Meier Kahn
Meier Kahn (* 12. Mai 1886 in Gemünden am Main; † 1943 im KZ Auschwitz) war ein deutscher Jurist, er wurde Opfer des Nationalsozialismus.
Leben
1886–1933
Der Sohn des jüdischen Kaufmanns Samuel Kahn (* 1. April 1852 in Mittelsinn; † 19. Mai 1929 ebenda[1]) und dessen Ehefrau Jette (Jettel) geb. Kahn (* 26. Juni 1859 in Mittelsinn; † 29. Januar 1932 ebenda[2]) wuchs in Mittelsinn auf, besuchte dort die Volksschule und anschließend das Gymnasium in Fulda. Nach dem Abitur studierte er Jura an der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, dazwischen absolvierte er seinen Militärdienst. 1915 wurde er eingezogen, als Vizefeldwebel erkrankte er an Malaria und wurde später mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse ausgezeichnet. Nach Kriegsende 1918 setzte er sein Studium in Würzburg und an der Ludwig-Maximilians-Universität München fort. Nach dem Staatsexamen 1919 wurde er 1920 zunächst dritter Staatsanwalt am Landgericht Ansbach und am Landgericht Nürnberg-Fürth. Seit 1925 wirke er als Amtsrichter in Ansbach und wurde zum 1. Mai 1929 erster Staatsanwalt am Landgericht Aschaffenburg tätig.
Am 19. November 1922 heiratete er in Schlüchtern Lilly (Lilli) Sylvia Stern (* 18. März 1900 in Schlüchtern)[3] Tochter des jüdischen Kaufmanns Leo Stern (* 28. September 1867 in Schlüchtern; † 26. Oktober 1937 in Frankfurt/Main) und Judith geb. Wolf (* 12. Februar 1871 in Barranquilla (Kolumbien); † 11. Juni 1937 in Aschaffenburg). Am 27. August 1923 wurde in Fürth Sohn Robert Leo geboren; er starb am 24. April 2001 in Melbourne (Australien).
Meier Kahn war Mitglied in der Jüdischen Studentenverbindung AV Veda in Würzburg, Mitglied im Reichsbund jüdischer Frontsoldaten und Mitglied im Kulturbund Deutscher Juden. Er war auch Vorstandsmitglied der Loge B’nai B’rith in Aschaffenburg.
Er leitete 1932 die Ermittlungen in einem spektakulären Kunstraub-Fall in Aschaffenburg. Seinem kriminalistischen Spürsinn ist zu verdanken, dass ein Teil der geraubten Werke ein Jahr später wieder nach Aschaffenburg zurückgebracht wurde. Als Anerkennung wurde er zum Landgerichtsrat befördert.
1933–1943
Zurück an seinem Arbeitsplatz wurde der „Held von Aschaffenburg“ 1934 seines Amtes enthoben und ins Grundbuchamt abgeschoben. Das sogenannte Frontkämpferprivileg im Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums schützte ihn bis zum 31. Dezember 1935 vor der Entlassung aus dem Staatsdienst, als die Erste Verordnung zum Reichsbürgergesetz in Kraft trat. Er unterstützte nunmehr viele jüdische Mitbürger kostenlos mit juristischem Rat. In einer Aktion gegen die Loge wurde er 1937 verhaftet. Seine Bemühungen zur Emigration scheiterten. Am 17. Mai 1939 gelang es ihm und seiner Frau Lilly, den einzigen Sohn Robert auf einen der letzten Kindertransporte nach Westgate-on-Sea in England zu schicken; von dort emigrierte dieser später nach Australien.
Meier Kahn war 1934 Vorsitzender des Allgemeinen Jüdischen Turn- und Sportvereins Aschaffenburg, 1937/38 stellvertretender Vorsitzender der Israelitischen Kultusgemeinde Aschaffenburg, anschließend erster Vorsitzender bis zu deren erzwungenem Ende und Auflösung im Mai 1941 Beauftragter der Bezirksstelle.
