Schal
Ein Schal (persisch شال, DMG šāl, über Englisch shawl, ‚Umhängetuch‘, ‚Kopftuch‘) ist ein um Hals und Schultern getragenes, meist rechteckiges Textil beliebiger Größe. Schals, ursprünglich aus Kaschmir, kamen ab dem 15. Jahrhundert nach Europa. Vor allem im 19. Jahrhundert waren shawls in Form von großen Umhängetüchern fester Bestandteil der europäischen Damenmode. Mit Aufkommen des Mantels im 20. Jahrhundert nahm die Größe der Schals ab.[1] Heute wird unter einem Schal überwiegend ein wärmendes oder schmückendes langes, schmales Tuch verstanden, das um den Hals gelegt oder geschlungen wird.[2]
Geschichte
šāl-Textilien aus Kaschmir
Mindestens seit dem 14. Jahrhundert exportierte Kaschmir, gefördert durch den Sultan Zain-ul-Abidin, hochwertige Textilien aus der Wolle (pashm) und dem Unterhaar (pashmina) der Kaschmirziege, das aus dem nahegelegenen westlichen Tibet bezogen wurde. Die für ihre aufwändigen Muster berühmten Tücher waren nicht gewebt, sondern wurden in einer einzigartigen köperbindigen Wirkereitechnik mithilfe einer großen Anzahl von Garnspulen hergestellt. Diese zeitintensive Handarbeit machte den šāl in Kombination mit der hochwertigen Naturfaser von Beginn an zu einem Luxusprodukt. Aus šāl wurden nicht nur Schultertücher für Männer und Frauen gefertigt, sondern auch patkas, Männergewänder (jama, jamawar) und andere Kleidungsstücke ebenso wie Wohntextilien; der Begriff bezeichnete demnach die Textilie – heute kommt dem der Begriff Pashmina am nächsten.[3] Abnehmer waren schon früh die Sultane von Indien, später auch die Mogule. Über die Seidenstraße erreichten sie Zentralasien, China, das russische Zarenreich und das Osmanische Reich.[4] Ab dem 16. Jahrhundert ist eine Verbreitung in Persien belegt.[3] Als Luxusgegenstand wurde die Textilie ab dem 16. Jahrhundert im Mogulreich und in Persien als Teil einer Ehrenrobe (khil’at) hochrangigen Unterstützern für ihre Dienste überreicht.[4] Großmogul Akbar ließ šāl-Produktionsstätten in Lahore, Patna und Agra einrichten, wo auch Seide und Schafwolle zur Herstellung verwendet wurden.[4] Erst gegen Ende des 17. Jahrhunderts verbreitete sich das Boteh-Muster für die šāl-Textilien, woraus in Europa das Paisleymuster entstand.[3]
shawls in Europa
Die ersten šāl-Textilien kamen im 15. Jahrhundert als Fürstengeschenke nach Europa, hatten aber keine Auswirkungen auf die europäische Mode.[1] Im 18. Jahrhundert gelangten über die Britische Ostindien-Kompagnie die ersten šāl-Textilien mit Boteh-Muster nach Europa, ab den 1780er Jahren auch an die amerikanische Ostküste. Zunächst als Geschenke und Souvenirs für Freunde und Verwandte, traten diese Textilien, nun shawl genannt, ab den 1760er Jahren in der britischen Mode als Schulter- und Umhängetücher auf; die Ostindien-Kompanie monopolisierte den Handel schon bald ähnlich wie zuvor für Chintz.[4] Im Directoire und Empire wurde zu den dünnen Chemisen neben dem Fichu der Long-Shawl getragen. Er war bis zu 4,5 Meter lang und 1,50 Meter breit und wurde lose um die Schultern gelegt, konnte vorne oder im Rücken geknotet werden oder die Enden lang herunterhängen lassen.