Nahverkehrs-Doppelstockwagen der ÖBB
Die Nahverkehrs-Doppelstockwagen der ÖBB (im Volksmund Wieselzug) sind doppelstöckige Nahverkehrswagen der ÖBB, die ab 1995 gebaut wurden und heute das Rückgrat des Nahverkehrs in der Ostregion Österreichs darstellen. Da die Bundesländer Wien und Niederösterreich den Kauf durch Förderzahlungen unterstützt haben, trägt ein Großteil der Fahrzeuge auf Wunsch des Landes Niederösterreich ein Wiesel-Symbol, eine Garnitur die Aufschrift „Wiener Szene“. Die Wagen wurden nachträglich von der am Bau beteiligten Firma Siemens in die Viaggio-Baureihe eingeordnet und als Viaggio Twin bezeichnet.
Doppelstöckiger CityShuttle-Wendezug | |
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Nummerierung: | 26-33.000–159 26-33.200–249 26-33.500–542 26-33.900–905 CAT 86-33.000–036 86-33.100–119 86-33.200–214 80-33.900–902 CAT |
Anzahl: | 253 Zwischenwagen 72 Steuerwagen |
Hersteller: | SGP Graz (Verkehrstechnik), SGP Wien, JTS, ÖBB-TS Simmering, Siemens Prag |
Baujahr(e): | 1996–2009 |
Gattung: | Wendezug |
Spurweite: | 1435 mm (Normalspur) |
Länge über Puffer: | Steuerwagen: 27,1 m Zwischenwagen: 26,8 m |
Höhe: | 4,632 m |
Drehzapfenabstand: | 20 m |
Leermasse: | Steuerwagen: 49 t Reisezugwagen: 48 t |
Höchstgeschwindigkeit: | 140 km/h |
Zugbeeinflussung: | Indusi (erste Serie), PZB 90 (ab zweiter Serie) |
Kupplungstyp: | Schraubenkupplung |
Geschichte
Beschaffung der ersten Serie
Da Anfang der 1990er Jahre der Nahverkehr im Wiener Raum so gut ausgelastet war, dass die alten einstöckigen Wagen nicht mehr ausreichten, wurde beschlossen, neue doppelstöckige Wendezüge zu beschaffen. So weilte 1993 eine doppelstöckige Schnellbahn-Garnitur der Zürcher S-Bahn (Re 450) zu Testzwecken in Wien. In einer ersten Tranche wurden 203 Zwischenwagen (von denen bei 43 Wagen im Untergeschoß acht Sitze entfernt wurden und der frei gewordene Platz für Fahrräder verwendet wird) und 37 Steuerwagen bestellt, an der Produktion sollten sich mehrere österreichische Firmen beteiligen.
Im August 1996 wurde im SGP-Werk Graz mit dem Bau der Wagenkästen für die Doppelstockwagen begonnen, am 17. Dezember 1996 konnte der erste größtenteils fertiggestellte Zwischenwagen der Presse vorgestellt werden, ehe die technischen Anlagen komplettiert wurden.[1]
Am 3. April 1997 erfolgte die erste Probefahrt der neuen Wagen, und zwar von zwei Zwischenwagen vom Werk Wien Simmering nach Hohenau und wieder zurück.[2] Erst knapp 3 Monate später, Ende Juni, wurden die ersten Testfahrten, bei denen ein Steuerwagen führte, durchgeführt, als Schiebelokomotive fungierte eine ÖBB 1142. Am 17. Juni 1997 wurde eine Garnitur getauft und der Öffentlichkeit präsentiert. Bei dieser Veranstaltung war unter anderem Verkehrsminister Klima anwesend.[3]
Wieder drei Monate später, am 27. September 1997, wurde ein Zugpaar Wien – Payerbach-Reichenau und zurück auf eine 1142, vier Doppelstock-Zwischenwagen und einen Steuerwagen umgestellt.[4] Das war der erste planmäßige Fahrgasteinsatz, in den darauffolgenden Wochen wurden die Einsätze in diesem Abschnitt sukzessive erweitert. Die neuen Wagen, besonders das Obergeschoß, kamen sofort gut bei den Fahrgästen an.
Da die Hauptwerkstätte Simmering, die die Endfertigung der Fahrzeuge übernahm, mit Personalmangel zu kämpfen hatte und so die geplante Arbeitszeit nicht eingehalten werden konnte, wurden Anfang 1998 einige Wagenkästen ohne Inneneinrichtung in nicht benötigten Heizhäusern (u. a. Mistelbach Lokalbahnhof, St. Pölten, Hainfeld) witterungsgeschützt abgestellt, bis in Simmering wieder freie Kapazitäten vorhanden waren.
