaw: Paris, 13th District review – Jacques Audiard’s sexy apartment-block anthology. In: The Guardian, 14. Juli 2021.
- Thomas Schultze: Cannes Tag 9: Bravo, Monsieur Audiard!. In: Blickpunkt:Film, 15. Juli 2021.
- Heike Angermaier: Audiard dreht in „Paris, 13th District“. In: Blickpunkt:Film, 14. Oktober 2020.
- David Ehrlich: 'Paris, 13th District' Review: Céline Sciamma Assists Jacques Audiard’s Sexy, Shallow Tomine Adaptation. In: indiewire.com, 14. Juli 2021.
- Eindringlinge. In: reprodukt.com. Abgerufen am 16. Juli 2021.
- Killing and Dying. In: artforum.com. Abgerufen am 16. Juli 2021.
- Summer Blonde. In: goodreads.com. Abgerufen am 16. Juli 2021.
- Fabien Lemercier: Review: Paris, 13th District. In: cineuropa.org, 15. Juli 2021.
- Elsa Keslassy: Jacques Audiard’s New Film 'Les Olympiades' Shooting Near Paris With Celine Sciamma Co-Writing. In: Variety, 23. September 2020.
- https://filmmusicreporter.com/2021/11/03/paris-13th-district-les-olympiades-soundtrack-album-details/
- The Screenings Guide 2021. In: festival-cannes.com, 1. Juli 2021 (abgerufen am 2. Juli 2021).
- Andreas Wiseman: 'Paris, 13th District': Watch The Striking First Trailer For Jacques Audiard’s New Movie — Cannes Film Festival. In: deadline.com, 12. Juli 2021.
- Paris, 13th District. In: kviff.com. Abgerufen am 7. August 2021.
- Mike Fleming Jr.: Toronto Festival Unveils 'Dear Evan Hansen' As Opening-Night Premiere, Zhang Yimou’s 'One Second' As Closer; Check Out First Slated Films. In: deadline.com, 20. Juli 2021.
- Barbara Schuster: Filmfest Hamburg lockt mit weiteren Highlights aus Cannes und Venedig. In: Blickpunkt:Film, 31. August 2021.
- Programmheft 31. Internationales Filmfest Emden-Norderney. In: filmfest-emden.de. Abgerufen am 19. September 2021. (PDF; 15,1 MB)
- Les Olympiades (Paris, 13th District). In: filmfestival.be. Abgerufen am 30. September 2021.
- Wo in Paris die Sonne aufgeht. In: filmfestival.cologne. Abgerufen am 8. Oktober 2021.
- Les Olympiades (Paris, 13th District). In: viennale.at. Abgerufen am 1. November 2021.
- Valérie Guédot: Les Olympiades de Jacques Audiard, sortie en salles le 3 novembre 2021. In: franceinter.fr, 4. Oktober 2021. (Französisch)
- Les Olympiades. In: allocine.fr. Abgerufen am 19. Oktober 2021. (französisch)
- Wo in Paris die Sonne aufgeht. In: filmfest-braunschweig.de. Abgerufen am 2. Oktober 2021.
- Jude Dry: AFI FEST Full Lineup: 2021 Festival Adds Pedro Almodovar’s 'Parallel Mothers' and More. In: indiewire.com, 13. Oktober 2021.
- Paris, 13th District. In: fest.rs. Abgerufen am 3. März 2022.
- Vorschau Deutsche Schweiz. In: movies.ch. Abgerufen am 27. November 2021.
- http://www.insidekino.com/DStarts/DStartplan.htm
- Jeremy Kay: IFC Films picks up US rights to Jacques Audiard’s 'Paris, 13th District'. In: screendaily.com, 5. März 2021.
- International Competition Selections Announced. In: chicagofilmfestival.com, 16. September 2021.
- Festival Award Winners: International Feature Film Competition. In: chicagofilmfestival.com, 22. Oktober 2021.
- Alfonso Rivera: Great Freedom gets the Golden Giraldillo at the Seville European Film Festival. In: cineuropa.org, 15. November 2021.
- Programmheft 31. Internationales Filmfest Emden-Norderney. In: filmfest-emden.de. Abgerufen am 19. September 2021. (PDF; 15,1 MB)
- Filmfest Hamburg: NDR Nachwuchspreis fürs Drama „Hive“. In: ndr.de, 9. Oktober 2021.
- Palmares. In: cannessoundtrack.com. Abgerufen am 11. September 2021.