[1] Schnell entwickelte sich eine europäische shawl-Industrie, die die Formen, Farben und Muster der importierten Produkte nachahmte. Berühmt wurde etwa der Wiener Schal, auch Türkischer Schal genannt, aus gewebter und bedruckter Schaf- oder Kaschmirwolle.[1] Auch in Edinburgh webte man bereits ab den 1770er Jahren shawls, 1802 begann in Paisley die Produktion von Thibet shawls aus einem Seide-Woll-Gemisch.[4] 1806 nahm das Russische Kaiserreich die Produktion von shawls auf. Aus diesen Textilien wurden im frühen 19. Jahrhundert auch Kleider, Herrenwesten, Morgenmäntel und Turbane geschneidert. In Frankreich wurden Schals erstmals von Guillaume Ternaux 1801 in Paris ausgestellt.[1] Kaiserin Joséphine verbreitete die shawl-Mode im darauffolgenden Jahrzehnt in Paris.[5] Shawls wurden zu einem beliebten und hochpreisigen Hochzeitsgeschenk in Großbritannien und Frankreich, so dass sie zum Accessoire verheirateter Frauen wurden.[4]
Im Laufe des 19. Jahrhunderts wurde der Begriff shawl zur alleinigen Bezeichnung für Umhängetücher in der Damenmode, unabhängig von der Textilie.[3] Zwischen 1840 und 1870 erlebte der shawl in Europa einen weiteren Höhepunkt: das Textil nahm nun eine sehr große, quadratische, mit Fransen verzierte Form an, die zu einem Dreieck gelegt wurde und den Mantel oder den Mantelet ersetzte. Seine Musterung, ab 1856 aus Anilinfarben, bedeckte meist den gesamten Stoff.[1] Der Deutsch-Französische Krieg wird häufig als Endpunkt der shawl-Mode genannt, doch auch andere Faktoren spielten eine Rolle. Ab den 1880er waren shawls und das Paisleymuster eher in der viktorianischen Inneneinrichtung, etwa als Vorhang oder Möbelbezug, wiederzufinden.
20. Jahrhundert bis heute
Als sich im 20. Jahrhundert der Mantel auch für Frauen durchsetzte, entwickelte sich der Schal zu einem kleinen Textil, das meist nur im Mantelausschnitt getragen wurde. Paul Poiret machte in der Damenmode des Art Déco noch einmal einen langen, schmalen Schal zur Mode. Im Wintersport kamen, passend zu Pullover und Mütze, die ersten gestrickten Schals auf. In den 1970er Jahren führte Emanuel Ungaro das Plaid in die Haute Couture ein. Zusammen mit dem Schal wurde es zum wichtigen Accessoires, das dekorativ über die Schulter drapiert oder um den Hals geschlungen wird.[1][6] Material, Technik und Form von Schals der Damen- und Herrenmode variiert seit Beginn des 20. Jahrhunderts stark und ist stark trendabhängig.[7][8]
Material und Verarbeitung
Das ursprünglich verwendete Material Kaschmirwolle (auch bekannt als Cashmere) ist eine feine, sehr weiche Faser, welche aus dem Edelhaar der Kaschmirziege gewonnen wird, und sehr viel wärmender als Schafwolle ist. Kaschmir ist eine der wertvollsten und teuersten Naturfasern und wird deshalb häufig mit Merinowolle oder anderer Schafwolle gemischt angeboten. Der Verkaufspreis ist hoch und richtet sich nach deren Qualität. Pashmina-Schals werden aus Kaschmirwolle oder einem Kaschmir-Seiden-Mix gefertigt.[9]
Heute verwendete Materialien sind Seide, Schurwolle, Kaschmirwolle, Polyacryl, teilweise beschönigend als Cashmink bezeichnet, und Fleecegewebe.
Zunehmend werden Schals nicht nur gestrickt oder gewebt, sondern auch gefilzt. Dadurch sind phantasievolle Muster, Bildmotive und auch Durchbrucharbeiten möglich. Weitere Gestaltungsmöglichkeiten ergeben sich durch Materialmix, wie feine Schurwolle mit Seide.
