Schloss Kunzendorf (Trzebieszowice)
Das Schloss Kunzendorf (polnisch Pałac Trzebieszowice oder auch Zamek na Skale) ist eine Schlossanlage im niederschlesischen Dorf Trzebieszowice (deutsch Kunzendorf an der Biele), das zur polnischen Gemeinde Lądek-Zdrój (deutsch Bad Landeck) gehört. Es ging aus einem mittelalterlichen Wohnturm hervor, der während der Renaissance von der Familie von Reichenbach zu einem Festen Haus erweitert und bis 1625 schließlich zu einem vierflügeligen Schloss umgebaut wurde. Im letzten Viertel des 17. Jahrhunderts um einen langgezogenen Flügel mit Turm erweitert, erhielt die Anlage ihre heutige Gestalt im 19. Jahrhundert und zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Sie steht samt ihrem Schlosspark seit dem 19. Juli 1977 unter Denkmalschutz[1] und wird heute als Hotel-Restaurant genutzt.
Geschichte
Das Schloss ging aus dem Steinhof, einem adeligen Gut, hervor, dessen Gründung in das Spätmittelalter zu datieren ist. Seine Gebäude standen am felsigen Nordufer der Biała Lądecka (deutsch Landecker Biele). Ab 1337 gehörte das Gut der Familie Reichenbach, die den mittelalterlichen Wohnturm aus Holz und Stein im 15. Jahrhundert zu einem Festen Haus erweitern ließ. Anschließend wurde das Anwesen von 1550 bis 1625 in mehreren Etappen zu einem Schloss im Stil der Renaissance ausgebaut, wobei das Gebäude in seinen Grundzügen schon 1613 fertiggestellt war.[2] Reste der mittelalterlichen Bausubstanz finden sich heute noch im Keller des Anwesens.
Infolge des Böhmischen Aufstands ab 1618 verloren die protestantischen Reichenbachs einen Großteil ihrer Güter, unter anderem auch Schloss Kunzendorf.[3] Das Anwesen gelangte 1625 an den Freiherrn Johann Kaspar Stredele von Montani, dessen Familie bis 1678 Eigentümerin blieb. In jenem Jahr veräußerte es Johann Kaspar von Montani an den kaiserlichen Feldzeugmeister Ernst Georg Olivier von Wallis. Dieser begann mit dem Umbau und der Erweiterung des vorhandenen vierflügeligen Schlosses im Stil des Frühbarocks. Dabei wurden dem Bau am Westende des Südtrakts ein neuer Gebäudeflügel mit Pferdeställen, einer zweigeschossigen Orangerie in den Obergeschossen und einem weiteren Turm angefügt.[4] Zugleich wurde ein 12,3 Hektar großer barocker Schlossgarten angelegt. Nach dem Tod des Freiherrn im Jahr 1689 erbte seine Witwe Magdalena, geborene von Attems, den Besitz. Sie übergab ihn 1709 ihrem im Jahr 1706 von Kaiser Joseph I. in den Grafenstand erhobenen Sohn Georg Olivier, der auch die übrigen Teile der Ortschaft Kunzendorf erwarb.[5]
Im Jahr 1783 verkaufte Georg Oliviers Sohn, Stephan Olivier von Wallis, das über 1000 Hektar große Anwesen dem Grafen Friedrich Wilhelm Ludwig von Schlabrendorf. Sein Sohn Constantin Carl Anton empfing im August 1813 Friedrich Wilhelm III. von Preußen auf dem Schloss, der dort seinen Geburtstag feierte. Der preußische König hielt sich zu jener Zeit gemeinsam mit seiner Familie anlässlich eines Treffens mit dem russischen Zaren Alexander I. in Bad Landeck auf.[6] Im zweiten Viertel des 19. Jahrhunderts ließ der Schlossherr die Gebäude vermutlich in zwei Bauphasen modernisieren.[6] Dabei wurde die barocke Haube des Turms am Barockanbau durch ein spätklassizistisches Dach ersetzt und ein Anbau an der Nordseite, in dem sich die Schlosskapelle befand, zu einem Belvedere mit neugotischen Fenstern umgestaltet.[6]
Später übernahm Constantin Carl Antons verwitwete Schwester Charlotte das Schloss.[6] Sie hatte 1804 Joseph Friedrich Egon Landgraf zu Fürstenberg-Weitra geheiratet und brachte den Kunzendorfer Besitz kurzzeitig an dessen Familie. Da sie aber am 22. Februar 1864 kinderlos in Wien verstarb,[7] erbte ihre Großnichte Therese, die Enkelin Constantin Carl Antons, das Anwesen. Durch ihre Heirat mit Johann Nepomuk Anton Gotthard, Graf von Harbuval und Chamaré, gelangte Schloss Kunzendorf an diese Familie. Sie nahm von 1903 bis 1905[4] noch einmal wesentliche Veränderungen – vor allem im Inneren – an der Schlossanlage vor. Der Innenhof des Schlossgevierts wurde mit einem Glasdach überdeckt, um ihn als Wintergarten mit Kamelienbäumen und Palmen nutzen zu können. Außerdem ließen die Schlosseigentümer eine Raumfolge im Ostflügel vollkommen neu mit einer Jugendstildekoration ausstatten. Auch das repräsentative Treppenhaus mit einer aufwändig geschnitzten Täfelung nach Vorbild des Wiener Barocks, die das Wappen der Familie Harbuval-Chamaré zeigt, stammt aus jener Zeit.
