Malariaimpfstoff
Ein Malariaimpfstoff ist ein Impfstoff gegen Plasmodien, die Erreger der Malaria. Die Entwicklung von Malariaimpfstoffen stellt in der Forschung eine besondere Herausforderung dar, da Malariaerkrankungen in Menschen keine vollständige Immunität gegen weitere Erkrankungen hervorrufen. Die Strategie, Menschen mit abgeschwächten oder getöteten Erregern zu injizieren um eine Immunreaktion auszulösen, ist somit deutlich weniger praktikabel, als es bei etablierten Impfungen wie zum Beispiel der Grippe oder Polio der Fall ist.[1]
Aktuell gibt es weltweit nur einen einzigen zugelassenen Malariaimpfstoff, genannt RTS,S. Die Effektivität des Impfstoffes ist zwar vergleichsweise niedrig, stellt aber dennoch einen wesentlichen Fortschritt dar und wurde deshalb 2015 von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für ein vorläufiges Impfprogramm empfohlen, welches 2019 in Ghana, Kenia, und Malawi begann.[2] Basierend auf den Pilotversuchen empfahl die WHO im Oktober 2021 die breite Anwendung des Vakzins RTS,S für den Kampf gegen Malaria.[3]
Allgemeines
Es werden vier für Menschen gefährliche Spezies von Malaria-Erregern unterschieden. Theoretisch müsste gegen jede Spezies ein eigener Impfstoff entwickelt werden. Da Plasmodium falciparum jedoch 80 % aller Erkrankungen und 90 % aller Todesfälle weltweit verursacht, konzentriert sich die Forschung vor allem auf diese Spezies.[4]
Plasmodium bietet innerhalb seines Lebenszyklus verschiedene Ansatzpunkte für die Wirkung von Impfstoffen. Die sog. präerythrozytären Impfstoffe, die in den Lebenszyklus des Parasiten eingreifen, sind am weitesten entwickelt.[5]
RTS,S
Der präerythrozytäre Impfstoff RTS,S (vermarktet als Mosquirix) besteht aus dem Circumsporozoit-Protein (CSP) aus P. falciparum, das an HBsAg gekoppelt wurde und einem Adjuvans,[6] wodurch neutralisierende Antikörper induziert werden.[7] Eine Pilotierung soll in den Jahren 2017 bis 2022 erfolgen.[8] Der Pharmakonzern GlaxoSmithKline (GSK) hat RTS,S zusammen mit der PATH Malaria Vaccine Initiative über einen Zeitraum von rund 30 Jahren entwickelt und erprobt. Die Bill & Melinda Gates Foundation finanzierte die Forschung mit.[9] Die Effizienz liegt je nach Alter der geimpften Kinder zwischen 36,3 und 25,9 % bei drei Impfungen plus einer Boosterimpfung. Der Schutz ist dabei in den ersten 2 Jahren am größten und fällt kontinuierlich ab.[10]
Historie
Erste Impfversuche gegen Malaria wurden 1948 mit inaktivierten Merozoiten von Plasmodium falciparum durchgeführt.[11] Jedoch existierte keine zuverlässige Methode zur Zählung der Plasmodien und die Nebenwirkungen des Adjuvans waren ausgeprägt. Ab 1967 wurden röntgenbestrahlte Sporozoiten von P. berghei eingesetzt, die zuvor aus den Speicheldrüsen infizierter Mosquitos isoliert worden waren.[12][13] Eine Beschränkung der Methode war die Gewinnung ausreichender Mengen an Sporozoiten.
