Luftangriff auf den Militärflugplatz asch-Schaʿirat
Der Luftangriff auf den Militärflugplatz asch-Schaʿirat erfolgte am Morgen des 7. April 2017 durch die Streitkräfte der Vereinigten Staaten. Schiffe der US Navy beschossen dabei den Militärflugplatz asch-Schaʿirat in Syrien mit etwa 60 Tomahawk-Marschflugkörpern.[1][2][3][4]
Vorgeschichte
Am 4. April 2017 kam es bei einem Luftangriff im Syrischen Bürgerkrieg in der Stadt Chan Schaichun zu einem Giftgasvorfall, bei dem mehr als 70 Menschen getötet und viele weitere verletzt wurden. Die Verantwortlichkeit für den Vorfall ist umstritten, jedoch machen viele Staaten, darunter die USA, die syrische Regierung dafür verantwortlich. Die US-Behörden beziehen sich auf Angaben der United States Intelligence Community, wonach es sich um einen Luftangriff der syrischen Luftwaffe mit Giftgas gehandelt habe, der vom Flugplatz asch-Schaʿirat ausgegangen sei.[1] Unabhängige Beweise dafür lagen dem UNO-Sicherheitsrat nicht vor.[5] Resolutionsentwürfe im Sicherheitsrat, die eine gegen Syrien gerichtete Untersuchung forderten, scheiterten am Widerstand der UNO-Vetomacht Russland. Nachdem Russland damit zum siebten Mal seit Beginn des Bürgerkriegs eine Syrien-Resolution verhinderte, beklagten die USA eine Blockade und drohten mit eigenen Sanktionen.[6]
Hergang
Als direkte Reaktion und Vergeltung für den chemischen Angriff auf Chan Schaichun ordnete US-Präsident Donald Trump einen Luftschlag gegen den Militärflugplatz asch-Schaʿirat an, der am 7. April 2017 durch die im östlichen Mittelmeer operierenden Zerstörer USS Porter und USS Ross ausgeführt wurde.[7][8] Die Kriegsschiffe schossen dabei etwa 60 Marschflugkörper vom Typ Tomahawk ab, wobei einer unmittelbar nach dem Start ins Meer stürzte.[9][10][11]
Der Angriff zielte nach US-Angaben auf Flugzeuge, verbunkerte Flugzeugunterstände, Treibstoff- und andere Lager, Munitionsbunker, Flugabwehrsysteme und Radaranlagen.[1] Der US-Präsident erklärte am 8. April auf Twitter, er habe absichtlich nicht auf die Start- und Landebahn zielen lassen, da sich diese schnell und kostengünstig reparieren ließe.[12][13] Russische Militärs wurden vor dem bevorstehenden Militärschlag auf den Luftwaffenstützpunkt gewarnt. So sollte verhindert werden, dass russische Soldaten, die sich im Rahmen des russischen Militäreinsatzes im Land aufhielten, Opfer des Angriffs wurden.[14]
Wirkung
Auf der Basis wurden nach syrischen Regierungsangaben mindestens fünf syrische Militärangehörige und nahe der Basis weitere neun Zivilisten, darunter vier Kinder, getötet.[15]
Über die Zerstörungen auf der Basis gab es verschiedene Angaben.[16] Das United States Central Command gab bekannt, dass die Tomahawk-Raketen „Flugzeuge, Benzin, Bunker, Munitionslager, Radareinrichtungen und Verteidigungssysteme“ getroffen hätten.[17] US-Meldungen gaben an, dass 20 Prozent der einsatzfähigen syrischen Flugzeuge zerstört worden seien und dass von den 59 Raketen 58 ihr Ziel „schwer beschädigt oder zerstört“ hätten.[18][19][20] Israelische Analysten kamen bei der Auswertung von Satellitenaufnahmen des Angriffs zum gleichen Schluss.[21] Das russische Verteidigungsministerium gab an, dass die Attacke nicht effektiv war,[22][23] nur 23 Raketen hätten die Basis getroffen.[24][25] Die Start- und Landebahnen blieben unbeschädigt[26] und Luftangriffe von der Militärbasis aus starten schon am 7. April 2017 wieder.[27]
Internationale Reaktionen
Laut US-Präsident Trump wurde der Luftschlag in einem Akt der Verteidigung nationaler Sicherheitsinteressen angeordnet. Zuspruch erhielt der Präsident unter anderem durch offizielle Reaktionen aus Saudi-Arabien, Jordanien und der Türkei, die den Angriff eine „positive Antwort auf die Kriegsverbrechen des Assad-Regimes“ nannte.[28] In einer gemeinsamen deutsch-französischen Erklärung wiesen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Staatspräsident François Hollande dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad aufgrund seines wiederholten Vorgehens gegen die eigene Bevölkerung die „alleinige Verantwortung“ zu.[29]
