Wasserschierling
Der Wasserschierling (Cicuta virosa), auch genauer Gift-Wasserschierling[1] oder selten Wüterich genannt, ist eine Pflanzenart aus der Gattung Wasserschierlinge (Cicuta) innerhalb der Familie der Doldenblütler (Apiaceae). Zusammen mit dem Gefleckten Schierling gehört sie in die Unterfamilie der Apioideae.
Wasserschierling | ||||||||||||
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Wasserschierling (Cicuta virosa) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Cicuta virosa | ||||||||||||
L. |
Neben dem Gefleckten Schierling (Conium maculatum) und der Hundspetersilie (Aethusa cynapium) ist es eines der giftigsten Doldengewächse.
Beschreibung
Vegetative Merkmale
Der Wasserschierling wächst als ausdauernde krautige Pflanze und erreicht Wuchshöhen von 0,5 bis zu 1,5 Metern.[1] Als Überdauerungsorgan wird eine knollenartig verdickte Stängelbasis gebildet, die hohl ist und durch Querwände gekammert erscheint. Der gesamte Stängel ist hohl und weist außen feine Rillen auf.[1]
Die zwei- und dreifach gefiederten Laubblätter besitzen Fiederabschnitte, die linealisch-lanzettlich und scharf gesägt sind.[1]
Generative Merkmale
Die doldenförmig angeordneten Blüten sind weiß und besitzen 5 Blütenblätter. Aus diesen Einzelblüten wird ein 10- bis 20-strahliger doppeldoldiger Blütenstand gebildet. Hüllblätter der Dolde fehlen.[1] Die Döldchen sind reichblütig[1] und weisen zahlreiche Hüllchenblätter auf.
Die Doppelachänen sind nur etwa 2 Millimeter breit, fast kugelig geformt und charakteristisch gerippt.[1]
Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 22, seltener 44.[2]
Ökologie und Phänologie
Der Wasserschierling ist ein sommergrüner, helomorpher Hemikryptophyt,[1] ausdauernde Schaftpflanze bzw. eine Sumpf- oder wurzelnde Wasserpflanze. Der röhrige Stängel und die knollig verdickte, gestauchte Sprossbasis haben Luftkammern im Bereich der Internodien; dies ist eine Anpassung an den sauerstoffarmen Untergrund. Durch die Luftkammern sind auch die Knollen schwimmfähig. Vegetative Vermehrung erfolgt durch entwurzelte und schwimmende Knollen. Der Wasserschierling überdauert den Winter in der schützenden Laubschicht des Bodens.
Blütenökologisch handelt es sich bei den vormännlichen Blüten um „Nektar führende Scheibenblumen“. Bestäuber sind hauptsächlich Zweiflügler, besonders Schwebfliegen. Die Blütezeit reicht von Juli bis September. Die sich im August - September entwickelnden Früchte sind eiförmig bis rund, gelblichbraun und ca. 3 mm breit. Sie sind mit Schwimmgewebe für die Schwimmausbreitung ausgestattet. Die Samen sind Licht- und Kältekeimer.[3]
Vorkommen
Der Wasserschierling ist ursprünglich in Eurasien weitverbreitet. Er gedeiht in submeridionalen bis borealen Klimazonen vom Flach- bis ins Hügelland. Sein Verbreitungsgebiet umfasst Europa, Zentralasien, Georgien, Sibirien, Indien, China, Japan, die Mongolei und den Fernen Osten, dazu Alaska und Kanada.[4] Der Wasserschierling ist an feuchten Verlandungsbereichen mesotropher (mittlerer Nährstoffgehalt) bis eutropher (hoher Nährstoffgehalt) stehender Gewässer wie Seen, Tümpel oder Gräben zu finden. Weitere Bestände können in feuchten Erlenbruchwäldern auftreten. Derzeit gehen seine Bestände jedoch stark zurück, was vor allem an der vorbeugenden Beseitigung wegen der gefährlichen Giftigkeit und an der zunehmend intensiven Nutzung von Verlandungsbereichen liegt. In den meisten deutschen Bundesländern ist der Wasserschierling auf der Roten Liste der Gefäßpflanzen als gefährdet oder stark gefährdet eingestuft.[5] Auch im übrigen Europa ist er z. T. stark in seinen Beständen bedroht. Er ist die Kennart der Pflanzenassoziation Cicuto-Caricetum pseudocyperi und hat sein Hauptvorkommen im Verband Alnion glutinosae (Erlenbrüche).
