Parallele Mütter
Parallele Mütter (Originaltitel Madres paralelas) ist ein Spielfilm von Pedro Almodóvar aus dem Jahr 2021. Die Hauptrollen in dem Drama um zwei Frauen, die ungeplant schwanger werden, übernahmen Penélope Cruz und Milena Smit. Das Werk eröffnete Anfang September die Internationalen Festspiele von Venedig 2021.
Film | |
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Titel | Parallele Mütter |
Originaltitel | Madres paralelas |
Produktionsland | Spanien |
Originalsprache | Spanisch |
Erscheinungsjahr | 2021 |
Länge | 123 Minuten |
Altersfreigabe | FSK 6[1] |
Stab | |
Regie | Pedro Almodóvar |
Drehbuch | Pedro Almodóvar |
Produktion | Agustín Almodóvar, Esther García |
Musik | Alberto Iglesias |
Kamera | José Luis Alcaine |
Schnitt | Teresa Font |
Besetzung | |
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Handlung
2016 in der Region Madrid. Janis ist um die 40, lebt in Madrid und ist erfolgreich als Werbefotografin. Sie wurde von ihrer Hippie-Mutter nach Janis Joplin benannt. Als sie den forensischen Anthropologen Arturo für eine Zeitschrift fotografiert, bittet sie ihn um Hilfe in einer Familienangelegenheit. Ihr Urgroßvater wurde während des Spanischen Bürgerkriegs von Falangisten ermordet und in einem Massengrab in der Nähe des Heimatdorfes ihrer Familie beigesetzt. Arturo arbeitet für eine Stiftung, die sich der Aufklärung der Verbrechen des Franco-Regimes verschrieben hat, von der konservativen Regierung in Madrid unter Mariano Rajoy aber keine Mittel dafür bekommt. Arturo berichtet Janis wenige Tage später, dass wahrscheinlich Regionalbehörden als Geldgeber einspringen. Sollte die Genehmigung für die Exhumierung erteilt werden, so werde er die Leitung der Arbeiten übernehmen. Janis' Familie und andere Dorfbewohner haben viele Informationen über das Schicksal des Dorfes während des Bürgerkriegs und in den Jahren danach gesammelt. Sie hoffen, dass die sterblichen Überreste identifiziert werden können, damit sie in Würde auf dem Dorffriedhof in den Familiengräbern beigesetzt werden können. Janis und Arturo kommen sich näher und landen im Bett.
Monate später ist Janis schwanger. Sie freut sich darauf, Mutter zu werden, auch wenn sie das Kind alleine großziehen muss. Auf der Entbindungsstation teilt sie sich mit der 17-jährigen Ana das Zimmer, die der bevorstehenden Mutterschaft mit gemischten Gefühlen entgegenblickt. Von ihrer egoistischen Mutter erwartet Ana nur wenig Unterstützung, da sich diese mit fast Fünfzig ihrer Karriere am Theater widmet. Janis versucht, die unschuldige Ana zu ermutigen, während sie sich durch die Krankenhausflure bewegen.[2][3][4][5]
Janis informiert Arturo von der Geburt; dieser hat keine Einwände, dass Janis das Kind allein großziehen möchte, er ist verheiratet. Mehrere Monate später treffen sich die beiden, um die geplante Exhumierung der Bürgerkriegsopfer zu besprechen. Bei der Gelegenheit zeigt Janis dem Mann die Kleine. Zu ihrer großen Enttäuschung reagiert Arturo sehr abweisend, er erklärt, er erkenne sich nicht in dem Kind, und fragt Janis, ob diese sicher sei, dass er der Vater ist. Janis ist erbost, sie schreit Arturo an, dass sie nie wieder von ihm hören wolle. Doch ist sie selbst beunruhigt, sie bestellt ein Set für einen DNA-Test und schickt Speichelproben von sich und der Kleinen ins Labor. Nach wenigen Tagen bekommt sie die Mail mit dem Ergebnis: Es sei mit 100-prozentiger Sicherheit auszuschließen, dass das Mädchen ihre Tochter sei. Janis aber behält diese Information für sich, sie spricht mit niemandem darüber.
Wenige Tage später begegnet sie Ana, ihrer Zimmergenossin aus dem Krankenhaus. Diese kellnert in einem Café, sie hat sich äußerlich stark verändert: Sie hat ihre langen schwarzen Haare abgeschnitten und blond gefärbt. Die beiden Frauen verstehen sich auf Anhieb gut, Janis lädt Ana zu sich ein. Als sie nach deren Tochter fragt, berichtet ihr Ana unter Tränen, dass die Kleine gestorben sei – plötzlicher Kindstod. Sie wisse nicht, wer der Vater gewesen sei. Sie habe in betrunkenem Zustand mit einem Jungen geschlafen, zwei andere hätten sie dabei gefilmt und mit der Drohung, die Aufnahme ins Internet zu stellen, von ihr Sex erzwungen.
