Otto Mueller
Otto Mueller (* 16. Oktober 1874 in Liebau, Landkreis Landeshut, Provinz Schlesien; † 24. September 1930 in Obernigk, Landkreis Trebnitz) war ein deutscher Maler und Lithograf des Expressionismus. Er gehörte der Künstlergruppe „Brücke“ an und gilt als einer der bedeutendsten Expressionisten.
Leben und Schaffen
Otto Mueller wurde als Sohn eines Leutnants und späteren Steuerberaters im damals preußischen Schlesien geboren. Seine Jugendjahre verbrachte er in Görlitz. Das Gymnasium musste er ohne Abschluss verlassen.
Von 1890 bis 1894 absolvierte er auf Wunsch seines Vaters eine Lithografenlehre, daran schloss sich bis 1896 ein Studium an der Kunstakademie von Dresden an, für das er eine Sondergenehmigung erhalten hatte. Dort kam es bald zu Differenzen mit seinem Lehrer Hermann Freye, da er dessen Korrekturen nicht dulden wollte.[1]
Ab 1898 setzte er seine Studien an der Königlichen Akademie der Bildenden Künste in München fort. Er konnte sie 1899 nicht fortführen, da ihm der Leiter der Akademie, Franz von Stuck, die Genehmigung versagte.
1905 heiratete er Maria („Maschka“) Mayerhofer (oder Meyerhofer). Sie stand ihm oft Modell und blieb seine Vertraute auch nach der Trennung und zwei weiteren von Mueller geschlossenen Ehen.
1908 zog er nach Berlin. Sein Vorbild wurden Plastiken von Wilhelm Lehmbruck, mit dem ihn eine Freundschaft verband; seit 1908 malte er die schlanken Mädchengestalten, die für ihn charakteristisch sind, wie auch die Leimfarben, die er mit Vorliebe für seine Werke nutzte. Er versuchte vergeblich, sich der Berliner Secession anzuschließen, und 1910 gründete er mit anderen abgewiesenen Künstlern die Gruppe Neue Secession, die im Mai eine Ausstellung zeigte unter dem Motto „Zurückgewiesene der Secession Berlin 1910“. Darüber kam er mit Mitgliedern der Brücke in Kontakt und arbeitete von 1910 bis zu ihrer Auflösung im Mai 1913 in dieser Künstlergemeinschaft mit. Der in seinem Stil den anderen Brücke-Künstlern sehr ähnliche Mueller bevorzugte eine gedämpfte Farbgebung von lyrisch-dekorativer Wirkung.
1915 wurde er zum Kriegsdienst im Ersten Weltkrieg eingezogen und nahm als Soldat in der Infanterie an Kämpfen in Frankreich und Russland teil. 1917 zog er sich eine Lungenentzündung zu, die ihn fast das Leben gekostet hätte.
Seit 1919 war er Professor an der Staatlichen Akademie für Kunst und Kunstgewerbe in Breslau. Er lehnte jede bürgerliche Anpassung ab und verkehrte im Kreis der „Breslauer Künstlerbohème“. Seine Frau Maschka ließ sich 1921 von ihm scheiden und kehrte nach Berlin zurück.
Seine Zigeuner-Mappe mit neun farbigen Lithografien von 1927 bildete den Höhepunkt seines Schaffens. Er hatte Spalato und Sarajevo besucht, wie seine Schwester Emmy berichtete, wo er von „Zigeunern“ aufgenommen wurde und unter ihnen lebte wie einer der ihren. Auch die Bilder, die in Muellers letzten drei Lebensjahren von 1927 bis 1930 entstanden, zeugen von seiner künstlerisch ausgeprägtester Phase.
1930 starb Mueller mit 55 Jahren in der Lungenklinik Obernigk bei Breslau an Lungentuberkulose.
Im Jahr 1937 beschlagnahmten die Nationalsozialisten 357 seiner Werke aus deutschen Museen, da seine Bilder als „Entartete Kunst“ galten. 13 von ihnen wurden in der Ausstellung „Entartete Kunst“ diffamiert.
Das zentrale Thema in Muellers Werken ist die Einheit von Mensch und Natur, die er in zahlreichen Aktdarstellungen in Landschaften auszudrücken versucht. In diesen Bildern stellt Mueller immer wieder Szenen aus dem „Zigeunerleben“ dar.
