Taufgedächtnis
Mit Taufgedächtnis oder Tauferinnerung wird in den verschiedenen Konfessionen ein Ritus bezeichnet, bei dem Christen ihrer Taufe gedenken.
Taufgedächtnis in der römisch-katholischen Kirche
Weihwasser
Beim Taufgedächtnis wird Weihwasser verwendet. Am Kircheneingang befindet sich das Weihwasser in einem Weihwasserbecken. Beim Betreten der Kirche ist es üblich, zum Bekreuzigen Weihwasser zu nehmen. Dies ist eine Erinnerung an die Taufe, durch die die Christen ein Teil der Gemeinschaft der Kirche geworden sind. In manchen Kirchen ist dies besonders deutlich, weil das Weihwasserbecken zugleich das Taufbecken ist. Weihwasser kann von den Gläubigen auch mit nach Hause genommen werden.
Osternacht
Der vornehmste Ort des Taufgedächtnisses, verbunden mit einer Erneuerung des Taufversprechens durch die Gemeinde, ist in der katholischen Kirche die Feier der Osternacht, deren dritten Teil die Tauffeier bildet. Sie besteht aus der Weihe des Taufwassers und der Spendung der Taufe, falls Taufbewerber da sind; in jedem Fall aber gehören aber die Abrenuntiatio diaboli und die Erneuerung des Taufbekenntnisses der ganzen Gemeinde zur Liturgie. Der Priester spricht beim Segensgebet:
„Liebe Brüder und Schwestern! Wir bitten den Herrn, dass er dieses Wasser segne, mit dem wir nun besprengt werden. Das geweihte Wasser soll uns an die Taufe erinnern: Gott aber erneuere in uns seine Gnade, damit wir dem Geist treu bleiben, den wir empfangen haben.“
Es folgt die Taufwasserweihe. Anschließend widersagen die Anwesenden in der Abrenuntiatio diaboli dem Bösen und bekennen auf der Grundlage des Apostolikums ihren Glauben, indem sie auf die Fragen des Priesters mit „Ich widersage“ und „Ich glaube“ antworten. Dabei halten sie brennende Osterlichter in Händen. Der Priester schließt mit dem Gebet:
„Der allmächtige Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, hat uns aus dem Wasser und dem Heiligen Geist neues Leben geschenkt und uns alle Sünden vergeben. Er bewahre uns durch seine Gnade in Christus Jesus, unserem Herrn, zum ewigen Leben.“
Dann besprengt er die Gemeinde mit dem neugeweihten Osterwasser, dabei singt die Gemeinde die Antiphon Vidi aquam (Ez 47,1-2.9) oder ein Tauflied.
Das sonntägliche Taufgedächtnis
In ähnlicher Form ist es in jeder Heiligen Messe möglich, an der Stelle des Schuldbekenntnisses ein Taufgedächtnis zu begehen. Das sonntägliche Taufgedächtnis besteht aus Gebetseinladung, ggf. dem Segensgebet über dem Wasser, der Besprengung der Gemeinde und der abschließendes Oration. Während der Besprengung ist der Gesang der Antiphon Asperges me (nach Ps 51,9) vorgesehen (in der Osterzeit die Antiphon Vidi aquam). Das Gerät, mit dem die Besprengung erfolgt, wird Aspergill (von lat. aspergere ‚besprengen‘) genannt. Das Taufgedächtnis ist an jedem Sonntag möglich und am Sonntag nach Erscheinung des Herrn, dem Fest Taufe des Herrn, besonders empfohlen.
Taufe und Segen
Wenn zur Erteilung eines Segens Weihwasser genommen wird, kommt der Zusammenhang von Taufe und Segen in besonders sinnfälliger Weise zum Ausdruck. In manchen katholischen Familien ist es üblich, dass Eltern ihre Kinder mit Weihwasser segnen. Nach der Komplet ist es in manchen Kloster- und anderen geistlichen Gemeinschaften üblich, die Mitglieder der Gemeinschaft und die Gäste durch Besprengung mit Weihwasser zu segnen.
