Reichsapfel
Der Reichsapfel, lateinisch Globus cruciger („kreuztragende Weltkugel“), ist ein Herrschaftszeichen in Form einer Weltkugel mit aufgesetztem Kreuz. In der christlichen Kunst, besonders im Bildtyp Salvator mundi, trägt Jesus Christus selbst oft dieses Zeichen.
Reichsapfel des (Heiligen) Römischen Reichs
- Rückseite eines Solidus des Theodosius II., in der Hand des Kaisers die Weltkugel mit Kreuz
Der Reichsapfel geht historisch auf den Globus der Römer zurück, der die Weltherrschaft des Römischen Reichs und damit die universale Reichsidee symbolisierte.[1] Auf den römischen Münzen der Kaiserzeit wurde – besonders ab dem 3. Jahrhundert – häufig eine Victoria auf dem Globus dargestellt. Dieses Motiv wurde auch unter den christlichen Kaisern des 4. Jahrhunderts noch häufig genutzt, wobei Victoria nun eher als Personifikation denn als Gottheit verstanden wurde. Als sie jedoch mit dem Streit um den Victoriaaltar im späten 4. Jahrhundert als heidnisches Symbol in Misskredit geriet, wurde sie auf den Münzen durch ein Kreuz ersetzt, das nun den Globus krönte.[2]
Diese christliche Abwandlung der Weltherrschaftssymbolik wurde in der Folgezeit ein wichtiges Attribut derjenigen irdischen Herrscher, die ihre Macht von Jesus Christus ableiteten (Gottesgnadentum), besonders der oströmischen Kaiser und der Könige (Kaiser) des – darum „heilig“ genannten – Heiligen Römischen Reichs. Auf mittelalterlichen und neuzeitlichen Münzen sind diese häufig mit dem Reichsapfel in der linken Hand dargestellt. Auch auf Münzen der rheinischen Pfalzgrafen (kurfürstliche Linien) ist der Reichsapfel dargestellt, denn sie hatten das Amt des Erztruchsesses inne, das durch den Reichsapfel symbolisiert wurde (Erzämter).
Ein erster Hinweis auf einen überreichten Reichsapfel findet sich kurz vor der Kaiserkrönung Heinrichs II. durch Papst Benedikt VIII. am 14. Februar 1014. Benedikt VIII. und die römische Bürgerschaft zogen Heinrich II. weit entgegen und bereiteten ihm noch vor Rom einen feierlichen Empfang, wobei der Papst einen mit Edelsteinen besetzten und mit einem goldenen Kreuz geschmückten Reichsapfel aus Gold überreichte, den er zuvor für diesen Anlass fertigen ließ. Heinrich II. gab diesen Reichsapfel an das Kloster Cluny weiter. Abt Odilo von Cluny hatte mit dem Hof am 25. Dezember 1013 in Pavia das Weihnachtsfest gefeiert und war auch bei der Kaiserkrönung zugegen.
Ein Reichsapfel wurde ferner im Jahr 1191 bei der Kaiserkrönung Heinrichs VI. dem neuen Kaiser überreicht. Die Form des Kreuzes und die Filigranornamente legen nahe, dass dieser Reichsapfel nicht wesentlich früher entstanden sein kann. Andererseits gibt es aber keine Anhaltspunkte dafür, dass der Reichsapfel des Heiligen Römischen Reiches, der heute in der Schatzkammer in Wien aufbewahrt wird, dem Kaiser überreicht wurde. Das Lexikon des Mittelalters schreibt dazu: „Die traditionellen Krönungsinsignien, darunter Zepter und Reichsapfel, wurden aus dem Hort beliebig ausgewählt.“[3]
- Kaiser Heinrich III. mit Zepter und Reichsapfel, Miniatur aus dem Perikopenbuch Heinrichs III., Echternach um 1040
- Reichsapfel des Heiligen Römischen Reiches (Vorder- und Rückseite), Stich von 1755
- Karte der Europa Regina mit Sizilien als goldenem Reichsapfel
- Christus mit dem Globus cruciger
(17. Jahrhundert)
Reichsäpfel anderer Monarchien
Kaiserreich Österreich
Zum Reichsapfel des Kaisertums Österreich siehe Österreichische Kaiserkrone.
Königreich Großbritannien
Für den Reichsapfel des Königreichs Großbritannien siehe Reichsapfel britischer Monarchen.
Dänemark
Die Reichsinsignien der dänischen Könige sind im Keller des Schlosses Rosenborg aufbewahrt.
Norwegen
Der Reichsapfel der norwegischen Reichsinsignien wurde 1818 in Stockholm angefertigt und besteht aus vergoldetem Silber. Der Globus wird von einem mit Rosen dekorierten Goldband in zwei Hälften geteilt. Ein ähnliches Band teilt die obere Halbkugel in zwei Teile. Darauf steht ein Reichsapfel in Kleinformat mit einem ziselierten lateinischen Kreuz. Siehe auch: Reichsschwert (Norwegen)
Preußen
Der preußische Reichsapfel in Form einer blau emaillierten Kugel mit Goldreif und goldenem Kreuz ist mit 50 facettierten farbigen Edelsteinen und weiteren 36 Rubinen geschmückt und wurde 1700 als Krönungsinsigne für die Krönung König Friedrichs I. 1701 geschaffen.
Schweden
Die Reichsinsignien der schwedischen Könige sind in der Schatzkammer des Stockholmer Schlosses ausgestellt.
