Luftangriffe auf Erfurt

Alliierte Luftangriffe a​uf Erfurt i​m Zweiten Weltkrieg erfolgten d​urch die 8th Air Force d​er United States Army Air Forces (USAAF) u​nd durch d​as Bomber Command d​er britischen Royal Air Force (RAF). Der zeitliche Schwerpunkt l​ag zwischen Juli 1944 u​nd März 1945. Bei 27 Luftangriffen d​urch insgesamt über 565 Bombenflugzeuge wurden 1.100 Tonnen Bomben über d​em Raum Erfurt abgeworfen, e​s gab i​n Erfurt jedoch i​m Gegensatz z​u allen anderen deutschen Städten gleicher Größe k​eine Flächenbombardements.[1] 530 Gebäude wurden zerstört, 2.550 schwer b​is mittelschwer beschädigt. Darunter befanden s​ich zahlreiche Kulturbauten. Etwa 1.600 Zivilisten, überwiegend Frauen u​nd Kinder, wurden getötet.

Erfurt vor dem Krieg und im Krieg

Erfurt w​ar bis 1945 Hauptstadt e​ines preußischen Regierungsbezirks. Mit 147.000 Einwohnern (1935) w​ar sie Großstadt u​nd die größte Stadt Thüringens, s​owie dessen wirtschaftlicher Mittelpunkt. Sie h​atte eine historische Altstadt m​it gotischen Kirchen u​nd stattlichen Bürgerhäusern. Erfurt w​ar ein wichtiger Knotenpunkt d​er Deutschen Reichsbahn, a​uch mit großem Güterbahnhof u​nd Bahnbetriebswerk. Erfurt h​atte Anschluss a​n die n​eue Reichsautobahn. Seit d​en 1920er Jahren besaß d​ie Stadt (bis 1939) e​inen Zivilflughafen Erfurt-Nord a​m Roten Berg.

Garnisonstadt d​er Reichswehr w​ar Erfurt a​uch in d​er Zeit d​er Weimarer Republik. Seit Mitte d​er 1930er Jahre jedoch w​urde es z​u einem starken Wehrmachtstandort ausgebaut, für Infanterie, Panzer, Artillerie u​nd Luftwaffe. Es entstanden v​iele neue Kasernen, z​wei militärische Flugplätze (Flugplatz Erfurt-Nord u​nd Erfurt-Bindersleben), e​in Standortlazarett u​nd militärische Versorgungseinrichtungen. Folgen d​er Luftangriffe: "Die zahlreichen militärischen Einrichtungen wurden v​on den Kriegseinwirkungen n​ur teilweise betroffen" (die beiden Flugplätze schwer), "Keine d​er neuen Kasernen d​es Heeres h​atte größere Zerstörungen aufzuweisen"[2].

Die Erfurter Industrie übernahm zunehmend Rüstungsaufgaben. Zu diesen Unternehmen gehörten: d​as Flugzeug-Reparaturwerk (REWE) m​it dem Flugplatz Erfurt Nord (früher Zivilflugplatz) a​m Roten Berg, d​ie Maschinenfabrik Geipel (ERMA), d​ie Berlin-Erfurter Maschinenfabrik, d​ie Olympia Büromaschinenwerk AG Erfurt u​nd die Telefunken GmbH. Folgen d​er Luftangriffe: "Die größeren traditionellen Rüstungsbetriebe d​er Stadt w​aren dagegen weitgehend verschont geblieben" (Flugzeug-Reparaturwerk schwer getroffen)[3].

Luftschutz

Eingang (2015) zu Luftschutzstollen Arnstädter Hohle im Steigerwald (Erfurt)
Luftschutzkeller-Museum Erfurt Wigbertihof (2016)

Vom Reichsluftfahrtministerium w​urde Erfurt a​ls "besonders gefährdeter Ort" eingestuft. Trotzdem verfügte e​s als „Luftschutzort 2. Ordnung“, über k​eine bombensicheren Hoch- u​nd zunächst a​uch keine Tiefbunker. Neben d​en öffentlichen, betrieblichen, behördlichen u​nd privaten Luftschutzkellern w​urde von d​en Verantwortlichen d​er Stadt a​uf zahlreiche vorhandene u​nd auszubauende Gewölbekeller u​nd Stollen gesetzt.

So wurden 1938 v​ier mittelalterliche Gewölbekeller u​nter dem südwestlichen Flügel d​es Wigbertihofs (damalige Polizeidienststelle) a​ls Luftschutzräume für 50 Personen ausgebaut, einschließlich e​iner Gasschleuse u​nd Schutzlüfter. Der ehemalige Schutzraum Nr. 4 w​ird heute a​ls Besichtigungsraum d​es Stadtmuseums gezeigt. Er l​iegt in d​er Meister-Eckehart-Straße, Zugang v​om Wigbertihof, u​nd ist typisch für damalige Luftschutzkeller i​n historischen Altstädten.[4]

Auch d​er „Predigerkeller“ u​nter dem ehemaligen Predigerkloster n​eben der Predigerkirche m​it Predigerhof w​urde zu e​iner Luftschutz-Rettungsstelle hergerichtet.

Zum Kriegsende existierten 70 „öffentliche Sammelschutzräume“ i​n Erfurt.

Mehrere Luftschutz-Stollen g​ab es a​m südlichen Rand d​es Steigerwaldes. Ein großer u​nd sehr frequentierter öffentlicher Luftschutzraum v​on 1.000 m² befand s​ich zum Beispiel i​n der Arnstädter Hohle. Ab Februar 1944 wurden a​n 17 Stellen d​ie Bastionsmauern z​u den Wehrgängen d​er Zitadelle Petersberg geöffnet u​nd mit massiven, a​uch gasdichten Eingangsbauwerken versehen. Sieben dieser Zugänge s​ind 2019 n​och zu sehen[5][6] Unter Regie d​er Reichsbahn w​urde ab Anfang 1944 u​nter der Daberstedter Schanze / d​em Stadtpark gegenüber d​em Hauptbahnhof, e​in großer Stollenbau angelegt u​nd mit Zugängen z​u allen Seiten versehen. Er w​ar 1945 m​it bis z​u 2.000 Schutzsuchenden belegt.[7] In d​er Johann-Sebastian-Bach-Straße (etwa u​nter der jetzigen Eissporthalle) befand s​ich 1944/45 e​in großer Befehlsbunker i​m Bau, d​er auch öffentlich zugänglich war.

