Marinestation der Ostsee
Die Marinestation der Ostsee war eine Dienststelle der preußischen Marine, der Marine des Norddeutschen Bundes, der Kaiserlichen Marine, der Reichsmarine und der Kriegsmarine. Sie war neben der Marinestation der Nordsee eine von zwei dauerhaft bestehenden Marinestationen. Daneben gab es in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg zeitweilig mehrere Auslandsstationen. Die Marinestation der Ostsee wurde am 1. Mai 1854 in Danzig eingerichtet. Im März 1865 wurde sie nach Kiel verlegt und am 1. Februar 1943 in das Marineoberkommando Ostsee umgewandelt, das mit Ende des Zweiten Weltkriegs aufgelöst wurde.[1]
Organisation
Preußische Marine, Marine des Norddeutschen Bundes und Kaiserliche Marine
Im Zuge des Aufbaus der preußischen Marine wurde 1854 das Stationskommando Danzig aufgestellt. Nachdem Schleswig-Holstein als Folge des Deutsch-Dänischen Krieges unter österreichisch-preußische Verwaltung gestellt worden war, vereinbarten diese beiden Staaten 1865 in der Gasteiner Konvention, dass Preußen Kiel als Kriegshafen nutzen dürfe.[2] Daraufhin wurde das Stationskommando noch im selben Jahr dorthin verlegt.
Aufgabe der Marinestationen war die Führung der im Kommandobereich liegenden Festungen und Ausbildungseinrichtungen.[3] Außerdem führten sie anfangs alle in ihrem Verantwortungsbereich befindlichen Seestreitkräfte, bis 1891 ein eigenes Kommando für die Führung der Flotte geschaffen wurde.[4]
Dem Stationskommando der Ostsee unterstanden 1914:[4]
- Im Heimathafen liegende Schiffe, die keinem aktiven Geschwader zugeteilt waren.
- eine Anzahl von Fahrzeugen auf Auslandsstationen
- Kommandantur Friedrichsort
- Hafenkapitän Kiel
- Abwicklungsbüro Ostsee
- I. Marineinspektion
- Inspektion des Torpedowesens (Kiel)
- Torpedoversuchskommando (Kiel)
- Torpedowerkstatt Friedrichsort
- Torpedoschulschiffe und -boote (darunter Großer Kreuzer, zwei Kleine Kreuzer)
- I.–VII. Torpedobootflottille (davon I.–III. Im Ostseebereich)
- I. Torpedodivision (Ausbildung) mit Reserve- und Schulbooten
- Inspektion der Schiffsartillerie (Sonderburg)[5]
- Artillerie-Versuchskommando
- Schiffsartillerieschule
- Schulschiffe (darunter ein Linienschiff, zwei Große Kreuzer, drei Kleine Kreuzer)
- I. Matrosenartillerieabteilung
- Inspektion der Marineinfanterie Kiel
- I., II. und III. Seebataillon
- Stamm-Seebataillon (Cuxhaven)
- Inspektion des Unterseebootwesens (Kiel)
- 2 U-Flottillen
- zwei Kleine Kreuzer, ein Spezialschiff
Der Stationsschef war zugleich Gouverneur von Kiel. Die Inspektionen entsprachen der Brigadeebene des Heeres und wurden von einem Konteradmiral geführt.[6] Ihre fachliche Zuständigkeit war nicht auf den regionalen Bereich der Marinestation beschränkt.[4]
Reichsmarine
Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und dem Friedensvertrag von Versailles musste Deutschland seine Marine erheblich verkleinern. Dem weiterhin bestehenden Kommando der Marinestation der Ostsee unterstanden folgende Kräfte und Einrichtungen (Stand 1930/31[7]):
- Küstenverteidigung der Ostsee
- Marineartillerieabteilungen I. (Kiel), III. (Swinemünde) und V. (Pillau)
- Kommandanturen in Swinemünde und Pillau
- Schiffsstammdivision der Ostsee (S.D.O.)
- Fahrzeugverband der Ostsee in Kiel mit Stationstender Nordsee
- Küstennachrichtenwesen der Ostsee
- Inspektion des Bildungswesens der Marine (B.I.)
- Marineschulen in Flensburg-Mürwik, Friedrichsort und Kiel-Wik
- Marinefachschulen
- Marinearchiv (Berlin)
- zeitweilig unterstellte Schulkreuzer
- Segelschulschiff Niobe
- Inspektion des Torpedo- und Minenwesens (T.M.I.)
