Seeschlacht bei Tsushima
Die Seeschlacht bei Tsushima (japanisch 日本海海戦, Nihon-kai kaisen, dt. „Seeschlacht im Japanischen Meer“; russ. Цусимское сражение) fand vom 14. Maijul. / 27. Mai 1905greg. bis zum folgenden Tag in der Koreastraße zwischen der japanischen Flotte unter Admiral Tōgō Heihachirō und einem russischen Geschwader unter dem Kommando von Admiral Sinowi Petrowitsch Roschestwenski statt.
Die Seeschlacht endete mit einer vernichtenden Niederlage der russischen Seite und war vorentscheidend für den Ausgang des Russisch-Japanischen Krieges. Sie gilt unter Militärhistorikern als erste moderne Seeschlacht der Weltgeschichte.
Vorgeschichte
Der russische Verband bestand aus Einheiten der Baltischen Flotte, die von der Ostsee aus auf die achtmonatige und 18.000 Seemeilen lange Fahrt nach Fernost entsandt worden waren, um die Belagerung der im Russisch-Japanischen Krieg eingeschlossenen Festung Port Arthur am Gelben Meer aufzubrechen. Dort lagen, durch die japanische Belagerung blockiert, die Reste der durch einen Überraschungsangriff zu Beginn des Krieges angeschlagenen russischen Pazifikflotte. Nach dem Fall von Port Arthur am 2. Januar 1905 und dem damit verbundenen Verlust der Reste der Pazifikflotte wurde das russische Entsatzgeschwader nach Wladiwostok beordert. Der japanischen Seite blieb dieser lange und durch den Doggerbank-Zwischenfall noch verzögerte Aufmarsch nicht verborgen, und es gelang ihr, den russischen Verband beim Passieren der Koreastraße zu stellen.
Die Flotten
Die japanische Flotte
Entgegen den Erwartungen der russischen Führung war die japanische Flotte bei Ausbruch des Krieges in einem ausgezeichneten Zustand. Der Großteil der japanischen Linienschiffe und Kreuzer war zwar bereits vor der Jahrhundertwende gebaut worden, stand den moderneren russischen Schiffen jedoch hinsichtlich Ausrüstung und Kampfkraft in nichts nach. Im Verband befanden sich auch vom mit Japan verbündeten Großbritannien gelieferte modernste Einheiten.
Der Ausbildungsstand in der japanischen Flotte galt unter Fachleuten als hervorragend. Im Vergleich zu russischen Matrosen, die oftmals nur während der Sommermonate ihre Manöverübungen abhielten, verbrachten die japanischen Seeleute fast das gesamte Jahr auf See. Dadurch kannten sie Schiff und Ausrüstung besser und konnten auch umfangreichere Gefechtsübungen absolvieren. Admiral Tōgō und einige seiner ihm unterstellten Offiziere hatten die Seekriegführung an britischen Marineakademien erlernt.
Nicht zuletzt hatten die Japaner in der Belagerung von Port Arthur und im Gelben Meer wichtige Kampferfahrung sammeln können. Sie gingen, ermutigt durch diese ersten Erfolge, überaus siegesgewiss und motiviert in das Gefecht.
Die russische Flotte
Das Zweite russische Pazifikgeschwader bestand aus einer Vielzahl unterschiedlicher Schiffe. Nur die vier Linienschiffe Knjas Suworow, Imperator Alexander III., Borodino und Orjol waren neuerer Bauart und einheitlichen Typs (Borodino-Klasse). Der Rest des Verbandes bestand aus teils veralteten Kreuzern und verschiedenen leichten Einheiten. Wegen der langsamen Küstenpanzerschiffe konnte das Geschwader nur eine Geschwindigkeit von knapp 10 Knoten fahren. Die mitgeführten Hilfsschiffe (Transportschiffe, Werkstattschiff und Lazarettschiff) stellten eine zusätzliche Belastung dar. Alle diese Faktoren setzten die Kampfkraft der russischen Flotte erheblich herab.