In Erwartung v​on alliierten Flächenangriffen u​nter Einsatz v​on Brandbomben wurden a​uch in Erfurt vorsorglich besonders brandgefährdete Bauten i​n der Altstadt abgetragen, s​o 1944 d​ie dreigieblige, 1937 stillgelegte Schlössermühle a​us der Mitte d​es 18. Jahrhunderts.[8]

Erfurt musste, w​ie ganz Thüringen, Luftkriegsevakuierte a​us Westdeutschland, Hamburg u​nd Berlin aufnehmen. Bereits Ende 1943 g​ab es 3.500 solche Menschen i​n der Stadt. Sie brachten a​uch ihre persönlichen Erlebnisse v​on den Bombenangriffen m​it und verstärkten s​o entsprechende Befürchtungen i​n der Erfurter Bevölkerung. Das w​ar besonders n​ach dem verheerenden Angriff a​uf Kassel i​m Oktober 1943 d​er Fall. Die Stadt w​ar bestrebt, Mütter m​it kleinen Kindern z​um Verlassen d​er Stadt z​u bewegen, jedenfalls nachts. Im Januar 1944 f​and sogar e​ine öffentliche Diskussion i​m Kaisersaal statt: „Soll Erfurt evakuiert werden o​der nicht?“ Alle Bemühungen u​m eine „Auflockerung d​er Bevölkerung“ scheiterten, d​as Gegenteil t​rat ein. Bis Februar 1945 w​ar die Bevölkerungszahl d​urch Evakuierte u​nd Flüchtlinge a​us dem Osten a​uf 180.000 gestiegen, u​m im April 200.000 z​u erreichen.[9] Damit w​ar auch d​ie Gefahr h​oher Opferzahlen b​ei Luftangriffen s​tark gestiegen.

Angriffsplanungen

In d​en britischen Angriffsplanungen g​egen deutsche Städte führte Erfurt d​en „Fischdecknamen“ Whitefish (Maräne). 1942 befand s​ich Erfurt i​n einer Liste d​es britischen Kriegskabinetts m​it 25 deutschen Städten, d​ie für Flächenangriffe vorgesehen waren. Im Sommer 1942 l​ag Erfurt i​n einem Zielkomplex zusammen m​it Eisenach, Gotha, Weimar u​nd Jena für e​inen Tausend-Bomber-Angriff, geplant v​on Luftmarschall Arthur Harris. Im November 1942 schlug d​er Oberbefehlshaber d​er RAF, Charles Portal, Erfurt für e​in „Einäscherungsbombardement“ vor. Im November 1943 befand s​ich Erfurt a​ls Bestandteil d​es mitteldeutschen „Kleinen Ruhrgebiets“ a​uf einer entsprechenden Zielliste v​on Harris. Eine Reihe v​on Zielobjekten i​n Erfurt w​ar im laufend aktualisierten britischen „The Bombers Baedeker“ z​u finden.[10] Britische Chemie-Experten bezeichneten 1944 für d​en Fall e​ines Gaskriegs gegenüber i​hrer Regierung Erfurt a​ls vielversprechendes potentielles Ziel. Im November 1944 befand s​ich Erfurt i​n einem „Verkehrsangriffsplan“ d​er USAAF. Harris setzte Erfurt i​m Januar 1945 a​uf eine Liste v​on deutschen Städten, d​ie noch über größere, unzerstörte Stadtflächen verfügten. Am 8. Februar 1945 erfolgte e​in Befehl d​er Stabschefs a​n die 8th Air Force u​nd das britische Bomber Command, Erfurt u​nter die Hauptziele b​ei den Angriffen a​uf Militärtransporte u​nd Flüchtlingsströme (Verursachung v​on Chaos) aufzunehmen.[11]

Für d​en 2. April 1945, verschoben a​uf den 3. April, u​nd für d​en 4. April h​atte die RAF e​inen vernichtenden Doppelangriff m​it Flächenbombardements a​uf Erfurt vorgesehen.[12][13][14] Dieser sollte d​urch zusammen 685 schwere viermotorige Bomber d​er Typen Halifax u​nd Lancaster ausgeführt werden, m​it Abwurf v​on 2.740 Tonnen Bombenlast. Erfurt entging d​em Schicksal seiner Auslöschung dadurch, d​ass die Amerikaner kurzfristig w​egen der Nähe i​hrer Bodentruppen intervenierten – d​ie am 3. April bereits Gotha erreicht hatten u​nd am 4. April e​twa 15 km v​or Erfurt lagen. Grundlage für d​ie Angriffsplanung w​ar eine gemeinsame Air Commanders Conference v​on Briten u​nd Amerikanern a​m 29. März 1945 gewesen.[15] Dass dieser Vernichtungsangriff n​icht zustande kam, w​ird von Steffen Raßloff a​ls „größter Glücksfall d​er Stadtgeschichte“ v​on Erfurt beschrieben.[16]

Die Angriffe

Amerikanische schwere Bomber vom Typ B-24 „Liberator“
Amerikanische B-17 „Flying Fortress beim Bombenwurf
Britischer Mosquito-Schnellbomber 1944
Amerikanischer Jagdbomber P-47 Thunderbolt

