Reformierte Kirche Bever
Die reformierte Kirche in Bever im Oberengadin ist ein denkmalgeschütztes evangelisch-reformiertes Gotteshaus, das ursprünglich dem heiligen Jakob (rätoromanisch im Idiom Puter San Giachem) geweiht war.
Geschichte
Ersturkundlich erwähnt wird eine Kirche 1334 als ecclesia Sti. Jacobi. Eine weitere Nennung findet sich 1370. Diese Vorgängerkirche hatte den Eingang an der mit Fresken geschmückten Westwand. Über dem Chor im Osten bestand wohl ein Tonnengewölbe. 1501 wurde diese Kirche umgebaut. Im Nebenpatrozinium sind die Heiligen Christophorus und Sebastian genannt.[1] Die zeitliche Nähe dieses Um- oder Neubaus zum Schwabenkrieg (1499) könnte auf Zerstörungen auch in Bever hinweisen. Gesicherte Belege gibt es keine. 1523 ist eine Jakobsbruderschaft in Bever belegt.[2]
Nach Ende der Bündner Wirren entstand 1665–1667 unter Beibehaltung der Westwand eine grosse chorlose barocke Saalkirche mit Walmdach. Baumeister waren Giovanni Caserin und Francesco Pancera. Die Kirche ist jetzt nach Westen ausgerichtet, der Eingang im Osten. 1670–1673 bauten Pancera und Giacomo Cornet einen neuen Kirchturm nach barockem Vorbild. 1852/1853 wurde die Empore mit Orgel und Kanzel eingebaut. Es folgten Renovationen und Anpassungen in den Jahren 1886, 1899, 1952 1966–1969 (inklusive archäologische Grabungen und Freilegung der Fresken) und 2004–2010 eine umfangreiche Aussen- und Innenrenovation.[3] Am 3. Oktober 2009 wurde nach achtjähriger Renovationszeit die Wiedereröffnung der auch mit Geldern der Reformationskollekte 2005 unterstützten Kirche gefeiert.
Ausstattung
Der Kirchturm mit achteckigem Obergeschoss und Laternenzwiebel ist mehrfarbig – entsprechend dem ursprünglichen Zustand – bemalt. Im Kirchturm hängen drei Glocken in den Tönen f', c' und b' von 1886 der Firma Theus, Felsberg.[4]
Der rechteckige Predigtraum folgt reformierter homiletischer Tradition. Der in weiss gehaltene Raum ist durch Eck- und Mittelpilaster sowie Stuckgesims strukturiert. Ein Tonnengewölbe mit vier Stichkappen bedeckt den Raum. Am Deckenscheitel befinden sich zwischen den Stichkappen zwei rechteckige Stuckrahmen mit goldenen Sternen auf blauem Grund (Himmelsfenster). In Holz gearbeitet sind die Bänke, das umlaufende Brusttäfer, die geschweifte Brüstung der Empore, welche auf der linken Seite zur bauchigen Kanzel vorgezogen ist. An der Brüstung sind das Wappen des heiligen Jakobs und Wappen von Bever. Neben dem Lesepult der Kanzel ist eine alte Sanduhr mit schmiedeeisernen Halterung und vier Gläsern.
Eine erste Orgel baute 1852/1853 Franz Zimmermann, ein Orgelbauer aus München. 1922 reparierte J. Metzler (Vater und Söhne), Felsberg die Orgel. Zwei Jahre später renovierte Jakob Metzler die Orgel und baute eine neue Mechanik ein. 1967 wurde das Instrument von Metzler Orgelbau, Dietikon restauriert und mit einem neuen Gehäuse versehen. Die Manuallade und acht von neun Registern sowie der Prospekt bleiben erhalten. 1997 renovierte die Orgelbaufirma Felsberg das Werk. Dabei wurde die Mixtur gemildert und die Stimmtonhöhe auf 444 Hz gebracht. Die Orgel hat ein Manual, Pedal, neun Register und mechanische Trakturen.[5]
Fresken[6]
1966–1969 wurden an der westlichen Aussenwand Fresken freigelegt und durch Oskar Emmenegger restauriert. Die al fresco gemalten Bilder sind einzigartige Zeugnisse gotischer Wandmalerei im Oberengadin. In drei Bildern zeigen diese den Kampf Georgs mit dem Drachen, Michael als Seelenwäger und Christophorus. Die Bilder stammen aus der Mitte des 14. Jahrhunderts und wurden wohl vor dem Kirchenumbau des 17. Jahrhunderts übertüncht und zum Teil durch den neu gebauten Turm geschützt. Wer die Bilder gemalt hat, ist nicht bekannt.