Schwerer als die technischen Faktoren wog jedoch, dass die Moral der russischen Matrosen durch die sich abzeichnende Revolution, stetige Konflikte mit den Offizieren und die lange und von Schwierigkeiten begleitete Fahrt zermürbt war. Erst im Angesicht des Feindes fanden viele Russen ihren Kampfgeist wieder.
Eine detaillierte Beschreibung der Reise des Zweiten russischen Pazifikgeschwaders und der Ereignisse während der Schlacht findet sich im Roman Tsushima des Autors Alexei Silytsch Nowikow-Priboi, der die Schlacht als Unteroffizier an Bord des Linienschiffs Orjol erlebte.
Verlauf
Das russische Geschwader sollte nach dem Fall der Festung von Port Arthur zum russischen Hafen Wladiwostok durchbrechen, der als künftige Operationsbasis dienen sollte. Admiral Roschestwenski wählte dazu den direkten Weg durch die Koreastraße. In der Folge ist immer wieder über den Sinn und die Gründe für diese Entscheidung spekuliert worden. Alternativ hätte das Geschwader auch den Weg um Japan wählen und dann durch die La-Pérouse-Straße oder die Tsugarustraße ins Japanische Meer gelangen können. Vermutlich stellten Kohlemangel und das nicht minder große Risiko der Umschiffung Japans die Hauptgründe für die Wahl dieser Strecke dar.
Der Aufmarsch
Im Morgengrauen des 27. Mai näherte sich das russische Geschwader der Koreastraße. Kurz nach 5 Uhr morgens wurde steuerbords ein Schiff entdeckt, welches das Geschwader kurz begleitete und sich dann rasch wieder entfernte. Es war der japanische Hilfskreuzer Shinano Maru, der – angezogen von der hellen Beleuchtung der russischen Lazarettschiffe – gegen 04:45 Uhr das Geschwader entdeckt hatte und sich auf dessen Kurs begab. Kurz darauf benachrichtigte die Shinano Maru über Funk das in der koreanischen Masampo-Bucht liegende Geschwader Admiral Tōgōs. Tōgō nahm unverzüglich Kurs auf die japanische Küste und wollte der russischen Flotte den Weg abschneiden. Da der Kommandant des Hilfskreuzers jedoch die Geschwindigkeit der russischen Schiffe zu hoch eingeschätzt hatte, kam es zunächst nicht zum Aufeinandertreffen. Admiral Tōgō wendete daraufhin seine Flotte und steuerte die südliche Hälfte der Koreastraße an. Gleichzeitig nahmen zwei andere japanische Divisionen unter den Admiralen Dewa Shigetō und Kataoka Shichirō Kurs auf das Planquadrat, in dem die Russen gesichtet worden waren. Bereits im Angesicht des Feindes ließ Roschestwenski die ersten vier Linienschiffe in eine zweite Gefechtslinie nach Steuerbord abschwenken, um gegen eventuelle frontal angreifende Gegner besser gewappnet zu sein. Dies erwies sich jedoch schnell als Fehler, denn gegen 13:20 Uhr näherten sich die japanischen Hauptstreitkräfte backbords auf Sichtweite an. Zuerst sah es aus, als ob die beiden Flotten aneinander vorbeifahren und es damit zu einem Passiergefecht kommen würde. Roschestwenski versuchte nun, die vier Linienschiffe wieder in die ursprüngliche Position zu bringen. Da aber die Geschwindigkeiten der einzelnen Abteilungen nicht aufeinander abgestimmt waren, mussten die hinteren russischen Schiffe ihr Tempo drosseln. Das Linienschiff Osljabja musste schließlich sogar ganz stoppen.
Das Hauptgefecht
Zu diesem Zeitpunkt – gegen 13:50 Uhr – ließ Admiral Tōgō seine Flotte einen Bogen schlagen und auf Parallelkurs zum russischen Geschwader gehen. Die japanische Gefechtslinie bildete nun für mehrere Minuten eine Schleife, was das Schussfeld der hinteren japanischen Schiffe behinderte. Die Russen hätten diesen Moment für einen Frontalangriff nutzen können, wozu es aber nicht kam. Stattdessen bewegten sich beide Gefechtslinien parallel zueinander.
