Rhesus-Inkompatibilität
Die Rhesus-Inkompatibilität (Synonyme Rh-Inkompatibilität, Rhesusunverträglichkeit) ist eine Blutgruppenunverträglichkeit gegen das Rhesusfaktor-Antigen „RhD“ zwischen RhD-negativer (veraltet auch Rh−, rh; Genotyp dd) Mutter und RhD-positivem (veraltet auch Rh+, Rh; Genotyp Dd) Kind.[1][2]
Klassifikation nach ICD-10 | |
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P55.0 | Rh-Isoimmunisierung beim Feten und Neugeborenen |
O36.0 | Betreuung der Mutter wegen Rhesus-Isoimmunisierung – Anti-D-Antikörper (Rh-Antikörper) – Rh-Inkompatibilität (mit Hydrops fetalis) |
ICD-10 online (WHO-Version 2019) |
Sie kann zur Auflösung kindlicher roter Blutkörperchen (Erythrozyten) (Hämolyse) führen. In schweren Fällen entwickelt sich ein Morbus haemolyticus neonatorum mit Hydrops fetalis.
Immunserologische Besonderheiten
Der Antikörper Anti-D ist ein irregulärer erythrozytärer Antikörper, den RhD-negative Menschen bilden können, wenn sie durch RhD-positive Erythrozyten immunisiert wurden. Irreguläre Antikörper sind Antikörper, die (im Gegensatz zu den Isoagglutininen) erst nach einer entsprechenden Immunisierung durch Kontakt mit dem jeweiligen Antigen, am häufigsten im Rahmen von Bluttransfusionen oder Schwangerschaften, gebildet wurden. Bei der laborklinischen Untersuchung zeigt sich, dass die im Serum eventuell vorhandenen irregulären Antikörper auf der Oberfläche von sogenannten Test-Erythrozyten binden können. Handelt es sich dabei um irreguläre Antikörper der Immunglobulinen der Klasse IgM, so wird es bereits auf dieser Stufe zu einer Agglutination kommen. Zum Nachweis von irregulären Antikörpern der Immunglobulinen der Klasse IgG wird zusätzlich ein Coombs-Serum zugegeben (indirekter Coombstest). Kommt es auf dieser Stufe zu einer Agglutination, so gelten irreguläre Antikörper der Klasse IgG als nachgewiesen.
Epidemiologie
In Europa sind etwa 15 % aller Menschen Rh-negativ (dd, immer homozygot), 50 % heterozygot (Dd) und die übrigen 35 % homozygot RhD-positiv (DD). Daraus ergibt sich – in Verbindung mit der dominanten Vererbung des Rhesusfaktors (RhD-positiv) – bei etwa 60 % der RhD-negativen Schwangeren ein RhD-positiver Fet.[3]
- Wenn die Mutter RhD-negativ ist (dd) und der Vater homozygot RhD-positiv (DD), dann ist jeder Fetus heterozygot RhD-positiv (Dd).
- Wenn die Mutter RhD-negativ ist (dd) und der Vater heterozygot RhD-positiv (Dd), dann ist der Fetus mit 50%iger Wahrscheinlichkeit heterozygot RhD-positiv (Dd) und mit 50%iger Wahrscheinlichkeit RhD-negativ (dd).
Pathogenese
Der Rhesusfaktor wird dominant vererbt, deshalb ist das Blutgruppenmerkmal RhD-negativ mit rund 15 % Anteil der Bevölkerung relativ selten. Die Erythrozyten RhD-positiver Menschen tragen auf ihrer Oberfläche ein „D-Antigen“ (Rhesusfaktor „D“). RhD-negative Menschen weisen dieses Antigen nicht auf. Die Antikörper gegen den Rhesusfaktor D werden bei Menschen ohne diesen Faktor nur dann gebildet, wenn sie mit ihm in Berührung kommen, d. h. wenn RhD-positive Blutbestandteile (Erythrozyten und Bestandteile) eines Menschen in den Blutkreislauf einer anderen RhD-negativen Person gelangen.
