Schloss Tonna
Schloss Tonna, auch Kettenburg genannt, ist eine mittelalterliche Wasserburg in Gräfentonna, einem Ortsteil von Tonna im Landkreis Gotha in Thüringen. Es wurde mehrfach umgebaut und diente über einen Zeitraum von 130 Jahren bis 1989 als Justizvollzugsanstalt.
Schloss Tonna | ||
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Ansicht von der B 176 (2011) | ||
Alternativname(n) | Kettenburg | |
Staat | Deutschland (DE) | |
Ort | Gräfentonna | |
Entstehungszeit | 12. Jahrhundert | |
Burgentyp | Niederungsburg | |
Erhaltungszustand | Wesentliche Teile erhalten | |
Geographische Lage | 51° 5′ N, 10° 44′ O | |
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Geschichte
Seit 874: Herrschaftssitz der Grafen von Tonna und Herzöge von Gotha
Schon 874 wurde der Ort als Wohnsitz (villa Tonna) der Grafen von Tonna genannt. 1089 wurde es von Erwin I. bewohnt. Die ältesten Teile sind der 35 m hohe Turm im Nordflügel und das hohe Vorderhaus im Nordosten. Um 1200 wurde das Gebäude als typische spätromanische Wasserburg (umgeben von einem Wassergraben, dessen Wasser vom Seegraben gespeist wurde) als Schloss der Grafen von Gleichen und Tonna auf einer Fläche von knapp 12.000 m² neu erbaut.
Das Schloss bildet ein Rechteck von 2604 m² (62 × 42 m). Die vierflügelige Kernburg erhielt eine trapezförmige Vorburg. 1375 wurde das Schloss nach einem Brand wiederhergestellt und mit zeitgenössischen Stilelementen ausgestattet. Süd- und Ostflügel wurden in mehreren Stufen im 16. Jahrhundert ausgebaut.
Der Westflügel stammt aus dem 16. oder 17. Jahrhundert. Seit Mitte des 17. Jahrhunderts bis 1861 diente das Schloss als fürstliches Amtshaus des Herzog zu Gotha. 1761 erfolgten Umbauten für den fürstlichen Amtsvogt von Gotha. Einige Räume dienten als Speicherräume für Zinsfrüchte. Bis 1859 diente das Schloss als Justiz- und Rentamtssitz und wurde bis 1861 durchgreifend umgestaltet.
Seit 1861: Nutzung als Gefängnis und Zuchthaus
Von 1861 bis 1991 diente das Gebäude als Zuchthaus und hat vielleicht aus dieser Zeit seinen Namen. 1873 wurde es durch Aufstockung eines dritten Stockwerks im Süd- und Westflügel und durch einen Anbau an der Nordseite erweitert. 282 Einzelzellen „beherbergten“ die Insassen in der Nacht. Früher bewohnte ein Turmwächter den Turm, der bei drohender Gefahr oder bei Sichtbarwerden eines Feindes ins Horn stieß. Zu Zuchthauszeiten stieg ein „Insasse“ alltäglich in den Turm, um die Uhr aufzuziehen.
Zwischen 1933 und 1935 erreichte die Belegung mit 85 bzw. 35 Frauen in der Gefängnis- bzw. Zuchthausabteilung einen Höhepunkt. Der Anteil der politischen Gründen Inhaftierten stieg seit 1933 von 5 auf 45 %. Die seit 1933 wieder eingerichteten Männerabteilungen wiesen eine Steigerung der Belegung von 98 im Jahre 1933 auf 261 im Jahre 1935 auf. Seit 1934 gab es eine Zuchthaus-Abteilung für Männer, deren Zahl bis 1935 von 42 auf 111 Personen anstieg. Aus der Abteilung Sicherungsverwahrung wurden von den 164 Personen 80 % an die KZ Buchenwald und KZ Mauthausen überstellt. Während des Zweiten Weltkrieges waren mindestens 144 ausländische Zwangsarbeiter inhaftiert. Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene aus Frankreich, Polen und der Sowjetunion mussten in der Landwirtschaft von Burgtonna, auf der Domäne Schröder in Gräfentonna und im Betrieb W. Mottebohm arbeiten.[1]
Zu DDR-Zeiten waren in diesem Gefängnis auch politische Häftlinge inhaftiert[2].
