Reichenbach (schlesisches Adelsgeschlecht)
Die späteren Grafen von Reichenbach waren ein schlesisches Uradelsgeschlecht. Seine Besitzungen lagen überwiegend in den Herzogtümern Schweidnitz-Jauer und Münsterberg, aber auch in der bis 1763 unmittelbar zu Böhmen gehörenden Grafschaft Glatz. Allerdings nannte sich der im Glätzischen sesshafte Zweig im 14./15. Jahrhundert von der Bielau bzw. von der Bela aber auch Bieler von Reichenbach[1]. Erst nach dem Erlöschen der älteren, Peterwitzer Linie um 1477 nahm auch der Glatzer Zweig wieder den Stammnamen von Reichenbach an[2].
Geschichte
Der erste urkundlich fassbare Familienangehörige ist der Lokator Wilhelm, der 1258 als Schultheiß und 1266 als Vogt von Reichenbach belegt ist[3]. Reichenbach gehörte damals zum Herzogtum Breslau und gelangte 1290/91 an das Herzogtum Schweidnitz.
Das Geschlecht war ursprünglich in fünf Stämme geteilt, von denen heute nur noch ein Stamm seit dem 18. Jahrhundert fortbesteht. Dessen Stammreihe beginnt mit Cunze Bieler (bzw. Bielau oder Bela), 1438 Burggraf zu Schatzlar, und Herr auf Fischbach. Sein Sohn Cunze nahm den alten Namen Reichenbach wieder an und nannte sich Cunze von Reichenbach, Bieler genannt[4]. Im 16. Jahrhundert errichtete die Familie das Schloss Niederrathen.
Das Geschlecht erlangte am 30. Mai 1665 den böhmischen Freiherrnstand, am 16. Januar 1678 den böhmischen Herrenstand und am 10. März 1730 den böhmischen Grafenstand. Nach der Eroberung Schlesiens durch Preußen wurde die Familie umgehend von Friedrich II. mit der Würde eines Generalpostmeisters für Niederschlesien (6. November 1741) ausgezeichnet. Diese nicht erbliche Würde wurde jedoch bereits am 7. Januar 1752 in die erbliche Würde eines Erblandpostmeisters für ganz Schlesien umgewandelt. Bald darauf, am 5. Juli 1752, erhielt ein anderer Zweig der Familie die erbliche Würde eines Obererbjägermeisters in Schlesien.
Goschütz wurde vom preußischen König zur Freien Standesherrschaft erhoben, mit ursprünglich einer Größe von 8245 ha und um 1900 noch 7500 ha. Zudem befand sich das Gut Groß-Schönwald (ca. 2100 ha) im Landkreis Groß Wartenberg im Besitz der Standesherren.
Eine minderfreie Standesherrschaft war Neuschloss (heute: Nowy Zamek) bei Militsch, das die Reichenbachs 1717 von den Grafen Maltzan auf Militsch erwarben und später an die Grafen von Hochberg vererbten.
Die Brüder Eduard und Oskar taten sich als demokratische Politiker während der Revolution von 1848/49 hervor.
Für den jeweiligen Fideikommißherrn von Goschütz erhielt die Familie am 12. Oktober 1854 einen erblichen Sitz im Preußischen Herrenhaus.
Stammwappen
In Blau ein silberner Mühlstein, hinter demselben hervorkommend drei (2:1) deichselförmig gestellte silberne Streitkolben (sogenannte „Fasseln“; historische Deutungen als Hämmer oder gekreuzte Mühleisen sollen unzutreffend sein. Auch die Bezeichnung als „Mühlschlägel“ kam vor). Auf dem Helm mit blau-silbernen Decken ein wachsender silberner (oder naturfarbener) Esel (bzw. Maultier).[5]
- Stammwappen derer von Reichenbach
- Wappengrafik von Otto Hupp im Münchener Kalender von 1906
- Wappen der Grafen von Reichenbach von 1730
- Wappen der Grafen von Reichenbach von 1741
- Wappen der Grafen von Reichenbach von 1752
Bekannte Familienangehörige
- Heinrich von Reichenbach (1508–1557), Landeshauptmann der böhmischen Erbfürstentümer Schweidnitz-Jauer
- Heinrich von Reichenbach (1590–1660), Landesältester und Abgesandter der protestantischen Stände bei Kaiser Ferdinand II.
