Martinuskirche (Dittelstedt)
Die römisch-katholische Martinuskirche steht zwischen Rudolstädter Straße, Brunnengasse und Am Alten Brunnen in Dittelstedt, einem Ortsteil der Thüringer Landeshauptstadt Erfurt. Ihr Schutzpatron ist Martin von Tours. Sie gehört zur Kirchgemeinde St. Nikolaus in Melchendorf.
Geschichte
Die Kirche wurde 1682[1] anstelle eines 1647 abgetragenen Vorgängerbaus errichtet. 1812 kam ein daneben stehender Kirchturm hinzu. Er wurde gebaut aus den Werksteinen der abgerissenen, aus dem 13. Jahrhundert stammenden Corpus-Christi-Kapelle auf dem Petersberg, die im Schussfeld der Petersberg Zitadelle gestanden hatte und daher geschleift worden war. Zuvor hingen die Glocken in einem freistehenden Glockenstuhl. 1813 wurde die Kirche durch französische Truppen verwüstet und anschließend wiederhergestellt.
1935 erfolgte ein Umbau der Kirche. Im Zweiten Weltkrieg wurde sie beschädigt und anschließend wiederhergestellt. 1987 fand wieder eine Renovierung statt. Im Rahmen der Renovierung von Turm, Altar, Kreuzwegstationen im Jahr 2010 wurde eine elektronische Orgel angeschafft. Ferner wurden die kupferne Turmkugel und das vergoldete Turmkreuz aufgearbeitet.[2] Die Böttcher-Orgel ist seit 2021 in Restauration.
Baubeschreibung
Die mit einem Satteldach bedeckte, im Westen abgewalmte Saalkirche hat einen dreiseitigen Abschluss im Osten. Dort ist der oktogonale Kirchturm aus Werksteinen angefügt. Sein spitzer Helm hat eine Schieferdeckung. Das Kirchenschiff hat an den Längsseiten 4 Rundbogenfenster. Ein Epitaph des Abtes Casselmann († 1737) vom Erfurter Benediktinerkloster verschließt außen an der Südwand den früheren Eingang.
Ausstattung
Der barocke Altar wie auch die Kreuzwegstationen stammen aus der Corpus-Christi-Kapelle. In der Kirche findet sich ein kleines Relief mit der Darstellung von Maria und Johannes aus der Zeit um 1600.
Orgel
Die historische Orgel wurde 1884 von dem Orgelbauer Friedrich Wilhelm Böttcher (* 10. November 1855; † 27. August 1938) aus Sömmerda erbaut.[3]
Geschichte
1806 ist von einer Orgel in St. Martin die Rede, die durch Kriegsereignisse unbrauchbar wurde.[4] Orgelbauer Wilhelm Brenner legte 1848 ein Angebot für ein neues Instrument vor, eine erweiterte Hausorgel.[5] Friedrich Wilhelm Böttcher baute die heutige Orgel im Jahr 1884. Er hatte sich 1881 mit einer Werkstatt in Sömmerda selbstständig gemacht, die er bis 1901 innehatte. Anschließend ließ er sich in Weimar nieder, wo er bis 1935 als Orgelbauer wirkte.[6]
Letztmals wurde die Orgel etwa im Jahre 2000 gespielt. Zuletzt waren die Tasten und die Traktur nicht mehr funktionstüchtig und viele Pfeifen in einem desolaten Zustand. Seit der Erbauung wurde der Wind wurde vor allem im Pedal- und Oberwerk teils sehr ungünstig geleitet. Ab Weihnachten 2021 übernahm Karl Mahler die Reparatur-, Wartungs- und Einstellungsarbeiten. Bis Ostern 2022 sollen grundlegende Verbesserungen vorgenommen werden und das Instrument wieder spielbar gemacht werden.
Beschreibung
Das zweite Manualwerk ist nicht erhalten, es wurde in den letzten Jahrzehnten abgebaut, weil es vermutlich in dem kleinen Orgel-Gehäuse den Platz versperrt hatte, Reparaturarbeiten an der Windlade des Hauptwerkes vorzunehmen. Dies ist exemplarisch für den gesamten Zustand der Orgel: An fast allen Stellen wurden die Bauteile derart konstruiert, dass Reparaturarbeiten ausgeschlossen sind.