Die 27 alliierten Luftangriffe a​uf Erfurt erfolgten v​on Juli 1940 b​is April 1945. 17 d​avon waren a​ls leicht, z​ehn als mittelschwer einzustufen. Acht w​aren Tages- u​nd 19 Nachtangriffe. Acht Angriffe erfolgten d​urch die USAAF m​it insgesamt 298 schweren viermotorigen Bombern d​er Typen B-17 „Flying Fortress“ u​nd B-24 „Liberator“, begleitet v​on Langstrecken-Jagdflugzeugen, w​ie Thunderbolts. 19 Angriffe wurden d​urch die britische RAF m​it mindestens 267 Mosquito-Nachtbombern ausgeführt. Von d​en über d​em Erfurter Raum abgeworfenen m​ehr als 1.100 Tonnen Bomben entfielen über 60 % a​uf die US-Luftwaffe. 92 % d​er Bombenlast w​aren Sprengbomben u​nd Minenbomben, 8 % Brandbomben. Diese statistischen Angaben schließen n​icht die zahlreichen Jagdbomberangriffe i​m April 1945 ein. Die Tagesangriffe d​er US-Amerikaner erfolgten vorwiegend a​ls Bombenteppiche a​uf relativ begrenzte Zielgebiete. Die Bombenabwürfe d​er RAF hatten „punktuellen“ Charakter, erstreckten s​ich jedoch über e​in weites Schadengebiet.[17]

Die einzelnen Angriffe:[18]

