Sauropsida
Die Sauropsida (eingedeutscht: Sauropsiden) sind ein Taxon (eine systematische Gruppe) der Landwirbeltiere (Tetrapoda), das die traditionellen Klassen der Vögel (Aves) und der Reptilien (Reptilia) samt ausgestorbener Vertreter (Dinosaurier, Flugsaurier, Plesiosaurier, Ichthyosaurier und andere) in sich vereint.
Sauropsida | ||||||||||||
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Stockentenerpel und Rotwangen-Schmuckschildkröte; beide gehören zu den Sauropsida. | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Sauropsida | ||||||||||||
Huxley, 1864 |
Die Klasse Reptilia der traditionellen Systematik ist paraphyletisch, das heißt, sie stellt keine geschlossene Abstammungsgemeinschaft dar, weil die Krokodile (nebst ihren engeren ausgestorbenen Verwandten) entwicklungsgeschichtlich den Vögeln näher stehen als den übrigen modernen Reptilien (und deren engeren ausgestorbenen Verwandten). Die Vögel wurden traditionell als eigenständiges, gleichrangiges Taxon neben die Reptilien gestellt. Die Sauropsida hingegen, die traditionell sowohl Reptilien als auch Vögel umfassen, sind eine geschlossene Abstammungsgemeinschaft (Monophylum) und genügen daher den Ansprüchen der modernen Systematik, die nur monophyletische Taxa berücksichtigt. Vor allem in englischsprachiger, paläontologischer Literatur findet sich jedoch nach wie vor oft die Bezeichnung „Reptilia“, allerdings nicht im klassischen Sinn, sondern als alternative Bezeichnung für das Taxon Sauropsida, das heißt für ein Monophylum unter Einschluss der Vögel.[1]
Synapomorphien (gemeinsame abgeleitete Merkmale) der Sauropsiden sind unter anderem das fehlende oder weitgehend reduzierte Tabulare (ein Knochen im hinteren Teil des Schädeldaches) und die Einschaltung von Foramina (Öffnungen) oder Fenstern in der Gaumenregion. Außerdem pflanzen sich prinzipiell alle Sauropsiden durch Eiablage fort. Nur einige wenige Arten bringen lebende Junge zur Welt.
Systematik und Stammesgeschichte
Äußere Systematik
Die Sauropsiden sind eines der beiden Großtaxa der Amnioten, das heißt jener Landwirbeltiere, die sich unabhängig von Gewässern fortpflanzen können. Das andere Großtaxon und damit die Schwestergruppe der Sauropsiden sind die Synapsiden, die die Säugetiere samt ihren ausgestorbenen Vorfahren umfassen. Die Trennung von Synapsiden- und Sauropsiden-Linie erfolgte wahrscheinlich irgendwann im späten Unterkarbon oder frühen Oberkarbon vor ungefähr 320 Millionen Jahren.
Innere Systematik
Traditionell wurden die Amnioten (oder vielmehr die Reptilia der klassischen Systematik) anhand der Schläfenöffnungen im Schädel (Temporalfenster) klassifiziert. Auf die Sauropsiden entfielen die Anapsida (ohne Temporalfenster) und die Diapsida (mit zwei Temporalfenstern). Die Anwendung moderner Methoden zur Ermittlung der Verwandtschaftsbeziehungen zeigten jedoch, dass die Anapsiden keine natürliche Gruppe (das heißt keine Abstammungsgemeinschaft) darstellen, da manche der frühen Sauropsiden mit fensterlosem Schädel wie die Captorhinidae mit den Diapsiden näher verwandt waren als andere fensterlose urtümliche Sauropsiden wie die Pareiasauria, Mesosauria und Procolophonoidea. Während letztgenannte unter dem Namen Parareptilia zusammengefasst wurden, vereinte man Captorhiniden und Diapsiden unter dem Namen Eureptilia.[2] Diese Zweigliederung der Sauropsiden in Eureptilien und Parareptilien hat bis heute Bestand.
Innerhalb der Diapsiden werden unter anderem die ausgestorbenen Ichthyopterygia (Ichthyosaurier und basale Verwandte) sowie die Lepidosauromorpha und die Archosauromorpha unterschieden.
Die Lepidosauromorpha umfassen die gemeinsame Gruppe aus den heutigen Brückenechsen, „Echsen“ (Lacertilia) und Schlangen, zusammen als Schuppenechsen (Lepidosauria) bezeichnet, sowie einige ausgestorbene Gruppen, zu denen die Sauropterygia (meeresbewohnende Reptilien, unter anderem Plesiosauria und Placodontia) gehören.
Die Archosauromorpha umfassen neben einigen basalen, rein fossilen Vertretern wie den Protorosauria (Prolacertiformes) und den Rhynchosauria die Archosauria. Die Archosauria teilen sich in die Crurotarsi (die Krokodile und ihre ausgestorbenen Vorfahren) und die Ornithodira. Innerhalb der Ornithodira trennten sich die Entwicklungslinien der Flugsaurier (Pterosauria) und der Dinosaurier, wobei aus einer Untergruppe der Dinosaurier, den Theropoden, die Vögel hervorgegangen sind. Vögel sind somit entwicklungsgeschichtlich Dinosaurier und damit Diapsiden.
Die Schildkröten, die einen fensterlosen (anapsiden) Schädel haben, gelten traditionell als einzige überlebende Gruppe der Anapsiden bzw. Parareptilien. Molekulargenetische Untersuchungen führen jedoch zu dem Schluss, dass auch sie zu den Diapsiden gehören und dass sie ihre Schädelfenster sekundär verloren haben. Ihre genaue systematische Einordnung ist jedoch noch umstritten.[3] Nichtsdestoweniger bedeutet die Einordnung der Schildkröten bei den Diapsiden, dass alle heute lebenden (rezenten) Sauropsiden zugleich Eureptilien und Diapsiden sind.
Die nach aktuellem Kenntnisstand wahrscheinlichen Verwandtschaftsbeziehungen der Sauropsiden zeigt das untenstehende Kladogramm:
Sauropsida |
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Literatur
- Wolfgang Böhme, Martin Sander: Sauropsida. In: Wilfried Westheide, Reinhard Rieger (Hrsg.): Spezielle Zoologie. Teil 2: Wirbel- oder Schädeltiere. 2. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Berlin/Heidelberg 2010, ISBN 978-3-8274-2039-8, S. 362–462.
Einzelnachweise
- Sean P. Modesto, Jason S. Anderson: The Phylogenetic Definition of Reptilia. Systematic Biology. Bd. 53, Nr. 5, 2004, S. 815–821, doi:10.1080/10635150490503026 (alternativer Volltextzugriff: IUCN/SSC Tortoise and Freshwater Turtle Specialist Group PDF 552 kB).
- Michel Laurin, Robert R. Reisz: A reevaluation of early amniote phylogeny. Zoological Journal of the Linnean Society. Bd. 113, Nr. 2, 1995, S. 165–223, doi:10.1007/BF02101113 (alternativer Volltextzugriff: IUCN/SSC Tortoise and Freshwater Turtle Specialist Group PDF 672 kB).
- Rosemary E. Becker, Roldan A. Valverde, Brian I. Crother: Proopiomelanocortin (POMC) and testing the phylogenetic position of turtles (Testudines). Journal of Zoological Systematics and Evolutionary Research. Bd. 49, Nr. 2, 2011, S. 148–159, doi:10.1111/j.1439-0469.2010.00589.x