Reinhold Heller (SS-Mitglied)
Reinhold Heller (* 15. Juli 1885 in Freienwalde, Pommern; † 7. Mai 1945 in Berlin-Nikolassee [?])[1] war ein deutscher Kriminalbeamter und seit 1939 SS-Obersturmbannführer.
Leben und Wirken
Jugend, Ausbildung und Erster Weltkrieg
Heller war Sohn des Gasthofbesitzers Albert Heller. 1895 verzog die Familie nach Stargard, wo er das Königliche und Gruningsche Gymnasium besuchte und 1905 das Abitur ablegte. Anschließend studierte Heller Rechtswissenschaft an den Universitäten Berlin, Jena und Kiel. 1910 unterzog er sich erfolglos dem ersten juristischen Staatsexamen. Anschließend gehörte er für ein Jahr einem Freiwilligen-Regiment in Kiel an.
1912 meldete Heller sich als Polizeioffizier zur damaligen königlichen Schutzmannschaft. Zu Beginn des Ersten Weltkrieges trat er als Offiziersanwärter in ein Infanterieregiment ein. Bereits im August 1914 wurde er bei Kampfhandlungen verwundet, konnte nach seiner Genesung aber an die Front zurückkehren. Im Juli 1915 folgte seine Beförderung zum Offizier. Heller wurde während des Krieges noch zweimal verwundet. 1916 wurde er zum Kompanieführer befördert, bevor er im Juli 1918 als kriegsuntauglich entlassen wurde.
Karriere in der Weimarer Republik
Im Januar 1919 meldete Heller sich zur Marine-Brigade Ehrhardt. Da er infolge seiner Kriegsverwundungen für den aktiven Polizeidienst untauglich geworden war, betrieb Heller wenig später seine Versetzung zur Kriminalpolizei, in die er schließlich nach zweimaliger Ablehnung beim dritten Anlauf aufgenommen wurde: Nach dem Bestehen der Fachprüfung im September 1919 wurde er als Kriminalkommissar in die Berliner Kriminalpolizei übernommen. Dort war Heller während der Zeit der Weimarer Republik von 1919 bis 1933 in der Abteilung I A des Berliner Polizeipräsidiums tätig, die als Politische Polizei der Republik mit der Überwachung und Bekämpfung radikaler politischer Elemente befasst war. Unterbrochen wurde diese Tätigkeit einzig durch eine Abkommandierung zur Sicherheitspolizei von 1919 bis 1920. Bei der Politischen Polizei galt Heller als vorzüglicher Kenner des Marxismus, also der linksgerichteten Kräfte im politischen Leben der Republik, wie der Kommunisten, der Sozialdemokratie und der Schwarzen Front. Am 1. November 1931 folgte Hellers Beförderung zum Kriminalpolizeirat und Leiter der Inspektion KPD im Außendienst der Abteilung I.
1932 untersuchte Heller die Ermordung des Hitlerjungen Herbert Norkus.
NS-Zeit
Als unmittelbar nach dem Regierungsantritt der Nationalsozialisten im Frühjahr 1933 die Geheime Staatspolizei (Gestapo) gegründet wurde, gehörte Heller zu den ersten Beamten, die von dem Gestapoleiter Rudolf Diels in diese Dienststelle berufen wurden. Da Diels und Heller sich bereits aus ihrer gemeinsamen Arbeit in der Abteilung IA kannten, dürfte diese Bekanntschaft der Grund für Hellers Berufung in die Gestapo gewesen sein.
Als Experte für Marxisten aller Couleur kam Heller in den ersten Monaten des NS-Regimes eine maßgebliche Aufgabe bei der Ausschaltung der linken Gegner des neuen Regimes und der Zerschlagung ihrer organisierten Strukturen zu: Im Februar 1933 leitete Heller die Besetzung der Kommunistischen Parteizentrale in Berlin, des Karl-Liebknecht-Hauses, in dem bald darauf das erste Hauptquartier der Gestapo eingerichtet wurde. Nach dem Reichstagsbrand vom Februar 1933 war Heller außerdem maßgeblich mit der kriminalistischen Untersuchung des Brandes befasst. Hintergrund hierfür war die staatsoffizielle Politik, den Brand in der Öffentlichkeit als Anschlag der Kommunisten zu deuten, dem angeblich das Bestreben zugrunde gelegen habe, das Signal für einen kommunistischen Massenaufstand zu setzen – wofür Heller als Kommunismusexperte Beweise herbeischaffen sollte. Zu diesem Zweck wurde er einer von Hermann Göring eingesetzten vierköpfigen Sonderkommission zugeteilt, der außer ihm noch Rudolf Braschwitz als Leiter sowie Helmut Heisig und Walter Zirpins angehörten.
Bald nach diesen Ereignissen wurde Heller mit Eintrittsdatum zum 1. Mai 1933 in die NSDAP (Mitgliedsnummer 2.826.302) aufgenommen.
