Meerschweinchen
Die Meerschweinchen (Caviidae) sind eine Familie aus der Ordnung der Nagetiere. Sie setzen sich aus drei äußerlich stark unterschiedlichen Unterfamilien zusammen: den Eigentlichen Meerschweinchen (Caviinae) mit dem in Mitteleuropa bekannten Hausmeerschweinchen (Cavia porcellus), den Pampashasen (Dolichotinae) und den Hydrochoerinae, zu denen mit dem Capybara (Wasserschwein) das größte lebende Nagetier der Welt zählt.
Meerschweinchen | ||||||||||||
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Gemeines Meerschweinchen (Cavia aperea) | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Caviidae | ||||||||||||
Gray, 1821 |
Verbreitung
Meerschweinchen sind in weiten Teilen Südamerikas verbreitet, wo sie unterschiedlichste Habitate besiedeln, von flachen Grasländern bis in Gebirgsregionen von über 4000 Metern Höhe. Im dichten Regenwald fehlen sie allerdings.
Merkmale
Diese Tiere erreichen je nach Art eine Kopf-Rumpf-Länge von 20 bis 130 Zentimetern. Das Körpergewicht beträgt bei Zwergmeerschweinchen etwa 300 Gramm und beim Capybara bis zu 80 Kilogramm.
Während die Eigentlichen Meerschweinchen und die Capybaras kompakt gebaute Tiere mit eher kurzen Gliedmaßen sind, ähneln die Pampashasen mit ihren langen Beinen und großen Ohren eher den Hasen. Die enge Verwandtschaft beider Gruppen ist vor allem an Details im Schädelbau und der Zähne erkennbar.
Das Sehvermögen der Meerschweinchen ist dichromatisch[1], das bedeutet, sie können wie viele Säugetiere nur Blau von Grün unterscheiden, nicht aber Rot.
Lebensweise
Meerschweinchen sind in der Regel tagaktiv und halten, trotz widriger klimatischer Verhältnisse in den höheren Regionen ihres Verbreitungsgebietes, keinen Winterschlaf. Selbstgegrabene oder von anderen Tieren übernommene Baue dienen ihnen als Unterschlupf. Es sind in der Regel soziale Tiere, die in Paaren (zum Beispiel das Münstersche Meerschweinchen) oder Gruppen mit einem Männchen, einigen Weibchen und den Jungtieren zusammenleben. Einige Arten haben komplexe Sozialstrukturen entwickelt.
Meerschweinchen sind Pflanzenfresser, die je nach Art und Lebensraum unterschiedlichste Pflanzenteile zu sich nehmen, zum Beispiel Früchte, Gräser oder Samen. Da sie zu den wenigen Wirbeltieren gehören, die das wichtige Vitamin C (Ascorbinsäure) nicht selbst produzieren können, müssen sie es mit der Nahrung aufnehmen.[2][3]
Die Tragzeit beträgt je nach Gattung 50 bis 150 Tage. Am längsten ist sie bei Capybaras und Pampashasen, bei den kleineren Arten ist sie mit 50 bis 70 Tagen im Vergleich zu verwandten Familien relativ kurz. Die Jungtiere werden gut entwickelt mit Fell, Zähnen und offenen Augen geboren und gehören zu den Nestflüchtern.
Bezeichnungen
Der deutsche Name der Tiere entstand vermutlich, weil spanische Seefahrer die Tiere übers Meer nach Europa brachten und die Quiekgeräusche der Meerschweinchen an die der Hausschweine erinnern. Auch der gedrungene Körperbau und die Rückbildung des Schwanzes stellen eine gewisse Ähnlichkeit mit Schweinen her.
Im englischen Namen guinea pig ist ebenfalls der Bezug zum Schwein (pig) enthalten. Die Herkunft des Namensbestandteils guinea ist nicht geklärt. Denkbar ist unter anderem eine Verwechslung von Guyana in Südamerika mit Guinea in Afrika.[4] Die Vermutung, guinea habe etwas mit der Guinee-Goldmünze (englisch guinea) und dem Verkaufspreis der Tiere zu tun, ist unhaltbar: Der englische Arzt William Harvey hat die Bezeichnung Ginny-pig bereits 1653 verwendet,[5] zehn Jahre bevor die ersten Guineen geprägt wurden.
Von der Quechua sprechenden Bevölkerung Lateinamerikas wurden die Tiere als quwi (oder qowi) bezeichnet, im südamerikanischen Spanischen heißen sie heute cuy. Im Englischen wird inzwischen die Bezeichnung cavy vorgezogen, da guinea pig auch die Bedeutung „Versuchskaninchen“ hat.