Giftigkeit, Heilkunde und botanische Geschichte
Sämtliche Pflanzenbestandteile des Wasserschierlings sind sehr giftig, insbesondere die Knollen, die etwa 0,2 % Cicutoxin enthalten.[6] Die Giftigkeit wird durch Polyine, insbesondere das Cicutoxin, verursacht. Nach Verzehr bereits geringer Mengen kann der Tod infolge Atemlähmung eintreten. Nach einem alten preußischen Gesetz sollte diese Pflanzenart wegen ihrer Giftigkeit ausgerottet werden.[7]
Schon ältere Literatur beschreibt Vergiftungen, oft nach Verwechslung mit essbaren Pastinakenwurzeln. Ein Wurzelstock töte einen Erwachsenen. In Kamtschatka sei Cicuta ein Pfeilgift. Madaus zufolge meinten antike Autoren mit Cicuta wohl den Fleckenschierling, den noch mittelalterliche Quellen meist mit dem Wasserschierling gleichsetzen. Gessner nannte ihn Cicuta aquatica, Linné dann Cicuta virosa. Das Kraut und die Wurzel dienten – humoralpathologisch als warm und trocken angesehen[8] – früher oft als Salbe oder Wickel zur, schon in der Antike belegbaren Schmerzstillung[9][10] bei Gicht, Rheuma, Drüsenverhärtung, Krämpfen und krampfartigem Husten, in der russischen Volksmedizin auch bei Ischias, Geschwüren und Panaritien. Auch eine Wirkung bei Chorea wurde beobachtet.[11]
Trivialnamen
Für den Wasserschierling bestehen bzw. bestanden auch die weiteren deutschsprachigen Trivialnamen: Bärstkraut (Ostpreußen), Bartzenkraut (Elsass), Berstekraut, Berzenkraut, Blutschierling (Schlesien), Buochalter, Butschürling (mittelhochdeutsch), Dullkraut (Altmark, Göttingen), Hunteschervela (althochdeutsch), Pfiffen (mittelniederdeutsch), Piifcruyt (mittelniederdeutsch), Pypkrut (mittelniederdeutsch), Sackpfeifen (mittelhochdeutsch), Sachpfiff (mittelhochdeutsch), Scaerline (mittelniederdeutsch, holländisch), Scarna (althochdeutsch), Scereling (althochdeutsch), Sceriling (althochdeutsch), Scerling (althochdeutsch), Scerlink, Scering (althochdeutsch), Scerning (althochdeutsch), Scherlinc (mittelhochdeutsch), Scherlig (althochdeutsch), Schernig (althochdeutsch), Scherring (althochdeutsch), Scherlynck, Schierlenk (Siebenbürgen), Schirling, Wiss Schirling (mittelhochdeutsch), Rasende Schirlynk (mittelhochdeutsch), Serlich (althochdeutsch), Serlink, Sigue (mittelhochdeutsch), Wätscherling, Wedendunk (Mecklenburg, Ostpreußen, Pommern), Wedewesle, Wedewessele, Wedescherlingk (mittelhochdeutsch), Wedeschern (mittelhochdeutsch), Wedewenn (mittelhochdeutsch), Wedewindel (mittelhochdeutsch), Wedewsle (mittelniederdeutsch), Weidendung (Pommern), Weidscharling (mittelhochdeutsch), Werczling (althochdeutsch)Weydenwispel (mittelniederdeutsch), Widerewispeln (althochdeutsch), Winterich (mittelhochdeutsch), Wintrich (mittelhochdeutsch), Wintterich (mittelhochdeutsch), Wintscherling (mittelhochdeutsch), Wischerlinc (althochdeutsch), Witrecht (mittelhochdeutsch), Witscherling (Ostpreußen), Witzerling, Wödendunck (Mecklenburg), Wodendunck (Mecklenburg), Wodescern (althochdeutsch), Wodeskerne (althochdeutsch), Wodescerve, Wodescherve, Wodenspele, Wodesterne, Wögendunck, Wortheling (althochdeutsch), Wotich (althochdeutsch), Wöterich (mittelhochdeutsch) Wötrich (mittelhochdeutsch), Wotscherling (mittelhochdeutsch), Wotscerlink (mittelniederdeutsch), Wotscherlinc (mittelniederdeutsch), Woutzerling (mittelhochdeutsch), Wrugerling, Wüterich, Wuetscherling (mittelhochdeutsch), Wuntscherlinc (mittelhochdeutsch), Wuntzerlinc (mittelhochdeutsch), Wuotrich (althochdeutsch), Wutscherletz (althochdeutsch), Wutscherlinc (althochdeutsch), Wutscherlyng, Wutscerlinc (althochdeutsch), Wutzerling (mittelhochdeutsch) und Ziegerkraut.[12]
Geschichte
Siehe unter Conium maculatum.
