Villa Maurer
Die 1898/99 erbaute Villa Maurer, heute Villa Victoria, gehört zu dem Ensemble denkmalgeschützter Villen, die das Stadtbild von Gera prägen. Sie liegt in der Gagarinstraße 14 (früher Agnesstraße), zwischen der nördlich gelegenen Villa Feistkorn und einer der Villen des Geraer Kaufmanns Münch im Süden. Die Villa wurde in der DDR-Zeit als Sitz des Kulturbundes und dem Klub der Intelligenz bekannt.
Geschichte
Die Villa wurde 1898/99 vom Architekten Carl Zaenker für den Geraer Fabrikanten Emil Otto Maurer erbaut und, noch vor seinem Einzug, um einen Anbau zur Vergrößerung der Küche ergänzt. Im Eingangsbereich der Villa ist das Jahr 1900 als Zeitpunkt der Fertigstellung im Sandstein angegeben. Die Familie Maurer ist 1901 in die Villa eingezogen.
Emil Otto Maurer gründete in der Zeit nach dem Deutsch-Französischen Krieg 1871/72 mit dem Kaufmann Gustav Adolph Fiedler eine Kammwollwarenweberei. Nach dem Ableben Fiedlers 1889 wurde Friedrich Wilhelm Elenz sein Partner bis 1914, dann sein früherer Prokurist Hermann Sänger.
Emil Otto Maurer, der zu der Zeit in der Adelheidstraße 2 (heute Clara-Zetkin-Straße) lebte, beauftragte 1898 den Architekten Carl Zaenker mit dem Bau einer Villa als Wohnsitz für seine Familie in der nahe gelegenen Agnes-Straße 14, die zu jener Zeit am Stadtrand von Gera lag, und dank ihrer Höhenlage ein begehrter Platz für den Bau zahlreicher Unternehmervillen war.
Carl Zaenker war ein in Gera sehr gefragter Architekt. Er ist der Erbauer zahlreicher, heute ebenfalls denkmalgeschützter Villen in Gera, unter anderem der Villen Späthe, Ramminger, Jäger, Rothe und Meyer.
Emil Otto Maurer lebte bis zu seinem Tode 1917 in der Villa, die er seiner Witwe Doris Susanne Maurer geb. Kohl vererbte. Die Witwe Maurer vermietete später Teile der Villa, unter anderem an den Hautboisten Paul Hochmuth von der Reussischen Kapelle und den stadtbekannten Schauspieler Rudolf Weisker.
Nach dem Ableben von Doris Susanne Maurer im Jahr 1938 erwarb der Kaufmann Robert Wohlmuth die Villa, der seit den 20er Jahren Prokurist des Textilveredlers Walther, Bach & Co. war.
In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Villa zunächst als Wohnhaus verwendet und im Jahr 1972 dem Kulturbund der DDR als neue Residenz zugewiesen. Etwa zur gleichen Zeit wurde die Villa Remy in der Rudolf-Ferber-Straße abgerissen und der bis dahin dort beheimatete Klub der Intelligenz „Bertolt Brecht“ fand seinen neuen Sitz beim Kulturbund.
Fortan diente die Villa als Treffpunkt von Intellektuellen und Künstlern, als Tagungsort für Fachgruppen, Ausstellungsort, Vortragssaal, Gesprächsrunden, Workshops und auch für Feierlichkeiten.
Nach der Wiedervereinigung und der Klärung der Eigentumsverhältnisse wurde die Villa an die ursprünglichen Eigentümer restituiert. Der Kulturbund fand eine neue Unterkunft im Ferber’schen Haus und die Villa wurde von einer Anwaltskanzlei 1994 erworben, die sie nach der Sanierung und Renovierung des Gebäudes im Jahr 1995 bis zum Sommer 2014 nutzte.
Nach erneuter umfangreicher Sanierung und Renovierung 2014/2015 soll die Villa wieder kulturellen Zwecken dienen. Mit dem Namen der Villa wird heute an Kaiserin Victoria von Großbritannien und Irland (1840–1901), der Gemahlin von Kaiser Friedrich III. erinnert, nach der früher die Viktoriastraße in Untermhaus benannt wurde.
Gebäude/Baukörper
Die Villa wurde im Baustil der Neorenaissance errichtet. Der Architekt Carl Zaenker, der zur gleichen Zeit auch mit der Planung der Villa Münch betraut war, hat für beide Villen Werksteine verwendet, um die Putzflächen hervorzuheben.
Die Villa wurde in ansteigendes Gelände gebaut, so dass der Keller straßenseitig als befenstertes Vollgeschoss ausgestaltet werden konnte, der mit Zyklopenmauerwerk aus Sandstein verkleidet ist. Über diesen ragt der zweigeschossige Baukörper empor. Das Dachgeschoss ist vollständig ausgebaut. Direkt unter dem Dach ist ein Spitzboden vorhanden.
Straßenseitig führt als markantes Stilelement eine steinerne Treppe zum Hauseingang, dem ein massiver Windfang aus Sandstein vorgelagert ist. Die Treppe wird in Gartenhöhe durch einen Treppenabsatz unterteilt. Entlang der Treppe befindet sich ein geschmiedetes Treppengeländer, das die Verzierungen des Zaunes aufnimmt.
