Gloria
Das Wort Gloria ist (als gloria, „Ruhm, Ehrerbietung“) ein häufiges Wort in der lateinischen Bibel und in den westkirchlichen – also römisch- oder altkatholischen, evangelischen oder anglikanischen – Liturgien, kommt aber auch in den Liturgien ostkirchlicher und orientalischer Gottesdienste vor (meist als Übersetzung für hebr. כבוד kabod und gr. δόξα doxa, ru. слава slawa). Die Glorie ist dort eines der Attribute Gottes (im Sinne von „Herrlichkeit“), der sie besitzt, von dem sie ausgeht und dem sie gebührt. Menschen gebührt sie in diesem Sinne nicht (soli deo gloria – „Gott allein die Herrlichkeit!“).
Das Wort wird auch als Kurzform für den Hymnus Gloria in excelsis Deo („Ehre sei Gott in der Höhe“) gebraucht. Der Hymnus ist als Lobpreis Bestandteil kirchlicher Liturgien.
Entstehung
In der Geschichte von der Geburt Jesu (Lukas 2) wird erzählt, dass die Engel, nachdem sie den Hirten auf dem Feld die Nachricht vom neugeborenen Messiaskind ausgerichtet haben, Gott gemeinsam verherrlichen (Lk 2,14 ).
Biblische lateinische Fassung
Die Worte, welche die Vulgata in der lateinischen Sprache wiedergibt, lauten[1]:
„Gloria in altissimis Deo
et in terra pax hominibus bonae voluntatis“
In der Vetus Latina lautet der Vers[2]:
„Gloria in excelsis Deo,
et in terra pax hominibus bonae voluntatis“
Bei letzterer Fassung wird Psalm 148,1 mitgehört, der in der lateinischen Fassung auffordert:
„Laudate Dominum de caelis
laudate eum in excelsis.“
Deutsche Bibelübersetzungen
Lukas 2,14 in verschiedenen deutschen Bibelübersetzungen:
Luther 2017 | Einheitsübersetzung 2016 | Gute Nachricht Bibel | Neue Genfer Übersetzung |
---|---|---|---|
Ehre sei Gott |
Ehre sei Gott |
Groß ist von jetzt an Gottes Herrlichkeit |
Ehre und Herrlichkeit Gott |
Hymnus angelicus
Weil diese Verherrlichung Gottes von Engeln und von den himmlischen Chören ausgeht, nennt man diese Zeilen des Lukasevangeliums in der kirchlichen Tradition auch Hymnus angelicus, also „engelhafter Lobgesang“.
Textentwicklung
Diese biblischen Worte des Lukasevangeliums wurden einem beliebten altchristlichen Hymnus vorangestellt, um ihn vor dem Verdikt des Konzils von Laodicea (zwischen 341 und 380) zu bewahren, das alle selbstgemachten Hymnen (Psalmi idiotici) verbot. Der griechische Text findet sich im Codex Alexandrinus des Neuen Testaments aus dem 5. Jahrhundert und hatte seinen Platz im Morgengebet, der Laudes, wie noch heute in der byzantinischen Liturgie. Die älteste Form in lateinischer Sprache findet sich in dem Antiphonar von Bangor aus dem 7. Jahrhundert überliefert. In der damaligen Fassung enthält das Gloria geringe Abweichungen vom heute verwendeten Text; so wurde der Heilige Geist unmittelbar nach der Textstelle Domine Fili unigenite, Iesu Christe genannt und nicht am Schluss. Die heutige Form wurde spätestens im 9. Jahrhundert verwendet. Möglicherweise stammt die Fassung von Hilarius von Poitiers, wie im Mittelalter gelegentlich angegeben.