In den 1990er Jahren wurde der Peptid-Impfstoff SPf66 (Serum Plasmodium falciparum version 66) untersucht, der unter anderem als Antigene das Circumsporozoit-Protein (CSP) und das Protein MSP-1 enthielt.[14] Der Impfstoff-Kandidat SPf66 wurde von Patarroyo und Kollegen an der Universidad Nacional de Colombia, Bogota (Kolumbien) entwickelt.[15] SPf66 besteht aus drei Peptid-Epitopen aus P. falciparum von verschiedenen Malariaproteinen. Die Peptide sind durch die Linkersequenz Pro-Asn-Ala-Asn-Pro (PNANP) aus dem CSP-Protein von P. falciparum verbunden. Das Monomer trägt am C- und N-Terminus eine Cysteingruppe, was Polymerisierung und damit eine höhere molare Masse und eine bessere Immunogenität ermöglichen soll.[16] In klinischen Versuchen zeigte es eine unbefriedigende Wirkung.[17]
Ab 2003 wurde der Impfstoff PfSPZ untersucht, bestehend aus bestrahlten Sporozoiten von P. falciparum,[18] der einen Impfschutz durch zytotoxische T-Zellen vermittelt.[19] Nach positiven Ergebnissen im Labor sollte im Jahr 2020 eine Studie mit 2.100 Teilnehmern auf Bioko starten.[20] Der Impfstoff muss in flüssigem Stickstoff gelagert werden.[21]
Impfstoffe in der Entwicklung
Lebendimpfstoffe
Im Juli 2021 wurden die Ergebnisse einer Phase-I-Studie mit einem PfSPZ-CVac genannten Lebendimpfstoff des Herstellers Sanaria veröffentlicht. Der Impfstoff enthält ebenso wie PfSPZ die Sporozoiten von Plasmodium falciparum.Anders als bei PfSPZ werden die Erreger hier nicht bestrahlt. Das mit dem Verabreichen eines Lebendimpfstoffs verbundene Infektionsrisiko soll stattdessen mit einer gleichzeitigen medikamentösen Prophylaxe (in der Phase-I-Studie: Pyrimethamin) unterbunden werden.[22]
mRNA-Impfstoffe
Unterstützt von der Bill & Melinda Gates Foundation kündigte CureVac im Jahr 2018 an, einen mRNA-basierten Impfstoff erforschen, der ebenfalls auf Plasmodium falciparum abzielt.[23] 2021 kündigte mit BioNTech ein weiteres Unternehmen die Entwicklung eines Malaria-Impfstoffs auf mRNA-Basis an. Eine erste klinische Studie solle bis Ende 2022 starten.[24]
R21/Matrix-M
Der Impfstoff R21/Matrix-M ist eine Weiterentwicklung von RTS,S,[25] kombiniert mit einem Saponin-Adjuvans des Unternehmens Novavax.[26] Im Vergleich zu RTS,S ist der Anteil des verwendeten Circumsporozoitenprotein (CSP)-Antigens gegenüber dem ebenfalls enthaltenen Hepatitis B-Antigen größer.[27]
Im April 2021 teilte die Universität Oxford mit, dass der an der Universität entwickelte Impfstoff R21/Matrix-M in einer Phase-II-Studie an Säuglingen und Kleinkindern das Risiko einer Erkrankung um 77 Prozent verringert und damit erstmals eine von der WHO gesetzte Schwelle von 75 % Wirksamkeit erreicht hat.[28][29] Zur Bestätigung soll eine größer angelegte Studie mit knapp 5.000 Kindern in vier afrikanischen Ländern folgen.[30] Erwartetes Studienende ist Dezember 2022.[31]
Immunologie
Experimentelle Ansätze untersuchen im Zuge der Impfstoffentwicklung als Antigene unter anderem das Circumsporozoitprotein CSP, MSP-1, PfEMP1, RIFIN, STEVOR, SURFIN, EBA, PfRh2 und PfRh4.[32][33] Antigene des Leberstadiums der Plasmodien sind z. B. LSA-3, STARP und SALSA.[34] Experimentelle Anwendungsformen umfassen DNA-Impfstoffe[33] und fliegende Spritzen.
Einzelnachweise
- CDC-Centers for Disease Control and Prevention: CDC - Malaria - Malaria Worldwide - How Can Malaria Cases and Deaths Be Reduced? - Vaccines. 28. Januar 2019, abgerufen am 14. März 2021 (englisch).
- Karen McVeigh: Malawi starts landmark pilot of first ever child malaria vaccine. In: The Guardian. 23. April 2019, abgerufen am 15. März 2021 (englisch).