Das kann bei Bluttransfusionen geschehen oder unter bestimmten Voraussetzungen in der Schwangerschaft oder bei der Geburt. RhD-positives Blut wird RhD-negativen Personen heute üblicherweise nur noch in Ausnahmefällen (Mangel geeigneter Konserven) transfundiert. Normalerweise sind die Blutkreisläufe von Mutter und Kind in der Schwangerschaft durch die Plazentaschranke voneinander getrennt. Diese verhindert, dass Blutzellen des Kindes in den mütterlichen Kreislauf (oder umgekehrt) gelangen. Ist dies dennoch der Fall, etwa bei invasiven, vorgeburtlichenen Eingriffen in der Gebärmutter und/oder am Kind, oder z. B. im Fall einer Verletzung des Kindes, der Nabelschnur oder der Plazenta bei der Geburt – Bedingung ist jeweils Einbringung des kindlichen Blutes in den mütterlichen Blutkreislauf – kann die Mutter sensibilisiert werden und Antikörper gegen das RhD-Antigen des Kindes bilden. Weiterhin vermutet man als Ursache sogenannte Mikrotraumata bzw. pathologische Öffnungsvorgänge der Plazenta.[4]
Je nach Art und Umfang der Invasivität des Eingriffs erheblich wahrscheinlicher ist eine Sensibilisierung bei induziertem Abort bzw. Schwangerschaftsabbruch und durch sonstige invasive Eingriffe in die Gebärmutter, etwa im Rahmen der Pränataldiagnostik die Chorionzottenbiopsie (CVS); Amniozentese (AC) und die Nabelschnurpunktion. Dies trifft auch für Bauchverletzungen in der Schwangerschaft, Blutungen der Plazenta, Einnistungen der Keimzelle außerhalb Gebärmutter, Fehlgeburten sowie ggf. vorgenommene Ausschabungen und bei Rhesusfaktor-unverträglichen, verabreichten Bluttransfusionen zu. Das Risiko für die Einleitung einer Bildung von Antikörpern und Immunisierung steigt dabei je nach Umfang der Invasivität bzw. dem Verletzungs- und Blutungsrisiko oder der Menge des in den Blutkreislauf eingebrachten Blutes (s. Häufigkeit bei Rh-negativen Schwangeren).
Der Zusammenhang zwischen einerseits dem erfolgten Nachweis von Beta-Zellen mit dem Erbgut der Mutter der Testpersonen in der Bauchspeicheldrüse[4] (sogenanntem Mikrochimärismus), und andererseits dem bei ehemals per Kaiserschnitt entbundenen Personen signifikant erhöhtem Auftreten der Autoimmunerkrankung Diabetes mellitus Typ 1[5] lässt darauf schließen, dass es während der Schnittentbindungen demnach häufiger zur Kontamination des kindlichen Blutkreislaufs mit Körperzellen der Mutter kommt.
Tritt eine Immunisierung der Mutter bereits innerhalb der ersten Schwangerschaft ein, dann geschieht sie relativ langsam und führt bei der ersten Schwangerschaft üblicherweise noch nicht zu Problemen. Ist die Mutter jedoch vom ersten Kind „sensibilisiert“, das heißt ihr Immunsystem hat Gedächtniszellen gebildet, dann kann erneuter Blutkontakt in der nächsten Schwangerschaft mit einem RhD-positiven Kind sehr schnell zur Bildung von Antikörpern bei der Mutter führen (Boosterung). Diese D-Antikörper können im Gegensatz zu den Erythrozyten als Immunglobuline vom Typ G leicht durch die Plazentaschranke in den Blutkreislauf des Kindes übertreten (IgG-Immunglobuline; nach T-Zell-Hilfe und Immunglobulinklassenwechsel der Anti-D-Antikörper von IgM zu IgG). Sie binden an die RhD-positiven Erythrozyten-Antigene des Kindes. Solche mit Antikörpern der Mutter beladenen Erythrozyten des Kindes werden in dessen Milz vorzeitig abgebaut. Es kommt beim Kind – mehr oder weniger ausgeprägt – zu einer hämolytischen Anämie.
