Villa Späthe
Die Villa Späthe, heute Villa Adelheid, gehört zu dem Ensemble denkmalgeschützter Villen, die das Stadtbild von Gera prägen. Erbaut wurde sie im Jahr 1910. Sie liegt in der Berliner Straße 1 (früher Kaiser-Wilhelm-Straße) und wird eingerahmt von der Villa Meyer und der Villa Schellig-Lubold.
Geschichte
Die Villa wurde 1910 vom Architekten Carl Zaenker für den Geraer Fabrikanten Paul Späthe erbaut. Der Hoflieferant Wilhelm Spaethe sen. gründete in Gera eine Firma, die sich zunächst dem Harmonikabau widmete, später auch Flügel und Klaviere herstellte und internationale Erfolge mit der Produktion von Bandoneons hatte. Die Firma wurde nach dem Tod ihres Gründers am 22. September 1878 zunächst von seinem Sohn Otto und später seinem Enkel Paul weitergeführt. Paul Späthe beauftragte 1909 den Architekten Carl Zaenker mit dem Bau einer Villa als Familienwohnsitz in der damaligen Kaiser-Wilhelm-Straße 1. Der Architekt Carl Zaenker war zu dieser Zeit in Gera sehr bekannt. Er ist der Erbauer zahlreicher, heute ebenfalls denkmalgeschützter, Villen in Gera, unter anderem der Villa Maurer, Villa Ramminger, Villa Jäger, Villa Rothe und Villa Meyer.
Nach dem Ableben von Paul Späthe erbte seine mit dem Werkzeugfabrikanten Perthel verheiratete Tochter Erna die Villa. Sie trennte im Jahr 1933 die Beletage von den übrigen Räumen ab und baute 1938 die Villa in ein Mietshaus mit drei Etagenwohnungen um. Für den Umbau verantwortlich war der Architekt M.W. Schmidt. Der große Villengarten, der bis zur Zabelstraße reichte, wurde in der DDR-Zeit abgetrennt und ist jetzt mit einem Kindergarten und einem weiteren Haus bebaut.
Die Villa wurde 1974 und 1993 instand gesetzt. Sie wurde in dieser Zeit vom Amt für Statistik genutzt, und nach der Wiedervereinigung diente sie als Sitz für eine Steuerberaterkanzlei.
In der Zeit von Ende 2011 bis Mitte 2014 wurde die Villa von ihren jetzigen Eigentümern aufwendig saniert und restauriert. Die gesamte Fassade wurde erneuert, inklusive der Stuckelemente, die anhand des noch vorhandenen Originalstucks neu abgeformt wurden. Im Inneren des Gebäudes wurde die von Erna Späthe vorgenommene Aufteilung in Wohnungen, die über die gesamte Etage reichen, wieder hergestellt. Die Originalfußböden aus Parkett und Pitch Pine-Dielen, die Paul Späthe 1910 aus den USA importierte, wurden freigelegt und restauriert. Die noch mit dem Originalbleiglas versehenen Schiebe- und Flügeltüren wurden aus ihrer Rigipsumhüllung befreit und denkmalgerecht wiederhergestellt, ebenso die Holzpaneele und Stuckverzierungen an den Decken in der Beletage und im ersten Obergeschoss. Der Brunnen im Wintergarten wurde aktiviert, die Metallbrüstungen an Balkonen und Freitreppen wurden nach Originalplänen rekonstruiert, das gesamte Treppenhaus, inklusive der Treppen aus Holz, renoviert und die Außenflächen neu angelegt.
Die Villa trägt heute den Namen der Stadtgründerin Adelheid, an die ursprünglich die Adelheidstraße (jetzt Clara Zetkin-Straße) und der Adelheidplatz (jetzt Johannisplatz) erinnerten. Adelheid wurde das Land Gera mit allem Rechten am 26. April 999 von ihrem Bruder Kaiser Otto III. zur Verfügung gestellt.
Architektur
Die Villa steht auf einer quadratischen Grundfläche mit einer Seitenlänge von jeweils ca. 15 m. Der Baukörper ist nahezu kubisch, wohlproportioniert und klar gegliedert, und schließt mit einem ausgebauten Mansardendach ab.
Der Baukörper ragt aus einem hohen Sockelgeschoss aus Granitverblendern empor und besteht aus vier repräsentativen Stuckfassaden. Die rechteckigen Fenster werden von Stuckornamenten eingerahmt, die teilweise geschossübergreifend ausgestaltet sind.
An der Nordseite befindet sich der Haupteingang, der von einem offenen Vorbau aus Sandstein geschützt wird und über eine einläufige Freitreppe zu erreichen ist. Der Windfang ist mit Rundbogenfenstern verziert. Dahinter ist ein großes Rundbogenfenster zu sehen, das die ganze Gebäudehöhe einnimmt und das dahinter liegende Treppenhaus belichtet. Zur Westseite hin ragt ein Erker hervor, der für das erste Obergeschoss als Balkon dient.
Die Westfassade bot ursprünglich Zugang zu dem weitläufigen Villengarten. Sie besteht daher aus zwei Altanvorbauten mit einer davorliegenden halbkreisförmigen Terrasse, die ihrerseits in eine Freitreppe zum Garten mündet. Die Südfassade ist durch einen dreiachsigen Mittelrisalit mit Erker gegliedert. Die straßenseitige Ostfassade wird durch einen dreiachsigen Altanvorbau charakterisiert, über den ein Giebelfeld hervorragt.
Die historistische, neubarocke Villa weist vereinzelt Jugendstilelemente auf, die sich auch auf den Schiebetüren in der Beletage und dem Stuck in den Innenräumen wiederfinden. In der Beletage zieht sich das Wohnzimmer über die gesamte Länge des Hauses und bietet freien Durchblick von der Garten- bis zur Straßenseite. Der Raum ist holzgetäfelt, teilweise ist auch die Decke mit Holzpaneelen verziert. Speisezimmer, Gästezimmer, Küche und Wintergarten sind holzvertäfelt. In Wintergarten befindet sich ein Springbrunnen. Die Wandpaneele und Türen sind mit Intarsien verziert, einige mit dem Originalbleiglas ausgestattet.
Der anfangs in der Südostecke aufgestellte Gartenpavillon wurde bei einer der zahlreichen Grundstücksumgestaltungen an die südwestliche Ecke verlegt. Er wurde im Zuge der Restaurierung der Villa 2013 vollständig, und soweit möglich unter Verwendung der Original-Holzteile, wieder aufgebaut und so positioniert, dass er wieder einen Kontrapunkt zum Baukorpus der Villa bildet.
Literatur
- Anja Löffler: Kulturdenkmale in Thüringen. Stadt Gera. (= Denkmaltopographie Bundesrepublik Deutschland. Band 3). Sandstein Verlag, 2007, ISBN 978-3-937940-33-5.
- Karin Lange, Bernd Germar: Villen in Gera. Rhivo Verlag, 1997, ISBN 3-932081-15-3.
- Sabine Schellenberg u. a.: Villen und Villengärten in Gera. Wicher, Gera 1999, OCLC 247623269.