Marija Walerjewna Butina
Marija Walerjewna Butina (russisch Мари́я Вале́рьевна Бу́тина; * 10. November 1988 in Barnaul, Sowjetunion) ist eine russische Waffenlobbyistin in den USA. US-Behörden werfen ihr Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten vor.
Leben
Aktivistin in Russland und Studium in den USA
Marija Butina studierte im westsibirischen Barnaul Politologie. Mit 22 Jahren zog sie nach Moskau und engagierte sich als Vorsitzende des erst regionalen, dann allrussischen Verbandes Recht auf Waffen für ein Recht der Russen auf eigene Handfeuerwaffen. Obschon das Thema angesichts krimineller Polizisten auch bei Oppositionellen diskutiert wurde,[1] war Butina eine Anhängerin Putins.[2] Der russische Verband arbeitete mit der US-amerikanischen Waffenlobby National Rifle Association (NRA) zusammen.[1] Bei einem Fernsehauftritt 2013 setzte sie sich energisch für neue Waffengesetze in Russland ein.
Butina besuchte ab 2014 zu mehreren Anlässen die USA[3] und begann 2016, mit einem Studenten-Visum[4] an der American University zu studieren. Sie belegte unter anderem Kurse in Cybersicherheit und schloss das teure Studium im Mai 2018 mit dem Master ab.[5] Im gleichen Jahr wurde der russische Verband Recht auf Waffen wegen Unvereinbarkeit mit russischen Gesetzen liquidiert.[1]
Im Jahr 2015 stellte Butina dem damaligen Wahlkämpfer Donald Trump bei einer Veranstaltung in Las Vegas vor laufenden Kameras eine Frage zu dessen Russlandstrategie. Trump hatte sie selbst aufgerufen.[6][7] Butina argumentierte in einem von der Fachzeitschrift The National Interest veröffentlichten Artikel, ein Wahlsieg eines republikanischen Kandidaten bei der Präsidentschaftswahl 2016 könnte eine Verbesserung der russisch-amerikanischen Beziehungen bewirken.[8] Dieser wurde auch von der russischen Nachrichtenagentur RIA aufgenommen und verbreitet.[1]
Im Jahr 2017 twitterte Alexander Torschin, stellvertretender Vorsitzender der russischen Zentralbank und Staatssekretär, über Marija Butina: „Du übertrumpfst Anna Chapman. Sie posiert mit Spielpistolen, du aber – mit echten.“ Sie hatte für Torschin 2011 als Duma-Assistentin und Dolmetscherin[9] gearbeitet. Beide sind Mitglieder der NRA auf Lebenszeit.[10]
Anklage und Verurteilung als Verschwörerin und Agentin
Am 15. Juli 2018, unmittelbar vor dem Gipfeltreffen der Präsidenten Russlands und der USA, Wladimir Putin und Donald Trump, in Helsinki, wurde sie in Washington, D.C. festgenommen. Ihr wurde vorgeworfen, sie sei, ohne sich bei den US-Behörden registriert zu haben, als Agentin im Interesse des russischen Staates aktiv (18 U.S.C. § 951) und an einer Verschwörung gegen die USA[11] (18 U.S.C. § 371) beteiligt gewesen. Laut den US-Ermittlern bestand Fluchtgefahr und sie wurde in Untersuchungshaft genommen.
