Stephanit
Stephanit, auch als Sprödglaserz, Sprödglanzerz und Schwarzgültigerz bekannt, ist ein relativ selten vorkommendes Mineral aus der Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ mit der Zusammensetzung Ag5[S|SbS3][1] und damit chemisch gesehen ein komplexes Silber-Antimon-Sulfid, dass strukturell zu den Sulfosalzen zählt.
Stephanit | |
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(Größe: 2,5 × 2,1 × 1,5 cm) | |
Allgemeines und Klassifikation | |
Andere Namen |
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Chemische Formel |
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Mineralklasse (und ggf. Abteilung) |
Sulfide und Sulfosalze |
System-Nr. nach Strunz und nach Dana |
2.GB.10 (8. Auflage: II/D.03) 03.02.04.01 |
Ähnliche Minerale | Selenostephanit, Arcubisit, Fettelit |
Kristallographische Daten | |
Kristallsystem | orthorhombisch |
Kristallklasse; Symbol | orthorhombisch-pyramidal; mm2[3] |
Raumgruppe | Cmc21 (Nr. 36)[1] |
Gitterparameter | a = 7,84 Å; b = 12,47 Å; c = 8,54 Å[1] |
Formeleinheiten | Z = 4[1] |
Physikalische Eigenschaften | |
Mohshärte | 2 bis 2,5 |
Dichte (g/cm3) | 6,2 bis 6,3 |
Spaltbarkeit | unvollkommen nach {010}, undeutlich nach {021} |
Bruch; Tenazität | muschelig |
Farbe | bleigrau bis eisenschwarz, läuft in seltenen Fällen schwarz oder buntfarbig an |
Strichfarbe | schwarz |
Transparenz | undurchsichtig |
Glanz | Metallglanz |
Stephanit kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem und entwickelt meist kurze, prismatische bis nadelige und längsgestreifte Kristalle, aber auch rosetten- und treppenförmige oder massige Mineral-Aggregate von bleigrauer bis eisenschwarzer Farbe bei schwarzer Strichfarbe. An der Luft läuft er gelegentlich matt-schwarz oder buntfarbig an. Die Oberflächen frischer Proben weisen einen metallischen Glanz auf.
Etymologie und Geschichte
Stephanit war bereits den Bergleuten im Mittelalter als reiches Silbererz bekannt, allerdings unter den Bezeichnungen Sprödglaserz und Röschgewächs (mittelhochdeutsch für frisch, hart, spröde oder auch knusprig, kross) im Gegensatz zum Weichgewächs, dem heutigen Silberglanz bzw. Akanthit. Die Bezeichnung Sprödglaserz übernahm auch Abraham Gottlob Werner (1789) in seinen mineralogischen Aufzeichnungen. Durch Lautverschiebung wandelte sich aber noch zu Werners Zeiten „glas“ zu „glanz“, daher findet sich unter anderem bei Friedrich Hausmanns Handbuch der Mineralogie (1813) die Bezeichnung Sprödglanzerz. Gelegentlich waren auch noch Schwarzgültigerz, Schwarzgülden oder seltener Schwarzerz in Anlehnung an die oft schwarze Farbe des Stephanits im Umlauf.[4][5]
Den bis heute gültigen Namen Stephanit erhielt das Mineral 1845 von Wilhelm Ritter von Haidinger, der es zu Ehren von Erzherzog Stephan von Österreich nach diesem benannte.[6][7]
Als Typlokalität gilt der Freiberger Bergbaubezirk in Sachsen.[8]
Klassifikation
Bereits in der veralteten 8. Auflage der Mineralsystematik nach Strunz gehörte der Stephanit zur Mineralklasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort zur Abteilung der „Komplexen Sulfide (Sulfosalze)“, wo er zusammen mit Alaskait (als Mineralgemenge diskreditiert), Antimonpearceit und Arsenpolybasit (reklassifiziert als Polytypen von Pearceit), Benjaminit, Pearceit, Polybasit, Smithit, Tapalpit (als Mineralgemenge diskreditiert), Trechmannit die „Silberspießglanz-Gruppe“ mit der System-Nr. II/D.03 bildete.