Wortlaut
Griechisch | Lateinisch | Deutsch |
---|---|---|
Δόξα Σοι τῷ δείξαντι τὸ φῶς. |
Gloria in excelsis Deo |
Ehre sei Gott in der Höhe |
Es handelt sich bei der deutschen Fassung um die für die römisch-katholischen Bistümer offizielle Übersetzung ins Deutsche (vgl. Gotteslob, Nr. 583), die in katholischen Gottesdiensten verpflichtend zu verwenden ist. Sie weicht jedoch in zwei Punkten von der lateinischen Fassung ab. Eigentlich müsste der erste Satz lauten: „… den Menschen, die guten Willens sind“ (wörtlich: „den Menschen guten Willens“). Diese Übersetzung wurde jedoch bereits in den evangelischen Kirchen der Reformationszeit in Frage gestellt, da der neutestamentliche Text das griechische Wort εὐδοκία (eudokia) verwendet. Wörtlich lässt sich das zwar in lateinisch bonae voluntatis übertragen. Dabei geht aber der entscheidende Inhalt verloren. Eudokia bezeichnet am ehesten die gute Absicht oder das Wohlmeinen Gottes mit den Menschen. Dies drückt die nachkonziliare Übersetzung durch das Wort Gnade aus. Die lateinische Übersetzung legt dagegen das Missverständnis nahe, dass nicht Gott es mit den Menschen wohlmeint, sondern der Mensch sich den Frieden durch seinen guten Willen erwerben muss.
Anstatt „Sünde der Welt“ müsste der Plural „Sünden der Welt“ stehen (der griechische Text hat hier einmal den Singular, einmal den Plural). Diese Übersetzung findet sich auch noch in der deutschen Ausgabe des Missale Romanum von 1962. Im deutschsprachigen Raum wurde der Text jedoch im Zusammenhang mit der Liturgiereform Ende der 1960er-Jahre geändert, obwohl sich die lateinische Fassung nicht geändert hatte. Vor allem von konservativen Theologen und Geistlichen wird die neue Übersetzung als tendenziös kritisiert. Aufgrund des nach katholischer Überzeugung dem Lehramt der verantwortlichen Bischöfe geschuldeten Gehorsams halten sich jedoch auch die meisten Kritiker an die neue Fassung.
In der Evangelischen Kirche in Deutschland wird ganz überwiegend die Text- und Melodiefassung des Straßburger Gloria von 1524 verwendet. Der biblische Anfangsvers lautet dort: „Ehre sei Gott in der Höhe, und auf Erden Fried, den Menschen ein Wohlgefallen.“ Die Übersetzung von εὐδοκία (eudokia) mit Wohlgefallen wird beibehalten, da sie auch kulturell verankert ist. Der originale Genetiv (εὐδοκίας, eudokias) wird z. B. in der selten verwendeten alternativen Fassung des Evangelischen Gesangbuchs, EG Nr. 180.3 wiedergegeben: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.“ Die volle Textfassung (EG 180.1) wird nur selten verwendet.
Liturgie
In der frühen Christenheit war das Gloria zunächst kein fester Bestandteil der heiligen Messe. Der Hymnus war nur Teil bestimmter Liturgien, wie der Papstmesse. Dann wurde er Bestandteil von Bischofsmessen. Bischöfe wurden aufgrund ihrer Weihe als den Engeln ähnlicher angesehen und durften deshalb den Engelsgesang singen. Der Bischof wandte sich dazu dem Volk zu, nach dem Hymnus wieder dem Altar. Von Priestern hingegen durfte das Gloria bis ins 12. Jahrhundert nur am Tag ihrer Priesterweihe und zu Ostern gesungen werden.
Nach dem Liber Pontificalis sei das Gloria von Papst Telesphorus als fester Bestandteil in die Messe eingefügt worden. Dies erscheint eine sehr frühe Datierung zu sein; dennoch kann man daraus schließen, dass es spätestens um 530, als der Liber Pontificalis entstand, bereits fester Bestandteil der Liturgie der abendländischen Christen war. Nach dem Liber Pontificalis sei der Gebrauch des Gloria für Sonntage und Martyrerfeste von Papst Symmachus Anfang des 6. Jahrhunderts zugelassen worden. Allerdings fragten nach Überlieferung des Abts Berno von Reichenau Priester noch im 11. Jahrhundert, warum sie das Gloria lediglich zu Weihnachten singen dürften. Spätestens Ende jenes Jahrhunderts dürfte jedoch das Gloria als fester Bestandteil des Messordnung in jener Form etabliert worden sein, die später von Papst Pius V. festgeschrieben wurde, in deutlicher Absetzung von weltlichem, vor allem kaiserlichem „Ruhm“ (vgl. Investiturstreit).
