Sowjetische Seefliegerkräfte
Die sowjetischen Seefliegerkräfte (russisch Авиация военно-морского флота oder Awiazija wojenno-morskowo flota) waren Teil der sowjetischen Marine.
Geschichte
Die ersten Marine-Lufteinheiten in Russland wurden von 1912 bis 1914 als Teil der Baltischen Flotte und der Schwarzmeerflotte aufgestellt. Während des Ersten Weltkrieges wurden Wasserflugzeuge im Schwarzen Meer zur Luftaufklärung, zum Angriff von Küsten- und Hafenanlagen und feindlichen Schiffen und zur Vernichtung von U-Booten und Feindflugzeugen am Boden verwendet. 1917 verfügten die russischen Marineflieger über 269 Flugzeuge.
Die erste Einheit nach der Februarrevolution 1917, die Baltische Spezialfliegerbrigade, wurde nach Befehl Nr. 335 des Generalstabes der Seekriegsflotte am 27. April 1918 aufgestellt. Ihr folgten weitere Einheiten. Sie nahmen am Russischen Bürgerkrieg teil, wobei sie Schiffe und Truppe während der Kämpfe bei Petrograd, in der Ostsee, im Schwarzen Meer, an der Wolga, der Kama, der Nördlichen Dwina und am Onegasee unterstützten. Die neuaufgestellte Marineluftwaffe bestand aus nur 73 veralteten Flugzeugen, davon 21 mit Radfahrwerk. Technisch unzulänglich und von geringer Leistungsfähigkeit, wurden sie vor allem für die Versorgung von Schiffen und Truppe verwendet. 1920 wurden die Seefliegerkräfte den Luftstreitkräften unterstellt. 1923 betrug der Flugzeugbestand durch Abnutzung und Ersatzteilmangel nur noch 36 Stück.
In der zweiten Hälfte der 1920er begann die Kampfkraft der Seefliegerkräfte zu steigen. Sie erhielten neue Aufklärungsflugzeuge, Bomber und Jäger, allerdings zum größten Teil aus dem Ausland, hauptsächlich aus Deutschland (hier von Junkers, Heinkel und Dornier) und Italien, darunter auch Flugboote und Wasserflugzeuge. In der Mitte der 1930er wurden die Seefliegerkräfte der Baltischen Flotte, der Schwarzmeerflotte und der Pazifischen Flotte geschaffen. Am 1. Januar 1938 wurden die Seefliegerkräfte wieder Bestandteil der Seestreitkräfte. Die Notwendigkeit der Seefliegerkräfte stieg von 1938 bis 1940 signifikant, und sie wurden einer der Hauptbestandteile der sowjetischen Marine. Während dieser Zeit wurden Bomber- und Torpedobombereinheiten aufgestellt, ausgerüstet mit TB-1, TB-3 und DB-3. Erste Kampferfahrungen wurden während des Grenzkonfliktes mit Japan sowie während des Winterkrieges mit Finnland gesammelt. Bei Beginn des Großen Vaterländischen Krieges verfügten die sowjetischen Flotten mit Ausnahme der Pazifischen zusammen über 1445 Flugzeuge: 707 unterstanden der Baltischen, 624 der Schwarzmeer- und 114 der Nordflotte.
Während des Krieges konnten die Seefliegerkräfte dem Feind schwere Schläge in Form gesunkener Schiffe und Mannschaften zufügen: zweieinhalbmal mehr als jede andere Einheit der sowjetischen Marine. 17 Einheiten wurden mit dem Titel der Sowjetischen Garde geehrt, 241 Angehörige mit dem Titel eines Helden der Sowjetunion ausgezeichnet (darunter fünf Piloten zweifach).
Da die sowjetische Marine im Kalten Krieg keine Flugzeugträgerflotte wie die US-Marine besaß, wurde sie stattdessen einzigartig in der Bereitstellung einer hohen Anzahl an strategischen Bombern für Aufgaben der Seefliegerkräfte. Flugzeuge wie die Tupolew Tu-16 und Tu-22M wurden mit Hochgeschwindigkeits-Antischiffsraketen ausgestattet. Die Hauptaufgabe dieser Flugzeuge wäre es gewesen, NATO-Geleitzüge, die während der Operation REFORGER von Nordamerika nach Europa gefahren wären, abzufangen.
Inventar
1987 verfügten die sowjetischen Seefliegerkräfte über:
- 340 Mittel- und Langstrecken-Bomber (primär gegen Schiffe):
120 Tupolew Tu-22M
190 Tu-16
30 Tu-22 - 145 Jagdbomber:
75 Suchoi Su-17, landgestützt
70 Jakowlew Jak-38, trägergestützt - 70 Tankflugzeuge
70 Tu-16 - 200 Aufklärungs- und Elektronische-Gegenmaßnahmen-Flugzeuge
Tu-16
Tu-95
Tu-22
Antonow An-12 - 480 U-Jagd-/Seeüberwachungsflugzeuge
60 Tu-142
100 Mil Mi-14
60 Kamow Ka-27
115 Ka-25
95 Berijew Be-12
50 Iljuschin Il-38 - 465 Transport- und Schulflugzeuge
Siehe auch
Literatur
- Wilfried Kopenhagen: Die Seefliegerkräfte der UdSSR. In: Flieger-Jahrbuch 85/86. Transpress, 1984, ISSN 0428-5697, S. 36–49.
- Die Seeluftstreitkräfte der ehemaligen Sowjetunion. In: De Agostini (Hrsg.): Aircraft. Die neue Enzyklopädie der Luftfahrt. Nr. 105. Topic, München-Karlsfeld 1995, S. 2930–2934.