Im zuletzt 2018 überarbeiteten und aktualisierten Lapis-Mineralienverzeichnis nach Stefan Weiß, das sich aus Rücksicht auf private Sammler und institutionelle Sammlungen noch nach dieser alten Form der Systematik von Karl Hugo Strunz richtet, erhielt das Mineral die System- und Mineral-Nr. II/E.06-10. In der „Lapis-Systematik“ entspricht dies ebenfalls der Abteilung „Sulfosalze“, wo Stephanit zusammen mit Arcubisit, Fettelit und Selenostephanit eine eigenständige, aber unbenannte Gruppe bildet.[9]
Die seit 2001 gültige und von der International Mineralogical Association (IMA) zuletzt 2009 aktualisierte[10] 9. Auflage der Strunz’schen Mineralsystematik ordnet den Stephanit ebenfalls in die Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“, dort allerdings in die neu definierte Abteilung der „Sulfarsenide, Sulfantimonide, Sulfbismutide“ ein. Diese ist zudem weiter unterteilt nach der Kristallstruktur und der möglichen Anwesenheit zusätzlichem Schwefels in der Formel, so dass das Mineral entsprechend seinem Aufbau und seiner Zusammensetzung in der Unterabteilung „Insel-Sulfarsenide (Neso-Sulfarsenide) usw., mit zusätzlichem Schwefel (S)“ zu finden ist, wo es nur noch zusammen mit Selenostephanit die nach ihm benannte „Stephanitgruppe“ mit der System-Nr. 2.GB.10 bildet.
Auch die vorwiegend im englischen Sprachraum gebräuchliche Systematik der Minerale nach Dana ordnet den Stephanit in die Klasse der „Sulfide und Sulfosalze“ und dort in die Abteilung der „Sulfosalze“ ein. Hier ist er zusammen mit Selenostephanit in der ebenfalls nach ihm benannten „Stephanitgruppe“ mit der System-Nr. 03.02.04 innerhalb der Unterabteilung der „Sulfosalze mit dem Verhältnis z/y = 4 und der Zusammensetzung (A+)i(A2+)j[ByCz], A = Metalle, B = Halbmetalle, C = Nichtmetalle“ zu finden.
Kristallstruktur
Stephanit kristallisiert im orthorhombischen Kristallsystem in der Raumgruppe Cmc21 (Raumgruppen-Nr. 36) mit den Gitterparametern a = 7,84 Å; b = 12,47 Å und c = 8,54 Å sowie vier Formeleinheiten pro Elementarzelle.[1]
Eigenschaften
Vor dem Lötrohr auf Kohle wird Stephanit zunächst rissig und schmilzt dann, wobei sich ein Beschlag aus Antimon(III)-oxid bildet. Mit Soda erschmolzen bildet sich ein Silberkorn. Von verdünnter Salpetersäure wird Stephanit unter Ausfällung von Schwefel und Antimon(III)-oxid zersetzt.[2]
Bildung und Fundorte
Stephanit bildet sich hydrothermal in geologisch aktiven (rezenten) Störungszonen der Erdkruste. Dort ist es vor allem in Silber-Lagerstätten, begleitet von Akanthit, Galenit, gediegen Silber, Proustit, Pyrit, Sphalerit und Tetraedrit, zu finden.
Als relativ seltene Mineralbildung kann Stephanit an verschiedenen Fundorten zum Teil zwar reichlich vorhanden sein, insgesamt ist er aber wenig verbreitet. Weltweit sind bisher rund 670 Fundorte für Stephanit dokumentiert (Stand 2021).[11] Neben seiner Typlokalität Freiberg, wo das Mineral in vielen Gruben der Umgebung zutage trat, konnte es in Deutschland unter anderem noch in mehreren Gruben bei Annaberg-Buchholz, Johanngeorgenstadt, Marienberg, Bärenstein und Schneeberg in Sachsen sowie an vielen weiteren Orten in Baden-Württemberg, Bayern, Hessen, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen gefunden werden.
In Österreich fand sich Stephanit an einigen Fundorten in Kärnten, Salzburg und der Steiermark und in der Schweiz sind bisher nur wenige Fundorte im Kanton Wallis (Binntal, Lötschental, Martigny) bekannt.