Zunächst führt die Hämolyse der Erythrozyten beim Kind kompensatorisch zu einer gesteigerten Neubildung von Blutzellen, auch außerhalb des Knochenmarks (extramedulläre Blutbildung), in Leber und Milz. Je nach Schweregrad kann es zu Hypoxie und Azidose, verminderter Albuminsynthese, und in einem Teil der Fälle zu Ödemen und Pleuraergüssen kommen. Dieses vorgeburtliche Bild eines Morbus haemolyticus fetalis, nach der Geburt als Morbus haemolyticus neonatorum (MHN) bezeichnet, kann im Vollbild zu einem Hydrops fetalis und damit schlimmstenfalls zu Missbildungen oder zum Tod des Kindes führen (siehe Therapie). Der Schweregrad eines Morbus haemolyticus neonatorum ist aus immunhämatologischer Sicht im Wesentlichen abhängig von der Konzentration der mütterlichen Antikörper, dem Anteil der die Plazenta passierenden IgG-Antikörper und deren Subklassenverteilung sowie der Antigendichte und -verteilung auf dem kindlichen Gewebe. Daraus wiederum folgt der Grad der Hämolyse. Ob gesundheitliche Folgen für das Kind entstehen, hängt vom Zeitpunkt und Grad der Hämolyse ab, weiterhin davon, ob diese ausreichend kompensiert werden kann (Schwangerschaftsmonat, Konstitution und Gesundheitszustand des Kindes) und drittens – falls erforderlich – von den eingeleiteten therapeutischen Maßnahmen (s. Symptomatik und Therapie).
Eine weitere Form der mütterlichen Unverträglichkeit gegen Blutzellen des ungeborenen Kindes stellen die fetalen und neonatalen Alloimmun-Thrombozytopenien (F/NAIT) und -Neutropenien (F/NAIN) dar, bei denen kindliche Blutplättchen oder weiße Blutzellen zerstört werden.
Häufigkeit bei RhD-negativen Schwangeren
Vor Einführung der Anti-D-Prophylaxe (Rhesusprophylaxe) waren in verschiedenen Studien zwischen 1,96 % (3/153) und 13,39 % (15/112) der Frauen in den Kontrollgruppen immunisiert, woraus sich eine durchschnittliche Immunisierungsrate von 7,5 % ergibt.[6][7][8][9][10][11][12][13][14] Ein Morbus Haemolyticus Neonatorum (MHN) fand sich vor Einführung der Anti-D-Prophylaxe bei 0,6 % aller Schwangerschaften, von denen 60 % therapiebedürftig waren und 12 % tödlich endeten.[15]
Die o. g. Zahlen umfassen auch diejenigen Frauen, bei denen zuvor – ggf. mehrfach – Invasiveingriffe wie induzierter Abort, Verletzungen, Blutungen, Extrauteringraviditäten, inkompatible Bluttransfusionen etc. erfolgten. Eine Anti-D-Prophylaxe für (bis 1976 illegale und deshalb quantitativ und qualitativ unbekannte) Schwangerschaftsabbrüche und andere Invasiveingriffe, Verletzungen, nach Verabreichung Rh-inkompatibler Bluttransfusionen etc. – d. h. Indikationen, in denen diese heute erfolgt – (s. Prophylaxe) stand damals nicht zur Verfügung.
Prophylaxe mit Anti-D-Immunglobulin
Das gegen den unter Pathogenese beschriebenen Immunisierungsvorgang und seine Folgen präventiv verabreichte Medikament ist ein Blutprodukt. Es wird als „Anti D“ bzw. „Anti-D-Prophylaxe“ bezeichnet, als „Wirkstoff“ sind Anti-D- bzw. Rhesusfaktor-Antikörper (humanes Anti-D-Immunglobulin) enthalten. Rekombinantes, monoklonales Anti-D, das nicht von Spendern gewonnen werden muss, wird aktuell in Studien als Alternative zum polyklonalen Anti-D erprobt.[16][17]
Auch im Falle einer Transfusion RhD-positiven Blutes an einen RhD-negativen Spender kann durch die Gabe von Anti-D eine Immunisierung verhindert werden. In diesem Fall werden deutlich höhere Dosen der Anti-D-Prophylaxe verabreicht, als sie bei Schwangeren üblich sind.