Janis, die sich dank ihres hohen Einkommens als gefragte Modefotografin eine große und elegante Wohnung leisten kann, bietet Ana an, bei ihr zu wohnen und gegen ein gutes Gehalt als Kinder- und Hausmädchen zu arbeiten. Ana muss einräumen, dass sie von all diesen Dingen keine Ahnung habe, so bringt Janis ihr die Grundlagen der Haushaltsführung und auch das Kochen mehrerer klassischer Gerichte bei. Die beiden Frauen kommen sich näher. Es zeigt sich, dass Ana, die jüngere, lesbisch veranlagt ist. In einer Nacht verführt sie Janis, die beiden Frauen haben Sex miteinander. Es wird offensichtlich, dass Ana sich in Janis verliebt hat, doch diese wehrt die weiteren Annäherungsversuche sanft ab.
Ana zeigt Janis ein Foto von der Party, auf der sie zum Sex gezwungen worden ist. Janis fällt auf, dass einer der jungen Männer die gleichen Augen hat wie ihr Baby: schräg zueinanderstehend, wie bei Südamerikanern, zu deren Vorfahren Indios gehörten. Doch behält sie diese Beobachtung für sich. Sie ahnt nun, dass das kleine Mädchen, das sie ursprünglich für ihre Tochter gehalten hat, nach der Geburt im Krankenhaus mit ihrer eigenen Tochter vertauscht worden ist. Ein weiterer DNA-Test, für den sie Haare von der nichts ahnenden Ana ans Labor geschickt hat, bestätigt dies: Mit 99,99-prozentiger Wahrscheinlichkeit ist Ana die Mutter des Mädchens, das sie nun als Kindermädchen betreut. Dies bedeutet, dass der Säugling, der als vermeintliche Tochter Anas am plötzlichen Kindstod gestorben ist, Janis' Tochter war. Janis braucht allerdings mehrere Tage, um Ana davon zu informieren. Diese ist aufgebracht, dass Janis sie nicht sofort informiert hat; sie packt ihre Sachen, setzt das Mädchen ins Babytragegestell und verlässt die Wohnung. Janis bleibt weinend allein zurück.
Rund zwei Jahre später beginnt die Exhumierung der Opfer des Franco-Regimes auf einem Feld unweit des Heimatdorfes Janis'. Es stellt sich heraus, dass Ana und Janis sich wieder versöhnt haben. Überdies sind Janis und Arturo, der sich von seiner Frau getrennt hat, ein Paar geworden. Janis ist erneut schwanger, sie teilt allen mit, dass das Kind, sollte es ein Mädchen werden, Ana heißen soll. Die letzte Einstellung zeigt, wie die Erschossenen in dem Massengrab gelegen haben dürften, bevor es zugeschüttet wurde.
Produktion
Regie führte Pedro Almodóvar, der auch das Drehbuch schrieb. In Madres paralelas stehen das Gespräch „über Vorfahren und Nachkommen, über die Wahrheit der historischen Vergangenheit und die intimste Wahrheit der Figuren“ sowie „Identität und mütterliche Leidenschaft“ im Mittelpunkt. Dabei würden sich die drei im Film auftauchenden, unvollkommenen Mütter sehr von den Figuren in seinem bisherigen Gesamtwerk unterscheiden. Almodóvar bezeichnete Penélope Cruz’ Rolle als schwierigste Figur, die sie je unter seiner Regie gespielt habe.[2]
Sie spielt Janis, eine der beiden Frauen, die ungeplant schwanger werden, während Milena Smit die Rolle von Ana übernahm. Aitana Sánchez-Gijón spielt Anas Mutter Teresa, Rossy de Palma Janis' beste Freundin und Israel Elejalde den forensischen Anthropologen Arturo, den Vater ihres Kindes.[4][3]
Die Dreharbeiten fanden im Frühjahr 2021 einen Monat lang in und um Madrid statt.[3] Als Kameramann fungierte José Luis Alcaine, mit dem Almodóvar zuletzt für Fliegende Liebende und Leid und Herrlichkeit zusammenarbeitete.