Georgs Drachenkampf: Ein doppeltes Zackenband und zwei Rahmenstriche umgeben das Bild. Links der heilige Georg in voller Rüstung, aufrecht im Kampfsattel sitzend. In der rechten Hand eine Lanze, mit der er auf den Drachen einsticht. In der linken ein Dreiecksschild mit Malteserkreuz. Das Untier schlingt den mehrfach gewunden Schwanz um die Hinterbeine des Pferdes. Gegenüber steht die Jungfrau. Sie hält die um den Hals des Drachen geschlungene Leine in den gefalteten Händen und blickt mit geneigtem Kopf auf das Untier. Sie trägt elegantes Unter- und Obergewand (wie dieses um 1350 Mode war). Im Rücken der Jungfrau eine Quadermauer mit bekrönenden Schwalbenschwanzzinnen. An der Brüstung zeigen sich zwei königliche Gestalten, das Kampfgeschehen kommentierend. Dahinter eine weitere Gestalt. Es wurde vermutet, dass es sich dabei um die heilige Corona (Patronin des Geldes und der Schatzgräber) handelt, was aber nicht belegt ist.
Michael Seelenwäger: Am oberen Bildrand vier eigenartige, halb pflanzliche, halb tierische Gebilde in Kreuzform. Das Bild zeigt den seelenwägenden Erzengel Michael im Kampf mit seinem Widersacher. In der erhobenen Rechten hält der Erzengel einen Speer, mit dem er seinem Gegner in die Seite stösst. In der Linken trägt er die Waage mit zwei Körben, in denen zwei Gewogene stecken. Der Gewogene rechts blickt mit verzerrtem Gesicht zum Teufel hin und rauft sich die Haare. Der Erlöste links hält die Hände betend vor seine Brust; die Waage neigt sich zu seinen Gunsten. Satan erscheint in muskulöser, wild behaarter Menschengestalt mit Krallenfüssen, Bockshörnern und Katzenohren. Er versucht den Waagbalken auf seiner Seite niederzudrücken. Seine Linke packt einen Verdammten, der, nackt und hilflos, zwischen den Beinen des Peinigers baumelt.
Christophorus: Das Bild zeigt einen frontal dargestellten, jugendlichen und bärtigen Christophorus, der den sitzenden Christus auf der linken Schulter trägt.
Das Georgsbild wurde um die die Jahrhundertmitte des 14. Jahrhunderts von einem unbekannten Meister gemalt. Dessen stilistische Heimat kann in Oberitalien vermutet werden. Die beiden anderen Bilder, vor allem der Christophorus, könnten etwas später entstanden sein und zeigen untereinander erhebliche stilistische Unterschiede (Rahmungen, Gesichtsbildung).