Präpartale Prophylaxe
Eine Blutgruppenbestimmung in der Frühschwangerschaft gehört zu den üblichen Schwangerschaftsvorsorgemaßnahmen. Vor Einführung der fetalen RHD-Typisierung erhielten alle RhD-negativen Schwangeren vorbeugend in der 28.–30. Schwangerschaftswoche die präpartale Rhesusprophylaxe. Seit 2020 empfiehlt die Schweizer Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe die Durchführung der präpartalen Rhesusprophylaxe in Abhängigkeit des fetalen RHD-Status nach nicht-invasivem Pränataltest (NIPT).[18] In Deutschland wurde der RHD-NIPT im November 2020 Gegenstand der Mutterschaftsrichtlinien.[19] Mittels RHD-NIPT kann aus einer Blutprobe der Mutter der fetale RhD-Status ermittelt werden[20]. Bei einem RhD-negativen Kind kann die präpartale Prophylaxe ausgelassen werden, da keine Gefahr der mütterlichen RhD-Sensibilisierung besteht. Dies betrifft in Mitteleuropa ca. 40 % der Schwangeren. Bisher wird diese Vorgehen nur bei Einlingsschwangeren empfohlen. Da bei diesem Vorgehen die präpartale Prophylaxe nur erfolgt, wenn das Kind nachgewiesenermaßen RhD-positiv ist, spricht man hierbei von einer gezielten Rhesusprophylaxe. Das bisherige Vorgehen entspricht einer ungezielten Prophylaxe.[21]
Postpartale Prophylaxe
Nach der Geburt des Kindes wird innerhalb von 72 Stunden der RhD-Status des Neugeborenen serologisch bestimmt. Üblicherweise verwandt wird hierzu das Nabelvenenblut. Bei einem RhD-positiven Kind erfolgt die Gabe der postpartalen Prophylaxe. Auch nach zuvor erfolgtem RHD-NIPT ist die serologische Testung des Neugeborenen erforderlich.[19]
Prophylaxe nach Komplikationen/Eingriffen
Eine Anti-D-Prophylaxe erfolgt bei RhD-negativen Schwangeren ebenfalls vor invasiven Eingriffen in die Gebärmutter u. a. im Rahmen der Pränataldiagnostik oder nach erfolgten Verletzungen. Dazu gehören
- induzierter Abort bzw. Schwangerschaftsabbruch;
- die Chorionzottenbiopsie (CVS);
- Fruchtwasserpunktion (Amniozentese; AC);
- Nabelschnurpunktion;
- Bauchverletzungen in der Schwangerschaft;
- Blutungen der Plazenta;
- Einnistungen der Keimzelle außerhalb der Gebärmutter;
- Fehlgeburten sowie ggf. vorgenommene Ausschabungen;
- manuelle Veränderungen der Lage des Kindes in der Gebärmutter (äußere Wendung);
- bei Rhesusfaktor-unverträglichen, verabreichten Bluttransfusionen.
Daneben werden in der Schwangerschaft regulär zwei Antikörper-Suchtests durchgeführt, mit denen auch Antikörper gegen Rhesusantigene nachgewiesen werden. Steigt deren Titer während der Schwangerschaft an oder zeigt der Fetus im Ultraschall schon Zeichen eines beginnenden Hydrops, kann gegebenenfalls schon eine intrauterine Bluttransfusion vorgenommen werden.