Die Filmmusik komponierte Alberto Iglesias, der mit dem Regisseur ebenfalls zuletzt für Fliegende Liebende und Leid und Herrlichkeit zusammenarbeitete.[6] Das Soundtrack-Album, auf dem auch zwei Songs von Janis Joplin und Miles Davis enthalten sind, wurde im Oktober 2021 von Quartet Records als Download veröffentlicht.[7] Iglesias' Arbeit befindet sich in einer Shortlist in der Kategorie Beste Filmmusik bei der Oscarverleihung 2022.[8]
Die erste Vorstellung fand am 1. September 2021 bei den Internationalen Festspielen von Venedig statt, wo Madres paralelas als Eröffnungsfilm gezeigt wurde.[9] Am 8. Oktober 2021 wurde er beim New York Film Festival als Abschlussfilm gezeigt. Am gleichen Tag kam er in die spanischen Kinos.[10] Im November 2021 wurde er beim AFI Fest gezeigt.[11] Der Kinostart in den USA erfolgte am 24. Dezember 2021,[12] in Deutschland ist dieser am 10. März 2022 geplant.[13]
Rezeption
Kritiken
Der Film konnte bislang alle Kritiker bei Rotten Tomatoes überzeugen und erhielt hierbei eine durchschnittliche Bewertung von 8,4 von 10 möglichen Punkten.[14] Auf Metacritic erhielt er einen Metascore von 87 von 100 möglichen Punkten.[15]
David Rooney von The Hollywood Reporter schreibt, Pedro Almodóvars Film sei erneut von unbeschreiblicher Schönheit und zeige, dass niemand die Ausdruckskraft von Farbe und Design so nutzt wie der Regisseur. Besonders hebt Rooney das Szenenbild von Antxón Gómez hervor, so die stilvollen Innenräumen von Janis' Wohnung, deren Terrassenzitronenbaum eine ununterbrochene Verbindung zwischen Stadt- und Landleben suggeriere, oder das rustikale Elternhaus, in das sie zurückkehrt, mit seinen gefliesten Küchenwänden. In der einzigartigen ästhetischen Vision von Almodóvar sei selbst die normalerweise sterile Umgebung einer Entbindungsstation eines Krankenhauses in kräftigen Farben lebendig, deren Grün- und Gelbtöne eher in einer Eisdiele zu finden seien. Vor allem sei es aber eine wunderbare Penélope Cruz, die in Madres paralelas in einer der besten Rollen ihrer gesamten Karriere zu sehen sei und in ihrer herausragendsten Arbeit seit Volver. Die grenzenlose Liebe, die Almodóvar seinen weiblichen Figuren während seiner gesamten Karriere entgegengebracht hat, werde auch in diesem Film reichlich zur Schau gestellt. Er verurteile nicht und finde Vergebung, auch für die Fehler und den Egoismus, der die Frauen in ihre Situation brachten. Ganz besonders gelte dies für Aitana Sánchez-Gijón, die Teresa spielt und zugibt, dass sie sich nie als Ehefrau oder Mutter berufen fühlte, sondern das Theater immer ihre große Liebe war. Auch Newcomerin Milena Smit sei in der Rolle von Ana eine echte Entdeckung, so Rooney, und Almodóvar zeige die Verletzlichkeit dieser Figur in einem Kontrast zu Janis' sprunghaften Wesen.[16]
Thomas Schultze von Blickpunkt:Film schreibt, der Film entfalte sich vom Politischen zum Intimen zum Privaten und zum Schluss, mit überwältigender emotionaler Wucht, wieder zurück zum Politischen. Mit der stilistischen Klarheit und Eleganz, die schon die zutiefst autobiographische Betrachtung Leid und Herrlichkeit zum Meisterwerk werden ließ, erzähle Almodóvar in Parallele Mütter nun von dem Land, in dem er lebt, auf dass seine Geschichte nicht vergessen werde von einer Generation, die schon die Achseln zuckt, wenn man den Namen Janis Joplin erwähnt. Was der Filmemacher zum Schluss bereithält, sei eine Geschichtslektion, die unter die Haut geht und die bitterer und düsterer sei, als es jeder noch so raffinierte Plottwist sein könnte, so Schultze: "Politisch war das Kino von Pedro Almodóvar immer schon, ohne zu politisieren, einfach nur im Aufzeigen von Lebensentwürfen, die selbstverständlich sein sollten und bei Almodóvar immer selbstverständlich erscheinen, ein weltoffenes, diverses Spanien, aber eben nicht selbstverständlich sind."[5]
Auszeichnungen (Auswahl)
- Nominierung als Bester fremdsprachiger Film
- Nominierung für die Beste Filmmusik (Alberto Iglesias)
Goya 2022
- Nominierung als Bester Film (Pedro Almodóvar)
- Nominierung für die Beste Regie (Pedro Almodóvar)
- Nominierung als Beste Schauspielerin (Penélope Cruz)