- WHO recommends groundbreaking malaria vaccine for children at risk, Pressemitteilung der Weltgesundheitsorganisation vom 6. Oktober 2021.
- Bruno Douradinha, Maria M. Mota, Adrian J. F. Luty, Robert W. Sauerwein: Cross-Species Immunity in Malaria Vaccine Development: Two, Three, or Even Four for the Price of One? In: Infection and Immunity. Band 76, Nr. 3, 1. März 2008, ISSN 0019-9567, S. 873–878, doi:10.1128/IAI.00431-07, PMID 18056479.
- Wolfram Gottfried Metzger, Zita Sulyok, Antje Theurer, Carsten Köhler: Entwicklung von Impfstoffen gegen Malaria – aktueller Stand. In: Bundesgesundheitsblatt - Gesundheitsforschung - Gesundheitsschutz. Band 63, Nr. 1, Januar 2020, ISSN 1436-9990, S. 45–55, doi:10.1007/s00103-019-03070-1, PMID 31828371, PMC 7223738 (freier Volltext).
- P. Graves, H. Gelband: Vaccines for preventing malaria (pre-erythrocytic). In: The Cochrane database of systematic reviews. Nummer 4, 2006, S. CD006198, doi:10.1002/14651858.CD006198, PMID 17054280.
- L. Foquet, C. C. Hermsen, G. J. van Gemert, E. Van Braeckel, K. E. Weening, R. Sauerwein, P. Meuleman, G. Leroux-Roels: Vaccine-induced monoclonal antibodies targeting circumsporozoite protein prevent Plasmodium falciparum infection. In: The Journal of clinical investigation. Band 124, Nummer 1, Januar 2014, S. 140–144, doi:10.1172/JCI70349, PMID 24292709, PMC 3871238 (freier Volltext).
- WHO welcomes support from Gavi for malaria vaccine pilot programme. WHO, 23. Juni 2016, abgerufen am 29. Oktober 2016 (englisch, Information note).
- Spiegel.de: EU-Arzneimittelbehörde: Erster Malaria-Impfstoff kurz vor der Zulassung, abgerufen am 24. Juli 2015.
- Tinto H. et al. Efficacy and safety of RTS,S/AS01 malaria vaccine with or without a booster dose in infants and children in Africa: final results of a phase 3, individually randomised, controlled trial In: Lancet. N2015 Jul 4;386(9988), doi:10.1016/S0140-6736(15)60721-8, PMID 25913272.
- J. Freund, K. J. Thomson: Immunization of monkeys against malaria by means of killed parasites with adjuvants. In: The American journal of tropical medicine and hygiene. Band 28, Nummer 1, Januar 1948, S. 1–22, PMID 18898694.
- R. S. Nussenzweig, J. Vanderberg, H. Most, C. Orton: Protective immunity produced by the injection of x-irradiated sporozoites of plasmodium berghei. In: Nature. Band 216, Nummer 5111, Oktober 1967, S. 160–162, PMID 6057225.
- K. H. Rieckmann, P. E. Carson, R. L. Beaudoin, J. S. Cassells, K. W. Sell: Letter: Sporozoite induced immunity in man against an Ethiopian strain of Plasmodium falciparum. In: Transactions of the Royal Society of Tropical Medicine and Hygiene. Band 68, Nummer 3, 1974, S. 258–259, PMID 4608063.
- P. Graves, H. Gelband: Vaccines for preventing malaria (SPf66). In: The Cochrane database of systematic reviews. Nummer 2, 2006, S. CD005966, doi:10.1002/14651858.CD005966, PMID 16625647.
- Patarroyo ME., Romero P, et al.: Induction of protective immunity against experimental infection with malaria using synthetic peptides. Nature. 1987 Aug 13-19;328(6131): 629-32. PMID 3302727
- Kashala, Oscar, et al. Safety, tolerability and immunogenicity of new formulations of the Plasmodium falciparum malaria peptide vaccine SPf66 combined with the immunological adjuvant QS-21. Vaccine 20.17 (2002): 2263-2277.