Am 29. Oktober 1942 wurden Meier und Lilly Kahn nach Würzburg umgesiedelt, in das sogenannte Judenhaus Bibrastraße 6 eingewiesen und von dort am 17. Juni 1943 in das Vernichtungslager Auschwitz deportiert und ermordet.
Nachkommen
Sohn Robert heiratete 1949/50 in Melbourne (Australien) die aus Mumbai – Bombay (Indien) gebürtige Mozelle John, (13. April 1922 bis 23. Juli 1983); Tochter des Samuel John Ashkenazy.
Im November 2008 besuchte Alec Kahn, zusammen mit seiner Stiefmutter, einer Einladung der Stadt Aschaffenburg zum 70. Jahrestag der Novemberpogrome 1938 folgend, die Wirkungsstätte seines Großvaters. Dabei wurden ihm auch, wie vierundzwanzig Jahre zuvor seinem Vater, der 1984 die Stadt seiner Kindheit besuchte, die wertvollen Graphiken gezeigt, die sein Großvater Meier Kahn 1932 nach Aschaffenburg zurückgebracht hatte.[4]
Kunstraub
In der Nacht zum 22. Juni 1932 klettern (mindestens zwei Personen) unbemerkt, obwohl das Schloss durch Polizeipatrouillen kontrolliert (Polizeiwache im Schloss), an einem Efeugitter zur Mainseite hin empor. Vorbei an den vergitterten Fenstern im ersten Stock zum zweiten Stock, wo sie ein Fenster einschlugen, ins Museum einstiegen, eine Türfüllung herausbrachen und ins neue Graphische Kabinett eindrangen. Hier wurden in einer Sonderausstellung sehr wertvolle, frisch restaurierte Stiche, Miniaturen, Inkunabeln und Handschriften präsentiert. Die ausgestellten Objekte interessierten aber weniger, sie brachen verschlossene feuerfeste Wandschränke auf in denen noch wertvollere Bestände lagerten. Die Einbrecher entwendeten insgesamt 325 Arbeiten, darunter 86 wertvolle Rembrandt-Radierungen und 239 Handschriften deutscher und italienischer, niederländischer sowie französischer Meister aus dem 16. bis 18. Jahrhundert[5][6][7][8]. „Die Diebe hätten die auf Kartons geklebten Kunstblätter zum Teil – offenbar in aller Eile – sehr unsachgemäß einfach herausgerissen, sodass viele der gestohlenen Blätter beschädigt (…) wurden“ Main-Echo-Zitat aus dem Beobachter. Mehrere Verdächtige wurden verhaftet, verhört und wieder freigelassen. Im Oktober 1933 werden in Dresden zehn Graphiken zum Kauf angeboten. Der Direktor des Dresdner Zwingers (1924–1941) Kunsthistoriker Kurt Zoege von Manteuffel, dem die Kunstwerke zur Begutachtung vorgelegt wurden, erkannte sie als Rembrandt-Blätter aus Aschaffenburg. Über das Bayerische Kultusministerium wurde die Sache nach Aschaffenburg weitergemeldet. Staatsanwalt Meier Kahn für die weiteren Ermittlungen „Diebesjagd“ freigestellt, reist nach Dresden um als Kunstliebhaber getarnt, die Bilder zu kaufen und den Hehler dingfest zu machen. Zusammen mit Frau Barthel, Sekretärin eines wohlhabenden Kaufmanns in Dresden, der die Graphiken zum Kauf angeboten wurden, wollte Kahn die Bilder erwerben. Beim Zusammentreffen mit dem Hehler erklärte, dass er noch achtzehn weitere Werke besitzt, die aber in Frankreich deponiert waren. Zusammen reisen sie nach Straßburg, während Kahn 1000 Reichsmark für die 18 Kunstwerke zahlt versucht Frau Barthel den Hehler dazu zu bewegen, noch weitere Bilder zu beschaffen. Insgesamt 38, für die Kahn zur Zahlung von 650 Reichsmark pro Bild bereits ist zu zahlen. Bei der Übergabe wird der Hehler von der französischen Polizei festgenommen. Meier Kahn gelang es das gesamte Diebesgut zu bekommen, dafür erhielt eine hohe Belohnung und die Beförderung zum Landgerichtsrat. Beim Prozess am 18. September 1935 gab es auf der einen Seite Paul Falk und Robert Franke als Angeklagte auf der anderen Seite Polizei und Beamte der Staatsanwaltschaft. Unter den dreißig Zeugen auch einen Kahn, der im Prozess gehört wurde[9].