Butina habe eine Beziehung zu dem nahezu doppelt so alten politischen Berater der Republikanischen Partei und Repräsentant US-Waffenlobby NRA, Paul Erickson aus South Dakota, aufgebaut, mit dem sie auch zusammen lebte[12] und der mutmaßlich das Studium Butinas finanziert hatte.[10][13] Erickson wurde in der Anklageschrift als „US Person Nr. 1“ bezeichnet.[14] Im September 2018 räumte die Staatsanwaltschaft ein, dass sie Textnachrichten zwischen Butina und einem Freund falsch interpretiert hatte und der darauf basierende Vorwurf, Sex als Gegenleistung für einen Job angeboten zu haben,[4] eine falsche Anschuldigung war.[15] Die Staatsanwaltschaft forderte dennoch die Beibehaltung der Untersuchungshaft wegen Fluchtgefahr. Seit ihrer Festnahme sei deutlicher geworden, dass Butina eine russische Agentin sei. Dies begründete die Staatsanwaltschaft mit der Intensität der konsularischen Betreuung Butinas durch die russische Regierung und mit den Beschwerden des russischen Außenministers Sergei Lawrow bei seinem US-Amtskollegen.[15]
Neben Konferenzen der NRA besuchte sie Anlässe wie die Conservative Political Action Conference und am 31. Januar 2017 mit Torschin das alljährliche National Prayer Breakfast in Washington, D.C. Die „US Person Nr. 2“ in der Anklageschrift ist Bloomberg zufolge George D. O’Neill Jr., Ältester der fünften Generation aus dem Rockefeller-Klan und Ausrichter des National Prayer Breakfast.[16] Die Veranstaltung wird eingeschätzt als religiös-überparteiliche Kontaktbörse, an der seit Dwight D. Eisenhower jeder amerikanische Präsident teilnahm.[17]
US-Ermittler des FBI werfen Butina in einem 29-seitigen Bericht vor, versucht zu haben, sowohl die US-Waffenlobby NRA als auch die Republikanische Partei zu infiltrieren. Sie soll regelmäßig russische Geheimdienstler in den USA getroffen und von einem Kreml-nahen Oligarchen finanziell gefördert worden sein.[12][18] Von 2015 bis 2017 soll sie als Agentin gearbeitet haben und ihre Aufträge von einem Kontakt in der Russischen Zentralbank bekommen haben. Diese Person stehe seit April 2018 auf der US-Sanktionsliste. Butina soll laut FBI dessen „Sonderassistentin“ gewesen sein.[4]
Der russische Außenminister Sergei Lawrow rief seinen US-Amtskollegen Mike Pompeo an und forderte die sofortige Freilassung Butinas. Er bezeichnete die Vorgehensweise gegen die Russin als „unzulässig“.[19]
Mitte Dezember 2018 gestand Butina ein, seit 2015 unter Anleitung eines russischen Funktionärs tätig gewesen zu sein, und bekannte sich der Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten (Conspiracy to commit offense or to defraud United States) schuldig. Ziel sei gewesen, Einfluss auf die NRA zu gewinnen.[20] Im Gegenzug für das Geständnis und die angekündigte Kooperation mit den Ermittlungsbehörden wurde der zweite Anklagepunkt der Tätigkeit als unregistrierte ausländische Agentin fallengelassen.[20] Am 14. Dezember 2018 kommentierte Lawrow die angekündigte Zusammenarbeit Butinas mit den US-Behörden als Resultat einer Art angeblicher Folter.[21] Ende Dezember 2018 wurde die Einzelhaft aufgehoben,[22] im April 2019 schien absehbar, dass sie nicht zu mehr als den sechs Monaten Freiheitsstrafe verurteilt werden würde, welche sie bereits in Untersuchungshaft gesessen hatte, womit sie direkt nach der Urteilsverkündung nach Russland hätte abgeschoben werden können.[23] Das Urteil vom 26. April 2019 umfasste stattdessen 18 Monate Haft.[24] Am 25. Oktober 2019 wurde Marija Butina schließlich aus der Haft in Tallahassee entlassen, dem United States Immigration and Customs Enforcement übergeben und noch am selben Tag in einem Flugzeug nach Russland ausgeflogen.[25][26]
Veröffentlichung
- Тюремный дневник (deutsch Gefängnistagebuch) Verlag AST, Moskau 2020, ISBN 978-5-17-134001-8.
Einzelnachweise
- Viktor Davydov: Meet Maria Butina, the FBI’s Russian gun nut undeclared foreign agent. In: Meduza. 18. Juli 2018, abgerufen am 3. August 2018 (englisch, Übersetzung aus dem Russischen von Kevin Rothrock).
- Julia Joffe: The Rise of Russia’s Gun Nuts, The New Republic, 16. November 2012
- How Maria Butina, accused Russian spy, worked her way into top US circles, The Guardian, 17. Juli 2018
- Maria Butina: Alleged Russia agent 'offered sex for job', BBC, 19. Juli 2018
- Peter Blunschi: Die mysteriöse «Agentin» Maria Butina. In: Watson. 26. Juli 2018, abgerufen am 3. August 2018.