Beide Flotten verfügten in der Schlacht über je zwölf Schiffe in ihrer Hauptgefechtslinie. Auf japanischer Seite waren dies neben den vier Linienschiffen Fuji, Shikishima, Asahi und Mikasa in der 1. Division seit der Schlacht im Gelben Meer die beiden 1904 von Ansaldo gelieferten Panzerkreuzer Kasuga und Nisshin. Die zweite Division bildeten die sechs Panzerkreuzer des ursprünglichen Bauprogramms von 1894 mit den vier in Großbritannien gebauten Asama, Tokiwa, Izumo und Iwate, der in Frankreich gebauten Azuma und der in Deutschland gebauten Yakumo. Damit verfügte die japanische Flotte über nur 16 305-mm-Geschütze und ein 254-mm-Geschütz, aber 30 203-mm-Geschütze. Ein wesentlicher Vorteil der Japaner war ihre höhere Geschwindigkeit, wie schon in den vorangegangenen Gefechten, auch wenn die japanischen Schiffe ihre Probefahrtgeschwindigkeiten nicht mehr erreichten. Ihre erste Division konnte geschlossen 15 Knoten (kn) laufen, ihre zweite Division geschlossen bis 18 kn.
Das Zweite russische Pazifikgeschwader war nach dem langen Anmarsch aus Europa nur noch in der Lage, eine Verbandsgeschwindigkeit von höchstens 12 kn zu erreichen. An schwerer Artillerie verfügten die russischen Schiffe über 26 305-mm-Geschütze (allerdings sechs älterer Ausführung) und fünfzehn 254-mm-Geschütze. Sie waren in drei Divisionen gegliedert, deren erste von den vier Schiffen der Borodino-Klasse (Knjas Suworow, Imperator Alexander III., Borodino und Orjol) gebildet wurde. Die zweite bestand aus Osljabja, Sissoi Weliki, Nawarin und dem alten Panzerkreuzer Admiral Nachimow und die dritte aus dem alten Linienschiff Imperator Nikolai I. und den drei Küstenpanzerschiffen General-Admiral Apraxin, Admiral Senjawin und Admiral Uschakow. Bis zum Abend der Schlacht waren schon vier dieser Schiffe versenkt worden. Nur die vier Schiffe der russischen Schlachtflotte, die sich am 28. unter Konteradmiral Nikolai Nebogatow ergaben, überlebten die Schlacht.
Die Schlacht wurde um 14:05 Uhr bei der Insel Okinoshima von der Hauptartillerie des russischen Flaggschiffs Knjas Suworow bei einer Entfernung von 8000 bis 9000 Metern eröffnet. Die Japaner beantworteten den Beschuss sofort, wobei sie ihr Feuer auf die Knjas Suworow und die Osljabja konzentrierten. Auf letzterer wehte noch immer die Flagge des Admirals Dmitri Gustawowitsch von Fölkersahm, der nach schwerer Krankheit drei Tage vor der Schlacht verstorben war. Darüber waren jedoch außer Admiral Roschestwenski und der Mannschaft des Schiffes niemand informiert worden, da man einen schlechten Einfluss auf die Moral der russischen Matrosen befürchtete. So glaubten auch die Japaner, dass die Osljabja noch Flaggschiff der 2. Division sei, und nahmen es sofort unter heftiges Feuer.
Das Schiff hatte sich nach dem missglückten Manöver noch nicht wieder in Bewegung gesetzt und erhielt mehrere schwere Treffer im Bugbereich. Die Osljabja kenterte schließlich gegen 15:15 Uhr, ohne vorher in großem Umfang in die Schlacht eingegriffen haben zu können. Russische Torpedoboote retteten einige der Schiffbrüchigen, mussten aber unter dem starken japanischen Angriff den Rückzug antreten. Mehr als 500 der 900 Mann starken Besatzung verloren beim Untergang ihr Leben.