Friedhof
Westlich und südlich der Kirche grenzt der eingefriedete Friedhof an die Kirche. An der Friedhofsmauer zur Strasse hin findet sich das Epitaph von Rudolf Fl. Planta (1787–1863) und seines Sohnes, dem Chronisten Giorgio Planta (1818–1876)[7] und der Familie Tognoni. An der Kirchenmauer angebracht sind Epitaphe der Familie Orlandi und des langjährigen Pfarrers Jakob Bonom (1731–1808), dem Grossvater von Nann’ Engel.[8] An der nördlichen Friedhofsmauer sind Epitaphe der Familien Bivrum, Tach, Klainguti und an der westlichen Friedhofmauer der Grabstein von Maria von Muralt-Pool (1780–1863) sowie die Epitaphe der Familien von Salis, Jenny, Tognoni, Guidon und Zamboni. In der südwestlichen Ecke finden sich die Grabmäler der bedeutenden Beverser Familie Biveroni.[9]
Kirchliche Organisation
Auf der Basis der Ilanzer Artikel erlaubten die Drei Bünde am 21. März 1527, dass sich Bever von der Mutterkirche in Samedan löste und eine eigene Pfarrei wurde.[10] Bever trat im Jahre 1552 unter Pietro Paolo Vergerio zum evangelischen Glauben über. Erster Pfarrer wurde Perus Parisotus aus Vicosoprano.[11]
Innerhalb der evangelisch-reformierten Landeskirche Graubünden bildete Bever, das bis Ende 2011 eine Pastorationsgemeinschaft mit La Punt Chamues-ch bildete und seit 2012 mit diesem Dorf zu einer Kirchgemeinde mit Namen Las Agnas fusioniert war, eine eigenständige Kirchgemeinde. Seit 2017 gehört Bever zur Evangelisch-reformierten Kirchgemeinde Oberengadin (romanisch: Baselgia evangelica-refurmeda Engiadin'Ota), umgangssprachlich Refurmo genannt.
Galerie
- Kircheninneres mit eigenwilliger Komposition von Kanzel und Orgel auf der Empore
- Kanzel
- Deckengewölbe mit Leuchter und «Himmelsfenstern»
Literatur
- Dieter Matti: Alte Bilder – neu gedeutet, Kirchliche Kunst im Passland. Band 2. Desertina, Chur 2010, ISBN 978-3-85637-369-6, S. 19–22.
Weblinks
- Reformierte Kirche Bever (Foto) auf baukultur.gr.ch
Einzelnachweise
- Hans Batz: Die Kirchen und Kapellen des Kantons Graubünden. Hrsg.: Hans Batz. Band I. Casanova Druck und Verlag, Chur 1997, ISBN 3-85637-287-3, S. 71–73.
- Silke Redolfi: Bever - Die Geschichte eines Engadiner Dorfes. Hrsg.: Bürgergemeinde Bever. Gammeter Druck, St. Moritz 2007, S. 70.
- Refurmo: Kirche Bever San Giachem – Kurze Bau- und Kunstgeschichte. Refurmo, 2017, abgerufen am 21. Januar 2022 (dt.).
- Hans Batz: Die Kirchen und Kapellen des Kantons Graubünden. Hrsg.: Hans Batz. Band I. Casanova Druck und Verlag, Chur 1997, ISBN 3-85637-287-3, S. 73.
- Jutta Kneule: Orgeln im Engadin - Geschichte und Gegenwart. In: Baselgias Engiadinaisas. Baselgias Engiadinaisas, 15. Dezember 2021, abgerufen am 21. Januar 2022 (dt.).
- Alfons Raimann: Gotische Wandmalereien in Graubünden. Hrsg.: Alfons Raimann. 2. Auflage. Desertina Verlag, Disentis 1985, ISBN 3-85637-039-0, S. 188–193.
- Silke Redolfi: Bever - Die Geschichte eines Engadiner Dorfes. Hrsg.: Bürgergemeinde Bever. Gammeter Druck, St. Moritz 2007, S. 99.
- Silke Redolfi: Bever - Die Geschichte eines Engadiner Dorfes. Hrsg.: Bürgergemeinde Bever. Gammeter Druck, St. Moritz 2007, S. 83.
- Silke Redolfi: Bever - Die Geschichte eines Engadiner Dorfes. Hrsg.: Bürgergemeinde Bever. Gammeter Druck, St. Moritz 2007, S. 90–92.
- Silke Redolfi: Bever - Die Geschichte eines Engadiner Dorfes. Hrsg.: Bürgergemeinde Bever. Gammeter Druck, St. Moritz 2007, S. 69.
- Refurmo: Daten zur Reformation. In: Baselgias Engiadinaisas. Baselgias Engiadinaisas, 2017, abgerufen am 21. Januar 2022 (dt.).