Reinhold Huhn
Reinhold Paul Huhn (* 8. März 1942 in Braunsberg; † 18. Juni 1962 in Berlin (Ost)) war Gefreiter der Grenztruppen der DDR, als er in der Zimmerstraße 56 in Berlin durch den Fluchthelfer Rudolf Müller erschossen wurde. Bevor Huhn seinen Wehrdienst leistete, war er Rinderzüchter. Er wurde postum zum Unteroffizier befördert.
Nach ihm wurde die Ost-Berliner Reinhold-Huhn-Oberschule (POS) benannt sowie Reinhold-Huhn-Straßen in Berlin, Hoyerswerda, Magdeburg, Guben und Hildburghausen. Die von 1973 bis zum 4. Oktober 1994 in Berlin existierende Gedenkstätte für die an der Staatsgrenze zu Berlin (West) gefallenen Soldaten der Grenztruppen der DDR an der Jerusalemer Straße, Ecke Schützenstraße (von 1966 bis 1991 Reinhold-Huhn-Straße), verzeichnete seinen Namen.[1] Eine dort angebrachte bronzene Gedenktafel wurde entfernt und befindet sich in einem Ausstellungsraum der Zivilschutzanlage Blochplatz der Berliner Unterwelten e.V. Eine weitere entfernte Gedenktafel befand sich in der Nikolai-Bersarin-Kaserne in Berlin-Lichtenberg.
Tod
Am 18. Juni 1962 war Reinhold Huhn an der Berliner Mauer in Berlin-Mitte nahe der Zimmerstraße eingesetzt. Von der in West-Berlin direkt an der Mauer befindlichen Baustelle des Axel-Springer-Hochhauses gruben Fluchthelfer um Rudolf Müller einen Fluchttunnel. Müller, ein ehemaliger Grenzgänger, wollte seine Ehefrau, seine beiden Kinder und seine Schwägerin aus Ost-Berlin zu sich nach West-Berlin holen. Nach dem Durchbruch des Tunnels in den Keller eines Hauses in Ost-Berlin ging Rudolf Müller hinüber, verließ das Haus und holte seine Familie von einem vereinbarten Treffpunkt ab. Auf dem Rückweg zum Tunneleingang passierten sie Reinhold Huhn und seinen Postenführer. Als Huhn die Gruppe kontrollieren wollte, gingen alle bis auf Rudolf Müller weiter.[2] Müller zog aus der Innentasche seiner Jacke eine Pistole und schoss Huhn aus nächster Nähe in die Brust. Anschließend rannte Müller zum Tunneleingang. Der Postenführer Huhns eröffnete das Feuer auf die Flüchtlinge, ohne einen von ihnen zu treffen.[3]
- Beisetzung von Reinhold Huhn in Adorf/Vogtl. am 22. Juni 1962
- Jugendstunde an der ersten Gedenkstätte an der Zimmerstraße für Huhn im Jahr 1964
- Fidel Castro legt am 14. Juni 1972 an der Reinhold-Huhn-Gedenkstätte einen Kranz nieder
- Junge Pioniere an der Gedenkstätte für die an der Staatsgrenze zu Berlin (West) gefallenen Soldaten der Grenztruppen der DDR, die 1973 die Reinhold-Huhn-Gedenkstätte ersetzt hatte, 1986
- Gedenktafel, Zimmerstraße 54, in Berlin-Mitte
Nachwirken
Auf der West-Berliner Seite angekommen, gab Rudolf Müller an, er habe Reinhold Huhn lediglich geschlagen. Der tödliche Schuss sei von dem Postenführer abgegeben worden. Der West-Berliner Senat flog Müller und seine Familie in die Bundesrepublik aus. Ein Auslieferungsgesuch der DDR-Behörden, die von der Schuld Müllers überzeugt waren, wurde abgelehnt. Das West-Berliner Ermittlungsverfahren gegen Müller wurde im November 1962 eingestellt. Vor Grenzsoldaten behauptete die DDR-Staatsführung, dass Müller im direkten Auftrag von Bundeskanzler Konrad Adenauer und dem Regierendem Bürgermeister Willy Brandt gehandelt habe.
Nach der deutschen Wiedervereinigung stellte die Staatsanwaltschaft Berlin erneut Ermittlungen in dem Fall an. Diese führten 1996 zu einem Prozess gegen Rudolf Müller. Im Laufe des Verfahrens gestand der Angeklagte, für die tödlichen Schüsse verantwortlich zu sein, machte aber Notwehr geltend. Das Landgericht verurteilte ihn wegen Totschlags zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf Bewährung. Das Mindeststrafmaß für Totschlag liegt bei fünf Jahren Freiheitsstrafe, jedoch sah das Gericht in Müllers Fall besondere gesetzliche Milderungsgründe. In der Berufungsverhandlung vor dem Bundesgerichtshof im Jahr 2000 wurde das Strafmaß belassen, aber das Delikt auf Mord geändert, weil das Merkmal der Heimtücke erfüllt sei. Die Strafmilderung wurde belassen, die Gründe dafür aber korrigiert.
Die daraufhin eingereichte Verfassungsbeschwerde Müllers hat das Bundesverfassungsgericht im November 2000 nicht zur Entscheidung angenommen und u. a. ausgeführt: „Die Bewertung der Tat als Heimtückemord ist im Übrigen verfassungsrechtlich unbedenklich“.[4]
Am 6. August 2001 strahlte der Fernsehsender MDR den Dokumentarfilm Der Todesstreifen – Tödliche Schüsse über diese Ereignisse aus, der die Nachforschungen der DDR-Polizei und DDR-Gerichte bestätigte.
Literatur
- Dietmar Arnold, Rudolf Müller: Kein Licht am Ende des Tunnels. Berlin 1962. Die tragische Flucht einer Familie. Ch. Links, Berlin 2018, ISBN 978-3-96289-020-9
- Hans-Hermann Hertle, Maria Nooke: Die Todesopfer an der Berliner Mauer 1961–1989. Ein biographisches Handbuch. Ch. Links, Berlin 2009, ISBN 978-3-86153-517-1.
- Kurzbiografie zu: Huhn, Reinhold. In: Wer war wer in der DDR? 5. Ausgabe. Band 1. Ch. Links, Berlin 2010, ISBN 978-3-86153-561-4.
- Peter Kirschey: Der Tod des Gefreiten Reinhold Huhn. Spotless-Verl., Berlin 1999. ISBN 978-3-933544-17-9.
Weblinks
Einzelnachweise
- Dietmar Kuntzsch: Städtebau und Grenze. Die Jerusalemer Straße und das Denkmal für Reinhold Huhn in Ost-Berlin. In: Günter Schlusche, Verena Pfeiffer-Kloss, Gabi Dolff-Bonekämper, Axel Klausmeier (Hrsg.): Stadtentwicklung im doppelten Berlin. Zeitgenossenschaften und Erinnerungsorte. Links Verlag, Berlin 2014, ISBN 978-3-86153-810-3, S. 24–31.
- welt.de, 15. Mai 2018, Den Weg in den Fluchttunnel versperrte die Kalaschnikow
- Kurzporträt auf www.chronik-der-mauer.de
- BVerfG, 2 BvR 1473/00 vom 30. November 2000.