Straßenbahn Marburg
Die Straßenbahn Marburg war eine von 1903 bis 1951 bestehende Straßenbahn in der mittelhessischen Stadt Marburg an der Lahn. Bis 1911 war sie eine Pferdebahn und wurde dann elektrifiziert[1].
Straßenbahn Marburg | |||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Streckenlänge: | Hauptbf.–Südbf.: 3,64 km | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Spurweite: | 1000 mm (Meterspur) | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
Stromsystem: | 550 Volt = | ||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||||
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Planung und Bau
Erste Planungen für eine Straßenbahn gab es seit dem Ende des 19. Jahrhunderts. Seit der Eröffnung des Hauptbahnhofes in 1850 stieg der Verkehr in der Stadt stetig an. Der örtliche Fuhrunternehmer Schaaf richtete bereits 1878 einen Taxidienst mit Pferdedroschken ein, um eine bequeme Verbindung in die Stadt mit ihrer seit der Annektierung Kurhessens durch Preußen 1866 prosperierenden Universität zu schaffen.
Eine Pferdeomnibuslinie mit einem Fahrplan von zehn Fahrten pro Tag vom und zum Bahnhof gab es ab 1892 privat betrieben durch den Fuhrunternehmer Heppe. Er wurde 1899 von Fuhrunternehmer Deckmann abgelöst. Endpunkt in der Stadt war in den ersten Jahren die Haltestelle an der Kasernenstraße (heute Gutenbergstraße). Nach 1896 ermöglichte die neu erbaute Universitätsstraße eine Verlängerung der Linie bis zum Wilhelmsplatz. Auf diesem Streckenverlauf wurden 1903 die Gleise für eine Pferdestraßenbahn gelegt. Zusätzlich wurde eine Stichstrecke vom Wilhelmsplatz zum Heumarkt gebaut.[2]
Pferdebahn
Anfang 1903 hatten die Verantwortlichen der Stadt beschlossen, eine Straßenbahn in Marburg einzuführen. Sie sollte vom Bahnhof bis zum Wilhelmsplatz führen mit einer Stichlinie zum Heumarkt. Die Gleise wurden im September desselben Jahres in Meterspur verlegt. Auf den Schienen sollte eine privat betriebene Pferdebahn laufen. Um die Übernahme der Pferdebahn hatten sich die Fuhrunternehmer Deckmann und Heppe beworben. Letzterer erhielt den Vertrag mit der Laufzeit von fünf Jahren.
Gemäß Betreibervertrag besorgte sich Heppe vier gebrauchte Pferdebahnwagen in Heidelberg, wo sie nach der Umstellung der Straßenbahn auf elektrischen Betrieb überflüssig geworden waren. Zwei Jahre später wurden weitere zwei Wagen hinzugekauft.
Am 1. Oktober 1903 fand die erste Fahrt zwischen Hauptbahnhof und Wilhelmsplatz statt und vier Wochen später wurde auch die Stichstrecke zum Heumarkt in Betrieb genommen. Die Verbindung zum Heumarkt wurde bereits nach knapp einem halben Jahr im April 1904 wieder geschlossen. Aufgrund des geringen Zuspruchs von Fahrgästen erreichte Heppe die Genehmigung zur Stilllegung. Die Gleise blieben liegen, da man hoffte, den Betrieb wiederaufzunehmen.
Die Stadt hatte zwei Wagenremisen angelegt. Eine davon befand sich am Wilhelmsplatz, wo sich heute noch die letzten Gleise in einer Hofzufahrt befinden. Hier wurden ausschließlich Pferdebahnwagen über Nacht eingestellt. Die zweite Remise befand sich in der Furthstraße. Von der Bahnhofstraße führte ein Depotgleis von 650 m Länge über die Rosenstraße und Furthstraße zu dem Depot. In diesen Schuppen wurde der letzte Wagen am Abend eingefahren. Auch die Pferde standen in den Ställen an dieser Stelle. Nachdem Ende 1911 die Pferdebahn ihre letzte Fahrt durchgeführt hatte, wollte die Stadt die Pferdebahnwagen umbauen als Anhänger an die „Elektrische“. Wegen der zu hohen Kosten wurde dies nicht realisiert und die sechs Pferdebahnwagen im März 1912 vom Bauhof aus verkauft. Sie dienten dann meist als Gartenhäuschen.
Auf der eingleisigen Strecke konnten die Wagen an der Elisabethkirche, der Schlachthofbrücke und den Stadtsälen („Museum“) einander ausweichen.