Das Gloria gehört seither zum Ordinarium (den immer gleich bleibenden Texten) der Messe und ist von Komponisten aller Epochen vertont worden. Es wird in der Regel nur an Sonntagen außerhalb der Advents- und Fastenzeit und an Festen gesungen. Auch zu den Votivmessen der Priesterweihe, der Ablegung der ewigen Ordensgelübde und der Jungfrauenweihe gehört das Gloria. Am Gründonnerstag erklingt es besonders feierlich, oft werden dazu Altarschellen und Glocken geläutet, und ist dann erst wieder in der Osternacht zu hören. In der Weihnachts- und der Osteroktav wird das Gloria an jedem Tag gesungen. An den Sonntagen der Advent- und Fastenzeit sowie an Bußtagen und im Requiem entfällt das Gloria.
Gloria Patri
Mit demselben Wort beginnt die so genannte Kleine oder Trinitarische Doxologie.
Vertonungen des Gloria
Die meisten Vertonungen des Gloria sind Teil einer kompletten Messe, bestehend aus Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Benedictus und Agnus Dei. Johann Sebastian Bach hat das Gloria in den Lutherischen Messen oder auch Kleine Messen musikalisch in fünf Teile gegliedert. Diese Werke bestehen nur aus dem Kyrie und dem Gloria und werden auch als Missa brevis bezeichnet. In einigen Fällen ist das Gloria aber auch als eigenständiges Stück vertont worden, so von Antonio Vivaldi, Francis Poulenc, John Rutter, Colin Mawby, Karl Jenkins, Heinrich Sutermeister, Albrecht Kronenberger oder Carsten Braun.
Das Gloria im evangelischen Gottesdienst
In der evangelisch-lutherischen Liturgie wird regelmäßig, in der deutschsprachigen katholischen Messe gelegentlich ein von Nikolaus Decius 1525 verfasstes Gloria-Lied gesungen, Allein Gott in der Höh sei Ehr, dessen Melodie auf das Gloria einer Ostermesse des 10. Jahrhunderts zurückgeht,[3] und dessen vier Strophen das Gloria der Messe sehr originalnah in Reime fassen. Liturgisch wird meist nur die erste Strophe verwendet:
Allein Gott in der Höh sei Ehr
und Dank für seine Gnade,
darum dass nun und nimmermehr
uns rühren kann kein Schade.
Ein Wohlgefalln Gott an uns hat;
nun ist groß Fried ohn Unterlass,
all Fehd hat nun ein Ende.
Regional wird von der Gemeinde auch nur die zweite Strophe gesungen – als Fortsetzung der von Liturg und Chor vorgetragenen Anfangszeilen des Gloria. In der Passionszeit wird es gänzlich ausgelassen oder durch ein anderes Lied ersetzt (Ehre sei dir, Christe, der du littest Not …).
Siehe auch
Literatur
- Ewald Jammers: Gloria. In: Religion in Geschichte und Gegenwart (RGG). 3. Auflage. Band 2, Mohr-Siebeck, Tübingen 1958, Sp. 1627.
- Karl Ferdinand Müller: Artikel Das Gloria in excelsis: in: Leiturgia. Handbuch des evangelischen Gottesdienstes, Band 2; Kassel: Stauda, 1955; S. 23–29.
Weblinks
- Staunen über Gott (Erläuterungen zum Gloria, Liturgisches Institut der deutschsprachigen Schweiz)
Einzelnachweise
- Vulgata. Biblia Sacra iuxta vulgatam versionem. Stuttgart 1969, ISBN 3-438-05303-9.
- Novum Testamentum Latine, Textum Vaticanum. Stuttgart 1971
- Evangelisches Gesangbuch, Nr. 179 (datiert auch auf 1523) und Gotteslob, Nr. 457 (dort jedoch datiert auf 1522)