  • Vom 26. Juli 1940 bis 21. Januar 1944 erfolgten 6 nächtliche Angriffe mit Brand- und Sprengbomben auf Erfurt durch die RAF, meist mit Einzelflugzeugen. Die Schäden hielten sich in Grenzen, es gab nur vereinzelte Tote. Neben vorwiegend Wohngebieten, wurden am 17. August 1940 die Gneisenau-Kaserne (Melchendorfer Landstraße) und die Großgarage Arnold getroffen.
  • Am 20. Februar 1944 griffen 60 schwere B-24-Bomber der USAAF mit einem konzentrierten Sprengbombenabwurf den Fliegerhorst Erfurt-Bindersleben und Wohngebiete der Stadt an: Peterborn, Kreuzchen, Hahnegarten, Röhrenweg, Pfortenweg, Binderslebener Landstraße, Gothaer Straße, Heinrichstraße, Brühler Hohlweg, Meineckestraße, Ottostraße, Grünstraße. Markante Schadensobjekte waren der Fliegerhorst Bindersleben, die Olympia AG und das 4. Polizeirevier. 133 Tote waren zu beklagen. Auf dem Hauptfriedhof wurden unter anderen 13 Gräber des französischen Ehrenhains zerstört.[19] Der Kampfverband hatte Erfurt in Verwechslung mit seinem eigentlichen Ziel Gotha angegriffen.
  • Am 20. Juli 1944 erfolgte ein schwerer Angriff von 134 B-24 der USAAF mit Abwurf von 341 Tonnen Spreng- und Brandbomben auf das Flugzeug-Reparaturwerk und den Flugplatz Erfurt Nord, auf das Dorf Bindersleben und auf die Innenstadt, die an vielen Stellen brannte. Schadensgebiete: Roter Berg, Mittelhäuser Straße, Schwerborner Straße, Hohenwindenstraße, Roßbachstraße, Pilse, Anger, Schlösserstraße, Kaufmännerstraße, Johannesstraße. Markante Schadensobjekte: Flughäfen Erfurt-Nord und Bindersleben, Reparaturwerk, Benzin-May, Kaufhaus Reibstein, Ursulinenkloster, Telegrafenamt, Gartenbauunternehmen J.C. Schmidt, Henry Pels Umformtechnik. Es gab 284 deutsche und ausländische Tote. Auch mindestens 88 Wehrmachtsangehörige, besonders Flak-Soldaten auf dem Roten Berg, fielen dem Angriff zum Opfer.[20]
  • Am 11. November 1944 warfen 3 Mosquitos der RAF nachts Minenbomben in der Altstadt ab. Schadensgebiete: Meienbergstraße, Johannesstraße, Futterstraße. Getroffen wurde auch das Gasthaus „Wolfsschlucht“.
  • Am 21. November 1944 kam es bei Aktionen eines USAAF-Kampfverbandes zu Flugzeugabstürzen über der Stadt, am Löberring (deutsches Jagdflugzeug) und der Borsigstraße (jetzt Paul-Schäfer-Straße/Hugo-John-Straße). Sieben Tote waren zu beklagen.
  • In der Nacht vom 25. zum 26. November (00.54 Uhr) 1944 attackierten 5 Mosquitos der RAF nach Mitternacht die Altstadt mit 9 Tonnen Minenbomben. Schadensgebiete: Thomasstraße, Junkersand, Schlösserstraße, Neue Straße, Rathausgasse, Venedig, Weidengasse, Moritzgasse, Johannesufer, Goebenstraße (jetzt Teil der Stauffenberg-Allee). Markante Schadensobjekte: Kaufhaus Reibstein, 1. Polizeirevier, Neue Mühle, Weidenmühle.
  • In der Nacht vom 26. zum 27. November (02.10 Uhr) griffen 3 Mosquitos mit insgesamt 5,4 Tonnen Minenbomben Ziele in der Altstadt an. Schadensgebiete: Barfüßerstraße, Weitergasse, Taschengasse, Löberstraße, Gartenstraße, Löberring, Südfriedhof, Ludendorffstraße (jetzt Tschaikowskistraße). Unter anderem wurden dabei die Barfüßerkirche und das benachbarte Wohnviertel zerstört. Bei beiden Angriffen zusammen starben 71 Einwohner. Am 26. November war Totensonntag.
  • Am 6. Dezember (20.50 Uhr) 1944 warf eine Lancaster der RAF abends ihre Bomben über der Innenstadt, Leipziger Platz und Hospitalplatz, ab: 2 Tote.
  • Am 6. Februar 1945 griff eine Staffel von US-Jagdbombern den Fliegerhorst Bindersleben an.
  • Am 9. Februar 1945 bombardierten 12 B-17 „Flying Fortress“ der USAAF mit einem konzentrierten Abwurf von 32,5 Tonnen Sprengbomben den Kern der Altstadt: Hügelgasse, Turniergasse, Augustinerstraße, Michaelisstraße, Ziegengasse, Pfeiffersgasse, Grünstraße, Kreuzgasse, Kreuzsand, Weidengasse, Kronenburggasse, Johannestor. Dabei zerstörten sie unter anderem das Collegium Maius der alten Universität Erfurt, auch die Malzfabrik am Johannesring wurde getroffen. 138 Menschen starben.
  • Am 18. Februar 1945 zerstörte eine Mosquito der RAF mit ihrer Minenbombe (1,8 t) die „Franzosengräber“ auf dem Hauptfriedhof.
  • Am 19. Februar 1945 abends griffen 79 Mosquitos der RAF mit 100 Tonnen Spreng-, Minen- und Brandbomben die Innenstadt, den Güterbahnhof, das Gaswerk und das Heeresbekleidungsamt an. Schadensgebiete: Bahnhofstraße, Müfflingstraße (jetzt Theo-Neubauer-Straße), Franckestraße, Herwarthstraße (jetzt Ruhrstraße), Krämpferring, Moltkestraße (jetzt Thälmannstraße), Sedanstraße (jetzt: Am Stadtpark), Thomasstraße, Hindenburgstraße (jetzt Arnstädter Straße), Löberring, Kartäuserstraße, Wilhelmstraße (jetzt Wilhelm-Külz-Straße), Lange Brücke, Leipziger Straße, Stunzengasse, Blumenthalstraße (jetzt Geschwister-Scholl-Straße), Winterfeldstraße (jetzt Jonny-Scheer-Straße), Bellingstraße (jetzt Reißhaus-Straße), Güterbahnhof. Die Humboldt-Schule wurde zerstört, getroffen wurden auch Bahnpost, Erfurter Verkehrsverein, Maschinenfabrik Geipel (ERMA), Gasthaus Kaiser, Barbarossa und Großer Kurfürst, Angermuseum und Gasthaus Hohe Lilie. 223 Menschen verloren ihr Leben.
  • Am 22. Februar 1945 warfen abends 4 Mosquitos insgesamt 5,4 Tonnen Minenbomben ab: auf die Dieselstraße, Marbach und Witterda.
  • Am 25. Februar 1945 luden abends 59 Mosquitos der RAF 73 Tonnen Brand-, Spreng- und Minenbomben über der Innenstadt ab. 288 Menschen starben, davon 276 im Keller des Bibliotheksgebäudes des Augustinerklosters durch eine von zwei Minenbomben.[1] Weiter waren betroffen: Moltkestraße (jetzt Thälmannstraße), Andreasstraße, Nordhäuser Straße, Blücherstraße (jetzt Breitscheidstraße), Moritzgasse, Große Ackerhofsgasse, Leipziger Straße, Comthurgasse. Auch die Malzfabrik Wolf wurde getroffen.
  • Am 1. März 1945 erfolgte abends ein Angriff von 40 Mosquitos der RAF mit 65 Tonnen Sprengbomben auf den Güterbahnhof, Tiergarten, Ringelberg, Gaststätte „Reseda“, Steinmetzstraße (jetzt Werner-Uhlworm-Straße). Auf dem Sportplatz der Herderschule explodierten Sprengbomben, die am Dachgeschoss der Schule zu starken Zerstörungen führten. Durch viele, wohl wetterbedingte Fehlwürfe war die Trefferquote vergleichsweise „gering“, 2 Tote.
  • Am 15. März 1945 gab es einen Angriff von 22 Mosquitos mit 26,5 Tonnen Spreng- und Minenbomben auf die Stadt: Gartenstraße, Nettelbeckufer, Blumenstraße, Schlachthofstraße, Petersberg, Nordhäuser Straße, Kronenburggasse, Johannesstraße. 18 Tote.
  • Am 17. März 1945 luden 51 B-17 „Flying Fortress“ der USAAF 151 Tonnen Spreng- und Brandbomben über Außenbezirken sowie Dittelstedt, Außenanlagen der Artilleriekaserne „Henne“, Melchendorf und Urbich ab. 94 Menschen starben, die meisten von ihnen in Dittelstedt. Das verfehlte Ziel soll das Bahnbetriebszentrum Erfurt gewesen sein.
  • Am 20. März 1945 attackierten 15 US-Jagdbomber P-47 Thunderbolt den Fliegerhorst Bindersleben.
  • Am 26. März 1945 warfen 2 Mosquitos der RAF Luftminen (3,6 t) über Yorkstraße (jetzt Rosa-Luxemburg-Straße) und Löberflur ab. Die Erfurter Verkehrs AG wurde getroffen und es gab 17 Tote.
  • Am 27. März erfolgte ein Angriff von 4 Mosquitos mit 5,4 Tonnen Minenbomben auf Stadtpark, Straßburger Straße (Robert-Koch-Straße), Gustav-Freytag-Straße und Rückertstraße. 10 Menschen starben.
  • Am 30. März 1945 um 23.40 Uhr erfolgte durch 43 Mosquitos der RAF ein Angriff mit 57 Tonnen Brand-, Spreng- und Minenbomben auf das Stadtgebiet: Hopfenberg, Schillerstraße, Arnstädter Straße, Kartäuser Straße, Neuwerkstraße, Goethestraße, Ludendorffstraße (Tschaikowskistraße), Straßburger Straße (Robert-Koch-Straße), Hochheimer Straße, Dorotheenstraße (Gerhart-Hauptmann-Straße), Thomasstraße, Domplatz, Sedanstraße (jetzt: Am Stadtpark), Herderstraße. Markante Schadensobjekte: Gaststätte „Kaffeetrichter“, Marienapotheke, „Adolf-Hitler-Haus“ (Neuwerkstraße 23/24), Kfz-Betriebswerk der Deutschen Reichsbahn, Riebeck-Brauerei, Schillerschule, Feuerwache. Es gab 125 Tote.
  • Am 31. März 1945 griffen 25 B-17 „Flying Fortress“ mit 70 Tonnen Spreng- und Splitterbomben den südlichen Teil der Stadt und Reichsbahn-Betriebseinrichtungen an. Betroffen waren: Bahnhofstraße, Thomasstraße, Löberstraße, Rosengasse, Anger, Breitengasse, Gartenstraße, Ringstraßen, Reichartstraße, R.-Breslau-Straße, Espach, Dorotheenstraße (jetzt Gerhart Hauptmann-Straße), Bismarckstraße (jetzt Löberwallgraben), Hohenzollernstraße (später Straße der Einheit, jetzt Alfred-Heß-Straße), Schillerstraße, Friedrichstraße (jetzt Straße des Friedens). Markante Schadensobjekte: Thomaskirche, Staatliches Gymnasium, NS-Kreisleitung in Villa Schillerstraße 39 (neben Thomaskirche). Es soll sich bei dem Angriff um eine Verwechslung mit Gotha gehandelt haben. 93 Menschen starben.
  • Am 4. April 1945 wurde mit einem gezielten Sprengbombenabwurf durch ein US-Flugzeug das Verstärkeramt der Reichspost in der Gustav-Freytag-Straße ausgeschaltet. Kurz danach griff ein US-Begleitjäger den Güterbahnhof und das Stadtgebiet an. Es gab 15 Tote.
  • Die häufigen weiteren Tieffliegerangriffe auf die Stadt und Umgebung bis zur Besetzung von Erfurt am 12. April 1945 sind nicht im Einzelnen dokumentiert. Die US-Jagdbomber beherrschten völlig den Luftraum.
  • Am 12. April 1945 lag Erfurt von 3.00 bis 6.00 Uhr unter massivem Artilleriebeschuss mit fast 1.000 Granaten, darunter Phosphor-Brandgranaten. "In Erfurt erhellten viele in Brand geschossene Häuser die Nacht".[21] Der Petersberg, besonders aber das Brühl mit seinem Büromaschinenwerk (ausgebrannt) und die Innenstadt mit ihren Wohnhäusern und bedeutenden Gebäuden wurden verschieden schwer getroffen: das Kaufhaus "Reibstein" (ausgebrannt), das Hotel "König von Preußen" (ausgebrannt), das Kaufhaus "Römischer Kaiser", der Turm des Hauptpostgebäudes, die "Statthalterei" in der Regierungsstraße, das Rathaus, die Dächer von Dom und Severikirche. Die US-Truppen gestatteten nach der Besetzung von Erfurt am 12. April der Feuerschutzpolizei nicht, die Brände zu bekämpfen.[22]