Systematik
Phylogenetische Systematik der Meerschweinchen (Caviidae)[6]
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Meerschweinchen bilden zusammen mit Agutis und Acouchis (Dasyproctidae), Pakas (Cuniculidae) und der Pakarana (Dinomydiae) die Überfamilie der Meerschweinchenartigen (Cavioidea) innerhalb der Meerschweinchenverwandten (Caviomorpha). Die Capybaras werden oft in einer eigenen Familie, den Riesennagern (Hydrochoeridae), geführt, allerdings ist genetischen Untersuchungen zufolge das Bergmeerschweinchen näher mit den Capybaras als mit den Eigentlichen Meerschweinchen verwandt.[6] Jüngere Systematiken wie Wilson & Reeder (2005) ordnen das Wasserschwein deshalb den Meerschweinchen zu und fassen es gemeinsam mit dem Bergmeerschweinchen in die Unterfamilie der Hydrochoerinae innerhalb der Meerschweinchen (Caviidae).[7] Ob die Eigentlichen Meerschweinchen oder die Pampashasen (Dolichotinae) als Schwestergruppe der Hydrochoerinae zu betrachten sind, ist derzeit noch nicht abschließend geklärt und variiert bei den verschiedenen Autoren. Nach Rowe & Honeycutt 2002 werden die Dolichotinae und die Hydrochoerinae zusammengefasst,[6] dem folgen auch Vucetich et al. 2012[8] während Pérez & Vucetich 2011 die Hydrochoerinae und die Caviinae zusammenfassen.[9]
Folgende Unterfamilien und Gattungen werden unterschieden:
- Eigentliche Meerschweinchen (Caviinae)
- Echte Meerschweinchen (Cavia)
- Gelbzahnmeerschweinchen (Galea)
- Zwergmeerschweinchen (Microcavia)
- Pampashasen (Dolichotinae)
- Pampashasen oder Maras (Dolichotis)
- Hydrochoerinae
Nutz- und Haustiere
In Teilen Lateinamerikas werden insbesondere echte Meerschweinchen, aber auch Capybaras und andere Arten, als Fleischlieferant genutzt. In zahlreichen Ländern werden zudem Hausmeerschweinchen als Haustiere gehalten.
Nach den jüdischen Speisegesetzen sind Meerschweinchen nicht zum Verzehr geeignet.
Siehe auch
Literatur
- Ronald M. Nowak: Walker's Mammals of the World. 2 Bände. 6. Auflage. Johns Hopkins University Press, Baltimore MD u. a. 1999, ISBN 0-8018-5789-9.
- Malcolm C. McKenna, Susan K. Bell: Classification of Mammals. Above the Species Level. Revised edition. Columbia University Press, New York NY 2000, ISBN 0-231-11013-8.
- Don E. Wilson, DeeAnn M. Reeder (Hrsg.): Mammal Species of the World. A taxonomic and geographic Reference. 2 Bände. 3. Auflage. Johns Hopkins University Press, Baltimore MD 2005, ISBN 0-8018-8221-4.
Filmdokumentationen
- Meerschweinchen – Erstaunliche Zwerge, TV-Dokumentation von Herbert Ostwald, Deutschland 2009, 50 Minuten.
Weblinks
Belege
- Lina S. V. Roth, Anna Balkenius, Almut Kelber: Colour perception in a dichromat. In: Journal of Experimental Biology. 210, Nr. 16, 2007, ISSN 0022-0949, S. 2795–2800, doi:10.1242/jeb.007377, PMID 17690226.
- Sasha Englard, Sam Seifter: The biochemical functions of ascorbic acid. In: Annual Review of Nutrition. Bd. 6, 1986, ISSN 0199-9885, S. 365–406, doi:10.1146/annurev.nu.06.070186.002053.
- Shayne C. Gad (Hrsg.): Animal Models in Toxicology. 2. Ausgabe. CRC/Taylor & Francis, Boca Raton FL u. a. 2007, ISBN 978-0-8247-5407-5, S. 334–402.
- Vgl. Online Etymology Dictionary: guinea pig (englisch)
- William Harvey (1653): Anatomical exercitations concerning the generation of living creatures to which are added particular discourses of births and of conceptions, etc., S. 527.
- Diane L. Rowe, Rodney L. Honeycutt: Phylogenetic Relationships, Ecological Correlates, and Molecular Evolution Within the Cavioidea (Mammalia, Rodentia). Molecular Biology and Evolution 19 (3), 2002; S. 263–277. (Volltext)
- Don E. Wilson, DeeAnn M. Reeder (Hrsg.): Mammal Species of the World. 3. Auflage. 2005.
- María Guiomar Vucetich, Cecilia M. Deschamps, María E. Pérez: Paleontology, Evolution and Systematics of Capybara. In: José Roberto Moreira, Katia Maria P.M.B. Ferraz, Emilio A. Herrera, David W. Macdonald (Hrsg.): Capybara. Biology, Use and Conservation of an Exceptional Neotropical Species. Springer Science & Business Media 2012; S. 39–59. ISBN 978-1-4614-3999-8.
- María Encarnación Pérez, María Guiomar Vucetich: A New Extinct Genus of Cavioidea (Rodentia, Hystricognathi) from the Miocene of Patagonia (Argentina) and the Evolution of Cavioid Mandibular Morphology. Journal of Mammalian Evolution 18 (3), September 2011; S. 163–183. doi:10.1007/s10914-011-9154-1.