Bekannt aufgrund außergewöhnlicher Stephanitfunde mit Kristallen von mehreren Zentimetern Größe sind unter anderem Příbram (deutsch: Pibrans, älter auch Freiberg in Böhmen) und Jáchymov (deutsch Sankt Joachimsthal) in Tschechien sowie die Chispas-Mine bei Arizpe im mexikanischen Bundesstaat Sonora.[12]
Weitere Fundorte liegen unter anderem in Argentinien, Australien, Bolivien, Bulgarien, Chile, China, Ecuador, Frankreich, Griechenland, Honduras, Indien, Italien, Japan, Kanada, Kasachstan, Kolumbien, Marokko, Norwegen, Peru, auf den Philippinen, in Polen, Portugal, Rumänien, Russland, Schweden, der Slowakei, Spanien, Tadschikistan, Ungarn, Usbekistan, im Vereinigten Königreich (Großbritannien) und den Vereinigten Staaten von Amerika (USA).[11]
Verwendung
Aufgrund des Silbergehalts von bis zu 68 % ist Stephanit ein wichtiges Silbererz.[13]
Siehe auch
Literatur
- Stephanite. In: John W. Anthony, Richard A. Bideaux, Kenneth W. Bladh, Monte C. Nichols (Hrsg.): Handbook of Mineralogy, Mineralogical Society of America. 2001 (englisch, handbookofmineralogy.org [PDF; 66 kB; abgerufen am 14. Oktober 2021]).
Weblinks
- Stephanit. In: Mineralienatlas Lexikon. Stefan Schorn u. a., abgerufen am 14. Oktober 2021.
- Stephanite. In: mindat.org. Hudson Institute of Mineralogy, abgerufen am 14. Oktober 2021 (englisch).
- David Barthelmy: Stephanite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 14. Oktober 2021 (englisch).
Einzelnachweise
- Hugo Strunz, Ernest H. Nickel: Strunz Mineralogical Tables. Chemical-structural Mineral Classification System. 9. Auflage. E. Schweizerbart’sche Verlagsbuchhandlung (Nägele u. Obermiller), Stuttgart 2001, ISBN 3-510-65188-X, S. 122 (englisch).
- Hans Jürgen Rösler: Lehrbuch der Mineralogie. 4., durchgesehene und erweiterte Auflage. Deutscher Verlag für Grundstoffindustrie (VEB), Leipzig 1987, ISBN 3-342-00288-3, S. 343.
- David Barthelmy: Stephanite Mineral Data. In: webmineral.com. Abgerufen am 15. Oktober 2021 (englisch).
- Hans Lüschen: Die Namen der Steine. Das Mineralreich im Spiegel der Sprache. 2. Auflage. Ott Verlag, Thun 1979, ISBN 3-7225-6265-1, S. 226, 324.
- Helmut Schröcke, Karl-Ludwig Weiner: Mineralogie. Ein Lehrbuch auf systematischer Grundlage. de Gruyter, Berlin; New York 1981, ISBN 3-11-006823-0, S. 292.
- W. Haidinger: Handbuch der Bestimmenden Mineralogie. Braumüller und Seidel, Wien 1845, S. 570 (rruff.info [PDF; 451 kB; abgerufen am 15. Oktober 2021] Zweite Klasse: Geogenide. XIV. Ordnung. Glanze. VIII. Melanglanz. Stephanit).
- Franz von Kobell: Die Mineral-Namen und die Mineralogische Nomenklatur. Gotta'sche Buchhandlung, München 1853, S. 24 (online verfügbar bei bavarica.digitale-sammlungen.de [abgerufen am 15. Oktober 2021]).
- Freiberg, Revier (Fundortbeschreibung und Mineralliste). In: Mineralienatlas Lexikon. Stefan Schorn u. a., abgerufen am 15. Oktober 2021.
- Stefan Weiß: Das große Lapis Mineralienverzeichnis. Alle Mineralien von A – Z und ihre Eigenschaften. Stand 03/2018. 7., vollkommen neu bearbeitete und ergänzte Auflage. Weise, München 2018, ISBN 978-3-921656-83-9.
- Ernest H. Nickel, Monte C. Nichols: IMA/CNMNC List of Minerals 2009. (PDF; 1,82 MB) In: cnmnc.main.jp. IMA/CNMNC, Januar 2009, abgerufen am 15. Oktober 2021 (englisch).
- Fundortliste für Stephanit beim Mineralienatlas (deutsch) und bei Mindat (englisch), abgerufen am 15. Oktober 2021.
- Petr Korbel, Milan Novák: Mineralien-Enzyklopädie (= Dörfler Natur). Edition Dörfler im Nebel-Verlag, Eggolsheim 2002, ISBN 978-3-89555-076-8, S. 54.
- W. Pohl: W. & W. E. Petrascheck's Lagerstättenlehre. 4. Auflage. E. Schweizerbart'sche Verlagsbuchhandlung (Nägele und Obermiller), Stuttgart 1992, ISBN 3-510-65150-2, S. 193.