Einige seiner Werke wurden postum auf der documenta 1 im Jahr 1955 in Kassel gezeigt.
Otto Mueller war Vorstandsmitglied im ersten Deutschen Künstlerbund.[2] Zu seinen Schülern gehörte unter anderem der Bauhäusler Emil Bartoschek und Walter Kalot.
- Tanzende (Maschka), um 1903, ausgestellt in der Neuen Secession
- Landschaft mit Badenden, 1915
- Adam und Eva, 1918, Städel, Frankfurt am Main
- Zwei Mädchen im Grünen, um 1925
- Zwei Zigeunerinnen, 1926/1927
- Zwei Mädchen im Schilf, um 1926
- Stehende Zigeunerkinder, 1927, Germanisches Nationalmuseum
- Zigeunerpferd am schwarzen Wasser, 1928, Germanisches Nationalmuseum
Werke
(Auswahl)
- 1911: Drei Akte im Walde, Hannover, Sprengel Museum
- 1915: Waldsee mit zwei Akten, Dortmund, Museum am Ostwall
- 1916: Liebespaar zwischen Gartenmauern, Berlin, Brücke-Museum
- 1919: Liebespaar, Leipzig, Museum der bildenden Künste
- 1924: Zwei Mädchen, Leimfarbe auf Rupfen, 120 × 89,5 cm. Berlin, Villa Grisebach
- um 1926: Zwei Mädchen im Schilf, Bernried, Museum der Phantasie, Sammlung Buchheim
- um 1926/1928: Stehende Zigeunerkinder, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Gm 1689 (Leihgabe aus Privatbesitz)
- 1927: Zigeuner mit Sonnenblumen, Saarbrücken, Saarlandmuseum
- um 1927: Badende, 120 × 88 cm
- um 1928: Zigeunerpferd am schwarzen Wasser, Nürnberg, Germanisches Nationalmuseum, Gm 1802 (Leihgabe aus Privatbesitz)
- Zwei Geschwister.
- o. J.: Sitzende Zigeunerin.[3]
Viele Werke der Künstler der Breslauer Akademie sind im Bestand des Schlesischen Museums in Görlitz. Sie konnten aus einer bedeutenden Privatsammlung erworben werden.
Ausstellungen (Auswahl)
- 2018: Maler. Mentor. Magier. Otto Mueller und sein Netzwerk in Breslau. Im Hamburger Bahnhof – Museum für Gegenwart, bis März 2019; danach in Breslau.
Museum
Die ein paar tausend Exponate umfassende Sammlung des Kunsthistorikers Hans Dieter Mück gehören zum Kernbestand des am 11. Mai 2019 neu eröffneten Otto-Mueller-Museums im thüringischen Schmalkalden; weitere Sammlungen sind eingeladen dazuzukommen. Mück ist Vorsitzender der von ihm initiierten Otto-Mueller-Gesellschaft. Das Gebäude ist ein Fachwerkbau am Altmarkt 8 im Zentrum der Kleinstadt.[4]
Zitate
- „Traue den Menschen nicht … Roh und herzlos sind sie alle.“ (zitiert nach Buchheim 1963, S. 11)
Literatur
- Johanna Brade: Zwischen Künstlerbohème und Wirtschaftskrise. Otto Mueller als Professor der Breslauer Akademie 1919–1930. Oettel, Görlitz 2004, ISBN 3-932693-84-1.
- Lothar-Günther Buchheim: Otto Mueller. Leben und Werk. Buchheim, Feldafing 1963. Neuausgabe 2006, ISBN 3-7659-1052-X.
- Marlene Decker: Gestaltungselemente im Bildwerk von Otto Mueller. Projekt, Dortmund 1993, ISBN 3-928861-13-1.
- Johann Georg von Hohenzollern, Mario-Andreas von Lüttichau (Hrsg.): Otto Mueller. Eine Retrospektive. Kunsthalle der Hypo-Kulturstiftung. Prestel, München 2003, ISBN 3-7913-2857-3 (mit CD-ROM).
- Ulrich Klappstein: Faunische Bilderfluchten. Arno Schmidt und der Brücke-Maler Otto Mueller. Neisse, Dresden 2015, ISBN 978-3-86276-180-7.