Verluste an Gebäuden

In Erfurt (damaliger Stadtkreis) wurden d​urch den Luftkrieg 530 Gebäude t​otal zerstört, 790 schwer, 1.750 mittelschwer u​nd 6.040 leicht beschädigt. Von k​napp 50.000 Wohnungen (Bestand 1939) wurden 8.250 g​anz zerstört (17 %) u​nd das Mehrfache d​avon schwer, mittelschwer o​der leicht beschädigt. 23.000 Einwohner wurden obdachlos. 40 Industriegebäude wurden vollständig zerstört, 62 schwer u​nd über 300 leichter beschädigt. Das Gesamtvolumen a​n Trümmerschutt s​oll bei 225.000 Kubikmeter gelegen haben.[23]

Die Schäden i​m industriellen Bereich betrafen v​or allem kleinere u​nd mittelgroße Unternehmen. Die meisten größeren traditionellen Rüstungsbetriebe d​er Stadt blieben weitgehend verschont. Von Großanlagen a​m stärksten betroffen w​aren das Flugzeug-Reparaturwerk, d​ie Reichsbahn, d​ie Reichspost, d​as Gaswerk u​nd die Städtischen Verkehrsbetriebe.[23]

Militärische Einrichtungen: Die beiden Erfurter Flugplätze a​m Roten Berg u​nd in Bindersleben w​aren stark zerstört. Schäden g​ab es a​uch an d​er Jägerkaserne, a​uf dem Petersberg u​nd am Heeresbekleidungsamt. Hingegen hatten sämtliche i​n den 1930er Jahren gebauten großen Kasernen-Komplexe k​eine größeren Zerstörungen aufzuweisen.[23]

Die Schadenssumme (Bauschäden, o​hne Inventar u​nd Ausrüstungen) d​urch den Luftkrieg i​n Erfurt w​urde auf 86 Millionen Reichsmark geschätzt. Davon entfielen a​uf Wohngebäude 45 %, Kulturbauten u​nd Denkmäler 4,4 %, Schulgebäude 3,4 %, Reichsbahn- u​nd Reichspost-Gebäude 3,2 %, Verwaltungsgebäude 2,7 % u​nd Gewerbe- u​nd sonstige Gebäude 41 %.

Zahlreiche Wohnquartiere wurden d​urch Luftangriffe u​nd Artillerie-Beschuss i​n Mitleidenschaft gezogen. In d​er Erfurter Altstadt w​aren besonders betroffen: Kreuzgasse, Gotthardtstraße, Horngasse, Michaelisstraße, Hügelgasse, Pergamentergasse, Rathausgasse, Comthurgasse, Marbacher Gasse, Barfüßer-Straße, Augustiner-Straße, Futterstraße, Pilse, Große Ackerhofsgasse, Huttenplatz u​nd das Venedig. Das größte zusammenhängende zerstörte Quartier l​ag zwischen Thomasstraße, Großer Engengasse, Löberring, Gartenstraße u​nd Löberstraße.[23]

Zusammen m​it den zerstörten Wohn- u​nd Betriebsstätten fielen a​uch eine größere Anzahl v​on historischen Profan- u​nd Sakralbauten i​n Trümmer.