Im Geheimen Staatspolizeiamt – in das er offiziell zum 1. September 1933 aufgenommen wurde – übernahm Heller zunächst die Leitung des Referates II A („Kommunismus und andere marxistische Gruppen“ bzw. „Kommunismus, Anarchismus, Syndikalismus und KP“). Nach der Übernahme der Gestapo durch Heinrich Himmler und Reinhard Heydrich wurde Heller, der den neuen Herren der Gestapo als „zu alt und zu weich“ galt, durch Heinrich Müller ersetzt und stattdessen zum stellvertretenden Chef der Dienststelle II 1 A („Kommunistische und marxistische Bewegung, Nationalbolschewismus, Anarchismus, SPD“) ernannt. Zum 1. April 1935 wurde er auf Empfehlung Heydrichs zum Regierungsrat befördert und zum Leiter des Geschäftsbereichs „Kommunismus, außer Marxismus und Nebenorganisationen, Zersetzung“ ernannt. In den nachfolgenden Jahren avancierte er im Verwaltungsdienst nacheinander zum Oberregierungs- und schließlich zum Kriminalrat.
In dem im September 1939 gegründeten Reichssicherheitshauptamt übernahm Heller im Rang eines Oberregierungsrats das Referat II A 4. Ebenfalls 1938 trat er in die SS (Mitgliedsnummer 280.297) ein: Seine Aufnahme erfolgte zum 22. April 1938 im Zuge der damals vollzogenen Verschmelzung von SS und Polizei. In der SS erhielt er noch im selben Jahr den Rang eines Hauptsturmführers und 1939, entsprechend seinem Polizeidienstgrad, den eines Obersturmbannführers.
1939 wurde Heller als Leiter der dortigen Staatspolizeileitstelle nach Potsdam versetzt. Während des Zweiten Weltkriegs leitete Heller außer dieser Stelle auch das Zuchthaus Bautzen. In der letzteren Eigenschaft nahm er wiederholt an Besprechungen teil, bei denen über das Schicksal des Kommunisten-Führers Ernst Thälmann beraten wurde.
Die Umstände von Hellers Tod sind nicht abschließend geklärt: In der Literatur findet sich mehrfach die Behauptung, er habe sich beim Einmarsch der Roten Armee in Berlin erschossen. Seiner Sterbeurkunde zufolge starb er am 7. Mai 1945 um 11.30 Uhr in seiner Wohnung. In den Memoiren von Beate Niemann, der Tochter eines Mitarbeiters von Heller bei der Stapoleitstelle in Potsdam, die noch bis in die 1980er Jahre Kontakte zu Hellers Witwe hatte, steht dagegen, dass Heller sich bei Kriegsende unter einer S-Bahnbrücke in Berlin-Nikolassee erschossen haben soll.[2] In einigen Publikationen zum Reichstagsbrand wurde außerdem die Möglichkeit in Betracht gezogen, dass die Behauptung von Hellers Selbsttötung nur vorgeschoben worden sei, um eine kurz vor Kriegsende durchgeführte Beseitigung Hellers als unliebsamen Mitwisser einer möglichen nationalsozialistischen Brandurheberschaft zu vertuschen.
Beförderungen
- 20. April 1938: SS-Oberscharführer
- 1. November 1938: SS-Hauptsturmführer
- 9. November 1938: SS-Sturmbannführer
- 10. September 1939: SS-Obersturmbannführer
Archivarische Überlieferung
Im Bundesarchiv Berlin hat sich eine SS-Führer-Personalakte zu Heller erhalten. Außerdem finden sich dort Unterlagen der Präsidialkanzlei zu Hellers Beförderungen zum Regierungs- und Kriminalrat im Jahr 1935 sowie zum Oberregierungs- und Kriminalrat im Jahr 1939 (Bundesarchiv Berlin: R 601/1815). Beförderungsunterlagen zu Heller befinden sich zudem im Geheimen Staatsarchiv Berlin im Bestand Rep. 90, Annex P.
Literatur
- Shlomo Aronson: Heydrich und die Anfänge des SD und der Gestapo. 1931–1935. 1967.
- Siegfried Grundmann: Der Geheimapparat der KPD im Visier der Gestapo. Verlag Dietz, Berlin 2008, ISBN 978-3-320-02113-9.
- Walther Hofer: Der Reichstagsbrand. Eine wissenschaftliche Dokumentation. Ahriman-Verlag, 1992, ISBN 3-922774-80-6.
- Gerhard Paul, Klaus-Michael Mallmann (Hrsg.): Die Gestapo. Mythos und Realität. Primus-Verlag, Darmstadt 1996, ISBN 3-89678-000-X.
- Zeitschrift für Geschichtswissenschaft, Bd. 53. Deutscher Verlag der Wissenschaften, 2005.
Einzelnachweise
- Das Todesdatum 7. Mai 1945 ist das Datum, das später in seine offizielle Sterbeurkunde eingetragen wurde. Siegfried Grundmann: Der Geheimapparat der KPD im Visier der Gestapo, 2008, S. 105.
- Beate Niemann: Mein guter Vater. Mein Leben mit der Vergangenheit, 2005. Heller, Reinhold, ObRegRat. In: Berliner Adreßbuch, 1943, Teil 1, S. 1060. „Nikolassee Haagstraße 23“.