Schönster Herr Jesu
Schönster Herr Jesu ist ein geistliches Lied der katholischen Tradition. Es ist das Gebet eines Einzelnen zu Jesus Christus und preist dessen geistliche Schönheit, die alles Geschaffene transzendiere und in der Eucharistie gegenwärtig sei, als letztes Ziel der Liebe. Der Verfasser des 1677 erstmals gedruckten Textes ist unbekannt, ebenso die Komponisten der beiden Melodien aus dem 17. und 19. Jahrhundert. Das Lied ist in den wichtigsten deutschsprachigen katholischen und evangelischen Gesangbüchern in unterschiedlichen Textfassungen enthalten.
Entstehung und Rezeption
Der Hymnologe Bernhard Hölscher (1813–1890) berichtet in einem Aufsatz[1] über ein von ihm in Münster gefundenes Manuskriptheft, das er auf die 1660er Jahre datiert und in dem sich neben anderen geistlichen und weltlichen Liedern die älteste bekannte Niederschrift des Liedes Schönster Herr Jesu in einer sechsstrophigen Version findet, überschrieben Suspirium ad Jesum – „Seufzer zu Jesus“.[2] Hölscher vermutet als Schreiber des Heftes einen Schüler des münsterschen Jesuitengymnasiums. Den Autor der geistlichen Texte des Heftes stellt er in die Nähe Friedrich Spees. Diese Nähe zu Spees Denken und Dichten und allgemeiner zum jesuitischen Anliegen der Glaubensverinnerlichung im Zuge der Gegenreformation ist für das Lied Schönster Herr Jesu unbestritten; eine direkte Verfasserschaft Spees gilt jedoch als unwahrscheinlich.[3]
Auch der Lüner Kirchenlieddichter Rudolph Nagell wird als Mitautor genannt (im Gesangbuch von Münster 1677).
In der Rezeption unterlag das Lied zahllosen Veränderungen. Schon der Erstdruck im Münsterisch Gesangbuch von 1677 bringt einen anderen Text als Hölschers Manuskriptheft; die vierte der sechs Strophen fehlt dort ganz. Dagegen bieten die Ausgaben des Kölner Jesuitengesangbuchs Geistliches Psälterlein ab dem späten 17. Jahrhundert eine sechsstrophige Fassung, die also nicht auf dem Münsterschen Gesangbuch basiert. Auch Heinrich Bones Fassung von 1847 liegen alle sechs Strophen zugrunde.[4]
Bones kirchlich-restaurativer Edition ging die Verdrängung des Liedes in der Aufklärungszeit voraus sowie seine romantische Wiederbelebung als „schlesisches Volkslied“ durch den Protestanten August Heinrich Hoffmann von Fallersleben, Breslau 1842, unter der Überschrift „Jesus über Alles“.[5] In dieser ebenfalls von den Vorlagen stark abweichenden Fassung fehlt die ursprüngliche Strophe 5 („sie müssen sterben, müssen verderben“). Stattdessen ist als zweite die Strophe „Schön sind die Wälder, schön sind die Felder“ neu eingefügt. Die Schlussstrophe ist so umgedichtet, dass der Sakramentsbezug entfällt.
In dieser Fassung war das Lied in den folgenden Jahrzehnten im evangelischen Kontext populärer als im katholischen. Otto Riethmüller behielt für sein evangelisches Jugendliederbuch Ein neues Lied (1932) Hoffmann von Fallerslebens zweite Strophe bei, nahm aber auch die getilgte fünfte Strophe wieder auf. Die Sakramentsstrophe strich er ersatzlos und setzte an den Schluss die ursprüngliche Strophe 2 „Alle ... Schönheit ... ist gefasst in dir allein“. So wurde das Lied ins Evangelische Kirchengesangbuch (Nr. 495), ins Mennonitische Gesangbuch (Nr. 59) und, mit unwesentlichen Änderungen, ins aktuelle Evangelische Gesangbuch (Nr. 403) aufgenommen. Textlich etwas eigenständiger und unabhängiger davon die fünfstrophige Fassung im Gesangbuch der Evangelisch-methodistischen Kirche (Nr. 118).
Die katholische Wiederaufnahme des Liedes – Kirchenlied (1938), Gotteslob (1975) und schließlich Gotteslob (2013) (Nr. 364) – folgt, mit einigen Textretuschen, der Fassung Münster 1677. Die Gegenwart Jesu „in dem heiligen Sacrament“ ist dabei ergänzt zu „durch dein Wort und Sakrament“. Diese Version ist auch die ö-Fassung.