- Gerhard Leistner (Bearb.): Otto Mueller. Verlorenes Paradies. Werke aus der Sammlung Karsch. Ausst. Kat. Kunstforum Ostdeutsche Galerie, Regensburg 2006
- Mario-Andreas von Lüttichau: Otto Mueller. Ein Romantiker unter den Expressionisten. DuMont, Köln 1993, ISBN 3-7701-2981-4.
- Mario-Andreas von Lüttichau: Mueller, Otto. In: Neue Deutsche Biographie (NDB). Band 18, Duncker & Humblot, Berlin 1997, ISBN 3-428-00199-0, S. 328 f. (Digitalisat).
- Ursula Peters, Christiane Kupper (Red.): Moderne Zeiten. Die Sammlung zum 20. Jahrhundert (= Kulturgeschichtliche Spaziergänge im Germanischen Nationalmuseum. Band 3.) Germanisches Nationalmuseum, Nürnberg 2000, ISBN 3-926982-61-6.
- Tanja Pirsig-Marshall, Mario-Andreas von Lüttichau: Otto Mueller – Werkverzeichnis der Gemälde und Arbeiten auf Papier. E. A. Seemann und VAN HAM Art Publications, Köln 2020, ISBN 978-3-86502-423-7.
- Dieter W. Posselt: Otto Mueller Ein Künstlersolitär der Moderne. Books on Demand, Norderstedt 2009, ISBN 978-3-8334-5200-0.
- Gerd Presler: Die Brücke. Rowohlt, Reinbek 2007, ISBN 978-3-499-50642-0.
- Gerd Presler: Otto Mueller und die Maler der KG BRÜCKE. In: Otto Mueller. Von der Leichtigkeit des Seins. Band 1. Apolda 2008, ISBN 3-935144-19-9, S. 183–190.
- Christian Saehrendt: Die „Brücke“ zwischen Staatskunst und Verfemung. Expressionistische Kunst als Politikum in der Weimarer Republik, im „Dritten Reich“ und im Kalten Krieg (= „Pallas Athene“. Beiträge zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte. Band 13). Hrsg. von Rüdiger vom Bruch und Eckart Henning. Steiner, Stuttgart 2005, ISBN 978-3-51508614-1.
- Dagmar Schmengler u. a. (Hrsg.): Maler – Mentor – Magier. Otto Mueller und sein Netzwerk in Breslau. Kehrer, Heidelberg u. a. 2018, ISBN 978-3-86828-873-5.
- Eberhard Troeger: Otto Mueller. Crone, Freiburg 1979.
Weblinks
- Literatur von und über Otto Mueller im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Materialien von und über Otto Mueller im documenta-Archiv
- Werke von Otto Mueller bei Zeno.org
- Biografie und Werke von Otto Mueller
- Arnulf Scriba: Otto Mueller. Tabellarischer Lebenslauf im LeMO (DHM und HdG)
- Otto Mueller auf der Website des Brücke-Museums
- Werke von Otto Mueller im Kunstmuseum Moritzburg
- Publikation Werkverzeichnis der Gemälde und Arbeiten auf Papier auf der Webseite der VAN HAM Art Publications
Einzelnachweise
- Er war ein Vetter von Carl und Gerhart Hauptmann und wurde eine Zeit lang von diesem gefördert. (Meisterwerke der Kunst. Malerei von A–Z. Chur 1994, S. 525). Carl Hauptmann lieh der Hauptfigur seines Romans Einhart, der Lächler seine Züge.
- kuenstlerbund.de: Ordentliche Mitglieder des Deutschen Künstlerbundes seit der Gründung 1903 / Mueller, Otto (Memento vom 4. März 2016 im Internet Archive) (abgerufen am 19. November 2015).
- Abb. im Großformat bei Norbert Berghof (Red.): Bildmappe Kunst in der Verfolgung: Entartete Kunst (Ausstellung) 1937 in München. 18 Beispiele. und Beiheft: Lebensdaten und Selbstzeugnisse. beides Neckar, Villingen 1998, ohne ISBN.
- Kunst der Moderne: Die Sammlung des Kunstvereins Schmalkalden. Otto Mueller Museum der Moderne, abgerufen am 2. Oktober 2021.