Torques
Als Wendelring oder Torques, auch Torque [tɔʁk:] und Torc, v. a. in Wortzusammensetzungen (über lateinisch torques/torquis ‚das Gedrehte, der Ringel‘ von lateinisch torquere, „drehen“, „winden“; engl. torc, franz. torque), wird in der Archäologie ein offener Halsreif bezeichnet, dessen Aussehen häufig einem gedrehten Strick ähnelt und dessen Endstücke oft besonders geformt, als Puffer (auch Stempelenden genannt), Tierkopf oder Kugel ausgebildet sein können. Als Torques gilt nur ein offener Halsring, nicht jedoch ein geschlossener verdrehter Armreif.
Torques sind seit der Bronzezeit im Mittleren und Nahen Osten sowie in weiten Teilen Europas verbreitet.
Beschreibung
Ein Torques ist aus Gold, Silber, Bronze, Eisen oder auch anderen Metallen gefertigt und an den Enden kunstvoll verziert. Er ist für Männer- und Frauengräber belegt, kommt aber auch einzeln in Horten vor.
Name
Der Begriff stammt aus antiken Quellen, wo ein entsprechender Halsreif vielfach erwähnt wird, vor allem – aber nicht nur – in Zusammenhang mit den historischen Kelten.
Geschichte
Torques sind seit mindestens der Mittleren Bronzezeit im Nahen Osten[1] und Deutschland (Hügelgräberkultur)[2] weit verbreitet und gut bezeugt. Sie fanden bei den Skythen[3][4] (Kul Oba Kurgan) und Hunnen[5] weite Verwendung. Aus spät-achämenidischer Epoche (Susa) ist die Nutzung des Torques ebenfalls evident.[6] Bekannt sind auch parthische Halsreifen.[7] Im Nahen Osten gerieten sie seit der Bronzezeit in Vergessenheit. Erst durch Vermittlung skythischer Reitervölker im 1. Jahrtausend v. Chr. tauchen Torques in dieser Region wieder auf und wurden später durch die Perser, Meder und Parther weiter tradiert.[8] Aus mittelalterlichen Münzprägungen Zentralasiens (3-8 Jhd.) geht hervor, dass der Torques auch Teil der regulären göktürkischen Tracht war.[9]
Während der keltische Torques im Zuge der Völkerwanderung verschwindet, kamen sie in der Wikingerzeit wieder in Mode.[10]
Ende des 2. Jahrtausends v. Chr. wurden im südlichen Großbritannien und Irland Band-Torques in Form von importierten Bronzen eingeführt. Band-Torques sind aus einem dünneren Goldstreifen verdrehte Ringe. Neben Bändern wurden auch Rundstäbe verdrillt.[11] Insgesamt 120 Band-Torques sind bisher vor allem in Nordirland gefunden worden.
Auf der Iberischen Halbinsel finden sich vom Beginn bis zum Ende des 1. Jahrtausend v. Chr. Torques in der Castrokultur.
Der Torques scheint bei den Kelten ein Herrschaftszeichen gewesen zu sein. Auch Götterfiguren tragen Torques, und der Silberring von Trichtingen ist für einen Menschen zu schwer. Neben Schriftquellen zeigt auch die Statue des Sterbenden Galliers die Verwendung des Torques bei den Kelten.
Er wurde von den Römern als militärische Auszeichnung übernommen. In der Spätantike wurden römische Kaiser seit Julian Apostata im Rahmen ihrer Erhebung oft mit einem Torques statt mit einem Diadem gekrönt. Bekannt ist die bei Ammianus Marcellinus beschriebene Ausrufung des Julian zum römischen Kaiser im Februar oder März des Jahres 360 in Lutetia. Julian wurde zum Augustus ausgerufen, indem er durch eine meuternde Legion nach barbarischer (d. h. keltisch-germanischer) Art mit einem Wendelring bekrönt auf einen Schild gehoben wurde. Außerdem wurde er auch als Beiname bei den Römern verwendet, oder beispielsweise verliehen[12].
Torques verbreiteten sich im gesamten mediterranen und im arabischen Raum. Sie finden sich auch in skandinavischen, baltischen und slawischen Kulturen bis ins Mittelalter. In Russland wurden Torques bis ins 16. Jahrhundert getragen.
- Goldene Band-Torques aus dem Fund von Blair Drummond
- Silberner Torques aus der Kiewer Rus, 12./13. Jahrhundert
- Torques aus dem Goldschatz von Erstfeld, um 300 v. Chr.