Jahrestag der Taufe
Der Tag der eigenen Taufe wurde in der Frömmigkeitsgeschichte als persönliches Taufgedächtnis gefeiert. Dies ist seit der Spätantike als sog. pascha annotinum nachweisbar, bei dem kollektiv der Taufen in der jährlichen Osternachtsfeier gedacht wurde. Karl Borromäus versuchte, das Gedächtnis des eigenen Tauftages in der Volksfrömmigkeit zu verankern.[1]
Taufgedächtnis in der evangelischen Kirche
Im Raum der EKD sind die Bezeichnungen Taufgedächtnis und Tauferinnerung üblich.[2] „Die Taufe begründet einen lebenslangen Weg im Glauben. Das Gedächtnis der Taufe dient der Stärkung und der Vergewisserung und sollte regelmäßig gefeiert werden.“[3] Die VELKD hat dazu eine liturgische Handreichung erarbeitet; für die UEK finden sich entsprechende Ordnungen und Bausteine in ihrem Taufbuch.
Taufgedächtnis im Kirchenjahr
Ein Taufgedächtnis kann jederzeit als Baustein in den Ablauf eines Gottesdienstes einbezogen werden; besonders empfohlen ist das Taufgedächtnis:
- in der Osterzeit
- im Zusammenhang mit der Konfirmation
- in Taufgottesdiensten
- in Sonntagsgottesdiensten, deren Proprium einen Bezug zur Taufe hat (1. Sonntag nach Epiphanias, Trinitatis, 6. Sonntag nach Trinitatis, Ewigkeitssonntag)
Taufgedächtnis
Je nach örtlichen Gegebenheiten kann sich die Gemeinde um die Taufstätte versammeln oder in einer Prozession dort hinziehen. Die Tauferinnerung kann in folgender Weise geschehen:
- Lied
- Anrede (endet mit: „Gott hat sein Ja zu uns gesprochen in der Taufe. Darum lasst uns (aufstehen und) das Bekenntnis unseres Glaubens sprechen.“)
- Apostolisches Glaubensbekenntnis
- (Gebet)
- Einladung, zum Taufstein zu kommen und das Wasser zu berühren, um dabei der eigenen Taufe neu bewusst zu werden. Alternativ kann der Liturg oder die Liturgin allen Herantretenden mit Wasser ein Kreuz auf die Stirn oder in die Hand zeichnen und dabei ein Segenswort zusprechen.
- Lied
Ökumenische Perspektive
Der Catholica-Beauftragte der VELKD, Landesbischof Friedrich Weber, schlug auf der Generalsynode in Timmendorf 2012 vor, die gemeinsame Feier des Taufgedächtnisses von katholischen und evangelischen Christen als ökumenische Chance zu nutzen, da beide Kirchen theologisch im Verständnis der Taufe übereinstimmen. Der Ritus beim Schlussgottesdienst des Ökumenischen Kirchentages 2003 in Berlin, sich gegenseitig mit Wasser zu segnen, sei verschiedentlich als „prägender ökumenischer Aspekt“ gewürdigt worden.[4]
Das Taufgedächtnis sei in der römisch-katholischen Kirche zwar früher stärker verwurzelt gewesen. Doch hätten Taufkerzen in evangelischen Familien in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Diese werden als familiäres Ritual zu bestimmten Anlässen entzündet oder bei Taufen von Geschwistern in die Kirche mitgebracht.
Taufgedächtnis in der anglikanischen Kirche
Der erzbischöfliche Rat der Kirche von England hat ein liturgisches Formular vorgelegt (letzte Fassung von 2006), das aus einer Erneuerung des Taufversprechens (Renewal of baptismal vows) und einem Dankgebet für die Taufgnade besteht. Der Leiter der Liturgie führt ein: In baptism, God calls us out of darkness into his marvellous light. To follow Christ means dying to sin and rising to new life with him. Therefore I ask: ... und stellt dann in sechs Fragen die Bereitschaft dem Bösen zu widersagen und Gott zu vertrauen fest. Nach der Bitte May almighty God who has given you the desire to follow Christ give you the strength to continue in the way. wird das Apostolische Glaubensbekenntnis gesprochen.