Der ursprünglich 2,50 m × 1 m große (und somit überdimensionierte) Magazinbalg wurde mit Wind versorgt durch einen darunter montierten ebenso großen Keil- oder Schöpfbalg, welcher immer noch funktionstüchtig ist. Später wurden ein Orgelmotor (220 V in Dreieck-Schaltung, an 400 V in Sternschaltung angeschlossen) sowie ein Gebläse montiert.
Hauptwerk und Oberwerk (HW und OW) stehen auf derselben Ebene, direkt hintereinander, sodass Wartungsarbeiten einen kompletten Ausbau der Windwerke voraussetzen.
Die Pedallade (16′ Gedackt und 8′ Holzprinzipal) besteht aus Registerkanzellen mit einer Art Kegellade, welche aber nicht kegelförmig, sondern in Form von „Eimern“ realisiert wurden. Dadurch wird die Windversorgung beeinträchtigt. Die feineren Windkanäle der Pedallade wurden derart gefertigt, dass die Strömung stark beeinträchtigt wurde und somit die Pedalregister nicht wirklich klingen konnten, da die Pfeifen nicht mit ausreichend Spielwind versorgt wurden. Eine aerodynamische Optimierung wurde von Karl Mahler im Januar 2022 vorgenommen, anstatt das Pedalwerk komplett neu anzufertigen, was nicht finanzierbar gewesen wäre.
Für die Pedalkoppel (Pedal an I) wurde ein separates Wellenbrett angefertigt, welches ebenfalls erst durch die Reparatur von Karl Mahler wieder funktionstüchtig gemacht wurde.
Die Disposition folgt dem spätromantischen Klangideal (Ende des 19. Jahrhunderts), wobei das Oberwerk (II. Manual) deutlich leisere sogenannte Echo-Register enthält, die mit leisen Streich- und Flötenregister im Hauptwerk korrespondieren. Zungenpfeifen waren generell nicht vorgesehen. Somit stellte der Ausbau des zweiten Manuals keinen klanglichen Verlust für dieses historische Instrument dar, zumal aufgrund des schlechten Zustandes der Pfeifen und Windversorgung ein konzertanter Zweck dieser Orgel eher ausgeschlossen ist.
Der 8′-Prinzipal stehen im Prospekt, wobei dieses Register mit Kondukten ausgehend von den Tonkanzellen der Windlade vom Hauptwerk mit Luft versorgt wird.
Die Tonanordnung ist konsequent symmetrisch konzipiert, auch im Pedalwerk, wobei die Tonabstände ganztönig sind mit Tonwiederholungen im Oktavabstand.
Das Oberwerk verfügt über sehr leise Register, welche somit rasch zum Überblasen neigen. Dies ist bedingt durch die kleine Aufschnittbreite der Pfeifenmensur. Berücksichtigt wurde die dadurch bedingte geringere Luftzufuhr im Windkanalsystem nicht. Dies bekräftigt den endgültigen Abbau des zweiten Manuals, sodass zumindest das Pedalwerk in Kombination mit dem Hauptwerk und der Pedalkoppel in Zukunft eine wohlklingende Orgel erzeugen dürfte.
Disposition
|
|
|
- Koppeln: (II/I), I/P
Literatur
- Dehio-Handbuch der deutschen Kunstdenkmäler, Thüringen. Deutscher Kunstverlag, München / Berlin 2003, ISBN 3-422-03095-6.
Weblinks
Einzelnachweise
- Datenblatt auf kirchbau.de
- Thüringische Landeszeitung, 29. Oktober 2010
- Hartmut Haupt: Orgeln in Nord- und Westthüringen. Ausbildung und Wissen, Bad Homburg / Leipzig 1998, ISBN 3-932366-00-X, S. 101.
- Chronik von Dittelstedt; abgerufen am 9. Februar 2022.
- Uwe Pape (Hrsg.): Lexikon norddeutscher Orgelbauer. Band 1: Thüringen und Umgebung. Pape, Berlin 2009, ISBN 978-3-921140-86-4, S. 36.
- Uwe Pape (Hrsg.): Lexikon norddeutscher Orgelbauer. Band 1: Thüringen und Umgebung. Pape, Berlin 2009, ISBN 978-3-921140-86-4, S. 34.