Der Sicherheitsrat der Russischen Föderation unter Vorsitz von Präsident Wladimir Putin wertete den US-Angriff als Aggression gegen eine souveräne Nation und als Verstoß gegen das Völkerrecht. Die russische Regierung setzte das „Memorandum mit den USA über die Vermeidung von Zwischenfällen bei Flügen während Militäreinsätzen in Syrien“ aus.[30] Als Reaktion auf den Angriff plant das russische Verteidigungsministerium, die Flugabwehr der syrischen Streitkräfte zu verstärken.[14] Der Staatspräsident Syriens Baschar al-Assad bezeichnete den Luftangriff als „rücksichtslos und unverantwortlich“ und gab an, dieser nütze terroristischen Organisationen. Der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif zog Parallelen zu der im Jahre 2003 vom damaligen US-amerikanischen Außenminister Colin Powell aufgestellten Behauptung, der Irak besäße biologische und chemische Waffen.[31]
Russlands Außenminister Sergei Lawrow machte in einem Telefonat seinem US-Amtskollegen Rex Tillerson deutlich, dass ein Angriff auf ein Land, dessen Regierung gegen den Terrorismus ankämpfe, nur den Extremisten in die Hände spiele – was eine zusätzliche Gefahr für die Sicherheit sowohl in der Region als auch weltweit bedeute. Lawrow erklärte Tillerson zudem, dass Behauptungen, das syrische Militär habe Chemiewaffen eingesetzt, nicht der Realität entsprächen. Er und Tillerson verständigten sich, das Gespräch über Syrien am 12. April in Moskau persönlich fortzusetzen.[32]
Der deutsche Journalist und Jurist Stefan Ulrich bestritt in der Süddeutschen Zeitung die Rechtmäßigkeit des Angriffs nach dem Völkerrecht, da weder eine Genehmigung des UNO-Sicherheitsrates noch ein Angriff auf die USA vorlagen.[33] Auch die Zulässigkeit nach US-Recht wurde in Frage gestellt, da Trump nicht das Einverständnis des Kongresses einholte.[34]
Die Pro-Assad-Allianz, bestehend aus den Staaten Russland und Iran, stärkte Syriens Präsident Assad den Rücken. Sie verurteilte den Luftschlag als eine Aggression gegen die Souveränität Syriens. Um den Terrorismus zu besiegen, müsse man noch enger zusammenarbeiten.[35]
Reaktionen in der US-Innenpolitik
Die Organisation Protect Democracy verlangte unter dem Freedom of Information Act Einsicht in Regierungsunterlagen, die den Angriff rechtfertigen.[36] Nach Verzögerungen bei der Akteneinsicht verklagte sie am 8. Mai 2017 das Justiz-, Außen- und Verteidigungsministerium.[37]
Siehe auch
Weblinks
Einzelnachweise
- Statement from Pentagon Spokesman Capt. Jeff Davis on U.S. strike in Syria. U.S. Department of Defense, abgerufen am 7. April 2017 (englisch).
- Barbara Starr, Jeremy Diamond: Trump launches military strike against Syria. CNN, 6. April 2017, archiviert vom Original am 7. April 2017; abgerufen am 7. April 2017 (englisch).
- Syria war: US launches missile strikes following chemical 'attack'. BBC News, 7. April 2017, archiviert vom Original am 7. April 2017; abgerufen am 7. April 2017 (englisch).
- U.S. blasts Syria base with 60 cruise missiles. Associated Press, 7. April 2017 (englisch).
- Thomas Pany: Giftgasangriff in Syrien: Täter sind noch unbekannt. In: heise.de. 6. April 2017, abgerufen am 9. April 2017.
- Mutmaßlicher Giftgasangriff: Syrien-Resolution scheitert im Uno-Sicherheitsrat. In: Spiegel Online, 5. April 2017, abgerufen am 6. April 2017.
- Office of the Press Secretary: Statement by President Trump on Syria. The White House, 6. April 2017, abgerufen am 8. April 2017 (englisch).
