Rivalität zwischen Manchester United und dem FC Liverpool
Die Rivalität zwischen Manchester United und dem FC Liverpool ist eine der meistbeachteten Rivalitäten im englischen Fußball und geht weit über die sportliche Auseinandersetzung hinaus.[1][2][3][4] Sie begründet sich zum einen in der Städterivalität zwischen Manchester und Liverpool als wichtigstes Wirtschafts- und Kulturzentrum im Norden Englands, zum anderen wird zwischen den beiden Vereinen um den Status als erfolgreichster Verein Englands gerungen. So steht Manchester United als alleiniger Rekordmeister mit 20 englischen Meisterschaften (zuletzt 2013) knapp vor dem FC Liverpool mit 19 (zuletzt 2020).
Im Spielbetrieb der Premier League nehmen die Spiele zwischen diesen beiden Vereinen einen prominenten Platz ein. Zumeist wird die Paarung, wie bei anderen Derbys in England üblich, aus Sicherheitsgründen zur Mittagsstunde gespielt und zeitweise auch ein Alkoholverbot verhängt.[5] Das Derby ist zudem die Begegnung mit den zweitmeisten Roten Karten in der Geschichte der Premier League.[6]
Hintergründe der Rivalität
Städterivalität
Im 19. Jahrhundert gehörten Liverpool mit seinem Hafen und Manchester mit seiner dominierenden Textilindustrie zu den wirtschaftlich bedeutendsten Städten des Britischen Weltreichs. Während Liverpools Wirtschaftszweige sich auf Versicherungen, Banken und Reedereien konzentrierten, wurden weiter im Landesinneren „niedrigere“ Arbeiten zur Herstellung von verarbeiteten Produkten verrichtet. Diese vermeintliche Besserstellung Liverpools führte zu dem Ausspruch „the Liverpool gentleman and the Manchester man“.[7]
Durch die Fertigstellung des Manchester Ship Canal im Jahr 1894 wurde Liverpool als Umschlagshafen für Produkte aus Manchester umgangen, wodurch Liverpools Status und Einkünfte zurückgingen. Der Bau des Kanals wird oftmals als Ausgangspunkt für die Rivalität zwischen den beiden Städten angesehen.[8]
Fußballerische Dominanz
Beide Vereine konnten über lange Zeiträume hinweg dem englischen Fußball ihre Dominanz aufzwingen. Der FC Liverpool gewann zwischen 1975 und 1990 elf von 15 Meisterschaften und vier Mal den Europapokal der Landesmeister, während Manchester United zwischen 1993 und 2013 dreizehn Meisterschaften und zwei Siege in der Champions League feiern konnte und Liverpool den jahrzehntelangen Rang des Rekordmeisters abrang. Die dadurch angehäuften Trophäensammlungen von über 50 Triumphen auf beiden Seiten werden als Grund dafür angesehen, dass jeder der beiden Vereine sich selbst als erfolgreichster Englands ansieht. Beide Vereine verbindet die Tatsache, dass sie in ihrer Vereinsgeschichte Katastrophen bewältigen mussten: United den Flugzeugabsturz der Mannschaft 1958, Liverpool die Hillsborough-Katastrophe 1989. Einige Fangruppierungen auf beiden Seiten nutzen jedoch die Erinnerung an diese Ereignisse regelmäßig, um in Liedern die Opfer der jeweiligen Gegenseite zu verhöhnen.[2][9] Beim ersten Aufeinandertreffen in einem europäischen Wettbewerb im Jahr 2016 wurden Hillsborough-Gesänge von Anhängern Manchester Uniteds weder im offiziellen Spielbericht erwähnt noch anderweitig sanktioniert.[10]
Die nationale Dominanz Liverpools zu brechen war für Alex Ferguson, der von 1986 bis 2013 Trainer von Manchester United war und einer der am längsten amtierenden und erfolgreichsten Trainer der Welt wurde, ein wesentliches Ziel seiner Amtszeit. 2002, als Manchester noch vier Meisterschaftstitel hinter Liverpool lag und in der Saison zuvor nur Zweiter hinter dem FC Arsenal wurde, bezeichnete der ehemalige Liverpool-Spieler Alan Hansen die damalige Situation Fergusons als „größte Herausforderung seiner Karriere“. Ferguson antwortete darauf, dass seine größte Herausforderung war, Liverpool von seinem Thron zu stoßen (im Original: „My greatest challenge was knocking Liverpool right off their fucking perch. And you can print that.“).[11]
Während Manchester United mit 20 Meisterschaften (zuletzt 2013) zu Liverpools 19 (zuletzt 2020) somit Englands Rekordmeister ist, konnte Liverpool bisher sechs Mal die Champions League oder dessen Vorgängerbewerb gewinnen, Manchester United hingegen „nur“ drei Mal.