Ein turmförmiger Erker an der Nordwestecke der Villa, der über die gesamte Höhe des Hauses ragt, gibt dem Gebäude das Gepräge. Der Erker ist nach außen sechseckig gestaltet, im Inneren der Villa verleiht er den Zimmern eine halbkreisförmige Rundung. Insbesondere in den oberen Stockwerken erlaubt diese einen weiten Blick über die Häuserdächer der Stadt bis zum Schloss Osterstein und ins Vogtland. Der Erker war ursprünglich mit einer Kuppel bedacht, die im Laufe der Zeit verloren gegangen ist; heute hat der Erker ein flaches Dach.
An der Nordseite der Villa, unmittelbar im Anschluss an den Erker, sind die Fenster des Treppenhauses. Jedes Geschoss wird durch drei Fenster, die zu einer Gruppe zusammengefasst sind, belichtet. Die Treppenhausfenster im 1. Obergeschoss schließen nach oben mit Rundbögen ab, die ihrerseits durch Mittelsäulen abgestützt werden.
Die übrigen Fenster der Villa sind zweiflüglig und im Erdgeschoss mit Rundbögen versehen. Im 1. Obergeschoss trägt nur das unmittelbar an den Erker grenzende Fenster der Westseite einen Rundbogen, die übrigen Fenster sind viereckig. Die Fenster sind mit Sandstein eingefasst und im Original erhalten geblieben.
Die Südwestseite der Villa wird durch einen Anbau geprägt, der von der Beletage aus zugänglich und als Wintergarten ausgestaltet ist; der Boden ist gefliest, die Seitenwände voll verglast, die Decke mit Stuckelementen verziert. Zur Südseite hin hat der Wintergarten zwei bogenförmige Fenster mit jeweils drei Flügeln, die auf der Außenseite mit drei massiven Säulen umgeben sind, die ihrerseits, auf Höhe der oberen Fensterteile, mit geschmiedeten Gebäudeankern versehen sind, die sich von Säule zu Säule ziehen. Dem Wintergarten vorgelagert ist eine weitläufige, mit Sandsteinelementen abgegrenzte Terrasse, von der eine Freitreppe in den Garten führt. Über dem Wintergarten befindet sich eine vom 1. Obergeschoss aus zugängliche Loggia, die von einer hölzernen, aufwendig gearbeiteten Balustrade mit Pflanzgefäßen eingefasst wird. Diese Holzelemente setzen sich bis ins 2. Obergeschoss fort und bilden dort die Brüstung für einen offenen Balkon, der den Blick bis zu den Türmen des Rathauses und der Salvatorkirche freigibt.
Der Mittelteil der Südseite ist in Höhe der Beletage mit drei hohen, bogenförmigen Fenstern versehen und wird von einem eigenständig überdachten Erker geprägt, der das Speisezimmer vergrößert und belichtet. Darüber befinden sich im 1. Obergeschoss drei eckige, mit angedeuteten Säulen aus Sandstein eingefasste Fenster. Das 2. Obergeschoss nimmt diese Gestaltung auf, hat zwei kleinere, ebenfalls mit Sandsteineinfassungen versehene, jedoch bogenförmig nach oben abschließende Fenster, über die ein hoher im Stil der Neorenaissance gefertigter Giebel ragt.
Im holzgetäfelten Foyer der Villa liegt das repräsentative zentrales Holztreppenhaus mit einer ca. 10 m hohen Kassettendecke, von dem hohe Flügeltüren in die einzelnen Räume führen, die ihrerseits mit Schiebetüren aus massivem Holz untereinander verbunden sind. In der Beletage sind die Parkettfußböden, sowie alle wandfesten Elemente, insbesondere Wandpaneele, Türen samt Beschlägen, Stuckornamente, feingliedrig gestaltete Stuckdecke, Holzfenster mit Originalverglasung, Fliesen und Bleiglasfenster vollständig erhalten geblieben; sie wurden renoviert und denkmalgerecht instand gesetzt.
Das Speisezimmer ist mit einer Kassettendecke aus Holz verziert. Das Treppenhaus mündet im 1. Obergeschoss in eine Galerie, die den Blick in das Foyer freigibt, und den Zugang zu allen Zimmern ermöglicht, die auch untereinander verbunden sind.
Das Grundstück wird durch eine massive Stützmauer zur Straße eingefriedet, die wegen der Hanglage des Geländes erforderlich ist. Auf die Mauer sind Säulen aufgesetzt, die im Original erhaltene, geschmiedete Eisengeländer verbunden werden. Die einflügelige Eingangstür und das zweiflügelige Tor sind abhandengekommen, sie wurden durch neue Elemente ersetzt, die nach den Ornamenten des historischen Geländers gestaltet wurden. Zwei Sandsteinsäulen mit Kugelabschluss bilden die Aufhängung für Tür und Tor. Diese sind jetzt der einzige Zugang zu dem Anwesen, das früher auch eine Zufahrt über die Goethestraße hatte, die heute durch ein neu errichtetes Haus verbaut ist.
Der Garten, der die Villa vor allem an der West- und Südseite umgibt, weist teilweise noch seine historische Gestaltung auf. Die Villa hat eine Wohnfläche von 435 m² und 175 m² Nutzfläche.
Literatur
- Anja Löffler: Kulturdenkmale in Thüringen. Stadt Gera. (= Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Band 3). Sandstein Verlag, 2007, ISBN 978-3-937940-33-5.
- Karin Lange, Bernd Germar: Villen in Gera. Rhivo Verlag, 1997, ISBN 3-932081-15-3.
- Sabine Schellenberg u. a.: Villen und Villengärten in Gera. Wicher, Gera 1999, OCLC 247623269.