Das russische Geschwader setzte seinen Weg auf dem Kurs Nordost 23 Grad fort. Die russischen Schiffe konnten jedoch nicht mehr als 9 Knoten fahren, um ihre Trossschiffe nicht zu verlieren. Die Japaner schoben ihre Spitze dank der überlegenen Geschwindigkeit von etwa 15 Knoten vor die der russischen Flotte. Dies ermöglichte Admiral Tōgō schließlich, zweimal hintereinander ein Crossing-the-T-Manöver durchzuführen. Dabei war das jeweilige russische Spitzenschiff dem konzentrierten Feuer der vordersten japanischen Einheiten ausgesetzt. Die Entfernung verringerte sich dabei auf bis zu 3500 Meter, wobei die Geschosse eher die Panzerungen durchschlagen konnten. Diesem konzentrierten Beschuss konnten auch die russischen Linienschiffe nicht lange standhalten. Gegen 15:30 Uhr scherte die Suworow aus und wurde durch die Alexander III. ersetzt. Später übernahm die Borodino die Führung. Gegen 17 Uhr setzte das Hauptgefecht für kurze Zeit aus, als die Schlachtlinien im Qualm und Dunst nicht mehr zu erkennen waren. Das russische Geschwader hatte sich – da man dem Crossing the T ausweichen wollte – immer weiter nach Süden drängen lassen und beschrieb schließlich einen Kreis.
Gegen 18 Uhr näherten sich die Japaner den russischen Schiffen von achtern steuerbord wieder an. Kurz darauf begann das Gefecht von neuem. Die bereits stark in Mitleidenschaft gezogenen russischen Linienschiffe konnten den Japanern nichts mehr entgegensetzen. Um 19 Uhr sanken die Linienschiffe Suworow und Alexander III. mit allen Mann an Bord. Admiral Roschestwenski, einige Stabsoffiziere und Matrosen waren kurz zuvor von der Suworow auf ein Torpedoboot übernommen worden. Gegen 19:20 Uhr sank dann auch das Linienschiff Borodino. Damit war das Hauptgefecht für den 27. Mai beendet und die Gefechtslinien trennten sich. Die folgende Karte vermittelt einen Eindruck von den verwickelten und unübersichtlichen Kampfhandlungen während der Schlacht.
Nachtgefechte
Zu diesem Zeitpunkt übernahm Admiral Nebogatow die Führung des russischen Geschwaders. Er hielt weiterhin Kurs auf Wladiwostok, obwohl erkennbar wurde, dass der Durchbruch misslungen war. Während der Nacht mussten sich die russischen Schiffe gegen zahlreiche Torpedoangriffe wehren. Diesen Angriffen fielen die russischen Schiffe Admiral Nachimow, Wladimir Monomach, Nawarin (unter dem Kommando des Barons Bruno von Vietinghoff) und Sissoi Weliki zum Opfer. Sie sanken noch in der unmittelbaren Nähe der Insel Tsushima.
Der 28. Mai
Im Verlauf des 28. Mai wurden die verbliebenen russischen Kreuzer und Torpedoboote von starken japanischen Einheiten zu Entscheidungsgefechten gezwungen. Obwohl gerade die Torpedoboote oftmals erbitterten Widerstand leisteten, mussten sich alle den überlegenen Japanern geschlagen geben. Einige Schiffe versuchten noch, die koreanische Küste zu erreichen, um so wenigstens einen Teil der Mannschaft an Land retten zu können. Doch dies gelang nur in einigen Fällen.
Das russische Torpedoboot Buiny, das Admiral Roschestwenski und die überlebenden Stabsoffiziere vom später versenkten Flaggschiff Suworow übernommen hatte, wurde den Japanern übergeben. Damit gerieten auch Admiral Roschestwenski und sein Stab in japanische Gefangenschaft.
Die Kapitulation
Vom ursprünglichen Verband waren nur noch das alte Panzerschiff Nikolai I. unter der Flagge des Admirals Nebogatow, das schwer beschädigte Linienschiff Orjol sowie die Küstenpanzerschiffe General-Admiral Graf Apraxin und Admiral Senjawin geblieben. Sie mussten sich gegen 10:30 Uhr den japanischen Verbänden ergeben. Die Kapitulation wurde nicht von allen Offizieren akzeptiert, aber angesichts der geringen Kampfkraft blieb dem Admiral keine andere Wahl. Nikolai Jung, der Kapitän der Orjol, war bei der Übergabe aufgrund seiner schweren Verwundungen bewusstlos und verstarb am kommenden Tag.