Die Anzahl der gewonnenen Meisterschaften war seit den 1990ern immer wieder Ausgangspunkt für gegenseitige Sticheleien beider Klubs gewesen – 1994 enthüllten Liverpool-Anhänger ein Banner mit dem Schriftzug Come Back When You Have Won 18 („Kommt wieder wenn ihr 18 Mal gewonnen habt“). Nach dem Gewinn der 19. Meisterschaft 2011 enthüllten United-Anhänger in Anfield vor dem Spiel den Schriftzug M.U.F.C. 19 Times („19 Mal“).[12]
Erst 2016 kam es im Achtelfinale der Europa League zum ersten Aufeinandertreffen der beiden Vereine in einem europäischen Pokalwettbewerb.[13]
Verein | Liga | Pokal | Ligapokal | Europapokal der Landesmeister/ UEFA Champions League |
Europapokal der Pokalsieger | UEFA-Pokal/ UEFA Europa League |
Community Shield | UEFA Super Cup | Weltpokal | Klub-WM | Gesamt |
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
FC Liverpool | 19 | 7 | 8 | 6 | 0 | 3 | 15 | 4 | 0 | 1 | 63 |
Manchester United | 20 | 12 | 5 | 3 | 1 | 1 | 21 | 1 | 1 | 1 | 66 |
Gesamt | 39 | 19 | 13 | 9 | 1 | 4 | 36 | 5 | 1 | 2 | 129 |
- Stand 25. Juni 2020
Spieler
Seit dem Transfer von Phil Chisnall im April 1964 von Liverpool nach Manchester hat es keinen direkten Spielertransfer mehr zwischen den beiden Klubs gegeben.[14]
Seitdem gab es einige Spieler wie etwa Paul Ince, Peter Beardsley oder Michael Owen, die für beide Vereine gespielt haben, jedoch immer mit Zwischenstationen bei anderen Vereinen. Sowohl bei Ince als auch bei Owen wurde die Verpflichtung beim jeweiligen Rivalen mit Überraschung in den Medien aufgenommen.[15]
2007 wurde von Liverpool ein Gebot für Gabriel Heinze abgegeben, das von Manchester United umgehend abgelehnt wurde. Der damalige United-Trainer Alex Ferguson bestand darauf, nicht an den Liga-Konkurrenten und Erzrivalen verkaufen zu wollen. Daraufhin entbrannte zwischen Liverpool und Manchester ein rechtlicher Streit um die Verpflichtung Heinzes, da die im Vertrag mit Heinze vereinbarte Ablösesumme bezahlt worden wäre.[16] Schlussendlich bekam United Recht, woraufhin Heinze stattdessen zu Real Madrid wechselte.[17]
Vorfälle
Bei der Siegerehrung des FA-Cup-Finales 1996 (1:0) wurde Manchester Uniteds damaliger Kapitän und Siegtorschütze Éric Cantona von einem Liverpool-Anhänger bespuckt, Alex Ferguson konnte einem versuchten Faustschlag eines anderen Liverpool-Fans noch ausweichen.[18]
Als sich der United-Spieler Alan Smith in der fünften Runde des FA Cups 2006 (1:0 für Liverpool) in Anfield ein Bein brach, verhöhnten ihn Anhänger der Liverpooler Tribüne The Kop mit Geräuschen einer Rettungssirene. Der Rettungswagen, mit dem Smith ins Krankenhaus gebracht werden sollte, wurde vor dem Stadion attackiert. Im selben Spiel wurden sowohl Steven Gerrard als auch Gary Neville mit Münzen und Essensresten beworfen. Als Folge verhängte etwa die Polizei in Manchester ein Alkoholverbot bei einem FA-Cup-Spiel im Januar 2011.[9][5]
Die Rivalität wurde in der Saison 2011/12 durch die rassistische Beschimpfung von Patrice Evra durch den Liverpool-Spieler Luis Suárez weiter angefacht.[9] Liverpool bestritt den Vorwurf, dass Suárez sich dieser Form geäußert habe und versuchte die Glaubwürdigkeit Evras zu untergraben. Suárez wurde schließlich im Dezember 2011 von der FA für acht Spiele gesperrt und musste eine Geldstrafe über 40.000 Pfund zahlen.[19] Im ersten Aufeinandertreffen im Old Trafford nach Suárez’ Sperre verweigerte Suárez Evra vor dem Spiel den Handschlag, da er sich als Opfer einer gezielten Kampagne sah.[20] Der neuerliche Eklat wurde nach einer öffentlichen Entschuldigung von Suárez beigelegt.