Beginn des Fahrgasteinsatzes
Seit November 1998 wurden die neuen Garnituren in der Hauptverkehrszeit auch auf der Ostbahn zwischen Wien Südbahnhof (Ost) und Nickelsdorf eingesetzt, bald darauf wurde die Nordbahn auf die doppelstöckigen Fahrzeuge umgestellt. Anfang 2000 folgte der Einsatz auf der Franz-Josefs-Bahn von Wien nach Krems und Sigmundsherberg sowie zwischen Wien und Deutschkreutz, zum Fahrplanwechsel im Dezember 2000 wurden die Eilzüge Wien Westbahnhof – St. Valentin (Westbahn) ebenfalls umgestellt.
Der Fahrplanwechsel im Dezember 2003 brachte zwei große Neuerungen für die CityShuttle-Doppelstockgarnituren. Einerseits werden ab da die Regionalzüge der Nord- bzw. Nordwestbahn über die Schnellbahn-Stammstrecke durchgebunden und mit den Regionalzügen nach Payerbach-Reichenau verbunden, andererseits verkehrt seit diesem Datum der CityAirportTrain (CAT).
Beschaffung der zweiten und dritten Serie und diverse Umbauten
Da oft ein Mangel an doppelstöckigen Steuerwagen bestand und deshalb oft einstöckige CityShuttle-Steuerwagen aushelfen mussten, wurde beschlossen, in einer zweiten Lieferserie 20 Doppelstock-Steuerwagen zu beschaffen. Die Wagenkästen wurden in Prag gefertigt, der Endausbau erfolgte, wie bei der ersten Serie, in der ÖBB-Hauptwerkstätte Simmering. Doch auch nach der zweiten Lieferserie waren noch nicht ausreichend Fahrzeuge vorhanden, so wurden in einer dritten Lieferserie von 2007 bis 2009 weitere 15 doppelstöckige Steuerwagen und 50 Zwischenwagen beschafft.
Die Steuerwagen der ersten Serie haben in der Frontpartie ein erhabenes Pflatsch, die beiden weiteren haben dies nicht mehr. Seit 2005 werden die Doppelstockwagen von Pflatsch auf den neuen ÖBB-Schriftzug umbeklebt, was bei den erstgebauten Steuerwagen nur bedingt möglich ist, da das erhabene Pflatsch weiterhin sichtbar ist.
Seit 2006 werden die Steuerwagen behindertengerecht umgebaut.[5] So werden fast alle Sitze der unteren Etage entfernt und durch ein geräumiges, rollstuhlgerechtes WC und ein Mehrzweckabteil für Rollstuhl, Fahrräder und Kinderwagen ersetzt. Bereits umgebaute Steuerwagen sind einerseits an der geänderten Bezeichnung 86-33, andererseits an zwei verschlossenen Fenstern erkennbar.
Weiters werden in alle Steuer- und Zwischenwagen sechs LED-Anzeigen installiert, nämlich je zwei im oberen und unteren Stockwerk, die über Datum und Uhrzeit, Ziel der Zugfahrt sowie den nächsten Halt informieren und je eine pro Wagenaußenseite in einem Seitenfenster, die ständig den Zielbahnhof anzeigt. Die Ansagen müssen auch nicht mehr vom Zugbegleiter gesprochen werden, sondern werden, per GPS gesteuert, automatisch abgespielt.
Beteiligung der Bundesländer
Das Land Niederösterreich beschloss, der ÖBB beim Kauf der ersten Lieferserie an Doppelstock-Wendezügen finanziell unter die Arme zu greifen. Als Gegenleistung wurden alle Fahrzeuge dieser Serie seitlich mit einem „Wiesel“-Logo versehen. Auch die Stadt Wien blieb nicht untätig und finanzierte gänzlich den Kauf einer fünfteiligen Garnitur (etwa 85 Mio. Schilling). Am 5. Mai 1999 wurde am Wiener Westbahnhof eine mit „Wiener Szene“-Schriftzügen versehene Garnitur der Öffentlichkeit präsentiert.[6] Diese Garnitur, mit Ausnahme eines Zwischenwagens, wurde am 26. Juli 2005[7] in Gramatneusiedl bei einer Flankenfahrt kassierungsreif beschädigt. Als Ersatz wurde einige Monate später eine „Wiesel“-Garnitur auf „Wiener Szene“ umbeklebt. Das einzige, was erhalten blieb, war der Steuerwagen mit dem Schriftzug „Wiener Szene“. Am 1. Juli 2019 kollidierte der Wiener-Szene-Steuerwagen mit einem 4020. Die Fahrzeuge der zweiten und dritten Lieferserie tragen den „ÖBB“-Schriftzug, da kein Bundesland den Kauf mitfinanziert hat.
