Varakļāni
Varakļāni (deutsch: Warkland oder Warkelen) ist eine Kleinstadt in Lettgallen, im Osten Lettlands. Im Jahre 2018 zählte sie 1893 Einwohner.[1]
Varakļāni (dt. Warkelen) | |||
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Basisdaten | |||
Staat: | Lettland | ||
Verwaltungsbezirk: | Varakļānu novads | ||
Koordinaten: | 56° 37′ N, 26° 45′ O | ||
Einwohner: | 1.893 (2018) | ||
Fläche: | 5,33 km² | ||
Bevölkerungsdichte: | 355 Einwohner je km² | ||
Höhe: | 107 m | ||
Stadtrecht: | seit 1928 | ||
Webseite: | www.varaklani.lv | ||
Postleitzahl: | 4838 | ||
Geschichte
In geschichtlichen Quellen wird Varakļāni das erste Mal im Jahre 1483 erwähnt. Damals erwarb Bernt von der Borch, der in diesem Jahr von seinem Amt als Landmeister in Livland zurücktreten musste,[2] den Ort und das Gut Warkland.
Wie Lettgallen insgesamt, gelangte Varakļāni durch den Vertrag von Altmark 1629 unter polnisch-litauische Oberhoheit.[3] Infolge der Ersten Teilung Polens fiel Lettgallen 1772 an das Russische Kaiserreich. Anfang des 19. Jahrhunderts wird Varakļāni, ungeachtet seiner geringen Bevölkerung, als „Stadt“ bezeichnet.[4] Denn es war als Marktort für das Umland von Bedeutung.[5] 1860 zählte Varakļāni 716 Einwohner.[6] Die jüdische Gemeinde in Varakļāni war bis 1941 eine der großen jüdischen Gemeinden in Lettgallen.[7]
Seit 1918 gehört Varakļāni zum unabhängigen Lettland. Den förmlichen Status einer Stadt erlangte Varakļāni im Jahre 1928. Varakļāni war Sitz eines Dekanates, zu dem im Jahre 1940 neun Pfarreien mit gut 30.000 Katholiken gehörten.[8]
Während des Zweiten Weltkriegs ließ der Befehlshaber des Rückwärtigen Heeresgebietes Nord (Berück Nord), Franz von Roques, durch Befehl vom 28. August 1941 in Varakļāni eines der 18 Ghettos für die lettischen Juden einrichten.[9] Der Großteil der jüdischen Bürger Varakļānis war bereits am 3. August 1941, einen Monat nach der Eroberung durch die 6. Panzer-Division am 1. Juli 1941, zusammengetrieben und erschossen worden.[10]
Bei der Eroberung durch die Rote Armee 1944 wurde Varakļāni stark beschädigt.
Verwaltungsgeschichte
Varakļāni gehörte zu folgenden Verwaltungseinheiten:[11]
- 1772–1919: Gouvernement Witebsk, Kreis Rēzekne
- 1919–1950: Kreis (lettisch apriņķis) Rēzekne
- 1950–1956: Rajon Varakļāni[12]
- 1956–1963: Rajon Viļāni
- 1963–2009: Rajon Madona
- 2009–2020: Bezirk (lettisch novads) Varakļāni
Infolge der sinkenden Einwohnerzahl ist die Auflösung des Bezirks Varakļāni vorgesehen (Stand März 2020). Die Stadt Varakļāni soll einem der beiden benachbarten Bezirke, Madona oder Rēzekne, zugeordnet werden. Bei einer Referendum im Februar 2020 stimmten 933 Bürger (84 %) für den Anschluss an den Bezirk Madona und 174 Bürger (16 %) für den Anschluss an den Bezirk Rēzekne.[13]
Bauwerke
Schloss
In den Jahren von 1783 bis 1789 ließ Graf Michael von der Borch im Osten des Ortes ein bis heute als „Schloss“ (lettisch: pils) bezeichnetes Herrenhaus nach einem Entwurf des italienischen Architekten Vincenzo de Mazotti (1756–1798) errichten.[14] Das Schloss von Varakļāni gilt als einer der herausragenden Bauten des frühen Klassizismus in Lettland.[15] An der Fassade des dreigliedrigen Mittelbaus der gut 100 m langen Südseite ließ der Bauherr in lateinischer Sprache sein Leitwort anbringen: „Virtute duce – Deo favente – Comite fortuna“ (Von Tugend geleitet – mit Gott Gunst – vom Glück begleitet). Die Inschrift ist zugleich ein Wortspiel und eine kleine Verneigung des Grafen (comes) vor dem Herzog (dux) von Kurland, dessen Familie die Familie von der Borch über Generationen verbunden war.[16]
Die Familie von der Borch bewohnte das Schloss bis 1920. Bei der Renovierung in den 1990er Jahren wurden Teile der ursprünglichen Wandmalereien aus den 1780er Jahren freigelegt und restauriert.[17] Seit 1997 ist im Schloss das Heimatmuseum untergebracht.
