Stolpersteine in Kippenheim
Die Stolpersteine in Kippenheim sind besondere Pflastersteine in Gehwegen, die an die Opfer der nationalsozialistischen Diktatur in der Gemeinde Kippenheim im baden-württembergischen Ortenaukreis in Deutschland erinnern sollen.
Stolpersteine
Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig. Mit diesen kleinen Gedenktafeln soll an das Schicksal der Menschen erinnert werden, die während des Nationalsozialismus ermordet, deportiert, vertrieben oder in den Suizid getrieben wurden.
Stolpersteine sind kubische Betonsteine mit einer Kantenlänge von zehn Zentimetern, auf deren Oberseite sich eine individuell beschriftete Messingplatte befindet. Sie werden in der Regel vor den letzten frei gewählten Wohnhäusern der NS-Opfer niveaugleich in die Pflaster der Gehwege eingelassen. Mittlerweile gibt es über 61.000 Steine (Stand: Juli 2017) nicht nur in Deutschland, sondern auch in 21 weiteren europäischen Ländern.[1] Die Stolpersteine sind das größte dezentrale Mahnmal der Welt.[2]
Nachdem der Kippenheimer Gemeinderat in einer öffentlicher Sitzung am 19. April 2004 die Verlegung von Stolpersteinen in der Gemeinde beschlossen hatte, wurden am 13. Januar 2005 die ersten Stolpersteine verlegt. Inzwischen sind 13 Steine auf den Gehwegen Kippenheims verlegt worden.
Anmerkung: Das Datum unter dem jeweiligen Bild gibt an, wann der Stein verlegt wurde.
Juden in Kippenheim
Die Geschichte der jüdischen Gemeinde Kippenheim reicht bis in das 17. Jahrhundert zurück, ihre höchste Mitgliederzahl erreichte sie 1871, als 323 Personen etwa 16 % der Gesamtbevölkerung stellten. Die jüdischen Gewerbetreibenden hatten 1933 einen beträchtlichen Anteil am Wirtschaftsleben des Ortes: Es gab eine für die ganze Region bedeutende Eisen- und Baumaterialienhandlung, eine Gemischtwarenhandlung, eine Getreide-, Mehl- und Futtermittelgroßhandlung, zwei Lederhändler, zwei Manufakturwarengeschäfte, zwei Metzger, einen Schuhhändler, drei Stoffhändler, eine Tabakwarengroßhandlung, zwei Textilwarengeschäfte sowie zehn jüdische Viehhändler.
Im Jahre 1937 emigrierten 26 Kippenheimer Juden, und noch vor dem Novemberpogrom von 1938 verließen weitere 19 Personen ihre Heimatgemeinde. Die meisten fanden Asyl in den USA. Von den 144 im Januar 1933 in Kippenheim lebenden Juden überlebten 113 Juden die NS-Zeit, 31 fielen dem NS-Terror zum Opfer.[3]
Verlegte Stolpersteine
Bahnhofstraße 2
Koordinaten „Bahnhofstraße 2“
HIER WOHNTE / ELLA WACHENHEIMER / GEB. EICHEL / JG. 1894 / DEPORTIERT 1940 GURS / ERMORDET 1942 / AUSCHWITZ
HIER WOHNTE / HUGO WACHENHEIMER / JG. 1889 / DEPORTIERT 1940 GURS / ERMORDET 1942 / AUSCHWITZ
Hugo Wachenheimer wurde am 21. Januar 1889 geboren. Er führte mit seinem Bruder das Stoffwarengeschäft des Großvaters fort. 1938 wurde er in das Konzentrationslager Dachau deportiert und schwer misshandelt. Die Familie wollte Deutschland verlassen, aber nur Tochter Hedy schaffte es mit einem Kindertransport alleine nach England. Hugo Wachenheimer und seine Frau Ella wurden 1940 in das Internierungslager Camp de Gurs deportiert, 1942 in das KZ Auschwitz verschleppt und dort ermordet.[4]
Bergstraße 4
HIER WOHNTE / GERDA AUERBACHER / GEB. AUERBACHER / JG. 1895 / DEPORTIERT 1940 - GURS / ERMORDET 1942 IN / AUSCHWITZ