Elektrische Straßenbahn
Planung und erste Betriebsjahre
Bereits vor Eröffnung der Pferdebahn lag der Stadt Marburg ein Angebot zum Bau einer elektrischen Straßenbahn vor. Vermutlich wegen der höheren Investitionen verzichtete die Stadt auf das Angebot und entschied sich für den Betrieb der Bahn mit Pferden. Diesen Entscheid bereute man aber bald und begann 1906 mit den Planungen für eine elektrische Straßenbahn, die am 23. November 1911 eröffnet wurde. Der Betrieb wurde nun durch die Stadt selbst vorgenommen, die die vorhandenen Gleisanlagen nur in den stärker beanspruchten Kurven für die schwereren Fahrzeuge verstärken ließ. Die von der Pferdebahn genutzte Ausweichstelle an der Schlachthofbrücke wurde an die Universitätsstraße (Haltestelle „Museum“, Stadtsäle) verlegt.
Hersteller der mit 550 Volt Gleichstrom betriebenen fünf zweiachsigen Wagen war die Kasseler Waggonfabrik Credé & Co. Die beige gestrichenen Fahrzeuge besaßen zunächst noch offene, mit Gittern zu verschließende Plattformen, die später durch Falttüren ersetzt wurden. 1912 wurde die Straßenbahnstrecke bis zur Gisselberger Straße verlängert, wo die Stadt einen neuen Betriebshof einrichtete, diese Gebäude dienen heute der Praxis gGmbH als Recyclingzentrum. Auch die noch vorhandene Strecke in die Oberstadt wurde elektrifiziert und am 1. April 1913 wiedereröffnet. Sie rentierte sich aber auch jetzt nicht und wurde schon am 1. August 1914 wieder eingestellt.
In Verbindung mit der Streckenverlängerung 1912 beschaffte man fünf weitere Triebwagen, die nahezu baugleich mit den Fahrzeugen der ersten Serie waren. Außerdem wurde 1914 ein Güterwagen angeschafft und die alten Pferdebahnwagen zu weiteren Transportwagen umgebaut. 1915 wurde ein Anschlussgleis zum Güterbahnhof gelegt. Seitdem stieg der Güterverkehr auf der Straßenbahn an.
1920 bis 1945
Wegen der schwierigen wirtschaftlichen Lage der Straßenbahn infolge der Weltwirtschaftskrise mussten zwei Fahrzeuge und Oberleitungsmaterial in die Niederlande verkauft werden. Nach der wirtschaftlichen Erholung des Unternehmens konnten 1925 und 1926 die Gleisanlagen aufgearbeitet werden, die aufgrund der leichten Pferdebahnbauweise starke Schäden aufwies. Die beiden verkauften Triebwagen wurden 1927 durch vierachsige Fahrzeuge der Fa. Credé ersetzt. Nach Verbreiterung der Schützenpfuhlbrücke wegen der Verlegung der Reichsstraße westlich der Lahn (Bau des Hindenburgrings/Verlängerung des Krummbogens) erfolgte eine kurze Streckenverlängerung von der Gisselberger Straße bis zur Schranke am Südbahnhof. Es wurde zudem wieder ein 7,5-Minuten-Takt eingeführt
Zur Verbindung der außerhalb der Stadt im Rahmen der nationalsozialistischen Aufrüstung erbauten Tannenbergkaserne wurde 1940 die erste Dieselbuslinie durch den Omnibusbetrieb Newel eingerichtet. Der Dieselbetrieb war aber nur als Übergangslösung gedacht, denn die Stadt Marburg beschloss 1941 den Straßenbahnbetrieb einzustellen und bestellte als Nachfolgefahrzeuge zehn Oberleitungsbusse und fünf Anhänger für ein erweitertes Liniennetz. Die Fahrzeuge wurden aber aufgrund der Kriegsereignisse nicht mehr geliefert, der Umstellungsplan musste daher fallen gelassen werden.
1945 bis zum Ende des Straßenbahnbetriebes
Erst nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges konnte der Wechsel von der Straßenbahn zum Oberleitungsbus in Angriff genommen werden. Am 17. Mai 1951 verkehrten die Straßenbahnen ein letztes Mal über die maroden Gleisanlagen, deren Erneuerung hohe Investitionen erfordert hätte. Auch die zum Teil vierzigjährigen Fahrzeuge hätten ersetzt werden müssen. Dem zunehmenden Straßenverkehr waren die in Straßenmitte fahrenden Straßenbahnen ein Hindernis, dessen man sich mit dem Wechsel zum Busverkehr entledigen konnte.[3]
Die zweiachsigen Fahrzeuge wurden nach dem Ende des Straßenbahnbetriebes verschrottet, während die nachbeschafften Vierachstriebwagen nach Darmstadt verkauft wurden. Dort fuhren sie noch bis in die Mitte der sechziger Jahre[4].