Das Schloss ist von weitläufigen, von der Kažava durchflossenen Parkanlagen sowie Teichen umgeben.[18] Ein literarisches Denkmal setzte Graf Michael von der Borch seinem Park mit einem 1791 dem polnischen König übereigneten, 1795 in überarbeiteter Fassung veröffentlichten Langgedicht: „Jardin sentimental du château de Warkland dans le Comté de Borch en Russie Blanche“.[19]
St.-Viktor-Kapelle
Als Grablege derer von der Borch ließ die Witwe von Graf Michael von der Borch, Gräfin Eleonore Christina von Browne of Camas (1766–1844), die Tochter des Generalgouverneurs von Livland, Georg Browne, 1814 auf einer kleinen Anhöhe im Westen des Ortes eine Rotunde, die St.-Viktor-Kapelle, errichten.
Kirchen
Graf Karl von der Borch ließ für die katholische Kirchengemeinde die große, dreischiffige Pfarrkirche St. Mariä Himmelfahrt im klassizistischen Stil bauen; sie wurde nach dreijähriger Bauzeit 1854 geweiht.
Am Ende des 19. Jahrhunderts wurde in Varakļāni eine evangelisch-lutherische Kirche errichtet. Beim Angriff der sowjetischen Truppen 1944 brannte sie nieder. Anfang des 21. Jahrhunderts wurde sie erneuert und wird heute wieder für Gottesdienste genutzt.
Söhne und Töchter der Stadt
- Michael Johann von der Borch (1753–1810), deutsch-baltischer Schriftsteller und Naturwissenschaftler, königlich-polnischer Generalleutnant und Generalquartiermeister im Großherzogtum Litauen
- Anton(s) Kokars (* 1922, † 2006 in Northeim), Journalist und Schriftsteller, Gedichtband „Svešumā“ (In der Fremde) 1958
- Antons Justs (1931–2019), katholischer Geistlicher, Bischof von Jelgava
- Rita Strode (* 26. Juli 1955), Politikerin, Abgeordnete der Saeima
- Ilmārs Latkovskis (* 4. Dezember 1958), Politiker, Abgeordneter der Saeima
Varakļānu novads
Seit 2009 bildet die Stadt Varakļāni mit der Landgemeinde Varakļāni und der Nachbargemeinde Murmastiene den Verwaltungsbezirk Varakļāni (Varakļānu novads). (Siehe auch: Verwaltungsgliederung Lettlands).
2016 waren insgesamt 3310 Einwohner gemeldet.[1] Bei der Volkszählung im Jahre 2011 erklärten sich 93,3 % von ihnen als ethnische Letten, 4,9 % gaben an, der russischen Minderheit anzugehören, und 1,8 % anderen ethnischen Minderheiten.[20]
Literatur
in der Reihenfolge des Erscheinens
- Art. Varakļāni. In: Astrīda Iltnere, Uldis Placēns (Red.): Latvijas pilsētas. Enciklopēdija. Preses Nams, Riga 1999, ISBN 9984-00-357-4, S. 542–546.
- Art. Varakļānu pagast. In: Astrīda Iltnere (Red.): Latvijas Pagasti. Enciklopēdija. Preses Nams, Riga 2002, ISBN 9984-00-436-8, Bd. 2: M–Z, S. 558–560.
- Konrads Sondors: Varakļāni un Varakļāniesi. Latgales Kulturas centra izdevnieciba, 2002.
- Jānis Zilgalvis: Varakļāni – muiža un tās saimnieki gadsimtu gaitā. In: Mākslas vēsture un teorija, Jg. 16 (2013), S. 33–36.
- Kaspars Strods: Pagātnes nospiedumi. Varakļānu ebreju kopiena. Hronologeja, Rēzekne 2021, ISBN 978-9934-23-506-1.
Weblinks
- Varakļāni in der Datenbank der Ortsnamen (Vietvārdu datubāze) der Latvijas Ģeotelpiskās informācijas aģentūra (LGIA), Ausgabe vom 30. September 2015, mit umfassenden ortskundlichen Angaben (lettisch), abgerufen am 25. Juni 2016.