- Stefan Koch: Die Frau, die aus der Kälte kam. In: Märkische Allgemeine. 22. Juli 2018, abgerufen am 3. August 2018.
- Casey Michel: Here are all the Republican leaders and conservative activists Maria Butina met. In: ThinkProgress (Projekt des Center for American Progress Action Fund). 17. Juli 2018, abgerufen am 3. August 2018 (englisch).
- Maria Butina: The Bear and the Elephant. In: The National Interest. 12. Juni 2015, abgerufen am 3. August 2018 (englisch): „It may take the election of a Republican to the White House in 2016 to improve relations between the Russian Federation and the United States.“
- Vladimir Kozlovsky: Консерваторий. In: Nowaja Gaseta. 1. August 2018, abgerufen am 16. August 2018 (russisch): „Но дальше сообщалось, что Бутина встречалась с ними в качестве переводчицы своего ментора, бывшего сенатора, а потом зампреда Центробанка Александра Торшина, который приезжал в США в апреле 2015 года.“
- Vladimir Kozlovsky: Агентесса влияния. In: Nowaja Gaseta. 21. Juli 2018, abgerufen am 16. August 2018 (russisch).
- Grand jury indicts Maria Butina, a Russian national with deep ties to the NRA, for conspiracy and acting as a Russian agent, Business Insider, 17. Juli 2018
- Sharon LaFraniere, Adam Goldman: Maria Butina, Suspected Secret Agent, Used Sex in Covert Plan, Prosecutors Say. In: The New York Times. 18. Juli 2018, abgerufen am 24. Juli 2018 (englisch).
- Agenten oder nur Liebhaber?, Nowaja Gaseta, 9. Februar 2019
- Stefan Scholl: Sex gegen Einfluss: Fall Maria Butina wird zum US-russischen Agentenkrimi. In: Kölnische Rundschau. 26. Juli 2018, abgerufen am 3. August 2018.
- Sharon LaFraniere: Prosecutors In Spy Case Admit Error On Sex Claim. In: The New York Times. New York edition. 9. September 2018, S. A18 (amerikanisches Englisch, nytimes.com [abgerufen am 20. Dezember 2018] online veröffentlicht am 8. September 2018 unter anderer Überschrift).
- Polly Mosendz, Greg Farrell, Ilya Arkhipov: Butina Sought a Secret Kremlin Line to the U.S. A Rockefeller May Have Helped. In: Bloomberg. 26. Juli 2018, abgerufen am 3. August 2018 (englisch).
- Florian Schillat: Kaffee- und Kuchen-Veranstaltung mit Donald Trump – die AfD ist auch eingeladen. In: Stern. 8. Februar 2018, abgerufen am 3. August 2018.
- Russian billionaire with U.S. investments backed alleged agent Maria Butina, according to a person familiar with her Senate testimony, Washington Post, 22. Juli 2018
- Martha Wilczynski: Eine Festnahme wider die Annäherung? In: tagesschau.de. ARD, 24. Juli 2018, abgerufen am 24. Juli 2018.
- Rozina Sabur: Accused Russian agent Maria Butina pleads guilty to attempting to sway US policy. In: The Daily Telegraph. 13. Dezember 2018, abgerufen am 20. Dezember 2018 (englisch).
- Russian foreign minister says Maria Butina was ‘tortured’ into cooperating with U.S. law enforcement, Meduza, 14. Dezember 2018
- Butina durfte mit anderen Gefangenen in den USA in Kontakt treten, Interfax.ru, 28. Dezember 2018
- Goodbye, Amerika, Nowaja Gaseta, 4. April 2019
- Die Russin Maria Butina wurde wegen Verschwörung im Interesse Russlands zu 18 Monaten Gefängnis verurteilt, Nowaja Gaseta, 26. April 2019
- Devlin Barrett: National Security: Russian gun rights advocate Maria Butina released from prison, deported. In: The Washington Post, 25. Oktober 2019, abgerufen am 26. Oktober 2019.
- Russische Spionin Maria Butina aus Haft entlassen. In: Süddeutsche Zeitung, 25. Oktober 2019, abgerufen am 26. Oktober 2019.