Derzeit werden in Vorarlberg auch Dosto-Garnituren eingesetzt. Die dort verwendeten Wagen haben die Aufschrift „S-Bahn Vorarlberg“ erhalten.
- ÖBB 26-33.078 „Wiener Szene“
- Wiesel-Logo auf einem Wagen
CityAirportTrain
Seit Dezember 2003 verkehrt alle 30 Minuten ein City Airport Train (CAT) zwischen Wien Mitte und Flughafen Wien. Hierzu wurden Ende 2003 drei Steuerwagen und sechs Zwischenwagen adaptiert. So wurden bequemere Sitze und Bildschirme in allen neun Fahrzeugen eingebaut, die drei Steuerwagen verloren sämtliche Sitze des Untergeschoßes, da hier das Gepäck gelagert wird. Auch wurden alle Fahrzeuge umlackiert und umnummeriert, die blauen Sitze wurden gegen dunkelgraue mit höherem Komfort getauscht und größtenteils vis-à-vis statt in Reihe angeordnet. Weiters wurden einige Trennwände und Informationsbildschirme eingebaut.
Zwei Garnituren sind von 05:00 bis 24:00 unterwegs, die dritte ist in den ÖBB-Betriebsanlagen Wien Matzleinsdorf (Abstellbahnhof bei Meidling) als Reserve hinterstellt.
Ende 2010 wurden sämtliche Fahrzeuge (Steuerwagen und Zwischenwagen) einem neuerlichen Redesign unterzogen.
- CAT-Garnitur in der aktuellen Lackierung
- Innenraum des City Airport Train
Cityjet-Upgrade
Es ist vorgesehen, einen Teil der Fahrzeuge einem umfassenden Upgrade inklusive Neulack im Cityjet-Design und entsprechenden Sitzbezügen zu unterziehen. Außerdem sollen die Wagen WLAN und Steckdosen im Fahrgastraum erhalten. Ein erster Zwischenwagen, der probeweise die Sitze mit neuen Bezügen erhalten hat, existiert mit dem 26-33 152 bereits. Nach einem schweren Brandschaden in Wien Westbahnhof wurde er in der Hauptwerkstätte St. Pölten wieder instand gesetzt. Seither ist er zur Verstärkung beim CityAirportTrain im Einsatz. Das Außendesign ist durch eine entsprechende Folierung in grau/grün gehalten.
Im Herbst 2019 wurden in der HW St. Pölten mit den ersten Fahrzeugen das eigentliche Redesign-Programm gestartet. Dabei wurden die Sitze neu im CJ-Design überzogen und teilweise verändert angeordnet (Vierersitzgruppen gegen zwei Zweiersitzreihen getauscht u.u.). Diese ersten umgestalteten Fahrzeuge verfügen noch nicht über zusätzliche Informationsmonitore. Der Planeinsatz der ersten derartig umgestalteten vierteiligen Garnitur erfolgt seit Mitte Dezember auf der Franz-Josefs-Bahn. Das Redesign wird im Rahmen von notwendigen G-Checks (große Fristausbesserung) durchgeführt, da die Wagen hierfür komplett ausgeräumt und anschließend wieder zusammengebaut werden müssen. Bei den ersten vier umgestalteten Wagen handelt es sich großteils um Fahrzeuge, die bei der Flankenfahrt in Kritzendorf beschädigt worden sind und daher für einen längeren Zeitraum in der Werkstätte waren. Im Zuge der Unfallreparatur wurde die Cityjet-Umgestaltung durchgeführt.