Nebogatow und die ihm untergeordneten Kapitäne mussten sich später vor Gericht für die Übergabe der Schiffe verantworten und wurden zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.
Andere Schiffe
Der Kreuzer Isumrud konnte sich dank seiner überlegenen Geschwindigkeit von 24 Knoten der Kapitulation entziehen und versuchte auf eigenem Weg nach Wladiwostok zu gelangen. Das Schiff fuhr jedoch in der Wladimirbucht kurz vor dem Ziel auf ein Riff und wurde von der eigenen Besatzung gesprengt.
Die von Admiral Oskar Enkwist geführte russische Kreuzerdivision, der unter anderem der Panzerdeckkreuzer Aurora angehörte, setzte sich am Morgen des 28. Mai in Richtung Süden ab. Die Aurora, die Schemtschug und der schwer beschädigte Kreuzer Oleg konnten sich bis auf die Philippinen durchschlagen, wo alle drei Schiffe im Hafen von Manila interniert wurden. Drei weiteren russischen Schiffen gelang die Flucht in neutrale Häfen, wo sie sich internieren ließen. Alle Schiffe wurden nach Kriegsende wieder nach Russland überführt.
Nur wenigen russischen Schiffen – den Torpedobooten Grosny und Brawy sowie der Admiralitätsyacht Almas – gelang der Durchbruch nach Wladiwostok. Durch den geringen Kampfwert dieser Einheiten war die japanische Vormachtstellung im ostasiatischen Raum nicht gefährdet.
Verluste
Russische Verluste
Die folgende Karte gibt einen Überblick über die Verluste der russischen Flotte bei der Seeschlacht.
Das russische Geschwader wurde nahezu komplett vernichtet. Drei der vier neuen Linienschiffe waren gesunken, das vierte wurde schwer beschädigt an die Japaner ausgeliefert. Insgesamt versenkten die Japaner 21 russische Kriegsschiffe oder beschädigten diese so schwer, dass sie von ihren Besatzungen aufgegeben werden mussten. Während der Schlacht wurden 5.045 russische Seeleute getötet und viele weitere zum Teil schwer verwundet.
Von den überlebenden russischen Offizieren und Matrosen gerieten 6.016 in japanische Gefangenschaft, als die Reste des Geschwaders am Morgen des 28. Mai kapitulierten. Unter den Gefangenen waren auch die Admirale Roschestwenski und Nebogatow. Der überwiegende Teil durfte nach einer Generalamnestie im Jahre 1906 nach Russland zurückkehren.
Japanische Verluste
Im Gegensatz zu den Russen hatte die japanische Flotte vergleichsweise geringe Verluste erlitten. Die schwersten Beschädigungen hatte Admiral Tōgōs Flaggschiff Mikasa erhalten. Es war von über 30 schweren Granaten getroffen worden, die das Deck und alle oberen Aufbauten schwer beschädigt hatten. Dabei waren sechs Offiziere, ein Unteroffizier und 106 Mann der Besatzung getötet oder verwundet worden. Weiterhin erhielten die japanischen Kreuzer Naniwa und Kasagi schwere Treffer an bzw. unterhalb der Wasserlinie und mussten sich infolge dieser Lecks vom Schlachtfeld zurückziehen. Zwei weitere Linienschiffe und neun Kreuzer hatten Schäden durch den russischen Beschuss davongetragen. Während der Nachtgefechte wurden drei japanische Torpedoboote versenkt und eine Vielzahl weiterer Boote schwer beschädigt. Insgesamt waren 116 japanische Seeleute gefallen und 583 verwundet worden.
Ihre materiellen Verluste konnten die Japaner jedoch durch über 60 bei Tsushima und Port Arthur eroberte Schiffe mehr als ausgleichen. Ihre Flotte ging aus diesem Krieg gestärkt hervor.