Ungarn
Der ungarische Reichsapfel ist mit der Stephanskrone im Kuppelraum des ungarischen Parlamentsgebäudes in Budapest aufbewahrt. Auf dem Globus steht ein Patriarchenkreuz anstatt eines lateinischen Kreuzes.
- Der österreichische Reichsapfel
- Reichsapfel aus dem Grabinventar Heinrichs III. bestehend aus Eisen, Holz und Bienenwachs
Reichsapfel in der Heraldik
In der Heraldik ist der Reichsapfel eine gemeine Figur und sehr verstreut in den Wappen zu finden. Die Darstellung erfolgt durch eine Kugel mit aufgesetztem Kreuz. Um die Kugel ist ein Metallband wie ein Äquator gespannt und mittig wird das Band nach oben weiter geführt, so dass es im Kreuz ausläuft. Die weltliche Macht symbolisierend, ist im deutschen Sprachraum durch den Truchsess als besonderen Beamten dem Kaiser dieses Insigne vorangetragen worden. Die Pfalzgrafen hatten dieses Symbol in ihren Wappen übernommen. Dabei waren wohl die bayrischen, rheinischen und die kurpfälzischen Pfalzgrafen die Besten des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation. Hier ist der Reichsapfel im Wappen etwas gehäufter. Als Insigne hält der Preußenadler das Zeichen links und das Zepter rechts im Fang. Wiederholung auch im Oberwappen des Wappens Königreich Preußen. Hier ist der Reichsapfel blau mit goldenem Kreuz am Reif.
- Aidlingen: In Silber ein blauer Reichsapfel (Fleckenzeichen) mit goldenem Beschlag und blauem Tatzenkreuz besteckt
- Backnang: In Schwarz ein blauer Reichsapfel mit goldenem Beschlag und Kreuz
- Kleinaitingen: In Rot ein goldener Reichsapfel
- Nackenheim – silbern mit silbernem Kreuz sowie ein Mainzer Rad
- Ubstadt: In Blau ein roter Reichsapfel mit goldenem Beschlag und goldenem Kreuz
- Untergruppenbach: In Rot ein goldener Reichsapfel mit Kleeblattkreuz
- St. Gerold (A): Einsiedler Gerold mit goldenem Reichsapfel
- Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin, Signet von 1841, Gefäßboden
Reichsapfel in der Numismatik
Die Reichstaler, vor allem die sächsischen Reichstaler der albertinischen und ernestinischen Linie und die Wechseltaler tragen auf der Vorderseite in der Umschrift über dem Kopf des Herrschers einen kleinen Reichsapfel im Münzbild. (Siehe dazu auch: Münzstätte Dresden#Die Münzen der Münzstätte, Erbländischer Taler, Dreibrüdertaler (Kursachsen) und Schautaler zur Grundsteinlegung der Kapelle im Schloss Moritzburg bei Dresden – hier allerdings auf der Rückseite.) Hauptsächlich in Sachsen wurden so die Münzprägungen nach der Reichsmünzordnung gekennzeichnet.
Der Gute Groschen zu 1⁄24 Reichstaler wurde wegen des großen Reichsapfels auch Apfelgroschen genannt.
Die sehr seltene goldene Münze Kursachsens, der Reichsgulden zu 21 Groschen (1584), eine ausgeprägte Rechnungsmünze, zeigt einen großen Reichsapfel, der ganz untypisch mit dem kursächsischen Staatswappen belegt ist.
Literatur
- Percy Ernst Schramm: Sphaira, Globus, Reichsapfel. Wanderung und Wandlung eines Herrschaftszeichens von Caesar bis zu Elisabeth II. Ein Beitrag zum „Nachleben“ der Antike. Hiersemann, Stuttgart 1958.
- Wolfgang Christian Schneider: Victoria sive Angelus Victoriae. Zur Gestalt des Sieges in der Zeit des Übergangs von der antiken Religion zum Christentum. In: Andreas Mehl, Wolfgang Christian Schneider (Hrsg.): Reformatio et Reformationes. Festschrift Lothar zu Dohna. Darmstadt 1989, S. 29–64.
- Jan Keupp, Hans Reither, Peter Pohlit, Katharina Schober, Stefan Weinfurter (Hrsg.): „… die keyserlichen zeychen …“ Die Reichskleinodien – Herrschaftszeichen des Heiligen Römischen Reiches. Schnell + Steiner, Regensburg 2009, ISBN 978-3-7954-2002-4.
- Sabine Haag, Franz Kirchweger, Katja Schmidtz-von Ledebur (Hrsg.): Schätze burgundischer Hofkunst in Wien. Kunsthistorisches Museum, Wien 2009, ISBN 978-3-85497-169-6.
Weblinks
Einzelnachweise
- Tonio Hölscher: Victoria romana. Archäologische Untersuchungen zur Geschichte und Wesensart der römischen Siegesgöttin von den Anfängen bis zum Ende des 3. Jhs. n. Chr. Philipp von Zabern, Mainz 1967, S. 41–47 und 180–182.
- Maria Radnoti-Alföldi: Die Münzprägung der Spätantike (284–476 n. Chr.). In: Dieselbe: Gloria Romanorum. Schriften zur Spätantike (= Historia Einzelschriften. Heft 153). Franz Steiner, Stuttgart 2001, ISBN 3-515-07918-1, S. 337–367, hier S. 344 f.
- Helmut Trnek: Reichsinsignien. In: Lexikon des Mittelalters. Band 7: Planudes bis Stadt (Rus). Lexma, München 1995, ISBN 3-7608-8907-7, Sp. 623–626.