Der Artist Paul Falk (Dieb), (* 5. Juni 1907 in Garrin, der z. Zt. in Ziegenheim bei Berlin eine mehrjährige Zuchthausstrafe wegen anderer Diebstähle und Einbruch in Schloss Hohenbuchau bei Wiesbaden verbüßt, wurde des „Verbrechens des schweren Diebstahls im Rückfalle wegen Mangels an Beweisen freigesprochen“. Robert Franke (Hehler), (* 19. Oktober 1894 in Dresden)) wurde wegen „fortgesetzter, gewerbsmäßiger Hehlerei zu acht Jahren Zuchthaus verurteilt“[10].
Am 28. Juli 1954 verurteilte die große Strafkammer des Landgerichts Hechingen den „Berufsverbrecher“ Paul Falk, alias Paolo Falk – Del Monte, brasilianischer Plantagenbesitzer, alias Graf Cyrill von Kasloff wegen Kronjuwelenraubs, „im Wert von 1 Million DM“ (Kronschatz Burg Hohenzollern) zu sechs Jahren Zuchthaus mit Sicherungsverwahrung und Aberkennung der bürgerlichen Ehrenrechte. Der 48-jährige, der zwölfmal vor Gericht gestandene und wegen einer langen Kette von Diebstählen, Urkundenfälschungen, Einbrüchen und an Raubüberfällen beteiligte, zwanzig Jahre im Gefängnis sitzende[11] Paul Falk sagte bei der Tatortbesichtigung auf der Hohenzollernburg zum Staatsanwalt voller „Berufsstolz“ – „Ich verstehe etwas von meinem Handwerk“.[12]
Graphische Sammlung
Es handelt sich hier um einen Teil der 1793, vor den französischen Revolutionstruppen geretteten, graphischen Sammlung des Kurmainzischen Obersthofmeister und Kaiserlichen Geheimen Rat Lothar Franz von Erthal (etwa 20.000 graphische Drucke und rund 200 Zeichnungen, darunter 256 Rembrandt Radierungen) die 1923, in Anbetracht der Ruhrbesetzung durch Frankreich, zusammen mit der Gemäldegalerie nach München verbracht wurden. Der andere Teil (12.500 Werke) wurde bei einem Luftangriff am 21. Juli 1944 bei dem die Neue Pinakothek zerstört und die darin gelagerte Bestände der Graphischen Sammlung fast völlig vernichtet wurden. ( Staatsgalerie Aschaffenburg#Graphische Sammlung)
Weblinks
Einzelnachweise
- Kahn I., Samuel (1929) – Altengronau. Jüdische Grabstätten in Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Kahn II, Jette (1932) – Altengronau. Jüdische Grabstätten in Hessen. In: Landesgeschichtliches Informationssystem Hessen (LAGIS).
- Einwohnermeldekarte Stadt Aschaffenburg
- Main-Echo vom 15. November 2008
- Beobachter am Main Nr. 142 vom 23. Juni 1932
- Würzburger Generalanzeiger Nr. 142 vom 23. Juni 1932
- Münchner Neueste Nachrichten Nr. 168 vom 23. Juni 1932
- Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel Nr. 148 vom 28. Juni 1932
- Aschaffenburger Zeitung vom 16. September 1935
- Aschaffenburger Zeitung Nr. 219 vom 23. September 1935
- Main-Post Würzburg Nr. 166 vom 22. Juli 1954
- Aschaffenburger Volksblatt Nr. 170 vom 29. Juli 1954