Milorad Dodik
Milorad Dodik (kyrillisch Милорад Додик, * 12. März 1959 in Laktaši, Jugoslawien) ist ein bosnischer Politiker (SNSD) serbischer Volkszugehörigkeit. Von 2010 bis 2018 war er Präsident der Republika Srpska, einer der zwei Entitäten von Bosnien und Herzegowina.[1] Seit den Wahlen 2018 ist er Mitglied des dreiköpfigen Staatspräsidiums. 2018/19 und erneut von November 2020 bis Juli 2021 war er Vorsitzender des Staatspräsidiums und damit Staatsoberhaupt.
Leben
Milorad Dodik studierte an der Universität Belgrad Politikwissenschaft. Er bekleidete in seiner Heimatstadt Laktaši ab 1986 das Amt des Präsidenten des Stadtrats.[2] 1990 gelang ihm bei den ersten Parlamentswahlen in Bosnien und Herzegowina als Kandidat des Savez reformskih snaga Jugoslavije (SRSJ, Bund der Reformkräfte Jugoslawiens) der Einzug ins Parlament.
Später gehörte er dem Parlament der Republika Srpska an, wo er in Opposition zur regierenden Serbischen Demokratischen Partei (SDS) von Radovan Karadžić stand. 1996 gründete er die Stranka nezavisnih socijaldemokrata (SNSD, Partei der unabhängigen Sozialdemokraten), die sich 2002 mit einer kleineren Partei zum Savez nezavisnih socijaldemokrata (SNSD, Allianz der unabhängigen Sozialdemokraten) zusammenschloss. Dodik ist seit 1996 ohne Unterbrechung Vorsitzender der SNSD.[3]
In den Jahren 1998 bis 2001 war er Premierminister der Republika Srpska, von 2006 bis 2010 hatte er dieses Amt erneut inne.[2] Dodik stellte wiederholt die staatliche Existenz von Bosnien und Herzegowina in Frage. Bei den Wahlen im Gesamtstaat Bosnien und Herzegowina sowie in den Entitäten am 3. Oktober 2010 wurde er zum Präsidenten der Republika Srpska gewählt.
Nach Angaben einer Belgrader Nachrichtenagentur erstattete die bosnische Ermittlungsbehörde SIPA im Februar 2009 Strafanzeige gegen Milorad Dodik und weitere Personen, darunter mehrere Minister sowie Geschäftsleute. Ihnen wurde „die Bildung einer verbrecherischen Organisation mit Premier Milorad Dodik an der Spitze“ vorgeworfen.[4] Eine SIPA-Sprecherin sagte später, es habe sich nicht um eine Strafanzeige gehandelt, sondern um einen Bericht an die Staatsanwaltschaft, der ohne Wissen und Zustimmung des bosnisch-serbischen Direktors von SIPA weitergegeben worden sei.[5]
Dodik ist verheiratet und hat zwei erwachsene Kinder.[6]
Positionen
- Massaker von Srebrenica
Besonderes Aufsehen erregte Dodik mit seinen Positionen zum 1995 durch die Armee der Republika Srpska verübten Massaker von Srebrenica, bei dem Tausende erwachsene und jugendliche Muslime ermordet wurden. In einem Interview vom 2. Dezember 2007 bestätigte Dodik noch, es habe in Srebrenica „einen Genozid“ gegeben: „Also, ich weiß genau, was gewesen ist. Es war ein Genozid in Srebrenica. Das hat das Gericht in Den Haag geurteilt, das ist eine unstrittige juristische Tatsache.“[7][8] Im April 2010 leugnete er in einem Gespräch mit der Belgrader Zeitung Novosti diesen Völkermord, wie er beispielsweise von der UNO und der EU verurteilt wird. Des Weiteren behauptete er, die Zahl der Opfer habe 3.500 betragen und nicht – wie allgemein anerkannt – etwa 8.000.[9]
Zum 20. Jahrestag des Massakers forderte er, Srebrenica müsse auch zu einem Gedenkort für den „Völkermord an den Serben“ erklärt werden.[10] Im April 2019, nun im Amt des serbischen Repräsentanten im Staatspräsidium Bosnien-Herzegowinas, sprach er auf einer Konferenz in Banja Luka mit dem Titel Srebrenica, Wahrheit und Manipulationen von einem Lügen-Mythos der Bosniaken um Srebrenica, der in Wahrheit nicht existiere.[11] Auch zum 26. Jahrestag im Juli 2021 bekräftigte er, dass es keinen Völkermord gegeben habe, und behauptete, dass die Särge leer seien.[12]
- Beschuss von Zagreb
Am 13. April 2011 schrieb der Verband der ehemaligen Gefangenen Bosnien-Herzegowinas einen Brief an den kroatischen Präsidenten Ivo Josipović, indem sie Dodik zitierten, der sich klar für einen Beschuss Zagrebs aussprach. Laut bosnischen Medien soll Dodik im Jahre 1995 gesagt haben: Ja se slažem da trebamo tući Zagreb, ali ne smijemo to reći (auf Deutsch: Ich bin dafür, dass wir Zagreb schlagen, allerdings dürfen wir dies nicht aussprechen).[13] Sie forderten, dass Dodik wegen Kriegsverbrechen vor dem obersten Gericht Kroatiens belangt werde.