- Nominierung als Beste Nebendarstellerin (Aitana Sánchez-Gijón)
- Nominierung als Beste Nebendarstellerin (Milena Smit)
- Nominierung für die Beste Kamera (José Luis Alcaine)
- Nominierung in der Kategorie Art Direction (Antxon Gómez)
- Nominierung für den Besten Ton[17]
Hollywood Music in Media Awards 2021
- Auszeichnung als Beste Filmmusik – fremdsprachiger Independentfilm (Alberto Iglesias)[18]
Independent Spirit Awards 2022
- Nominierung als Bester internationaler Film[19]
Internationale Filmfestspiele von Venedig 2021
- Nominierung für den Goldenen Löwen
- Nominierung für den Queer Lion
- Auszeichnung mit der Coppa Volpi für die Beste Darstellerin (Penélope Cruz)[20]
Los Angeles Film Critics Association Awards 2021
- Auszeichnung als Beste Hauptdarstellerin (Penélope Cruz)
National Society of Film Critics Awards 2022
- Auszeichnung als Beste Hauptdarstellerin (Penélope Cruz)
- Nominierung für die Beste Filmmusik (Alberto Iglesias)
- Nominierung als Beste Hauptdarstellerin (Penélope Cruz)
Palm Springs International Film Festival 2022
- Auszeichnung mit dem International Star Award (Penélope Cruz)[21]
- Nominierung für das Beste Originaldrehbuch (Pedro Almodóvar)
- Nominierung als Beste Hauptdarstellerin (Penélope Cruz)
- Nominierung für die Beste Filmmusik (Alberto Iglesias)[22]
Weblinks
- Parallele Mütter in der Internet Movie Database (englisch)
- Madres paralelas im Programm der Filmfestspiele von Venedig (englisch/italienisch)
- Parallel Mothers – Drehbuch zum Film von Sony Classics (PDF; 508 kB)
Einzelnachweise
- Freigabebescheinigung für Parallele Mütter. Freiwillige Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (PDF; Prüfnummer: 211056/K).
- Madres paralelas. In: labiennale.org, abgerufen am 31. August 2021.
- Nicholas Barber: 'Parallel Mothers' Review: Almodóvar Serves Up Cinematic Comfort Food with an Emotional Punch. In: indiewire.com, 1. September 2021.
- Owen Gleiberman: 'Parallel Mothers' Review: Pedro Almodóvar’s Best Since 'All About My Mother'. In. Variety, 1. September 2021.
- Thomas Schultze: Alles über mein Spanien. In: Blickpunkt:Film, 1. September 2021.
- Alberto Iglesias Scoring Pedro Almodóvar’s 'Parallel Mothers'. In: filmmusicreporter.com, 28. Juli 2021.
- 'Parallel Mothers' Soundtrack Album Announced. In: filmmusicreporter.com, 11. Oktober 2021.
- Original Score & Song Shortlists for 94th Academy Awards Announced. In: filmmusicreporter.com, 21. Dezember 2021.
- Jochen Müller: Almodovars „Madres paralelas“ eröffnet die Mostra. In: Blickpunkt:Film, 19. Juli 2021.
- 'Madres paralelas', la nueva película de Almodóvar, llegará a la cartelera un mes más tarde. In: abc.es, 23. August 2021. (Spanisch)
- Jude Dry: AFI FEST Full Lineup: 2021 Festival Adds Pedro Almodovar’s 'Parallel Mothers' and More. In: indiewire.com, 13. Oktober 2021.
- Hilary Lewis: NY Film Festival Sets Pedro Almodovar’s 'Parallel Mothers' as Closing Night Screening. In: The Hollywood Reporter, 3. August 2021.
- http://www.insidekino.com/DStarts/DStartplan.htm
- Parallel Mothers. In: Rotten Tomatoes. Fandango, abgerufen am 13. Oktober 2021 (englisch).
- Parallel Mothers. In: Metacritic. CBS, abgerufen am 27. Dezember 2021 (englisch).
- Penélope Cruz in Pedro Almodóvar’s ‘Parallel Mothers’ (‘Madres Paralelas’): Film Review | Venice 2021. In: The Hollywood Reporter. 21. September 2021, abgerufen am 6. Oktober 2021.
- https://awardswatch.com/spains-oscar-entry-the-good-boss-tops-goya-award-nominations-with-record-breaking-20-nods/
- Paul Grein: 'No Time to Die' Wins at 2021 Hollywood Music in Media Awards: Full List of Film Music Winners. In: billboard.com, 17. November 2021.
- 2022 Spirit Awards Nominations: A24 Leads with 13, Four Women in for Best Director (Full List). In: IndieWire. 14. Dezember 2021, abgerufen am 23. Februar 2022 (englisch).
- Films in Competition. In: queerlion.it, abgerufen am 31. August 2021.
- Katie Song: Penélope Cruz Honored By Palm Springs Film Awards as International Star. In: Variety, 15. November 2021.
- Jeremy Fuster: 'Power of the Dog' and 'Belfast' Lead Nominations for IPA Satellite Awards. In: thewrap.com, 1. Dezember 2021.