- Marcus Caelius mit zwei Torqui auf der Brust
Heraldik
Der Torques hat es in der Heraldik auch als gemeine Figur ins Wappen geschafft. Da diese Wappenfigur recht selten ist, hat sich eine besondere Darstellung noch nicht herausgebildet.
Derzeit ist dieser Reif nur in Gold im Wappen und auch in Flaggen abgebildet. In Deutschland ist es derzeit im Wappen von Holm nachweisbar. Weitere Wappen sind nur aus Frankreich und Spanien (Galicien) bekannt.
- Wappen von Holm
- Wappen von Tournecoupe (Frankreich)
Beispiele
- Fund von Beringen (Belgien)
- Fund von Blair Drummond (Schottland)
- Hort von Broighter (Nordirland)
- La Tène (Schweiz)
- Leekfrith Torques (England)
- Goldschatz von Erstfeld (Schweiz)
- Goldschatz von Niederzier
- Reinheim
- Snettisham-Horte (England)
- Fürstliche Grabstätte von Vix (Frankreich)
- Waldalgesheimer Fürstengrab
- Newark-Torques (England)
Siehe auch
Literatur
- Wolfgang Adler: Der Halsring von Männern und Göttern. Schriftquellen, bildliche Darstellungen und Halsringfunde aus West-, Mittel- und Nordeuropas zwischen Hallstatt- und Völkerwanderungszeit. Saarbrücker Beiträge zur Altertumskunde, Band 78. Bonn 2003.
- J. Burns: Additional torc from Snettisham, Norfolk. In: Proceedings of the Prehistoric Society 37/1. 1971, S. 228–229.
- Andres Furger-Gunti: Der Goldfund von Saint-Louis bei Basel und ähnliche keltische Schatzfunde. In: Zeitschrift für Schweizerische Archäologie und Kunstgeschichte 39. 1982, S. 1–48, doi:10.5169/seals-167866.
- Michael Nick: Torques. In: Reallexikon der Germanischen Altertumskunde (RGA). 2. Auflage. Band 31, Walter de Gruyter, Berlin/New York 2006, ISBN 3-11-018386-2, S. 66–70. (kostenpflichtig abgerufen über GAO, De Gruyter Online)
Weblinks
Einzelnachweise
- Aus einem Hortfund aus Byblos, der um 1900 datiert, stammen mehrere Torques aus Silber und Bronze: Pierre Montet: Byblos et L'Égypte, quatre campagnes de fouilles à Gebeil; 1921, 1922, 1923,1924, Paris 1928, S. 123, Tafel LXX
- Paleodirect: Torc (torque) necklace ring, Middle Bronze Age (Tumulus Culture): 1600 B.C. - 1200 B.C. Link1, Link2.
- The British Museum - "Introducing the Scythians" (Gold torc)
- Christiane Eluère, CELTIC GOLD TORCS, in Gold Bull., 1987, 20, (1/2). S.35. : torc of Kul Oba and Karagodevashkh Kurgens, cf. Catalogue of the exhibition From the Land of the Scythians, New York and Los Angeles.
- Eastern Hunnic, 5th century, A Royal Collar and Beads, Kyrgyzstan.
- Torque côtelé, terminé par deux têtes de lions incrustées. Epoque achéménide, vers 350 avant J.-C. Suse, Acropole.
- Metmuseum Sammlung: Torque, ca. 3rd century B.C.–3rd century A.D. Parthian.
- Brigitte Musche: Vorderasiatischer Schmuck von den Anfängen bis zur Zeit der Achaemeniden (ca. 10,000–330 v. Chr.). Brill, Leiden 1992, ISBN 978-90-04-09491-8, S. 48 f. 251. 48 und 277 f. Die Bergziege ist das meistgenutzte Grundmotif.
- Gaybullah Babayar. "Köktürk Kağanlığı sikkeleri Katalogu - The Catalogue of coins of Turkic Qaghanate." Ankara, TİKA, 2007. - 244 Seiten. Jeweilige item No: 75, 77, 81, 136, 137, 140, 156, 160, 163. (webArchiv)
- Jim Cornish, Elementary: Viking Hoards, Centre for Distance Learning & Innovation.
- Ein Rundstab-Torques wurde 2009 im County Fermanagh gefunden
- Sueton: Die Kaiserviten. Augustus.