1916 erwarb der Kommerzienrat Georg Müller die Anlage zusammen mit dem nahe gelegenen Scheibenhof für 2,75 Millionen Reichsmark.[8] Im Zweiten Weltkrieg wurde das Anwesen von der russischen Armee angegriffen, eingenommen und schließlich geplündert.[9] Noch im gleichen Jahr kam es an den polnischen Fiskus. Nach Kriegsende zunächst als psychiatrische Klinik genutzt, wurde im Schloss danach das Ferienheim eines Staatsgutes untergebracht.[8] Nach dessen Auflösung um 1992, wurde das Schloss zu einer Tagungsstätte umgebaut.[8] Im Jahr 2005[8] erwarben polnische Unternehmer die Anlage und ließen sie denkmalgerecht restaurieren, um sie anschließend zu einem 4-Sterne-Hotel mit Restaurant, Konferenzzentrum und Spa umzubauen, das unter dem Namen Zamek na Skale bekannt ist. Einige historische Innenräume können im Rahmen von entgeltlichen Führungen besichtigt werden.
Beschreibung
Schlossgebäude
Die Gestalt des heutigen Schlosses ist das Resultat mehrerer Erweiterungen und Umbauten, die in einer Zeitspanne von mehr als vier Jahrhunderten stattfanden. Kern des heutigen Anwesens ist eine geschlossene Vierflügelanlage, die einen Innenhof mit Arkaden umgibt. Ihr wurde Ende des 17. Jahrhunderts an der Westseite ein langer, barocker Trakt mit einem sechsgeschossigen Vierecksturm angebaut. Letzterer ist von einem Pyramidendach mit bekrönender Wetterfahne abgeschlossen. Sämtliche Bauten der Anlage sind verputzt und besitzen – mit wenigen Ausnahmen – einen gelben Anstrich. Die renaissancezeitlichen Trakte weisen Eckquaderungen und Fenster mit Hausteinrahmung auf. Ihr oberstes Stockwerk ist durch ein Gesims optisch von den darunterliegenden Geschossen getrennt.
An der abgeschrägten Südost-Ecke des Schlosses befindet sich im zweiten Obergeschoss ein großer Panorama-Balkon, unter dem das steinerne Allianzwappen der Familien von Reichenbach und von Ratschin hängt. Es zeigt die Jahreszahl 1583, wurde allerdings erst im 20. Jahrhundert an seinem heutigen Platz angebracht.[3] Eine weitere Wappendarstellung findet sich im skulptierten Dreiecksgiebel eines Eingangs im Nordflügel. Der verwitterte Stein zeigt unter anderem das Reichenbach-Wappen, die Jahreszahl 1612 und den Namen CHRISTOF FRIEDRICH (von) REICHENBACH.