Schlussbetrachtungen
Ursachen der russischen Niederlage
Der bessere Ausbildungsstand und die Kampftaktik der Japaner verhalfen diesen zum Sieg. Die Gründe für die Vernichtung der russischen Flotte waren vielfältig. Viele Fehler können dabei direkt oder indirekt dem russischen Geschwaderchef Roschestwenski angelastet werden:
- Es existierte kein vorab besprochener und mit den anderen Admiralen abgestimmter Schlachtplan.
- Der Admiral verfügte lediglich, dass jedes Schiff unter allen Umständen versuchen sollte, nach Wladiwostok durchzubrechen.
- Die Vermischung neuer und veralteter Kriegsschiffe führte zu einer insgesamt geringeren Geschwindigkeit der russischen Flotte, wodurch die Japaner das Crossing the T durchführen konnten.
- Da die russische Kreuzerdivision zum Schutz der Transportschiffe abgestellt wurde, verringerte sich die Kampfkraft der russischen Flotte zusätzlich.
- Die Wirkung der russischen Artilleriegeschosse beim Aufschlag war für die Artillerieleitoffiziere und Geschützmannschaften schlecht oder gar nicht einzuschätzen. Es wurde Munition verwendet, die kaum Rauch entwickelte. Obwohl die japanische Flotte schwere Schäden an Bord verzeichnete, wurde die Moral der russischen Matrosen dadurch weiter untergraben, da sie ihr Artilleriefeuer für wirkungslos hielten.
Für den Fall des Ausscheidens des Flaggschiffes sollte das nachfolgende Schiff die Führung des Geschwaders übernehmen. Dies führte mehrfach dazu, dass das gesamte Geschwader mit den noch lebenden Admiralen und Stabsoffizieren einem einzelnen Schiff folgte. Das Spitzenschiff war dem feindlichen Beschuss dabei stets am stärksten ausgesetzt. Die wenigsten russischen Kommandanten konnten sich zu einem eigenverantwortlichen Handeln entschließen. Die russische Flotte verhielt sich in ihrer Gesamtheit zu passiv, und der Schlachtverlauf wurde während der ganzen Zeit durch Admiral Tōgō diktiert.
Zu allem Überfluss waren in der Vorbereitungsphase des Geschwaders schwerwiegende Fehler bei der Bewaffnung und Bemannung der Schiffe gemacht worden, die erst während der Schlacht offenbar wurden. Unter anderem war der Feuchtigkeitsgehalt der russischen Granaten gesteigert worden, um während der Fahrt durch tropische Gewässer die Gefahr der Selbstentzündung zu minimieren. Dies führte dazu, dass während der Schlacht nur ein Bruchteil der russischen Granaten beim Aufschlag explodierte. Die Russen verwendeten panzerbrechende Geschosse, die erst im Inneren des Schiffes explodierten und dabei eine geringe Rauchwirkung aufwiesen. Dies erschwerte den russischen Geschützführern die Bewertung ihrer Treffergenauigkeit, so dass keine vernünftige Fehlerkorrektur erfolgen konnte. Die japanischen Geschosse enthielten zudem mehr Schimose-Sprengstoff, der auch weit wirkungsvoller war als das von den Russen verwendete Pyroxilin.
Schließlich war der Ausbildungsstand der meist aus Reservisten und Rekruten bestehenden russischen Mannschaften deutlich geringer als der japanischer Matrosen. Bei den Geschützführern zeigte sich dies am deutlichsten in einer geringeren Treffergenauigkeit.
Militärische Erkenntnisse
Die Auswertung des Schlachtverlaufes durch die Marinen der damaligen Zeit führte zu der Erkenntnis, dass die Seeschlachten der Zukunft auf größere Entfernungen ausgetragen würden. Daher erfolgte bei neuen Schiffskonstruktionen eine Konzentration auf die schwere Artillerie zuungunsten der Mittelartillerie. Diese Entwicklung stellte bereits den ersten Schritt auf dem Weg zu den All-Big-Gun-Battleships der Dreadnoughts dar.