Nach der Einstellung
Zwei Tage nach der letzten Fahrt der Straßenbahn nahm der Oberleitungsbus Marburg seinen Betrieb auf. Er fuhr auf der gleichen Strecke wie die Straßenbahn, jedoch wurde die Oberleitung so verlegt, dass der Oberleitungsbus statt des Pilgrimsteins die Deutschhaus- und Biegenstraße befuhr. Die Gleise wurden weitgehend abgebaut. Lediglich im Depot und der Werkstatt blieben die Gleise zunächst liegen, wurden dort aber dann nach und nach ausgebaut. Nach dem Ende des Oberleitungsbusbetriebes 1968 wurde das Depot zunächst weiter für die Dieselbusse der Stadtwerke Marburg genutzt, später war der städtische Bauhof dort untergebracht. Die ehemalige Wagenhalle der Marburger Straßenbahnen und Obusse hat nach zahlreichen Umbauten ihr Gesicht heute stark verändert, die ursprüngliche Nutzung ist kaum noch erkennbar. Heute ist ein Recyclingcenter dort.
Relikte
Einzig noch vorhanden ist ein knapp 90 Meter langes Gleisstück der ehemaligen Pferdebahn in einer Hofeinfahrt am Wilhelmsplatz. Einst war dies die Zufahrt zur Remise, die im damaligen „Waisenhausgarten“ von der Stadt errichtet worden war. Die Remise am Ende des Gleisstücks besteht ebenfalls noch in der ursprünglichen Form (vorne offen). Mit Einführung der elektrischen Straßenbahn im Jahr 1911 wurde die vorhandene Weiche zur Einfahrt entfernt. Für die elektrischen Straßenbahnwagen wurde anfangs ausschließlich die Remise in der Furthstraße genutzt (später: Bau des Straßenbahndepots in der Gisselberger Straße). Weitere Relikte gibt es nicht mehr.[5]
Zukunft
Seit Beginn der 1990er Jahre gibt es Forderungen, eine neue Straßenbahn in Marburg zu bauen. Ein Antrag der Bürger für Marburg (BfM), im Stadtparlament den Bau einer neuen Straßenbahn prüfen zu lassen, wurde mit knapper Mehrheit abgelehnt. Die Planungen sahen zwei Varianten vor:
- Eine Straßenbahn auf dem Linienweg des Oberleitungsbusses mit Verlängerungen in die größeren Stadtteile.
- Eine Regionalbahn, die in der Marburger Innenstadt beginnt, einige Stadtteile anbindet und dann die vorhandenen Bahnstrecken der Umgebung mitbenutzt. Ein ähnliches System ist die RegioTram Kassel[6].
Heute gibt es weiterhin Forderungen für eine neue Straßenbahn, die die Innenstadt und die näheren Stadtteile erschließen soll. Eine Umsetzung dieses Projektes ist in naher Zukunft jedoch unwahrscheinlich.
Weblinks
Literatur
- Karl-Heinz Gimbel: Die Marburger Straßenbahn, Teil 1: Die Pferdebahn, 1903-1911. Marburg 2011, Kleine Reihe von Marburg, Band 4. (Kurzform: Die Marburger Pferdebahn) ISBN 978-3-89703-763-2
- Karl-Heinz Gimbel: Die Marburger Straßenbahn, Teil 2: Die "Elektrische", 1911-1951. Marburg 2011, Kleine Reihe von Marburg, Band 5. ISBN 978-3-89703-772-4
Einzelnachweise
- Infos zu den Straßenbahnen in Hessen
- Karl-Heinz Gimbel: Die Marburger Pferdebahn, Marburg 2011, S. 40
- Straßenbahn ade (Memento des Originals vom 20. Mai 2011 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. Oberhessische Presse online 16. Mai 2011
- Verkauf der Fahrzeuge 1 und 3 nach Darmstadt
- Karl-Heinz Gimbel: Die Marburger Pferdebahn, Marburg 2011, S. 40–42
- Neue Straßenbahn in Marburg