Seit 1991: Eigentümerwechsel und Leerstand
Seit der Fertigstellung einer neuen Justizvollzugsanstalt in Gräfentonna nach der Wende steht das Schloss leer und befindet sich in einem sanierungsbedürftigen Zustand. 1993 wurde es dem Freistaats Thüringen als Vermögen zugeordnet. Dieser verkaufte es 1996 an die landeseigene Landesentwicklungsgesellschaft Thüringen (LEG) zur Verwertung. 2007 versteigerte die LEG das Schloss und erteilte dem Höchstbietenden, der Fa. Gans Generalbauunternehmung GmbH in Zürich, den Zuschlag. Nachdem über Jahre keine Sanierungsarbeiten stattfanden, wurde das Schloss 2012 über die Sächsische Grundstücksauktionen AG, Dresden, mit einem Mindestangebot von 29.000 Euro erfolglos auf einer Versteigerungsauktion angeboten. Die Schweizer Gesellschaft versuchte daraufhin, es über das Internet zu veräußern. Die Thüringer Allgemeine berichtete von einem Verkaufsangebot von 108.000 Euro und schätzt den Sanierungsbedarf auf einen zweistelligen Millionenbetrag.[3][4] Bei einer erneuten Versteigerung im Februar 2013 erhielt eine US-amerikanische Limited Liability Company namens „ISAR LLC“[5] den Zuschlag für 29.000 Euro und warb anschließend am Gebäude für die Vermietung von Wohn- und Lagerräumen. Als Vertreter der Eigentümergesellschaft wurden Dr. Wolfgang Pöschl und Lana Dandridge, 1603 Capitol Avenue, Suite 314-161, Cheyenne, Wyoming, USA, eingetragen. Als Geschäftsadresse wurde eine Anschrift unter Hauptstraße 86 a, 5113 Köln angegeben.[6] 2015 berichtete die Thüringer Allgemeine sowohl über konstruktive Gespräche zwischen dem neuen Eigentümer und der Unteren und Oberen Denkmalschutzbehörde als auch darüber, dass das Schloss sich bis auf Stabilisierungsmaßnahmen weiterhin im Ausgangszustand befinde.[7]
Seit spätestens März 2020 ist das Dach des Schlosses an mehreren Stellen offen (vgl. Foto). Im Oktober 2020 gründete sich daraufhin ein „Förderverein Schloss Tonna“ mit dem Zwecken der Geschichtsforschung, des Denkmalschutzes, der Denkmalpflege und der Bildungsarbeit in Bezug auf das Schloss.[8][9]
Schloss Tonna in den Medien
2013 war Schloss Tonna Drehort für die Verfilmung des Romans Das große Heft (2013) unter der Regie von János Szász. Seit dem Besitzübergang an die neue Eigentümergesellschaft wurden jedoch trotz zahlreicher Anfragen u. a. des ZDF keine Genehmigungen zu Innenaufnahmen mehr erteilt.[10]
Literatur
- Victoria Augener: Studentin mobilisert Bürger für die Kettenburg, Thüringer Allgemeine, Gräfentonna, 14. März 2020
- Georg Dehio: Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler Thüringen. bearb. von Stephanie Eißing, Franz Jäger u. a., DVA München 1998
- Andreas Priesters: Adelssitze des 16. Jahrhunderts in Thüringen – Wohnkultur und Herrschaftstradition zwischen Innovation und Kontinuität, Exposé zu einer Dissertation an der Universität Bamberg (online), Bamberg 2016
Weblinks
Einzelnachweise
- Thüringer Verband der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschisten und Studienkreis deutscher Widerstand 1933–1945 Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933–1945 Erfurt, 2003, ISBN 3-88864-343-0, S. 102f.
- Ex-Häftling erzählt über Leben im Knast in Gräfentonna. Thüringer Allgemeine vom 15. April. 2014. Abgerufen am 16. Dezember 2017
- Michael Keller: Schloss Gräfentonna gammelt vor sich hin und verfällt. Thüringer Allgemeine vom 10. August 2012. Abgerufen am 17. Dezember 2017
- Holger Wetzel: Grundstücksauktion: Kettenburg von Gräfentonna stößt auf großes Interesse. Thüringer Allgemeine vom 21. Februar 2013. Abgerufen am 17. Dezember 2017
- Website der ISAR LLC
- Grundbuchamt Gotha, zitiert nach Schreiben der Thüringer Staatskanzlei an den Thüringer Landtag vom 3. Juni 2020
- Paul-Philipp Braun: Amerikanischer Investor will sich der Kettenburg in Gräfentonna annehmen. Thüringer Allgemeine vom 23. September 2015. Abgerufen am 17. Dezember 2017
- Victoria Augener: Gräfentonna: Verein zur Förderung des Schlosses gegründet, Thüringer Allgemeine Gotha, 23. Oktober 2020
- Oskar am Freitag: Förderverein Schloss Tonna gründet sich, Gotha, 22. Oktober 2020
- Thüringer Allgemeine: Schloss Tonna: Eigentümer mahnt bei Fotos ab, Gotha, 2. August 2021