Residualgewinn
Die betriebswirtschaftliche Kennzahl des Residualgewinns (oder „Übergewinn“; engl. residual income) bezeichnet den über den Leistungsgewinn hinausgehenden Gewinn, der die Kapitalkosten eines Unternehmens abdeckt. Negativ ausgedrückt ist Residualgewinn oder „Restgewinn“ der Teil des Gewinns, der nach Abzug der Kapitalkosten verbleibt.
Allgemeines
Eigen- und Fremdkapital, die für Betriebszwecke zur Verfügung gestellt werden, verursachen Kapitalkosten, die durch den Produktionsprozess verdient werden müssen. Diese Kapitalkosten setzen sich aus Zinsaufwand (beim Fremdkapital) und Dividenden (beim Eigenkapital) zusammen. Während der Zinsaufwand den Gewinn schmälert, ist die Dividendenzahlung bereits eine Gewinnverwendung. Das Aggregat des Residualgewinns ist eine Größe, die aussagen soll, ob über den aus dem Produktionsprozess erwirtschafteten Gewinn (Leistungsgewinn) hinaus auch noch zusätzliche Gewinne erwirtschaftet wurden, die diese Kapitalkosten abdecken. Rückschlüsse darüber, ob eine getätigte Investition „Wert“ für das Unternehmen geschaffen hat, ergeben sich erst aus dem Residualgewinn. Ein Unternehmen arbeitet nach diesem Erfahrungssatz nur dann erfolgreich, wenn die Verzinsungsansprüche sämtlicher Kapitalgeber befriedigt werden. Je höher der über die Kapitalkosten hinausgehende „Übergewinn“ sei, desto erfolgreicher habe das Unternehmen gewirtschaftet.[1]
Der Begriff des „residual income“ wurde erstmals durch General Electric im Jahre 1955 verwendet, um Managern Incentives zu gewähren.[1] Bereits dieser US-Konzern benutzte das „residual income“ als Performance-Management-Maßstab für Manager, indem es Nachteile wie die Nichtberücksichtigung der Kapitalkosten vermied. Zuvor war 1937 Gabriel Preinreich der Beweis gelungen, dass bei einer Investition deren Kapitalwert unter bestimmten Prämissen dem Gegenwartswert aller Residualgewinne entspricht.[2] Dieses Theorem ist in der deutschsprachigen Literatur als Preinreich-Lücke-Theorem bekannt geworden.
Ermittlung
Ein Residualgewinn entsteht, wenn die Gesamtkapitalrendite größer ist als die Kapitalkosten des Unternehmens. Der Residualgewinn (RG) ergibt sich, wenn man vom operativen Cashflow (OCF) einer Periode die Abschreibungen (Ab) abzieht und den Kalkulationszinssatz k mit dem eingesetzten Kapital (BIK) der Vorperiode multipliziert:[3]
Dabei gehören zu den Kapitalkosten sowohl die Zinsaufwendungen beim Fremdkapital als auch die gezahlte oder kalkulatorische Eigenkapitalverzinsung (Dividende). Aus den Bestandteilen der Gleichung ist zu erkennen, dass es sich um verfügbare Daten des externen Rechnungswesens handelt.
Zweck
Auf Grundlage des Residualgewinns kann eine wertorientierte Unternehmensführung betrieben werden. Ein Unternehmen oder eines seiner Segmente schafft Mehrwert, wenn ein Residualgewinn erwirtschaftet wurde. Der Residualgewinn kann allerdings nur in seltenen Ausnahmefällen eine fundierte Aussage über die Steigerung des Unternehmenswerts leisten, nämlich wenn es keinen bilanzierten Goodwill gibt, in Zukunft keine positiven Residualgewinne erwirtschaftet werden und der Market Value Added mit dem Kapitalkostensatz gleichförmig wächst.[4] Weiterentwicklungen des Residualgewinns sind der Marktresidualgewinn, der 1991 von Stern Stewart & Co konzipierte Economic Value Added (EVA),[3] der Cash Value Added (CVA) oder der Earnings less Riskfree Interest Charge (ERIC).
Passives Residualeinkommen
Der Begriff „passives Residualeinkommen“ wird auch für einmalige Investitionen oder Arbeitsleistungen verwendet, die über einen langen Zeitraum hinweg regelmäßig Einnahmen generieren, ohne dass hierfür ein sich wiederholender Arbeitseinsatz erforderlich ist. Konkret werden hiermit sämtliche Formen von Urheberrechten/Patenten/Lizenzen erfasst, die dem Rechteinhaber kraft Gesetzes während seines Lebens (und darüber hinaus auch für dessen Erben) die Einkünfte aus Tantiemen sichern. Insbesondere in der Musik gehören Paul McCartney und ABBA zu den Spitzenverdienern aus passiven Residualeinkommen, da sie als Komponisten nichts mehr unternehmen müssen (passiv bleiben), um diese Einkünfte zu erzielen, denn sie werden durch Verkauf der Tonträger und öffentliche Aufführung automatisch ausgelöst. Zins- oder Mieteinkommen gehören indes nicht zu den passiven Residualeinkommen, da die Leistung der Kapitalüberlassung und der Vermietung permanent aufrechterhalten werden muss. Gegensatz ist das aktive Einkommen, für dessen Erzielung eine repetitive Arbeitsleistung erforderlich ist.
Einzelnachweise
- Peter Hahne/Florian Geyer, Wertorientierte Unternehmensführung, 2002, S. 56.
- Gabriel A. D. Preinreich: Valuation and Amortization. In: The Accounting Review. Band 12, Nr. 3, 1937, ISSN 0001-4826, S. 209–226, JSTOR:239096.
- David Stüker, Evaluierung und Steuerung von Kundenbeziehungen aus Sicht des unternehmenswertorientierten Controlling, 2008, S. 107 f.
- David Stüker, Evaluierung und Steuerung von Kundenbeziehungen aus Sicht des unternehmenswertorientierten Controlling, 2008, S. 117.