- Deutschland und Österreich
Nachdem der Österreicher Valentin Inzko im Juli 2021 als Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina ein Gesetz erließ, das die Leugnung des Völkermords von Srebrenica unter Strafe stellte, behauptete Dodik, Inzko sei ein „Serbenhasser“ und dessen Vater, der Slawist Valentin Inzko sen., sei ein Gestapo-Offizier gewesen.[14] Als Inzkos Nachfolger Christian Schmidt kurz darauf dieses Gesetz unterstützte, unterstellte Dodik den beiden Ländern mehrfach, dass sie die Politik Adolf Hitlers fortsetzen würden. In einer Mitte August 2021 an Schmidt adressierten Kolumne äußerte er die Ansicht, dass der Erste Weltkrieg, der Zweite Weltkrieg sowie die NATO-Einsätze 1995 und 1999 in Verbindung zu sehen seien, weil jedes Mal die Serben „auf ihrem Boden“ durch jene attackiert worden seien, die sie versklaven wollten. Damit bezeichnete er zudem indirekt Bosnien-Herzegowina, Kroatien und Kosovo als serbischen Boden.[15][16] In der Tatsache, dass wiederholt ein Hoher Repräsentant für Bosnien und Herzegowina aus dem deutschsprachigen Raum eingesetzt wurde, sah Dodik Anfang September 2021 zudem einen Beleg dafür, dass die Republika Srpska ausgehöhlt werden solle, sowie dafür, dass der „germanische Einfluss“ erhalten bleiben solle. In diesem Kontext erinnerte er – wie schon im August – an ein angebliches Zitat Hitlers, der gesagt haben soll, dass ein starker Staat auf dem Balkan verhindert werden müsse und dass zu einer solchen Staatsbildung nur die Serben in der Lage seien.[17] Bosnische Kommentatoren sahen in diesen Äußerungen Ablenkungsversuche von serbischen Verbrechen, indem direkte Parallelen zwischen dem Dritten Reich und Deutschland sowie Schmidt und Hitler gezogen würden.[18][19]
- Republika Srpska
Im Jahr 2021 verstärkte Dodik seine Bemühungen, die Republika Srpska autonomer zu machen, indem er eine eigene Armee und Polizei sowie eine eigene Finanzbehörde für diese forderte, und eine provokante Anti-Terror-Übung von bosnisch-serbischen Polizeieinheiten in den Jahorina-Bergen abhielt, von denen aus Sarajevo im Bosnienkrieg permanent beschossen wurde. Er forcierte zudem einen Rückzug der Serben aus den staatlichen Institutionen Bosnien und Herzegowinas.[20][21][22][23] Unterstützung bekam er dabei von Serbien und Ungarn sowie – wie schon bei der Ablehnung des Hohen Repräsentanten – von Russland.[24][25][26][27] Dodik selbst sieht diese Maßnahmen als legitim im Rahmen des Dayton-Abkommens, da sie der Republika Srpska durch Gesetzesänderungen entzogen worden seien und er diese Änderungen durch den Hohen Repräsentanten nur rückgängig mache. Zudem wolle er weder eine Auflösung Bosnien und Herzegowinas noch einen militärischen Konflikt.[28] Als Ziel seiner Politik sieht er aber dennoch einen unabhängigen Staat an.[29] Einige Kommentatoren vermuteten hinter seiner nationalistischen Rhetorik Wahlkampf, da die Zustimmung zu seiner Politik schwinde. Zudem lote er Grenzen aus. Als ein solcher Versuch wurde auch die im Herbst 2021 beschlossene Gründung einer eigenen Arzneimittelagentur für die Republika Srpska bewertet, die nicht den Gesetzen des Landes entspricht.[30][31]
Weblinks
Einzelnachweise
- http://www.b92.net/info/vesti/index.php?yyyy=2010&mm=11&dd=15&nav_category=167&nav_id=472366. b92.net, 15. November 2010
- Kurzbiographie von Milorad Dodik bei der Southeast European Times
- https://snsd.org/istorijat/
- Krivična prijava protiv Dodika i ministara, Strafanzeige gegen Premier Dodik derStandard.at 19. Februar 2009
- Bosnian Serb leader accused of corruption, International Herald Tribune Europe, February 24, 2009
- Kurzbiografie (Memento vom 22. Februar 2019 im Internet Archive) auf predsjednistvobih.ba, abgerufen am 21. Februar 2019 (bosnisch)
- Dodik 2007: ‘Bio je genocid u Srebrenici’. Abgerufen am 23. September 2021.
- KAKO JE DODIK PRIZNAO GENOCID U SREBRENICI. Abgerufen am 23. September 2021.
