Mirga Gražinytė-Tyla
Mirga Gražinytė-Tyla (* 29. August 1986 in Vilnius, Litauische SSR) ist eine litauische Orchester-Dirigentin.[1] 2016 erregte sie Aufsehen damit, dass sie mit nur 29 Jahren Chefdirigentin des City of Birmingham Symphony Orchestra wurde.[2] 2012 schuf die Dirigentin ihren Künstlernamen, indem sie ihrem Familiennamen Gražinytė den Bindestrich nebst Tyla hinzufügte; Tyla bedeutet im Litauischen Stille, auch Ruhe oder Schweigen.[3]
Leben und Wirken
Mirga Gražinytė-Tyla wuchs in einer Musikerfamilie auf.[4] Ihr Vater Romualdas Gražinis (* 1962) ist Chordirigent des Vilniusser Chors „Aidija“ und lehrt an der Musikakademie Litauens und am Priesterseminar Vilnius.[5][6] Ihre Mutter Sigutė Gražinienė ist Pianistin.[7] Ihre Großmutter Beata Vasiliauskaitė-Šmidtienė (* 1941) ist Geigerin, die an der Litauischen Musikakademie lehrte.[8]
Gražinytė-Tyla besuchte die 27. Mittelschule Vilnius (jetzt Jonas-Basanavičius-Gymnasium) in Naujamiestis.[9] Dort hatte sie erweiterten Französischunterricht.[10] Zunächst hatte sie Kunstunterricht, erst später wechselte sie zur Musik und absolvierte die Čiurlionis-Kunstschule, wo sie als Chordirigentin ausgebildet wurde.[11]
Nach dem Abitur 2004 studierte Gražinytė-Tyla zuerst Chor- und erst dann Orchesterdirigieren (im Bachelorstudiengang) an der Universität für Musik und darstellende Kunst in Graz (Österreich), beim Erasmus-Programm am Konservatorium in Bologna, dann an der Musikhochschule Leipzig bei Ulrich Windfuhr und an der Zürcher Hochschule der Künste bei Johannes Schläfli.[12] Gražinytė-Tyla besuchte Meisterkurse bei Herbert Blomstedt, David Zinman, Peter Gülke und Christian Ehwald.[13]
Nach einem Seminar bei Kurt Masur in Bonn arbeitete Gražinytė-Tyla als seine Assistentin beim Orchestre National de France. 2009 wurde Gražinytė-Tyla in die Förderung des Dirigentenforums des Deutschen Musikrates aufgenommen. 2010 erfolgte ihr Operndebüt mit La traviata am Theater Osnabrück. 2011/12 arbeitete sie als Zweite Kapellmeisterin beim Theater und Orchester Heidelberg und wechselte 2013/14 als Erste Kapellmeisterin an das Konzert Theater Bern. Ab der Spielzeit 2015/16 war Mirga Gražinytė-Tyla bis zum Ende der Spielzeit 2016/2017 Musikdirektorin des Salzburger Landestheaters.[14][15] In den Vereinigten Staaten arbeitete sie mit dem Los Angeles Philharmonic in Spielstätten wie der Walt Disney Concert Hall und der Hollywood Bowl.[16][17] Sie arbeitete als Dirigentassistentin (Saison 2014/15) und als assoziierte Dirigentin (2016/17) beim Los Angeles Philharmonic.
Im September 2016 wurde Mirga Gražinytė-Tyla als Nachfolgerin von Andris Nelsons Chefdirigentin beim City of Birmingham Symphony Orchestra.[18][15] Damit wurde sie die erste Frau in dieser Position und die dritte Chefdirigentin eines bedeutenden britischen Orchesters.[2]
Als Gastdirigentin war sie zu zahlreichen Orchestern in ganz Europa eingeladen.
Auszeichnungen
- 1. Preisträgerin beim internationalen Wettbewerb für junge Chordirigenten in Budapest (Ungarn), 2007[19]
- 3. Preisträgerin beim internationalen Dirigierwettbewerb 2008 in Stavanger[20]
- 2. Platz beim Wettbewerb 2011 in Leipzig, Preis: Konzert mit dem Mitteldeutschen Rundfunk
- 2012: Salzburg Festival Young Conductors Award bei den Salzburger Festspielen (der ihr eine Zusammenarbeit mit dem Gustav Mahler Jugendorchester ermöglichte)[21]
- 2012–2013: Dudamel Fellowship beim Los Angeles Philharmonic
- 2018: Österreichischer Musiktheaterpreis in der Kategorie Beste musikalische Leitung für Mozarts Idomeneo, Rè di Creta am Salzburger Landestheater[22]
- 2020: Opus Klassik, Kategorie Dirigentin des Jahres, für Weinberg: Symphonies NOS. 2 & 21
Diskografie (Auswahl)
- 2019: Works by Raminta Šerkšnytė, Litauisches Nationales Symphonieorchester unter Giedrė Šlekytė und Kremerata Baltica unter Mirga Gražinytė-Tyla, Deutsche Grammophon
Weblinks
- Website von Mirga Gražinytė-Tyla (en, de)
- Mirga Gražinytė-Tyla bei Operabase (Engagements und Termine)
- Mirga Gražinytė-Tyla bei Discogs
- Mirga Gražinytė-Tyla bei AllMusic (englisch)
Einzelnachweise
- Asta Andrikonytė: 25 metų lietuvei – tik vienas žingsnis iki prestižinio prizo („Eine 25-jährige Litauerin ist nur noch einen Schritt von einem prestigeträchtigen Preis entfernt“). In: Lietuvos rytas („Litauens Morgen“). 5. August 2015.