Heute gebräuchlicher Text
EG 403 |
GL 364 |
1. Schönster Herr Jesu, |
1. Schönster Herr Jesu, |
2. Schön sind die Wälder, |
2. Alle die Schönheit |
3. Schön ist der Monde, |
3. Schön ist der Monde, |
4. Schön sind die Blumen, |
4. Schön sind die Blumen, |
5. Alle die Schönheit |
5. Schönster Herr Jesu, |
Melodien
Die Melodie von 1677 ist eine harmonisch expressive Barockweise in Moll mit teilweise großen Intervallen. Dagegen ist die schlesische Melodie in Dur, die sich 1842 bei Hoffmann von Fallersleben findet, sanglicher und heiterer. Die katholischen Gesangbücher enthalten nur die barocke,[7] die evangelischen beide Melodien.
Rezeption in Dänemark, Schweden und den Niederlanden
Das Lied Schönster Herr Jesu mit der schlesischen Melodie sowie der romantischen Überschrift „Alte Kreuzfahrerhymne“ wurde 1850 dem dänischen Dichter Bernhard Severin Ingemann bekannt.[8] Er verfasste, in nur loser Anlehnung an die Vorlage, den Text Dejlig er jorden („Schön ist die Erde“), der von der irdischen Pilgerschaft zum Himmel handelt und dessen dritte Strophe auf die Geburt Christi Bezug nimmt. Das Lied wurde zu einem der beliebtesten dänischen Weihnachtslieder, zudem wird es häufig bei Beerdigungen gesungen.
1884 veröffentlichte die schwedische Schriftstellerin Cecilia Bååth-Holmberg eine schwedische Fassung, die eng bei der dänischen Vorlage bleibt. Härlig er jorden wurde auch in Schweden als Weihnachtslied populär und war 1997 das beliebteste Lied bei Bestattungsgottesdiensten. In dem schwedischen Film Wie im Himmel (2004) erklingt es mehrmals.[8]
Wahrscheinlich in Schweden lernte die niederländische Schriftstellerin Catharina van Hille-Gaerthé das Lied kennen. In ihr Buch Onder het stroodak (1915) fügte sie eine niederländische Version Eeuwen geleden einschließlich Notensatz ein mit der Angabe „Melodie eines mittelalterlichen schwedischen Weihnachtslieds“. Diese Angabe zur Melodieherkunft findet sich in einigen schwedischen Liederbüchern um 1900. In der Handlung wird das Lied als altes niederländisches Traditionsgut präsentiert. Alle Indizien sprechen jedoch dafür, dass Hille-Gaerthé selbst die Verfasserin des Textes ist, der eindeutiger als die dänisch-schwedische Vorlage vom Weihnachtsgeschehen handelt. Eeuwen geleden ist bis heute in den Niederlanden ein beliebtes Weihnachtslied.[8]
Literatur
- Michael Fischer: Schönster Herr Jesu, Liedkommentar, 2005
- Ansgar Franz, Andreas Marti: 403 – Schönster Herr Jesu. In: Martin Evang, Ilsabe Alpermann (Hrsg.): Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch. Nr. 23. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2017, ISBN 978-3-525-50346-1, S. 70–79, doi:10.13109/9783666503467.70 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
Weblinks
- Michael Fischer: Schönster Herr Jesu (Freiburger Anthologie – Lyrik und Lied, 2005)
Einzelnachweise
- Deutsche geistliche Lieder aus der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. In: Österreichische Vierteljahresschrift für katholische Theologie, Wien, Band 4/1865, S. 221–256
- Schönster Herr Jesu, älteste bekannte Textfassung
- Fischer, S. 2
- Schönster Herr Jesu bei Heinrich Bone 1847
- Text in der Freiburger Anthologie (Memento des Originals vom 9. Januar 2014 im Internet Archive) Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis. . Die Überschrift ist bemerkenswert als Parallele zu Hoffmann von Fallerslebens umstrittener Zeile „Deutschland, Deutschland über Alles“.
- EKG: „schön“ mit Melisma-Ligatur
- Der Gotteslob-Eigenteil der Diözesen Österreichs enthält das Lied zusätzlich mit der schlesischen Melodie (Nr. 853).
- Hans Beelen: Von ‚Schönster Herr Jesu’ zum Weihnachtslied ‚Eeuwen geleden’: Die Pilgerfahrt einer schlesischen Melodie durch Dänemark und Schweden in die Niederlande. Universität Oldenburg (online); dort auch Hinweise zur Rezeption im angelsächsischen Raum (Anm. 17).