In seinem letzten Derby gegen Manchester United im März 2015 (2:1-Auswärtserfolg für Manchester) wurde der langjährige Kapitän Steven Gerrard zu Beginn der zweiten Halbzeit eingewechselt und nach nur 38 Sekunden auf dem Platz aufgrund einer Tätlichkeit gegen Ander Herrera mit Rot vom Platz geschickt.[21]
Einzelnachweise
- Seven reasons why Manchester United vs Liverpool is the biggest game in English football , Artikel des Daily Mirror vom 14. März 2014
- Football’s most poisonous rivalry? Liverpool and Manchester United’s tempestuous past, Artikel auf CNN.com vom 21. September 2012
- Manchester United vs. Liverpool: The Most Bitter Rivalry in English Football, Artikel auf Bleacher Report.com vom 11. Jänner 2013
- Liverpool v Manchester United: The bitter rivalry, Artikel der BBC vom 21. September 2012
- Manchester United v Liverpool: police impose alcohol ban ahead of FA Cup clash between bitter rivals, Artikel des Daily Telegraph vom 7. Jänner 2011
- Is the Merseyside derby the dirtiest Premier League game?, Artikel des Guardian vom 29. März 2017
- Scouse v Manc, Artikel der BBC vom 21. August 2007
- Manchester and Liverpool: A Tale of Two Rival Cities, Artikel der BBC vom 12. Mai 2010
- Liverpool v Manchester United: not so much a fixture as a blood feud, Artikel des Guardian vom 27. Jänner 2012
- Manchester United avoid sanction for chants about Hillsborough disaster, Artikel des Guardian vom 14. März 2016
- The greatest challenge of Sir Alex Ferguson’s career is almost over, Artikel des Guardian vom 9. Jänner 2011
- https://www.theguardian.com/football/2011/may/16/manchester-united-19-times-banner-anfield, Artikel des Guardian vom 16. Mai 2011
- Liverpool v Manchester United: a deep-rooted, tribalistic rivalry finally set for Europe, Artikel des Guardian vom 9. März 2016
- The day that Phil crossed the great divide! , Artikel des Liverpool Echo vom 6. Juli 2007
- Owen completes switch to Man Utd, Artikel der BBC vom 3. Juli 2009
- Liverpool call in lawyers over Heinze transfer, Artikel des Guardian vom 24. Juli 2007
- Heinze loses Anfield transfer bid, Artikel des Guardian vom 21. August 2007
- Wembley to act over spitting, Artikel des Independent vom 13. Mai 1996
- Liverpool furious as Luis Suárez banned in Patrice Evra racism row, Artikel des Guardian vom 20. Dezember 2011
- Clear conscience: Suarez still thinks he did nothing wrong in Evra race row, Artikel des Daily Mirror vom 25. Mai 2012
- Manchester United’s Juan Mata sinks Liverpool after Steven Gerrard red card, Artikel des Guardian vom 22. März 2015