- Schal als Teil einer Uniform
- Pashmina-Schals aus Kaschmirwolle und Seide
- Mann mit Wollschal und -mütze
- Seidenschal aus Polen mit Goldstickerei, 18. Jhd., sogenannter Slutsk sash, getragen als Kontusz
- Fußballfans mit Fanschals
- Rechteckiger Seidenschal als modisches Kopftuch (Niederlande, 1955–1965)
Verschiedene Modelle
- Seidenschal: Seidenschals wurden in der Geschichte sowohl von Männern getragen, z. B. als weißer Seidenschal zum Frack, als auch von Frauen, z. B. als Kopf- oder Halstuch. Vor allem Hermès ist für seine Seidenschals bekannt.[10]
- Krawattenschal: Der Krawattenschal wird, sowohl unter wie über dem Hemdkragen, mehrfach um den Hals geschlungen.
- Schlauchschal (Loop): Der Schlauchschal ist ein in einem ringförmigen Stück verarbeiteter Schal, der eine feste Länge besitzt und einmal oder mehrmals um den Hals geschlungen werden kann.
- Fanschal: Der Fanschal, in der Regel aus Kunstfasern wie Polyester oder Polyacrylat, wird vor allem beim Eishockey und Fußball von Vereinsfans getragen.[11]
Siehe auch
Literatur
- Yvonne Joosten, Werner Schultze (Illustrator): Knigge – Tücher, Schals und Pareos perfekt binden. Dörfler, Eggolsheim 2008, ISBN 978-3-89555-571-8.
- Gudrun Schreiber: Faszination Shal. Persische Woll- und Kaschmirstoffe im Vergleich. Wasmuth, Tübingen / Berlin 2005, ISBN 978-3-8030-3310-9.
Weblinks
Einzelnachweise
- Ingrid Loschek, Gundula Wolter: Reclams Mode- und Kostümlexikon. 6. Auflage. Reclam, Stuttgart 2011, ISBN 978-3-15-010818-5, S. 436–437.
- Schal. In: duden.de. Abgerufen am 19. März 2021.
- Janet Rizvi: The Kashmir Shawl: A Historical Study. In: Jasleen Dhamija (Hrsg.): Berg Encyclopedia of World Dress and Fashion: South Asia and Southeast Asia. S. 157–164, doi:10.2752/bewdf/edch4021.
- Michelle Maskiell: Consuming Kashmir: Shawls and Empires, 1500-2000. In: Classic and Modern Writings on Fashion. Berg, 2009, ISBN 978-1-84788-715-3, doi:10.5040/9781847887153.v3-0076.
- Heather Belnap Jensen: Parures, Pashminas, and Portraiture, Or, How Joséphine Bonaparte Fashioned the Napoleonic Empire. In: Justine De Young (Hrsg.): Fashion in European Art: Dress and Identity, Politics and the Body, 1775– 1925. I.B.Tauris, 2017, ISBN 978-1-78453-462-2, S. 36–59, doi:10.5040/9781350986381.ch-002.
- Michelle McVicker: Patrick Kelly. In: Fashion History Timeline. 13. Juli 2020, abgerufen am 19. März 2021 (amerikanisches Englisch).
- The History of The Scarf in Mens Fashion. Abgerufen am 19. März 2021.
- Sensational scarfs: 44 great ways to turn a scarf into a fabulous fashion look. New York : Prince Paperbacks, 1985, ISBN 978-0-517-55575-0 (archive.org [abgerufen am 19. März 2021]).
- Pashmina-Material (Memento vom 28. Februar 2014 im Internet Archive) auf pashminaschal.net, abgerufen am 24. Februar 2014.
- Kate Salter: The neck’s big thing: a colourful history of the silk scarf – Telegraph. In: fashion.telegraph.co.uk. 25. April 2011, abgerufen am 19. März 2021.
- Fanschal auf zeit.de, abgerufen am 24. Februar 2014.