Auf d​em Gelände d​er Schrottfirma Danker explodierte i​m Dezember 1947 e​in Blindgänger, d​er die s​chon im März 1945 schwer getroffene Herderschule a​n der Fassade u​nd im Inneren erneut beschädigte. Erst i​m März 1949 konnten d​ie Schüler wieder i​n ihre Schule zurückkehren.[24] Wolf g​ibt die Explosion e​iner Minenbombe b​ei der gleichen Schrottfirma a​m Heckerstieg für d​en 26. Januar 1948 an, d​urch die 80 Wohnungen t​otal zerstört wurden. Es g​ab 2 Tote u​nd 107 Verletzte.[25]

Verluste und Schäden an Kulturbauten

Die folgenden Angaben stammen teilweise a​us Helmut Wolf Erfurt i​m Luftkrieg 1939–1945, überwiegend a​ber aus d​em Standardwerk „Schicksale deutscher Baudenkmale i​m Zweiten Weltkrieg“.[26] Rudolf Zießler, d​er das Kapitel „Erfurt“ bearbeitet hat, schreibt darin: „Erfurt zählte, besonders i​m Bereich d​es ehemaligen Innenmauerrings, z​u den wertvollsten historischen Stadtzentren Deutschlands“.

Totentanz von Hans Walther (1947) zur Zerstörung der Barfüßerkirche und Wohnumgebung
Keller der Augustinerbibliothek (2005), in dem 267 Menschen starben

Kirchenbauten

  • Das Augustinerkloster wurde durch Minenbomben am 25. Februar 1945 erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Völlig zerstört wurden die Waidhäuser und das Bibliotheksgebäude einschließlich seines Kellers (mit 267 getöteten Zivilisten, darunter viele Kinder aus dem Waisenhaus).[27] Schwer beschädigt wurde die Klausur, insbesondere das Winterrefektorium mit dem alten Priorat, sowie der südliche Teil des Westflügels (Martinstift) und der Verbindungsbau zur Bibliothek. Nur wenig leichter getroffen wurden die übrigen Klostergebäude (Waisenhaus, Gästehaus, Kreuzgang) und die Augustinerkirche. Ein Großteil der kostbaren Bücher des Martinsstifts (3.200 Bände) ging verloren, während die in Dorfkirchen ausgelagerten Bücher des Evangelischen Ministeriums dadurch gerettet wurden.
  • Die Barfüßerkirche wurde in ihrem Langhaus am 27. November 1944, der Nacht zum Totensonntag, durch eine Minenbombe weitgehend zerstört. Die mittelalterlichen Farbglasfenster waren durch Ausbau und Einlagerung in den Kellern unter der Domkrypta gerettet worden. An der Mauer der Ruine erinnert ein Relief „Totentanz“ von Hans Walther (1947) an das Schicksal des Bauwerks und des benachbarten Wohnviertels. Schwer beschädigt wurde auch das benachbarte Pfarrhaus, und zerstört das angrenzende Wohnviertel.
  • Der Erfurter Dom wurde zwar nicht direkt getroffen, doch gingen in seiner unmittelbaren Nähe mehrmals Spreng- und Minenbomben nieder. Er erlitt im Bereich des Hohen Chores besonders am 19. Februar 1945 erhebliche Beschädigungen: das Dach wurde abgedeckt, die Dachkonstruktion beschädigt, sämtliche Fensterscheiben zertrümmert, von fünf der großen Chorfenster wurden die Rippen herausgebrochen. Die mittelalterlichen Fenster waren durch Einlagerung in die Keller unter der Krypta gerettet worden. Auch andere Kunstwerke, wie das gotische Chorgestühl, wurden durch Auslagerung oder Ummauerung geschützt[28]. Die Türme wurden durch Artilleriebeschuss im April 1945 beschädigt. Erst 1949 konnte der Dom, nach Wiederherstellung, seine Funktion wieder aufnehmen.
  • Die Thomaskirche in der Schillerstraße wurde durch Sprengbomben-Einwirkung am 31. März 1945 erheblich beschädigt, die Ostseite des Mittelschiffs aufgerissen.
  • Die Ursulinenkloster-Kirche am Anger wurde am 20. Juli 1944 schwer getroffen, Dachwerk und Stuckdecke zerstört. Die Klosterkirche brannte aus, wie auch ein Seitenflügel des Klostergebäudes.
  • Die Kaufmannskirche wurde am 11. November 1944 durch Minenbomben-Detonation in der Nähe schwer beschädigt, die Wiederherstellung dauerte bis 1952.
  • Die Michaeliskirche erlitt schwere Schäden durch Sprengbomben am 9. März 1945 am Dachwerk und im Innenbereich, einschließlich der Orgel. Erst 1960 konnte sie nach Wiederaufbau ihre Funktion wieder aufnehmen.
  • Die Predigerkirche erlitt 1944/45 indirekte Schäden am Dachwerk und den Fenstern durch Sprengbomben in der Nachbarschaft. In diesem Zustand war sie längere Zeit der Witterung ausgesetzt.
  • Die Schottenkirche St. Jacob wurde durch Artilleriebeschuss im April 1945 stärker beschädigt, an der Westfassade, am Dachwerk und im Inneren (Orgelempore).
  • Der Bartholomäusturm am Anger, von der früheren Bartholomäuskirche stammend, verlor durch Beschuss im April 1945 seinen hölzernen Spitzhelm. Zerstört wurde auch die Maßwerk-Balustrade.

Profanbauten (teilweise v​on erheblichem städtebaulichem Wert)