- Graves P, Gelband H: Vaccines for preventing malaria (SPf66). In: Cochrane Database Syst Rev. Nr. 2, 2006, S. CD005966. doi:10.1002/14651858.CD005966. PMID 16625647.
- T. C. Luke, S. L. Hoffman: Rationale and plans for developing a non-replicating, metabolically active, radiation-attenuated Plasmodium falciparum sporozoite vaccine. In: The Journal of experimental biology. Band 206, Pt 21November 2003, S. 3803–3808, PMID 14506215.
- J. E. Epstein, K. Tewari, K. E. Lyke, B. K. Sim, P. F. Billingsley, M. B. Laurens, A. Gunasekera, S. Chakravarty, E. R. James, M. Sedegah, A. Richman, S. Velmurugan, S. Reyes, M. Li, K. Tucker, A. Ahumada, A. J. Ruben, T. Li, R. Stafford, A. G. Eappen, C. Tamminga, J. W. Bennett, C. F. Ockenhouse, J. R. Murphy, J. Komisar, N. Thomas, M. Loyevsky, A. Birkett, C. V. Plowe, C. Loucq, R. Edelman, T. L. Richie, R. A. Seder, S. L. Hoffman: Live attenuated malaria vaccine designed to protect through hepatic CD8⁺ T cell immunity. In: Science. Band 334, Nummer 6055, Oktober 2011, S. 475–480, doi:10.1126/science.1211548, PMID 21903775.
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- Amber Tong: CureVac to develop mRNA-based flu, malaria vaccines with new Gates Foundation grants. In: Endpoint News. 15. Februar 2018, abgerufen am 14. März 2018 (englisch).
- Tödliche Infektionskrankheit: BioNTech kämpft gegen Malaria. In: faz.net. 26. Juli 2021, abgerufen am 26. Juli 2021.
- Enhancing protective immunity to malaria with a highly immunogenic virus-like particle vaccine. In: ncbi.nlm.nih.gov. Abgerufen am 25. April 2021.
- Malaria vaccine becomes first to achieve WHO-specified 75% efficacy goal. In: eurekalert.org. 23. April 2021, abgerufen am 25. April 2021.
- Next-generation RTS,S-like malaria vaccine. In: immunopaedia.org.za. Abgerufen am 8. Oktober 2021.
- Infektionskrankheit : Erstes Malaria-Vakzin mit hoher Wirksamkeit. In: tagesschau.de. Abgerufen am 25. April 2021.
- High Efficacy of a Low Dose Candidate Malaria Vaccine, R21 in 1 Adjuvant Matrix-M™, with Seasonal Administration to Children in Burkina Faso. In: SSRN. Abgerufen am 25. April 2021.
- Neue Malaria-Vakzine bewährt sich in Phase II. In: aerztezeitung.de. 25. April 2021, abgerufen am 25. April 2021.
- Klinische Studien zur Malaria: R21/Matrix-M, Tollwut-Impfstoff - Register für klinische Studien - ICH GCP. In: ichgcp.net. Abgerufen am 8. Oktober 2021.
- J. A. Chan, F. J. Fowkes, J. G. Beeson: Surface antigens of Plasmodium falciparum-infected erythrocytes as immune targets and malaria vaccine candidates. In: Cellular and molecular life sciences : CMLS. Band 71, Nummer 19, Oktober 2014, S. 3633–3657, doi:10.1007/s00018-014-1614-3, PMID 24691798, PMC 4160571 (freier Volltext).
- V. Lorenz, G. Karanis, P. Karanis: Malaria vaccine development and how external forces shape it: an overview. In: International journal of environmental research and public health. Band 11, Nummer 7, Juli 2014, S. 6791–6807, doi:10.3390/ijerph110706791, PMID 24983392, PMC 4113845 (freier Volltext).
- W. N. Chia, Y. S. Goh, L. Rénia: Novel approaches to identify protective malaria vaccine candidates. In: Frontiers in microbiology. Band 5, 2014, S. 586, doi:10.3389/fmicb.2014.00586, PMID 25452745, PMC 4233905 (freier Volltext).