Aktuelle Einsatzgebiete
- Břeclav/Bernhardsthal – Wien – Payerbach-Reichenau
- Znojmo/Retz – Wien – Payerbach-Reichenau
- Laa a.d. Thaya – Wien
- Wien FJB – Krems a.d. Donau
- Wien FJB – Sigmundsherberg – Gmünd NÖ – České Velenice
- Wien – Parndorf – Bratislava-Petržalka
- Wien – Wiener Neustadt – Deutschkreutz
- Wien Hbf – Pamhagen – Fertőszentmiklós
- Wien Westbf – Neulengbach – St. Pölten (– Amstetten)
- Krems a. d. Donau – St. Pölten (bis 12/2019)
- St. Pölten – Hainfeld (bis 12/2019)
- Wr. Neustadt Hbf – Gutenstein (Gutensteinerbahn, seit 12/2019)
- Bludenz – Bregenz – Lindau
- Tauernschleuse Böckstein – Mallnitz-Obervellach
- Lienz – Innichen/San Candido
- Graz Hauptbahnhof – Fehring – Szentgotthárd (Steirische Ostbahn, bis 2006)
Aufgrund der Höhe der Fahrzeuge dürfen sie unter anderem auf folgenden Strecken nicht eingesetzt werden:
- Wien Penzing – Wien Heiligenstadt (Vorortelinie)
- Leobersdorf – Weißenbach-Neuhaus (Leobersdorfer Bahn)
- Payerbach-Reichenau – Mürzzuschlag (Südbahn, Semmeringbahn)
- Sarmingstein – Grein Stadt (Donauuferbahn)
- Gmunden – Stainach-Irdning (Salzkammergutbahn)
- Schärding – Ried im Innkreis – Attnang-Puchheim (Hausruckbahn)
- Hartberg – Fehring (Thermenbahn)
- Spielfeld-Straß – Bad Radkersburg (Radkersburger Bahn)
Kompatibilität
Die doppelstöckigen CityShuttle-Wendezüge sind mit einer Wendezugsteuerung nach UIC 556 ausgerüstet. Sie sind somit mit folgenden Lokomotiven einsetzbar:
- Siemens ER20 (ÖBB 2016)
- Siemens ES64U2
- ÖBB 1016/1116
- GYSEV 470.5
- MÁV 470.0
- Siemens ES64U4 (ÖBB 1216)
- ÖBB 1014
- ÖBB 1142 (Umbau aus ÖBB 1042)
- ÖBB 1144 (Umbau aus ÖBB 1044)
Weiters lassen sich einstöckige CityShuttle-Wagen und doppelstöckige CityShuttle-Wagen problemlos miteinander kombinieren. Eine Mischung aus den beiden Wagentypen wird unter Eisenbahnfans als „Kamelbuckel“ bezeichnet.
Wagenbezeichnung
Ein Beispiel für die Anschrift eines Zwischenwagens:
A-ÖBB 50 81 26-33 108-3 Bmpz-dl
Folgende Informationen sind darin enthalten:
- A-ÖBB: Eigentümer ÖBB
- 50: Wagen des Binnenverkehres, klimatisiert, nicht nach RIC einsetzbar[8]
- 81: Ländercode für Österreich
- 26-33: Bezeichnung der Wagenbaureihe
- 108: Ordnungsnummer
- 3: Selbstkontrollziffer
- B: Sitzplätze 2. Klasse
- m: Wagen mit einer Länge über Puffer von mindestens 24 m
- p: Personenwagen mit Mittelgang
- z: Wagen mit Einrichtungen, die eine ganzjährige Kupplung mit der Zugsammelschiene erforderlich machen
- d: Doppelstockwagen
- l: Wagen mit durchgehendem UIC-Kabel für Wendezugbetrieb
Ein Beispiel für die Anschrift eines Steuerwagens:
A-ÖBB 50 81 86-33 203-9 Bbfmpz
Folgende Informationen sind darin enthalten:
- A-ÖBB: Eigentümer ÖBB
- 50: Wagen des Binnenverkehres, klimatisiert, nicht nach RIC einsetzbar[9]
- 81: Ländercode für Österreich
- 86-33: Bezeichnung der Wagenbaureihe
- 203: Ordnungsnummer
- 9: Selbstkontrollziffer
- B: Sitzplätze 2. Klasse
- b: Wagen mit Ausrüstung für körperlich Behinderte (hier: Platz für Rollstuhl, rollstuhltaugliches WC)
- f: Steuerwagen
- m: Wagen mit einer Länge über Puffer von mindestens 24 m
- p: Personenwagen mit Mittelgang
- z: Wagen mit Einrichtungen, die eine ganzjährige Kupplung mit der Zugsammelschiene erforderlich machen
Weblinks
Einzelnachweise
- Zeitschrift Schienenverkehr aktuell, Verlag Pospischil, Ausgabe 2/97, Seiten 4–6
- Zeitschrift Schienenverkehr aktuell, Verlag Pospischil, Ausgabe 5/97, Seite 9
- http://www.eisenbahn.ws/oebb/die-oebb-fahrzeuge/reisezugwagen/city-shuttle-zweistoeckig/
- Zeitschrift Schienenverkehr aktuell, Verlag Pospischil, Ausgabe 10/97, Seite 44
- https://www.news.at/articles/0650/91/159068/oebb-nahverkehr-neue-wiesel-zuege-eingang
- Zeitschrift Schienenverkehr aktuell, Verlag Pospischil, Ausgabe 6/99, Seite 19
- Untersuchungsbericht Bundesanstalt für Verkehr zur Kollision. Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie, 8. Mai 2015, abgerufen am 9. Juni 2021.
- Zeitschrift Schienenverkehr aktuell, Verlag Pospischil, Ausgabe 1/05, Seiten 42–44
- Zeitschrift Schienenverkehr aktuell, Verlag Pospischil, Ausgabe 1/05, Seiten 42–44