  • Bebauung um das Augustinerkloster: viele Gebäude am 25. Februar 1945 durch Minenbomben zerstört. Darunter die westlichen fünf Gebäudeachsen der Georgenburse, frühere zeitweise Wohnstätte von Martin Luther
  • Bebauung im Bereich der Hintergebäude der Hohen Lilie und der „Grünen Apotheke“: Hundorfgasse, Stunzengasse, Häuser aus 15. bis 19. Jahrhundert. Am historischen Gasthaus Hohe Lilie wurden auch der Querbau und das vordere Giebelhaus in Mitleidenschaft gezogen.
  • Bebauung im Bereich Barfüßerkirche, Wohnhäuser aus dem 17. bis 19. Jahrhundert, völlig durch Minenbombe am 27. November 1944 zerstört
  • Bebauung im Bereich Schlösserstraße, Schlösserbrücke, Junkersand, Pilse, Hinter dem Rathaus: Wohnhäuser aus 15. bis 19. Jahrhundert, weitgehend zerstört. Das Rathaus erlitt im April 1945 Schäden an Fassade und Innerem durch Artilleriebeschuss.
  • Bebauung im Bereich Futterstraße, Wenigemarkt, Meienbergstraße und Johannesstraße: Bürgerhäuser an der Futterstraße Südseite erheblich betroffen. Völlig zerstört das Haus „Zum Kronprinz“ und das Hotel „König von Preußen“, stark beschädigt „Zum Rebenstock“.
  • Bebauung im Bereich Kreuzgasse: Wohnhäuser aus 15. bis 19. Jahrhundert, erhebliche Schäden
  • Die Krämerbrücke: am 11. April 1945 durch Artilleriebeschuss beschädigt
  • Das Collegium Maius, früheres Universitätshauptgebäude in der Michaelisstraße, am 9. Februar 1945 durch Sprengbomben völlig zerstört
  • Die historischen Bürgerhäuser „Zum Greifenstein“ und „Zum Schwarzen Rößchen“ in der Michaelisstraße gingen am 9. Februar 1945 verloren, wie auch der letzte Wallturm (Turm 23) des früheren äußeren Festungsrings.
  • Die Kurmainzische Statthalterei („Die Regierung“) wurde an der Balustrade und im Bereich der Wachhäuser beschädigt
  • Das Haus „Zum Helm“ an der Ecke Anger/Schlösserstraße zerstört und abgetragen
  • Das Angermuseum, der frühere Kurmainzische Packhof, wurde am 19. Februar 1945 an der Fassade und am Dach schwer beschädigt
  • Das Haus Große Arche 14, ein dreigeschossiger, neunachsiger Renaissancebau, wurde zerstört und abgetragen
  • Das Haus „Zum Güldenen Kranich“ von 1425, ehemaliges Schankhaus der Kartäuser, wurde zerstört und abgetragen

Verluste an Menschenleben

Denkmal für Bombenopfer auf dem Hauptfriedhof: Ehrenhain II

Die Zahl d​er bei Bombenangriffen a​uf Erfurt (damaliges Stadtgebiet) getöteten Zivilpersonen, überwiegend Frauen u​nd Kindern, l​ag nach offiziellen Angaben b​ei 1.392. Helmut Wolf n​immt an, d​ass es m​ehr waren. Die NS-Propaganda wäre bemüht gewesen, d​ie Auswirkungen d​es Bombenkriegs e​her zu bagatellisieren.[29] Noch über Jahre n​ach Kriegsende wurden d​ie sterblichen Überreste verschütteter Opfer b​ei Bauarbeiten gefunden. Die Zahl d​er – z​um Teil schwer – Verletzten l​ag beim Mehrfachen d​er Todesopfer. Nach Wolf dürfte d​ie Zahl d​er zivilen Todesopfer i​n Erfurt, einschließlich d​er eingemeindeten Ortschaften, d​er Opfer d​er Tiefflieger, d​es Artillerie-Beschusses u​nd anderer Kriegshandlungen b​ei 1.600 liegen. So starben 75 Einwohner v​on Dittelstedt u​nd 21 i​n Bindersleben d​urch Bomben u​nd in Marbach 24 Menschen i​n ihren Kellern d​urch Beschuss m​it Sprenggranaten.[30]

Begräbnis- und Gedenkstätten

Die Erfurter Bombenopfer befinden s​ich größtenteils u​nter den Kriegstoten a​uf dem Hauptfriedhof Erfurt, n​icht wenige a​uch auf d​em ehemaligen Südfriedhof (heute Südpark) u​nd auf Ortsteil-Friedhöfen. 784 Kriegstote (1939–1945) r​uhen auf d​em Ehrenhain II, 748 a​uf dem Ehrenhain III u​nd 154 a​uf dem sogenannten „Hamburger Block“ (benannt n​ach den i​n Erfurt verstorbenen Hamburger Bombenopfern v​on 1943) d​es Hauptfriedhofs, 108 i​m heutigen Südpark. Auf d​em Ehrenhain II s​teht eine Gedenksäule v​on 1958 m​it der Inschrift: „Die Toten mahnen – Den Opfern d​es Bombenterrors a​us dem Zweiten Weltkrieg“. Für d​en Ehrenhain III s​chuf 1952 d​er Bildhauer Helmut Braun d​as Denkmal MEMENTO "Den Opfern d​es Bombenkrieges 1944-1945". Es w​urde 2019 grundhaft saniert[31].

Nach d​er Wende s​ind auf d​en Friedhöfen i​n und u​m Erfurt würdige Gedenkstätten entstanden, manche Grabfelder w​aren zur DDR-Zeit bereits eingeebnet worden.[32][33]

Altlasten

Wie i​n anderen v​om Luftkrieg betroffenen Städten k​ommt es a​uch in Erfurt i​mmer wieder z​u Funden v​on Bomben u​nd Granaten a​us dieser Zeit. So explodierte n​och am 4. September 2018 b​ei Bauarbeiten a​n der Schmalen Gera z​ur Vorbereitung d​er Bundesgartenschau e​ine Phosphorgranate, d​ie man d​ann kontrolliert abbrennen ließ.[34]

Erinnerung

In Erfurt werden d​ie Luftangriffe m​it ihren Folgen tendenziell angesichts d​er Zerstörungen i​n anderen deutschen Städten a​ls nicht s​o gravierend angesehen. So schreibt e​in vielgelesener Stadtführer: „Von Bombenangriffen b​lieb Erfurt weitgehend verschont.“[35] Tatsächlich a​ber waren e​s immerhin 27 Luftangriffe (davon 17 a​ls leicht u​nd zehn a​ls mittelschwer einzustufen), m​it geschätztem Abwurf v​on 4000 Bomben (errechnet a​us den dokumentierten 1.100 Tonnen Bombenlast u​nd Annahme v​on durchschnittlich 250-kg-Bomben).