- Torpedoversuchsanstalt (T.V.A.) in Eckernförde
- Torpedo- und Nachrichtenschule (T.N.S.) in Flensburg-Mürwik
- Torpedolaboratorium in Kiel
- Nachrichtenmittelversuchsanstalt (N.V.A.) mit Funkversuchsstelle in Pelzerhaken, dazu Versuchsboot Grille
- Sperrversuchskommando (S.V.K.) in Kiel, dazu Versuchsverband mit Nautilus, Pelikan, S 23, T 155
- Sperrabteilung in Kiel mit Sperrschule und Sperrverband
Kriegsmarine
Nach dem Beginn der deutschen Aufrüstung in Vorbereitung auf den Zweiten Weltkrieg wuchs die Marinestation der Ostsee in den 1930er Jahren und war im Juni 1939 wie folgt gegliedert:[8]
Kommandierender Admiral der Marinestation der Ostsee
- Küstenbefehlshaber westliche Ostsee
- Küstenbefehlshaber Pommern
- Küstenbefehlshaber östliche Ostsee
- Befehlshaber der Sicherung der Ostsee
- II. Admiral der Ostsee (von 1934 bis 1938), II. Admiral der Ostseestation (von 1938 bis 1942), II. Admiral der Ostsee (von 1942 bis April 1945), ab April 1945 II. Admiral der Ostsee/Nordsee:
- Konteradmiral Karlgeorg Schuster von September 1935 bis März 1938
- Konteradmiral Hermann Mootz von Januar 1939 bis August 1939
- Vizeadmiral Wolf von Trotha von September 1939 bis Dezember 1939
- Kapitän zur See/Konteradmiral/Vizeadmiral Kurt Slevogt von Dezember 1939 bis März 1943
- Konteradmiral Siegfried Sorge von April 1943 bis Januar 1945
- Vizeadmiral Helmuth Brinkmann von Januar 1945 bis Kriegsende, ab April 1945 als II. Admiral der Ostsee/Nordsee
- Kommandant der Seewasserstraße Kaiser-Wilhelm-Kanal
Im Lauf des Krieges vergrößerte sich der Befehlsbereich der Ostseestation um die besetzten Küstengebiete. Dafür wurde eine Anzahl von zusätzlichen Befehlsstellen geschaffen, die teilweise nur für kurze Zeit bestanden:[1]
- Marinebefehlshaber Dänemark, später Admiral Dänemark, Admiral Skagerrak
- Admiral Ostland
- Umbenennung der Küstenbefehlshaber in Admirale westliche und östliche Ostsee, Auflösung Küstenbefehlshaber Pommern
Außerdem unterstanden der Marinestation eine Anzahl von Dienststellen truppendienstlich:
- Inspektion des Bildungswesens
- Inspektion der Marineartillerie
- Torpedoinspektion
- Sperrwaffeninspektion
- Marinennachrichteninspektion
- Kriegsmarinewerft Kiel
- Kriegsmarinearsenal Gotenhafen
- Kriegsmarinedienststellen des Ostseebereichs:
Stationschefs
Die militärischen Führer der Marinestation der Ostsee trugen die Bezeichnung Chef der Marinestation der Ostsee, ab 1935 Kommandierender Admiral der Marinestation der Ostsee und ab 1943 Marineoberkommando Ostsee.
- 1854–1858 Kapitän zur See Johann Otto Donner
- 1858–1860 unbekannt
- 1860–1861 Korvettenkapitän Heinrich Köhler
- 1862–1867 Konteradmiral Eduard von Jachmann
- 1867–1869 Kapitän zur See Jacob Bothwell
- 1869–1874 Konteradmiral Eduard Heldt
- 1875–1878 Konteradmiral Reinhold von Werner
- 1878–1881 Konteradmiral Franz Kinderling
- 1881–1883 Vizeadmiral Karl Ferdinand Batsch
- 1883–1887 Konteradmiral/Vizeadmiral Wilhelm von Wickede
- 1887–1889 Vizeadmiral Louis von Blanc
- 1889–1895 Vizeadmiral/Admiral Eduard von Knorr
- 1896–1903 Admiral Hans von Koester
- 1903–1906 Admiral Prinz Heinrich von Preußen
- 1906–1910 Vizeadmiral/Admiral Curt von Prittwitz und Gaffron
- 1910–1912 Vizeadmira/Admiral Ludwig von Schröder
- 1912–1914 Admiral Carl von Coerper
- 1914–1915 Vizeadmiral Gustav Bachmann
- 1915 Vizeadmiral Reinhard Koch
- 1915–1918 Admiral Gustav Bachmann
- 1918–1919 Admiral Wilhelm Souchon
- 1919–1920 Konteradmiral Hugo Meurer
- 1920 Konteradmiral Magnus von Levetzow
- 1920–1925 Kapitän zur See/Konteradmiral/Vizeadmiral Ernst von Gagern
- 1925–1928 Vizeadmiral Erich Raeder
- 1928–1932 Vizeadmiral Gottfried Hansen
- 1932–1938 Vizeadmiral/Admiral Conrad Albrecht ab 1935 Kommandierender Admiral der Marinestation der Ostsee
- 1938–1940 Generaladmiral Rolf Carls
- 1940–1943 Admiral Günther Guse
- 1943–1944 Admiral Hubert Schmundt ab 1943 Oberbefehlshaber des Marineoberkommandos Ostsee
- 1944–1945 Generaladmiral Oskar Kummetz
Einzelnachweise
- Walter Lohmann, Hans H. Hildebrand: Die deutsche Kriegsmarine 1939–1945. Sammelwerk in drei Bänden, O.O. 1956, Band I, Kapitel 81, S. 1 f.
- Artikel 2 der Gasteiner Konvention in: Ernst Rudolf Huber: Dokumente zur deutschen Verfassungsgeschichte. Verlag Kohlhammer, Stuttgart 1961, S. 182.
- Wilhelmshavener Heimatlexikon. Band 2, S. 231, Wilhelmshaven 1987.
- Konrad Ehrensberger; 100 Jahre Organisation der deutschen Marine 1890–1990; Bonn 1993; ISBN 3-7637-5913-1
- Schon in der Kaiserzeit wurde dort die Sønderborg Kaserne errichtet, welche als Kaiserliche Schiffsartillerieschule und Schützen-Kaserne dienen sollte.
- Marinestation der Nordsee bei deutsche-schutzgebiete.de, abgerufen am 17. Februar 2019
- Wilhelm Köhler, Mitarbeit von Max Plüddemann. Illustrierter Deutscher Flotten-Kalender für 1932 (Köhlers Flotten-Kalender), 30. Jahrgang, Minden
- Walter Lohmann, Hans H. Hildebrand: Die deutsche Kriegsmarine 1939–1945. Sammelwerk in drei Bänden, O.O. 1956, Band I, Kapitel 3, S. 13 f.