Geschichte
Der Impfstoff zur Anti-D-Prophylaxe wurde in den 1960er Jahren durch eine britische Gruppe (Ronald Finn, Cyril A. Clarke) in Liverpool und eine US-amerikanische Gruppe (William Pollack, Vincent J. Freda, John G. Gorman, Columbia-Presbyterian Hospital) entwickelt und der Impfstoff 1969 eingeführt. Die beteiligten Wissenschaftler erhielten dafür 1980 den Lasker~DeBakey Clinical Medical Research Award.[22]
Kontamination mit Hepatitis C
In der DDR waren in den Jahren 1978 und 1979 etwa 6800 RhD-negative Mütter nach der Geburt von RhD-positiven Kindern bei einer für diese Konstellation damals gesetzlich vorgeschriebenen Anti-D-Prophylaxe zum Schutz nachgeborener Kinder gegen besseres Wissen mit Hepatitis C infiziert worden. Zwar wurden die für den Skandal verantwortlichen Personen wegen eines Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz der DDR verurteilt. Die Öffentlichkeit und die Opfer aber wurden über diese Vorgänge zunächst nicht aufgeklärt. Schließlich doch durch die DDR begonnene Entschädigungen wurden durch den Beitritt der DDR zur BRD unterbrochen und erst 2000 durch das bundesdeutsche Anti-D-Hilfegesetz wieder aufgenommen.[23]
Wirkungsweise und Wirksamkeit
Auch wenn diesbezüglich Hypothesen kursieren, ist lt. Herstellerangaben „der Wirkungsmechanismus, wodurch das Anti-D-Immunglobulin die Immunisierung durch Rh(D) positive Erythrozyten unterdrückt, (…) nicht bekannt.“ Betreffend der Wirksamkeit könne „eine passive Immunisierung mit spezifischen IgG-Antikörpern gegen das Rh(D)-Antigen (…) in > 99 % der Fälle verhindern, dass die Rh(D)-negative Mutter aktiv immunisiert wird.“ Das jedoch unter der „Voraussetzung (…) dass eine ausreichende Dosis früh genug nach Exposition mit fetalen Rh(D)-positiven Erythrozyten verabreicht wird.“[24] Studien zur Wirksamkeit sind von den Herstellern bisher nicht veröffentlicht worden.
Kritik an der Anti-D-Prophylaxe
Von Kritikern wird die pauschale Anwendung der Anti-D-Immunglobuline bei RhD-negativen Schwangeren kritisiert. Es wird festgestellt, dass mit der allgemeinen Einführung und allgemeinen Gabe der Anti-D-Prophylaxe an Rh-negative Schwangere eine Erforschung der Ursachen einer Immunisierung mit Anti-D bis heute ausblieb bzw. mangels Interesse unterlassen wurde. Das, obwohl über 90 % der RhD-negativen, mit RhD-positivem Kind Schwangeren (s. Häufigkeit bei Rh-negativen Schwangeren) natürlicherweise, d. h. auch ohne Gabe der Anti-D-Prophylaxe, keine Antikörper entwickeln und die Gabe dieser Blutprodukte (Anti-D-Immunglobulin) nicht ohne Risiken ist.[25] Es ist unbekannt, in welchem Maß schwangerschafts- oder geburtsbedingte Faktoren, insbesondere vorgeburtliche invasive Eingriffe, den Grad der Wahrscheinlichkeit einer Immunisierung beeinflussen. Dass deren Wahrscheinlichkeit durch solche Invasiveingriffe erhöht wird, ist dagegen seit langem bekannt,[26] worauf die Festlegung zahlreicher Indikationen für die präventive Gabe der Anti-D-Prophylaxe (s. Prophylaxe) basiert.
Symptomatik
Aufgrund der verbesserten Vorsorgemaßnahmen haben etwa die Hälfte der Neugeborenen mit einer Rhesusunverträglichkeit bei nachgewiesenen Rhesusantikörpern nur eine milde Hämolyse mit leichtem Neugeborenenikterus.[3] Der andere Teil hat in der Regel eine deutlichere Anämie und aufgrund der kompensatorisch gesteigerten Blutbildung außerhalb des Knochenmarks eine vergrößerte Leber und Milz (Hepatosplenomegalie). Der Ikterus verläuft entsprechend schwerer, die Kinder kommen oft schon gelb zur Welt (Ikterus gravis et praecox). Generalisierte Wassereinlagerungen (Ödeme) und Ergüsse in Brust- und Bauchhöhle (Pleuraerguss und Aszites) finden sich beim Vollbild des Hydrops fetalis.
Bei der Erythroblastose wird Biliverdin und Bilirubin durch Hämolyse frei und auch im Dentin des Zahnes abgelagert. Kronen und Wurzeln verfärben sich dadurch blaugrün. Diese sog. Chlorodontie nimmt nach einigen Jahren durch die weitere Dentinbildung ab.[27]
Diagnostik
Für die Diagnostik entscheidend ist eine Blutgruppenbestimmung von Mutter und Kind. Zum Nachweis plazentagängiger IgG-Antikörper im mütterlichen Serum dient der Coombs-Test, wohingegen mit dem direkten Coombs-Test Antikörper auf den Erythrozyten des Kindes nachgewiesen werden. Zur Einschätzung des Schweregrades und der Planung der weiteren Behandlung ist außerdem die Bestimmung eines Blutbild des Kindes, verschiedener Hämolyse-Parameter (LDH, Retikulozyten) sowie des Bilirubin erforderlich.
Mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) lässt sich mittlerweile der RhD-Status des Fetus zuverlässig aus dem Blut der Mutter bestimmen. Ist der Fetus RhD-negativ, muss die präpartale Anti-D-Prophylaxe nicht mehr durchgeführt werden.[28] Diese vorgeburtliche Untersuchung des fetalen RhD-Merkmals durch nicht-invasiven Pränataltest (NIPT) ist seit November 2020 Bestandteil der deutschen Mutterschaftsrichtlinien.[19]
Therapie
Bei der Hälfte der Kinder mit milden Symptomen ist keine Therapie nötig oder es reicht eine Phototherapie. In schweren Verläufen muss aber möglicherweise eine Blutaustauschtransfusion durchgeführt werden. Der Hydrops fetalis ist für den Neonatologen immer ein Notfall, der eine Vielfalt von intensivmedizinischen Maßnahmen schon im Kreißsaal nach sich zieht. In der Regel müssen die Kinder sofort intubiert und künstlich beatmet werden, erhalten sofort Bluttransfusionen und die Ergüsse in Brust- und Bauchhöhle werden zur Entlastung punktiert.
Weblinks
Einzelnachweise
- C. Mueller-Eckhardt, V. Kiefel: Transfusionsmedizin. 3. Auflage. Springer, 2004.
- Richtlinien der Bundesärztekammer …. 2005, Unter: „Schreibweise“ in Kapitel 4.2.5.13, zu finden im Internet: bundesaerztekammer.de (Memento vom 1. Juli 2007 im Internet Archive)
- R. Roos u. a.: Checkliste Neonatologie. Das Neo-ABC. Stuttgart 2000, ISBN 3-13-125051-8.
- Mikrochimerismus im Pankreas von Diabetikern – Krankheitsursache oder Therapieansatz? In: Ärzteblatt. 23. Januar 2007.
- Kaiserschnitt erhöht bei Kindern Diabetesrisiko. In: Ärztezeitung. 12. März 2012.
- W. Q. Ascari, A. E. Allen, W. J. Baker u. a.: Rho(D) immune globulin (human) evaluation in women at risk of Rh immunization. In: JAMA. 205(1), 1968, S. 1–4.
- G. J. Bishop, V. I. Krieger: One millilitre injections of RHo(D) immune globulin in prevention of Rh immunization. A further report on the clinical trial. In: Medical Journal of Australia. 2, 1969, S. 171–174.
- C. A. Clarke, W. T. A. Donohoe, R. Finn u. a.: Prevention of Rh haemolytic disease: final results of the ‘high risk’ clinical trial. In: Br Med J. 2(5762), 1971, S. 607–609.
- B. Chown, A. Duff, J. James u. a.: Prevention of Primary Rh Immunization: First report of the Western Canadian Trial. In: Canadian Medical Association Journal. 100, 1969, S. 1021–1024.
- C. Dudok de Wit, E. Borst-Eilers, C. H. M. Weerdt u. a.: Prevention of Rh immunization. A controlled trial with a comparatively low dose of anti-D immunoglobulin. In: BMJ. 211 (4), 1968, S. 477–479.
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- Stefan Günther: Hepatitis-C-Impfschadensfall: Längst überfällige Entschädigung für die Opfer, Dtsch Arztebl 2000; 97(39): A-2517 / B-2149 / C-2013
- Gebrauchs- und Fachinformation Rhophylac 300 unter 5.1: Pharmakodynamische Eigenschaften. (Memento vom 8. Dezember 2015 im Internet Archive) (PDF)
- Gebrauchs- und Fachinformation zum Produkt Rhophylac 300 der Firma CSL Behring. (Memento vom 8. Dezember 2015 im Internet Archive) (PDF)
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