Taufgedächtnis und Tauferneuerung
Gelegentlich trifft man auch den Ausdruck Tauferneuerung an. In allen christlichen Kirchen besteht die Überzeugung, dass die Taufe nur einmal gespendet werden kann. Mit Tauferneuerung ist die Erneuerung des Taufbekenntnisses gemeint, die das Versprechen einschließt, entschiedener gemäß dem Taufbund zu leben.
Kirchen baptistischer Tradition verstehen die Taufe glaubender Erwachsener als die eine und einzige Taufe, nicht als Erneuerung einer ggfs. im Kindesalter gespendeten Taufe.
Literatur
Römisch-Katholische Kirche
- Albert Gerhards: Taufgedächtnis. In: Walter Kasper (Hrsg.): Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage. Band 9. Herder, Freiburg im Breisgau 2000, Sp. 1300 f.
- Martin Stuflesser: Liturgisches Gedächtnis der einen Taufe. Überlegungen im ökumenischen Kontext. Herder, Freiburg (Breisgau) u. a. 2004, ISBN 3-451-28519-3 (Zugleich: Münster, Univ., Habil.-Schr., 2003/2004).
- Franz Kamphaus, mit einem Beitrag von Gotthard Fuchs: Entschieden leben. Was ich im Taufbekenntnis verspreche. Herder, Freiburg im Breisgau 1991, ISBN 3-451-22418-6.
- Clemens Leonhard: Die Deutung des Weihwassers im Mittelalter und ihre Bedeutung für Feiern des Taufgedächtnisses in der Gegenwart. In: Jahrbuch für Liturgik und Hymnologie 54 (2015), S. 9–34.
- Norbert Lohfink: Aus der Taufe leben. Taufvergessenheit, Taufsymbolik, Tauferneuerung. In: Religionsunterricht an höheren Schulen. Band 33, 1990, S. 4–12 (handle.net).
- Balthasar Fischer: Redemptionis mysterium. Studien zur Osterfeier und zur christlichen Initiation. Fischer, Paderborn und München 1992.
- Thaddäus A. Schnitker: Die Taufvesper am Ostersonntag. Ein wiedergewonnenes Stück Tradition, in: Liturgisches Jahrbuch 31 (1981), S. 120–123.
- Taufgedächtnis. In: Gotteslob. Katholisches Gebet- und Gesangbuch 2013, Nr. 576.
Evangelische Kirche
- Anthony William Ruff: Tauferneuerung/Taufgedächtnis. In: Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG). 4. Auflage. Band 8, Mohr-Siebeck, Tübingen 2005, Sp. 96.
- VELKD (Hrsg.): Die Feier des Taufgedächtnisses. Liturgische Handreichung. EVA, Leipzig 2013. ISBN 978-3-374-05562-3. Die ältere Fassung von 2007 ist online abrufbar (PDF).
- Judith Augustin, Heinz Behrends (Hrsg.): Taufe und Tauferinnerung. Aktionen – Projekte – Feiern (= Gemeindearbeit praktisch. Band 3). Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2010. ISBN 978-3-525-58015-8.
- Leonie Grüning: Taufgedächtnis. In: Liturgische Konferenz, Kristian Fechtner, Thomas Klie (Hrsg.): Erinnerungskasualien. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh 2019, ISBN 978-3-579-08250-9, S. 22–30.
Einzelnachweise
- Martin Stuflesser: Liturgisches Gedächtnis der einen Taufe. Überlegungen im ökumenischen Kontext. Herder, Freiburg im Breisgau u. a. 2004, ISBN 3-451-28519-3, S. 240 ff. (Zugleich: Münster, Univ., Habil.-Schr., 2003/2004).
- Kirchenamt der EKD. Gottesdienstreferate der VELKD und der UEK (Hrsg.): Die Taufe. Entwurf zur Erprobung. Hannover 2018, S. 27.
- Kirchenamt der EKD, Gottesdienstreferate der VELKD und der UEK (Hrsg.): Die Taufe. Entwurf zur Erprobung. Hannover 2018, S. 291.
- Friedrich Weber: "In der Schar derer, die da feiern." Gegenseitig einladen – gemeinsam feiern. (PDF) 3. November 2012, abgerufen am 4. Oktober 2018.