HIER WOHNTE / SALOMON / AUERBACHER / JG. 1888 / DEPORTIERT 1940 / GURS / ERMORDET IN / AUSCHWITZ
Bergstraße 10
HIER WOHNTE / AUGUSTE / AUERBACHER / GEB. ROSENFELD / JG. 1893 / DEPORTIERT 1940 - GURS / ERMORDET 1942 / AUSCHWITZ
HIER WOHNTE / SALOMON ISAAK / AUERBACHER / JG. 1886 / DEPORTIERT 1940 - GURS / ERMORDET 1942 / AUSCHWITZ
Obere Hauptstraße 13
Koordinaten „Obere Hauptstraße 13“
HIER WOHNTE / FLORA DURLACHER / GEB. EPSTEIN / JG. 1897 / DEPORTIERT 1942 / ERMORDET 1942 IN / AUSCHWITZ
HIER WOHNTE / GRETEL RINA / DURLACHER / JG. 1921 / DEPORTIERT 1942 / ERMORDET 1942 IN / AUSCHWITZ
HIER WOHNTE / JOHANN NATHAN / ‘HANS‘ DURLACHER / JG. 1925 / DEPORTIERT 1942 / ERMORDET 1943 IN / AUSCHWITZ
Hans Durlacher wurde am 23. Juni 1925 als zweites Kind seiner Eltern Flora und Salomon († Januar 1929) in Kippenheim geboren. Bis zum Novemberpogrom besuchte er das Realgymnasium in Ettenheim. Hans wurde zu Verwandten nach Straßburg geschickt. Nachdem seine Schwester und Mutter im Juli 1939 nachgekommen waren, flüchtete die Familie in das unbesetzte Frankreich. Im August 1942 wurden Hans, Gretel und Flora Durlacher in der Nähe von Limoges verhaftet und von Drancy in das KZ Auschwitz deportiert und dort ermordet.[5]
Poststraße 2
Koordinaten „Poststraße 2“
HIER WOHNTE / FANNY VALFER / JG. 1886 / GEST. 1942 AUSCHWITZ
HIER WOHNTE / MAX VALFER / JG. 1880 / GEST. 1942 AUSCHWITZ
Untere Hauptstraße 2
Koordinaten „Untere Hauptstraße 2“
HIER WOHNTE / SAMUEL WERTHEIMER / JG. 1874 / ERMORDET 1942 / IN MALY TROSTINEK
HIER WOHNTE / SOPHIE WERTHEIMER / GEB. GÜNZBURGER / JG. 1877 / ERMORDET 1942 / IN MALY TROSTINEK
Untere Hauptstraße 7
Koordinaten „Untere Hauptstraße 7“
HIER WOHNTE / HERMANN / WERTHEIMER / JG. 1885 / LETZTER JÜDISCHER / GEMEINDEVORSTEHER
EMIGRIERT 1942 / NEW YORK / TOT / AN DEN FOLGEN / DER FLUCHT
Untere Hauptstraße 13
Koordinaten „Untere Hauptstraße 13“
HIER WOHNTE / KÄTHE / WACHENHEIMER / GEB. EHRLICH / DEPORTIERT 1940 - GURS / ERMORDET 1942 / AUSCHWITZ
HIER WOHNTE / OSKAR / WACHENHEIMER / JG. 1893 / DEPORTIERT 1940 / GURS / ERMORDET 1942 / AUSCHWITZ
Literatur
- Joachim Rönneper: Vor meiner Haustür. „Stolpersteine“ von Gunter Demnig. Ein Begleitbuch. Arachne-Verlag, Gelsenkirchen 2010, ISBN 978-3-932005-40-4.
Weblinks
- „Projekt "Stolpersteine" nun auch in Kippenheim“ auf www.kippenheim.de
- Kippenheim - Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum
- Jüdische Bürger/innen Kippenheims im „Mahnmal in Neckarzimmern für die deportierten Jüdinnen und Juden Badens und Gedenkbuch-Projekt“
Einzelnachweise
- In #Turin (Italien) wurde heute der europaweit 50.000ste #Stolperstein verlegt! Er erinnert an Eleonora Levi. #Demnig @_Stolpersteine_ am 11. Januar 2015 auf Twitter.
- Andreas Nefzger: Der Spurenleger. In: FAZ.net. 7. Februar 2014, abgerufen am 16. Dezember 2014.
- Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden im deutschen Sprachraum; abgerufen am 10. September 2017
- SWR2, Stolpersteine zum Hören: „Hugo Wachenheimer: Nur die Tochter Hedy konnte er retten“; abgerufen am 10. September 2017
- SWR2, Stolpersteine zum Hören: „Hans Durlacher: Erst ein Flohmarktfund gibt Zeugnis“; abgerufen am 10. September 2017