Politische Folgen
Die Niederlage bei Tsushima stellte die Weichen für die Beendigung des Krieges. Japans militärischer Sieg über Russland war ein deutliches Zeichen für die erfolgreiche Entwicklung Japans vom Feudalstaat zur modernen Großmacht.
Der Unmut der russischen Bevölkerung angesichts immer neuer Hiobsbotschaften wuchs und wurde durch die bereits bestehenden innenpolitischen Probleme verschärft. Der russische Zar Nikolaus II. war daraufhin gezwungen, ein Vermittlungsangebot des amerikanischen Präsidenten Theodore Roosevelt für den Beginn von Friedensverhandlungen anzunehmen. Am 5. September 1905 wurde der Vertrag von Portsmouth unterzeichnet.
Unter dem Eindruck der Schlacht kam es außerdem im Jahr 1907 zur Neufassung der Haager Konvention von 1899, welche die Genfer Konvention von 1864 für den Seekrieg übernommen hatte. Die überarbeitete Fassung orientierte sich dabei an der Genfer Konvention in ihrer Fassung von 1906.
Literatur
- Wladimir Ssemenow: Rassplata. Kriegstagebuch über die Blockade von Port Arthur und die Ausreise der Flotte unter Rojestwenski. Auf Veranlassung der Schriftleitung der Marine-Rundschau übersetzt von Oberleutnant zur See Hermann Gercke. Mittler und Sohn, Berlin 1908.
- A. S. Nowikow-Priboi: Tsushima. Militärverlag der DDR, Berlin 1986, ISBN 3-327-00251-7.
- Richard Connaughton: Rising sun and tumbling bear. Russia’s war with Japan. Cassell, London 2003, ISBN 0-304-36184-4.
- Erstausgabe: Richard Michael Connaughton: The War of the Rising Sun and the Tumbling Bear. A military history of the Russo-Japanese War 1904–5. Routledge, London u. a. 1988, ISBN 0-415-00906-5.
- Frank Jacob: Tsushima 1905: Ostasiens Trafalgar. Schöningh, Paderborn 2017, ISBN 978-3-506-78140-6.
- Constantine Pleshakov: The Tsar’s last armada – The epic voyage to the battle of Tsushima. Basic Books, New York NY 2002, ISBN 0-465-05792-6.
- Bernd Martin: Der Untergang des zaristischen Rußlands. Tsushima, 27. und 28. Mai 1905. In: Stig Förster, Markus Pöhlmann, Dierk Walter (Hrsg.): Schlachten der Weltgeschichte. Von Salamis bis Sinai. Deutscher Taschenbuch-Verlag, München 2004, ISBN 3-423-34083-5, S. 264–278.
- Frank Thiess: Tsushima – Der Roman eines Seekrieges, Paul Zsolnay Verlag, 1941
Filme
- Nihonkai daikaisen (Great Battle of the Japan Sea/Port Arthur – Die Schlacht im Chinesischen Meer, Japan 1969, Regie: Seiji Maruyama, mit Toshirô Mifune in der Rolle von Admiral Togo). Die deutsche Fassung ist im Vergleich zum Original um gut 40 Min. gekürzt.
- Die Schlacht wurde 2011 in Episode 12 der japanischen Fernsehserie Saka no Ue no Kumo thematisiert.
Comics
- Die Hölle von Tsushima, in: Abenteuer der Weltgeschichte. Spannende Tatsachenberichte aus dem Leben aller Völker, Nr. 51 (Walter Lehning Verlag, Hannover) o. J. [ca. 1955].
- Dimitri: Sous le pavillon du Tsar, Grenoble Cedex 1995, deutsch: Unter der Flagge des Zaren
Weblinks
- Die Seeschlacht von Tsushima – DCTP Primetime: Interviews mit japanischen Augenzeugen
- Umfassende Informationen zum russisch-japanischen Krieg (englisch) – archiviert von archive.org
- Der russisch-japanische Krieg auf See (russisch) – Inklusive Fotogalerien zu Schiffen, Waffen und Personen