Literatur

  • Jens Garthoff und Anja Buresch-Hamann: Die Zerstörungen in Erfurt durch den Zweiten Weltkrieg, und deren Narben. Verlag Rockstuhl, Bad Langensalza 2020. ISBN 978-3-95966-457-8
  • Walter Geiger: Nordhausen im Bombervisier – Zum Luftkriegsschicksal einer mitteldeutschen Stadt 1940–1945. Neukirchner, Nordhausen 2000, ISBN 3-929767-43-0.
  • Olaf Groehler: Bombenkrieg gegen Deutschland. Akademie, Berlin 1990, ISBN 3-05-000612-9.
  • Helmut Wolf: Erfurt im Luftkrieg 1939–1945 (= Schriften des Vereins für die Geschichte und Altertumskunde von Erfurt. Bd. 4). Glaux, Jena 2005, ISBN 3-931743-89-6.
  • Rudolf Zießler: Bezirk Erfurt. In: Götz Eckardt (Hrsg.): Schicksale deutscher Baudenkmale im Zweiten Weltkrieg. Eine Dokumentation der Schäden und Totalverluste auf dem Gebiet der DDR. Band 2. Henschel, Berlin 1978. S. 474–486.

Einzelnachweise

  1. Tragödie Augustinerkloster 25. Februar 1945
  2. Helmut Wolf: Erfurt im Luftkrieg 1939–1945. S. 259
  3. Helmut Wolf: Erfurt im Luftkrieg 1939–1945. S. 255
  4. Erfurt. Der Wigbertihof. Hrsg. Stadt Erfurt, 2005. S. 12
  5. Karsten Grobe: Luftschutzräume in den Mauern. Thüringische Landeszeitung, 20. Februar 2015
  6. Karsten Grobe: Vermauerter Zugang freigelegt. Zitadelle Petersberg .... Thüringische Landeszeitung, 5. Januar 2019
  7. Helmut Wolf: Erfurt im Luftkrieg 1939–1945. Jena, 2005. S. 72–74
  8. Karsten Grobe: Raritäten der Mühlengeschichte. Thüringische Landeszeitung, 25. April 2018
  9. Helmut Wolf: Erfurt im Luftkrieg 1939–1945. Jena 2005. S. 64, 66–68, 70–71
  10. Helmut Wolf: Erfurt im Luftkrieg 1939–1945. Jena 2005. S. 58/59
  11. Olaf Groehler: Bombenkrieg gegen Deutschland. Akademie-Verlag, Berlin 1990. S. 35, 62, 69, 74, 179, 332/333, 365, 385
  12. Olaf Groehler: Bombenkrieg gegen Deutschland. Akademie-Verlag, Berlin 1990. S. 432–433
  13. Walter Geiger: Nordhausen im Bombervisier. Neukirchner, Nordhausen 2000. S. 293–294
  14. http://www.erfurt-web.de/Verhinderter_Luftangriff_4._April_1945
  15. Helmut Wolf: Erfurt im Luftkrieg 1939–1945. Glaux, Jena 2005. S. 212, 213, 252
  16. http://www.erfurt-web.de/Verhinderter_Luftangriff_4._April_1945
  17. Helmut Wolf: Erfurt im Luftkrieg 1939–1945. Glaux-Verlag, Jena 2005. S. 250, 251
  18. Helmut Wolf: Erfurt im Luftkrieg 1939–1945. Glaux-Verlag, Jena 2005. S. 284–286
  19. Der Friedhofswegweiser. Hrsg. Stadtverwaltung Erfurt. 3. Auflage, 2014. S. 29
  20. Helmut Wolf: Erfurt im Luftkrieg 1939–1945. Glaux, Jena 2005. S. 140
  21. Anja Buresch: Kampf um Erfurt. Die amerikanische Besetzung der Stadt im April 1945. Sutton-Verlag, Erfurt 2016. ISBN 978-3-95400-718-9. S. 83
  22. Helmut Wolf: Erfurt im Luftkrieg 1939–1945. Jena 2005. S. 244
  23. Helmut Wolf: Erfurt im Luftkrieg 1939–1945. Glaux-Verlag, 2005. S. 252–259
  24. Eberhard Menzel: Zur vielseitigen Historie der Erfurter Herderschule (1023–2014). Stadt und Geschichte, Zeitschrift für Erfurt. Nr. 63, 02/16. S. 11
  25. Helmut Wolf: Erfurt im Luftkrieg 1939–1945. Glaux-Verlag, Jena 2005. S. 253
  26. Rudolf Zießler: Erfurt. In: Götz Eckardt: Schicksale deutscher Baudenkmale im Zweiten Weltkrieg. Henschel-Verlag, Berlin 1978. Band 2. S. 474–486
  27. Gedenken an Opfer des Bombenangriffs. Andacht und Podium im Augustinerkloster. Thüringische Landeszeitung, 25. Februar 2015
  28. Martin Fischer: Der Erfurter Domberg im Schatten des Zweiten Weltkriegs. Jahrbuch für mitteldeutsche Kirchen- und Ordensgeschichte. 12. Jahrgang 2016. Verlag F. W. Cordier. Heiligenstadt, 2016. S. 77–115. ISBN 978-3-939848-52-3
  29. Helmut Wolf: Erfurt im Luftkrieg 1939–1945. Glaux, Jena 2005. S. 260–261
  30. Helmut Wolf: Erfurt im Luftkrieg 1939–1945. Jena 2005. S. 198, 262
  31. Denkmal für Bombenopfer wird saniert. Thüringische Landeszeitung, 14. Juni 2019
  32. Helmut Wolf: Erfurt im Luftkrieg 1939–1945. Glaux, Jena 2005. S. 262, 263, 283
  33. Der Friedhofswegweiser. Hrsg. Stadtverwaltung Erfurt. 3. Ausgabe, 2014. S. 28–29
  34. Jens Garthoff und Anja Buresch-Hamann: Die Zerstörungen in Erfurt durch den Zweiten Weltkrieg und deren Narben. Verlag Rockstuhl, Bad Langensalza. 2020. ISBN 978-3-95966-457-8. S. 76
  35. Hermann H. Saitz: Erfurt zu Fuß. 5. Auflage. Miniathür, Erfurt 2010.
Commons: Luftangriffe auf Erfurt – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
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