- Trump Orders Missile Attack in Retaliation for Syrian Chemical Strikes. defense.gov, 7. April 2017 (englisch).
- Barbara Starr, Jeremy Diamond: Trump launches military strike against Syria CNN.com, 7. April 2017, abgerufen am 8. April 2017 (englisch).
- Syrian villagers near U.S. missile strike know the sound of battle — but never as horrific as this. (englisch).
- Jamie McIntyre: On Target: US claims 100 percent success as 59 missiles hit 59 targets at Syrian airfield. The Washington Examiner, 7. April 2017, abgerufen am 8. April 2017 (englisch).
- Donald Trump: The reason you don't generally hit runways is that they are easy and inexpensive to quickly fix (fill in and top)! Twitter, 8. April 2017, abgerufen am 9. April 2017 (englisch).
- Trump zum Luftschlag in Syrien: „Start- und Landebahnen werden generell nicht bombardiert“. Spiegel Online, 8. April 2017, abgerufen am 9. April 2017.
- Russia furious after U.S. missile strike, vows to support Syria’s air defence after ‘significant blow’ to relations, National Post, 7. April 2017 (englisch).
- Tom Batchelor: Russia says US air strikes in Syria came 'within an inch’ of military clash with their forces, The Independent, 8. April 2017 (englisch).
- Raja Abdulrahim, Noam Rydan: Syria Says Strike Kills 16, Damages Air Base. In: wsj.com. 7. April 2017, abgerufen am 8. April 2017 (englisch).
- Statement from Pentagon Spokesman Capt. Jeff Davis on U.S. strike in Syria. In: U.S. Central Command. 7. April 2017. Abgerufen am 7. April 2017.
- Pentagon: 20 Prozent der syrischen Kampfjets zerstört, Die Zeit 11. April 2017
- Laura Smith-Spark and Barbara Starr CNN: US investigates possible Russia role in Syria chemical attack.
- Barbara Starr and Jeremy Diamond CNN: Trump launches military strike against Syria.
- Roger Näbig: Russlands Luftverteidigung & Flugabwehrsysteme in Syrien: Mehr Schein als Sein? In: offiziere.ch. Offiziere.ch: Security Policy – Armed Forces – Media, 25. Juli 2019, abgerufen am 28. Juli 2019.
- A. B. C. News: Syrian jets take off from air base hit by US. In: go.com. 8. April 2017. Abgerufen am 10. April 2017.
- Russia plans to bolster Syrian air defences, and derides US over 'extremely low' effectiveness of bombing. 7. April 2017.
- Molly Hennessy-Fiske, Nabih Bulos: Syrians report 15 dead in U.S. airstrike. In: Los Angeles Times. 7. April 2017. Abgerufen am 7. April 2017.
- Igor Konaschenkow: MoD to hold briefing after US strike in Syria – TAPE FEED. RT. 7. April 2017. Abgerufen am 7. April 2017.
- Why didn’t the US crater Syria’s runways? – The National.
- Syrian warplanes take off once again from air base bombed by US Tomahawks. In: telegraph.co.uk. Abgerufen am 10. April 2017.
- Madison Park: Who’s with the US on Syria strike and who isn't. In: CNN.com vom 9. April 2017, abgerufen am 9. April 2017 (englisch).
- „Assad trägt Verantwortung“. In: Tagesschau.de vom 7. April 2017, abgerufen am 9. April 2017.
- Was über den US-Angriff in Syrien bekannt ist. In: Spiegel.de, 6. April 2017
- Russland stoppt Vereinbarungen mit US-Militär in Syrien. Die Zeit, 7. April 2017, abgerufen am 9. April 2017.
- Die Entwicklungen zum US-Angriff auf Syrien, handelsblatt.com, 7. April 2017
- Trumps Militärschlag ist völkerrechtswidrig. Süddeutsche Zeitung, 7. April 2017.
- Judith Görs: War Trumps Luftschlag in Syrien illegal? In: NTV.de vom 8. April 2017, abgerufen am 9. April 2017.
- Nach Luftangriff in Syrien Pro-Assad-Allianz rückt zusammen. Tagesschau, 9. April 2017, abgerufen am 9. April 2017.
- Watchdog Group Sues Trump Administration, Seeking Legal Rationale Behind Syria Strike. New York Times, 8. Mai 2017.
- Complaint. United States District Court for the District of Columbia, 8. Mai 2017.