- Serben-Führer leugnet Völkermord in Srebrenica, Münchner Merkur, 27. April 2010
- Alan Posener: Republika Srpska: Bosnien-Herzegowinas unbekannte Hälfte. In: DIE WELT. 10. August 2015 (welt.de [abgerufen am 25. November 2017]).
- https://www.independent.co.uk/news/world/europe/srebrenica-massacre-genocide-milorad-dodik-bosnia-myth-a8869026.html
- 26 Jahre nach Massaker von Srebrenica: Angehörige beerdigen 19 weitere Opfer. In: stern.de. 11. Juli 2021, abgerufen am 8. September 2021.
- http://www.vijesti.ba/vijest-dana/37279-Transkripti-Tako-govorio-Dodik-slazem-trebamo-tuci-Zagreb-ali-smijemo-reci.html
- Adelheid Wölfl: Warum Inzko im Alleingang das Leugnen von Kriegsverbrechen unter Strafe stellen musste. In: derstandard.de. 28. Juli 2021, abgerufen am 8. September 2021.
- "Dobro nam otišao, gospodine Šmit", reče Dodik i pomenu Hitlera. In: b92.net. 13. August 2021, abgerufen am 8. September 2021 (serbisch, Titel der Kolumne „Dobro nam otišao, gospodine Šmit“).
- Paul Lendvai: Machte Valentin Inzko Balkangeschichte? In: derstandard.de. 3. August 2021, abgerufen am 8. September 2021.
- S. M.: Spominjao Hitlera. Dodik ponovo izjednačio politiku Trećeg rajha s ciljevima današnje Njemačke. In: klix.ba. 5. September 2021, abgerufen am 8. September 2021 (bosnisch, Zitat: „I Hitler je govorio da jedino Srbi mogu da imaju državotvorni kapacitet i treba da se spriječi da stvore jaku državu na Balkanu. Kada vidimo da smo do sada imali tri visoka predstavnika iz germanskog svijeta, a četvrtog pokušavaju da nametnu, onda se vidi koliki je tu njihov interes. Suština je da BiH ostane pod uticajem germanskog faktora.“).
- A. Čorbo-Zećo: Dodik i Vučić se opet kriju iza priča o Hitleru i stradanju Srba. In: nap.ba. 5. September 2021, abgerufen am 8. September 2021 (bosnisch).
- Schmidt kritikovao 'bošnjačko Sarajevo', što ga Dodik poredi s Hitlerom mu ne smeta. In: nap.ba. 6. September 2021, abgerufen am 8. September 2021 (bosnisch).
- Wolfgang Vichtl: Bosnien und Herzegowina. Das Ende eines mühsamen Friedens? In: tagesschau.de. 20. November 2021, abgerufen am 21. November 2021.
- Erich Rathfelder: Provokation in Bosnien-Herzegowina. Mann der Abspaltung. In: taz.de. 19. Oktober 2021, abgerufen am 21. November 2021.
- Erich Rathfelder: Bosnien und Herzegowina in Auflösung. In den Köpfen ist der Krieg zurück. In: taz.de. 22. Oktober 2021, abgerufen am 21. November 2021.
- Adelheid Wölfl: Dodik will diese Woche die Auflösung Bosniens angehen. In: derstandard.de. 18. Oktober 2021, abgerufen am 21. November 2021.
- Erich Rathfelder: Experte über Bosnien und Herzegowina: „Es macht sich Kriegsangst breit“. In: taz.de. 13. November 2021, abgerufen am 21. November 2021 (Russland unterband den bisher üblichen Bericht des Hohen Repräsentanten an die internationale Gemeinschaft).
- Erich Rathfelder: Bosnien und Herzegowina vor EU-Gipfel. Ruhe vor dem Sturm. In: taz.de. 6. Oktober 2021, abgerufen am 21. November 2021 (Russland bildete die Anti-Terror-Einheit aus).
- Orban besucht Separatisten Dodik in Bosnien. In: welt.de. 7. November 2021, abgerufen am 21. November 2021 (Ungarns Regierungschef sicherte die volle Unterstützung zu).
- Adelheid Wölfl: SNSD-Chef Dodik droht und bekommt Angebote. In: derstandard.de. 27. Oktober 2021, abgerufen am 21. November 2021.
- Walter Mayr: Bosnischer Serbenführer Dodik. „Der Westbalkan war nie weiter von der EU entfernt“. In: spiegel.de. 23. Oktober 2021, abgerufen am 21. November 2021.
- Jasna Vukićević, Gjeraqina Tuhina: ‘Srpski svet’ koncept koji region čini nervoznim. In: slobodnaevropa.org. 2021, abgerufen am 21. November 2021 (Zitat: „Naš je projekat da ojačamo Republiku Srpsku do mjere da bude nezavisna država na ovim prostorima.“).
- Thomas Roser: Bosnien und Herzegowina. Alte Gräben brechen wieder auf. In: fr.de. 15. November 2021, abgerufen am 21. November 2021.
- Adelheid Wölfl: Berlin will Sanktionen gegen Bosniens Dodik, Brüssel ist dagegen. In: derstandard.de. 14. November 2021, abgerufen am 21. November 2021.