Literatur
- Albert Regel: Beitrag zur Geschichte des Schierlings und Wasserschierlings. - Moskau, 1877. Digitalisierte Ausgabe der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf
- Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands und angrenzender Länder. Die häufigsten mitteleuropäischen Arten im Portrait. 7., korrigierte und erweiterte Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2011, ISBN 978-3-494-01424-1.
Einzelnachweise
- Cicuta virosa L., Gift-Wasserschierling. FloraWeb.de
- Erich Oberdorfer: Pflanzensoziologische Exkursionsflora für Deutschland und angrenzende Gebiete. Unter Mitarbeit von Angelika Schwabe und Theo Müller. 8., stark überarbeitete und ergänzte Auflage. Eugen Ulmer, Stuttgart (Hohenheim) 2001, ISBN 3-8001-3131-5, S. 709.
- Wasserschierling Cicuta virosa Doldengewächse bei botanikus.de, abgerufen am 22. Februar 2021.
- Cicuta im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Abgerufen am 9. Mai 2018.
- Wasserschierling Cicuta virosa L. bei stiftung-naturschutz.de, abgerufen am 22. Februar 2021.
- http://www.giftpflanzen.com/cicuta_virosa.html, abgerufen am 21. Mai 2018.
- Ruprecht Düll, Herfried Kutzelnigg: Taschenlexikon der Pflanzen Deutschlands. Ein botanisch-ökologischer Exkursionsbegleiter zu den wichtigsten Arten. 6., völlig neu bearbeitete Auflage. Quelle & Meyer, Wiebelsheim 2005, ISBN 3-494-01397-7.
- Constantinus Africanus: De gradibus quos vocant simplicium liber. In: Constantini Africani post Hippocratem et Galenum ... Henricus Petrus, Basel 1536, S. 342–387; hier: S. 376 („Cicuta calida et sicca in tertio gradu ...“).
- J. H. Dierbach: Die Arzneimittel des Hippokrates oder Versuch einer systematischen Aufzählung der in allen hippokratischen Schriften vorkommenden Medikamente. Heidelberg 1824, S. 232 f.
- Marguerite Louise Baur: Recherches sur l’histoire de l’anesthésie avant 1846. Leiden 1927, S. 214–218.
- Gerhard Madaus: Lehrbuch der biologischen Heilmittel. Band II. Olms, Hildesheim / New York 1979, ISBN 3-487-05891-X, S. 976–982 (Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1938).
- Georg August Pritzel, Carl Jessen: Die deutschen Volksnamen der Pflanzen. Neuer Beitrag zum deutschen Sprachschatze. Philipp Cohen, Hannover 1882, Seite 99 f. (online).
Weblinks
- Steckbrief und Verbreitungskarte für Bayern. In: Botanischer Informationsknoten Bayerns.
- Wasserschierling. In: BiolFlor, der Datenbank biologisch-ökologischer Merkmale der Flora von Deutschland.
- Cicuta virosa L. In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 3. Januar 2016.
- Datenblatt mit Verbreitung in den Niederlanden. (niederländisch)
- Die Verbreitung auf der Nordhalbkugel nach Eric Hultén
- Inhaltsstoffe des Wasserschierlings bei giftpflanzen.com.