- Heinrich Leopold Graf von Reichenbach-Goschütz (1705–1775), Generalpostmeister von Schlesien, Ritter des Schwarzen Adlerordens
- Fabian Graf von Reichenbach-Goschütz (1755–1821), Industriepionier und Politiker
- Heinrich Leopold Graf von Reichenbach-Goschütz (1768–1816), Generallandschaftspräsident von Schlesien
- Christoph Graf von Reichenbach-Goschütz (1772–1845), Erboberjägermeister und Träger des Ordens pour le merite
- Leopold Graf von Reichenbach-Goschütz (1773–1834), Landrat des Kreises Waldenburg
- Carl Heinrich Fabian Graf von Reichenbach (1778–1820), Regierungspräsident von Oppeln (1816–1820)
- Eduard Graf von Reichenbach-Goschütz (1812–1869), Preußischer Gutsbesitzer und Politiker
- Oskar Graf von Reichenbach-Goschütz (1815–1893), deutscher Politiker
- Hugo von Reichenbach (1821–?), Maler
- Woldemar von Reichenbach (1845–1914), Maler
- Friedrich Graf von Reichenbach-Goschütz (1856–1917), preußischer Generalmajor
- Heinrich Graf von Reichenbach-Goschütz (1865–1946), deutscher Standesherr und Mitglied des Preußischen Herrenhauses
Andere Adelsgeschlechter Reichenbach
Das schlesische Geschlecht ist nicht verwandt mit dem nordhessischen, im Mittelalter blühenden edelfreien Grafengeschlecht Reichenbach. Daneben gab es noch mehrere briefadelige Familien von Reichenbach, zum Beispiel die 1719 in den Reichsadelsstand erhobenen, aus Sachsen stammenden von Reichenbach, zu denen der General Oskar von Reichenbach gehörte. Auch sie waren nicht mit den schlesischen Reichenbach verwandt.
Literatur
- Genealogisches Handbuch des Adels, Adelslexikon, Band XI, C. A. Starke-Verlag, Limburg, 2000. S. 274/5
- Heinrich Raphael Graf von Reichenbach, 1907: Urkundliche Geschichte der Grafen Reichenbach in Schlesien von Heinrich Grafen Reichenbach. 2. Band: Geschichtliche Darstellung. 660 Seiten. Druck der Schlesischen Druckerei-Genossenschaft e.G.m.b.H., Breslau.
- Heimatkreisorganisation Groß Wartenberg (Hrsg.), 1974: Groß Wartenberg – Stadt und Kreis. Eine Beschreibung des niederschlesischen Kreises bis zum Jahre 1945 von Karl-Heinz Eisert. Kommissionsverlag Karl-Heinz Eisert, Alfdorf/Württemberg.
- Heinrich Graf von Reichenbach (Hrsg.), 2001: Meine biographische Skizze. Tagebücher des Carl Heinrich Fabian Graf von Reichenbach (1746–1828). Selbstverlag, Gesamtherstellung: Druckhaus Köthen GmbH.
- Gothaisches genealogisches Taschenbuch der gräflichen Häuser auf das Jahr 1842, S.416ff
Einzelnachweise
- Glatzer Adel 1462–1623
- Glatzer Adel 1319–1462
- Hugo Weczerka (Hrsg.): Handbuch der historischen Stätten. Band: Schlesien (= Kröners Taschenausgabe. Band 316). Kröner, Stuttgart 1977, ISBN 3-520-31601-3, S. 433f.
- Quelle: Genealogisches Handbuch des Adels, Band G A IV, Seite 360, C.A. Starke-Verlag, Limburg, 1962
- Website Bernhard Peter: Historische heraldische Exlibris (39) (abgerufen am 29. Januar 2016)