Durch die verschiedenen Nutzungen und die letztliche Umwidmung zu einem Hotel der gehobenen Klasse ist nur noch wenig der originalen Raumeinrichtung vorhanden. Kunsthistorisch besonders wertvoll sind drei restaurierte Räume im obersten Geschoss des östlichen Schlossflügels. Sie sind mit Täfelungen im Stil der Neorenaissance und des Jugendstils ausgestattet, die zum Teil mit Intarsienarbeiten verziert sind. Ein großer Salon besitzt eine Stuckdecke mit Blumenornamenten und ist mit einem grün glasierten Kachelofen ausgestattet. Ein Türblatt in diesem Raum zeigt das geschnitzte Jugendstil-Relief eines Frauenkopfes, das nach Motiven des tschechischen Künstlers Alfons Mucha gestaltet wurde und die damalige Schlossherrin Wanda von Harbuval-Chamaré darstellen soll.[10][4]
- Der Südflügel mit barockzeitlichem Anbau
- Südost-Ansicht
- Renaissancezeitlicher Ostflügel (links) und Barockanbau mit Turm
- Überdachter Innenhof
- Spa-Bereich im Gewölbekeller des Schlosses
Schlosspark
Schloss Kunzendorf ist von einem 13 Hektar[4] großen Schlosspark im Landschaftsstil mit altem Baumbestand umgeben. Er ging aus einem Tiergarten östlich des Schlosses hervor, den Joseph Friedrich Egon, Landgraf zu Fürstenberg, nach 1800 umgestalten ließ.[11] Lange Zeit war der Obergärtner Carl Christian Handtmann für die Pflege des Landschaftsparks verantwortlich, ehe er von König Friedrich Wilhelm III. als Hofgärtner nach Schloss Paretz und Sanssouci berufen wurde.[11] Zu den im Park zu findenden Pflanzen zählen neben verschiedenen Eichenarten auch Gehölze wie Mammutbäume, Serbische Fichte, Scheinzypressen und Lebensbäume. Nördlich des Schlossgebäudes liegt die von Mauern eingefasste Fläche des ehemaligen barocken Ziergartens, an dessen Südseite noch eine große Treppe zu einer Aussichtsterrasse an der Biała Lądecka führt. Im Rahmen der Sanierung des Ensembles ab 2005 wurden im Park alte Wege und Brücken wiederhergestellt. Der Kunzendorfer Schlosspark gehört zu den besterhaltenen der Region[11] und steht Besuchern unentgeltlich offen.
- Teil des Landschaftsgartens
- Wiederhergestellte Brücke im Park
- Treppe und Aussichtsterrasse des einstigen Barockgartens
- Statuen im Bereich des einstigen Barockgartens
Literatur
- Arne Franke, Katrin Schulze: Kunzendorf, Trzebieszowice. In: Arne Franke (Hrsg.): Kleine Kulturgeschichte des schlesischen Schlösser. Band 1: Niederschlesien. Bergstadtverlag Wilhelm Gottlieb Korn, Görlitz 2015, ISBN 978-3-87057-336-2, S. 323–324.
- Arne Franke, Katrin Schulze: Schlösser und Herrenhäuser in der Grafschaft Glatz. Ein Architektur- und Reiseführer. Bergstadtverlag Wilhelm Gottlieb Korn, Würzburg 2009, ISBN 978-3-87057-297-6, S. 118–124.
- Marek Staffa: Góry złote (= Słownik geografii turystycznej Sudetów. Band 17). Wydawn. I-Bis, Wrocław 1993, ISBN 83-85773-01-0, S. 225–343.
Weblinks
- Website des Schlosshotels (deutsch, englisch, polnisch)
- Informationen zum Schloss auf der Website des Marschallamts Niederschlesien
- Video über das Schlosshotel (polnisch)
- Luftbildvideo zum Schloss
Einzelnachweise
- Eintrag des Schlosses in der nationalen Denkmalliste Polens (PDF; 1,2 MB)
- Schlossgeschichte auf der Website des Vereins Wratislaviae Amici, Zugriff am 15. Januar 2017.
- A. Franke, K. Schulze: Schlösser und Herrenhäuser in der Grafschaft Glatz. Ein Architektur- und Reiseführer. 2009, S. 118.
- Informationen zum Schloss auf der Website des Marschallamts Niederschlesien, Zugriff am 15. Januar 2017.
- A. Franke, K. Schulze: Schlösser und Herrenhäuser in der Grafschaft Glatz. Ein Architektur- und Reiseführer. 2009, S. 119.
- A. Franke, K. Schulze: Schlösser und Herrenhäuser in der Grafschaft Glatz. Ein Architektur- und Reiseführer. 2009, S. 120.
- Renate Grimmlinger: Das Fürstenberg Brünnl in Gablitz und die Suche nach Charlotte Landgräfin zu Fürstenberg. 2015, S. 3 (PDF; 3,4 MB).
- A. Franke, K. Schulze: Schlösser und Herrenhäuser in der Grafschaft Glatz. Ein Architektur- und Reiseführer. 2009, S. 122.
- Informationen zum Schloss auf polskazdrona.pl, Zugriff am 15. Januar 2017.
- A. Franke, K. Schulze: Schlösser und Herrenhäuser in der Grafschaft Glatz. Ein Architektur- und Reiseführer. 2009, S. 121.
- A. Franke, K. Schulze: Schlösser und Herrenhäuser in der Grafschaft Glatz. Ein Architektur- und Reiseführer. 2009, S. 124.