- Informationen eines lettischen Internetreiseführers
Fußnoten
- Latvijas iedzīvotāju skaits pašvaldībās (= Einwohnerzahlen der Selbstverwaltungsbezirke Lettlands), Stand: 1. Juli 2018 (lettisch), S. 20, abgerufen am 18. Dezember 2018.
- Albert Bauer (Red.): Akten und Rezesse der livländischen Ständetage, Bd. 2: 1460–1494, herausgegeben von der Gesellschaft für Geschichte und Altertumskunde zu Riga. Verlag E. Bruhns, Riga 1938, S. 105.
- Reinhard Wittram: Baltische Geschichte. Die Ostseelande Livland, Estland, Kurland 1180–1918. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 1973. ISBN 3-534-06475-5. S. 87.
- Adam Christian Gaspari, Johann Georg Heinrich Hassel, Johann Günther Friedrich Cannabich: Vollständige und neueste Erdbeschreibung des Russischen Reichs in Europa nebst Polen, mit einer Einleitung zur Statistik des ganzen Russischen Reichs. Verlag des Geographischen Institutes, Weimar 1821, S. 728.
- A. C. A. Friederich: Historisch-geographische Darstellung Alt- und Neupolens. Stuhr’sche Buchhandlung, Berlin 1839, S. 499.
- Eduard Heinrich Busch: Materialien zur Geschichte und Statistik des Kirchen- und Schulwesens der Ev.-Luth. Gemeinden in Rußland. Haessel, St. Petersburg 1862, S. 432.
- Makss Kaufmans: Churbn Lettland. Ebreju iznīcināšana Latvijā. Schamir, Riga 2014, ISBN 978-9934-8494-0-4, S. 232.
- Ernst Benz: Die römisch-katholische Kirche in Lettland 1918–1940. In: Boris Meissner, Dietrich André Loeber, Detlef Henning (Hg.): Die deutsche Volksgruppe in Lettland während der Zwischenkriegszeit und aktuelle Fragen des deutsch-lettischen Verhältnisses. Bibliotheca Baltica, Tallinn 2000, ISBN 9985-800-21-4, S. 162–174, hier S. 170.
- Karl Heinz Gräfe: Vom Donnerkreuz zum Hakenkreuz. Die baltischen Staaten zwischen Diktatur und Okkupation. Edition Organon, Berlin 2010, ISBN 978-3-931034-11-5, S. 256.
- Gedenkstein in jiddischer Sprache auf dem jüdischen Friedhof in Varakļāni.
- Kultūršoks: Vai varakļānieši nodod latgalisko identitāti?, Latvijas Televīzija, 6. März 2020 (lettisch), abgerufen am 9. März 2020.
- Jürgen von Hehn: Lettland: Regierung und Verwaltung. In: Osteuropa, Bd. 7 (1957), Nr. 5 (Mai), S. 354–355, hier S. 355.
- Viedokļiem daloties, izvēlas Madonas novadu, 18. Februar 2020 (lettisch), abgerufen am 9. März 2020.
- Jolanta Polanowska: Michał Jan Borch and His Residence in Varakļāni: Genesis and ideological programme. In: Mākslas Vēsture un Teorija, Jg. 16 (2013), S. 18–32.
- Apskates objekti Varakļānu pilsētā (Sehenswertes in der Stadt Varakļāni, lettisch), abgerufen am 14. August 2015.
- Sitzungsberichte der Kurländischen Gesellschaft für Literatur und Kunst aus den Jahren 1864 bis 1871. Mitau 1884, S. 172.
- Jānis Zilgalvis: Varakļāni – muiža un tas saimnieki gadsimtu gaitā (Übersetzung des lettischen Titels: Varakļāni – Das Herrenhaus und seine Besitzer im Lauf der Jahrhunderte). In: Mākslas Vēsture un Teorija, Jg. 16 (2013), S. 33–36 (lettisch).
- Jolanta Polanowska: The Palace Garden in Warklany. Work of the Owner Michał Jan Borch and Architect Vincenzo de Mazotti. In: Biuletyn Historii Sztuki, Jg. 74 (2012), Heft 3/4, S. 3–5.
- Johann Friedrich von Recke, Karl Eduard Napiersky, Theodor Beise: Allgemeines Schriftsteller- und Gelehrten-Lexicon der Provinzen Livland, Esthland und Kurland, Bd. 1: A–F. Johann Friedrich Steffenhagen und Sohn, Mitau 1827, S. 219–223, hier S. 223 (online).
- Zentrale Behörde für Statistik der Republik Lettland: Ergebnisse der Volkszählung im Jahre 2011 (Memento des Originals vom 1. Juli 2018 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. , S. 110, abgerufen am 7. Juli 2016 (lettisch und englisch).