- The best living female conductors. In: BBC Music Magazine. 22. Juli 2019 (archiviert auf classical-music.com), abgerufen am 10. November 2017.
- Christine Lemke-Matwey: Mirga Gražinytė-Tyla: Schicksalsfanfaren. In: Zeit Online. 26. August 2016, abgerufen am 23. Juli 2017.
- Oliver Meier: Jetzt beginnt die Ära der Dirigentinnen. In: Berner Zeitung. 30. November 2013, abgerufen am 3. Februar 2016.
- Milda Augulytė: M. Gražinytė-Tyla batutos judesius apskaičiavo milimetro tikslumu („M. Gražinytė-Tyla hat die Bewegungen des Taktstocks millimetergenau berechnet“). In: Lietuvos rytas. 30. März 2014, abgerufen am 11. November 2021.
- Boleslovas Zubrickas: Pasaulio lietuvių chorvedžiai. Enciklopedinis žinynas. Lietuvos Liaudies kultūros centras, Vilnius 1999 (eingeschränkte Vorschau in der Google-Buchsuche).
- Laurynas Butkauskas: Mirga Gražinytė-Tyla: „Stovint prieš orkestrą svarbiausia būti savimi“ („Mirga Gražinytė-Tyla: ‚Das Wichtigste ist, dass du du selbst bist, wenn du vor dem Orchester stehst‘“). In: lmka.lt. 1. Oktober 2012, abgerufen am 3. Februar 2016.
- 50 pedagoginės veiklos ir 70 metų sukakties minėjimo koncertas („50 Lehrtätigkeiten und Konzert zur Feier des 70. Jubiläums“). National M. K. Čiurlionis School of Art, 15. Dezember 2011, abgerufen am 3. Februar 2016.
- Agnė Kriščiukaitytė, Beatričė Laurinavičienė, „Savaitgalis“: Tyla prieš koncertą. Mirga Gražinytė (Memento vom 5. Februar 2016 im Internet Archive) („Stille vor dem Konzert. Mirga Gražinytė“). In: vz.lt. 28. März 2014, abgerufen am 3. Februar 2016.
- M. Gražinytė-Tyla – Pirmoji lietuvė, kurios batutai pakluso JAV orkestrai („Die erste Litauerin, deren Taktstock US-Orchester folgen“). In: diena.lt. 17. Januar 2016. abgerufen am 3. Februar 2016.
- M. Gražinytė-Tyla – pirmoji lietuvė, kurios batutai pakluso JAV orkestrai („Die erste Litauerin, deren Taktstock US-Orchester folgen“). In: lrt.lt. 17. Januar 2016, abgerufen am 3. Februar 2016.
- Mirgą Gražinytę netikėtai keičia kylanti batutos žvaigždė Martynas Stakionis („Mirgą Gražinytė wird unerwartet durch den aufstrebenden Stardirigenten Martynas Stakionis ersetzt“). In: filharmonija.lt. 15. Dezember 2015, abgerufen am 3. Februar 2016.
- Anna Schweingel: „Brauche Ewigkeiten von Einsamkeit“. In: Mannheimer Morgen. 12. Juli 2012, abgerufen am 3. Februar 2016.
- Dirigentė Mirga Gražinytė – tarp podiumo primadonų („Dirigentin Mirga Gražinytė – eine der Primadonnen auf dem Podium“). In: Lietuvos rytas. 2. November 2015, abgerufen am 10. November 2021.
- Markus Thiel: Der Stern von Birmingham. In: Münchner Merkur. 14. Dezember 2016, abgerufen am 22. Juli 2017 (Porträt von Mirga Gražinytė-Tyla, Chefdirigentin des Salzburger Landestheaters, die auch Posten in Birmingham und Los Angeles hat).
- Asta Andrikonytė: Mirgomanija: dirigentę Mirgą Gražinytę atranda Amerika („Mirgomania: Dirigentin Mirgą Gražinytė wird von Amerika entdeckt“). In: Lietuvos rytas. 10. März 2015, abgerufen am 3. Februar 2016.
- Asta Andrikonytė: Dirigentės M. Gražinytės mostui pakluso vienas geriausių planetos orkestrų („Eines der besten Orchester der Welt gehorchte dem Taktstock der Dirigentin M. Gražinytė“). In: Lietuvos rytas. 30. Januar 2013, abgerufen am 3. Februar 2016.
- Manuel Brug: Birmingham: Mirga ist der neue Simon (Memento vom 7. Juni 2018 im Internet Archive). In: Brugs Klassiker. 4. Februar 2016, abgerufen am 10. November 2021.
- Mirga Gražinytė-Tyla. In: yrasalis.lt. Abgerufen am 3. Februar 2016.
- Mirga Gražinytė-Tyla (Memento vom 2. Februar 2016 im Internet Archive). Dirigentenforum, abgerufen am 3. Februar 2016.
- M. Gražinytė – tarptautinio dirigentų konkurso Zalcburge laureatė („M. Gražinytė – Preisträgerin des Internationalen Dirigierwettbewerbs Salzburg“). In: Lietuvos rytas. 11. Mai 2012, abgerufen am 4. Februar 2016.
- Michael Tschida: Oper Graz. Große Gala für Ausgezeichnete. In: Kleine Zeitung. 19. Juni 2018, abgerufen am 19. Juni 2018.