Liebstöckel
Liebstöckel (Levisticum officinale), auch Maggikraut, Lavas oder Lus(t)stock, in der Steiermark vor allem Nussstock, ist eine Pflanzenart der Gattung Levisticum aus der Familie der Doldenblütler (Apiaceae, veraltet Umbelliferae). Die Bezeichnung „Liebstöckel“ entstand durch volksetymologische Wortbildung aus dem lateinischen Levisticum (alter und pharmazeutischer Name der Art). Die seit 1925 belegte[1] Bezeichnung „Maggikraut“ entstand vermutlich aufgrund der Geruchsähnlichkeit der Maggi-Würze mit dem aromatischen Liebstöckel.
Liebstöckel | ||||||||||||
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Liebstöckel (Levisticum officinale), Illustration | ||||||||||||
Systematik | ||||||||||||
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Wissenschaftlicher Name | ||||||||||||
Levisticum officinale | ||||||||||||
W.D.J.Koch |
Beschreibung
Liebstöckel ist eine winterharte, ausdauernde, krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 1 bis 2,5 m erreichen kann. Die ganze Pflanze riecht aromatisch. Der verzweigte Stängel ist intensiv grün. Es wird ein Rhizom als Überdauerungsorgan gebildet, das einen Durchmesser von 4 bis 5 cm aufweist. Besonders die unteren Laubblätter sind lang gestielt. Die Blattspreite ist zwei- bis dreifach gefiedert. Das Endblättchen ist breit dreieckig bis eiförmig, 4 bis 11 cm lang und 2 bis 7 cm breit. Die gestielten Fiederblättchen sind zwei- bis dreilappig mit wenigen Zähnen.
Der doppeldoldige Blütenstand weist einen Durchmesser von 12 cm auf, besitzt sieben bis elf Hüllblätter mit weißen Rändern und enthält 12 bis 20 Döldchen. Die Döldchen besitzen acht bis elf Hüllchen und enthalten viele Blüten. Die gelblichen bis hellgrünen Blüten sind unscheinbar. Die Blütezeit reicht von Juni bis August.
Die braune Frucht ist 5 bis 7 mm lang und 3 bis 4 mm breit. Die Früchte reifen zwischen August und September.
Die Chromosomenzahl beträgt 2n = 22.[2]
Systematik
Levisticum officinale wurde 1824 von Wilhelm Daniel Joseph Koch in Novorum Actorum Academiae Caesareae Leopoldinae-Carolinae Naturae Curiosorum, 12(1), 101, f. 41 erstbeschrieben. Synonyme für Levisticum officinale W.D.J.Koch sind: Ligusticum levisticum L., Angelica levisticum All., Levisticum levisticum Karsten, Hipposelinum levisticum (L.) Britton & Rose, Angelica paludapifolia Lam., Levisticum paludapifolium (Lam.) Asch., Levisticum officinale Rchb., L. officinale var. vel subsp. cultum Thellung, Selinum levisticum (L.) E.H.L.Krause, Levisticum vulgare Hill, Levisticum vulgare Reichb.[3]
Herkunft, Verbreitung und Anbau
Liebstöckel stammt wahrscheinlich aus dem Nahen oder Mittleren Osten, wohl aus Iran oder Afghanistan.[4] Von dort kam es über das Mittelmeergebiet ins restliche Europa. Wild findet es sich nur in warmen Gebieten. Da es aber in Gemüse- und Kräutergärten angebaut wurde und wird, kann es auch in kälteren Regionen Europas stellenweise verwildert auftreten.
Liebstöckel hat keine besonderen Standortansprüche, bevorzugt jedoch tiefgründigen, nährstoffreichen Boden und verträgt auch Halbschatten. Zu anderen Pflanzen sollte 0,5…1 m Abstand bestehen. Liebstöckelpflanzen können bis etwa 15 Jahre alt werden.
Verwendung
Küchenkraut
Die frischen Liebstöckelblätter finden Verwendung als Gewürz, z. B. für Suppe, Eierspeise, Pfifferlinge oder andere Pilzgerichte. Geschmack und Geruch erinnern an den von Sellerie und an Maggi-Würze. Hauptverantwortlich für das charakteristisch würzige Aroma ist der Inhaltsstoff Sotolon.[5]
Feingehackte Blätter können zum Würzen von Suppen, Salaten, Obatztem und Eintopfgerichten verwendet werden. Die Blätter können den ganzen Sommer über geerntet, getrocknet oder eingefroren werden.[6] Die getrockneten Samen können bei der Zubereitung von Eintöpfen und Braten als Würze verwendet werden. Auch sind die Früchte als aromatisierende Komponente für Käsegerichte, Brot und Gebäck zu verwenden.
Pharmakologie
Als pharmazeutische Droge dienen:
- Getrocknete Liebstöckelfrüchte (Levistici fructus) – sie werden volkstümlich bei Verdauungsbeschwerden und Blähungen sowie im Haushalt als Gewürz verwendet.[7]
- Getrocknete Blätter (Levistici herba) – es wird im Haushalt als Gewürz eingesetzt.[7]
- Wurzelstock und Wurzeln (ganz oder geschnitten getrocknet: Levistici radix) – sie enthalten ätherisches Öl mit bis zu 70 % Phthaliden, darunter 3-Butylphthalid, 3-Butylidenphthalid (Ligusticumlacton) und 3-Propylidenphthalid.[8] Man setzt die Droge zur Durchspülungstherapie bei Harnwegsinfekten und zur Vorbeugung gegen Nierengrieß ein.[7]
Da die in der Droge enthaltenen Furocumarine nicht wasserlöslich sind, ist bei Teezubereitungen nicht mit phototoxischen Nebenwirkungen zu rechnen, nach[7] ist jedoch bei starker Sonneneinwirkung mit Photodermatosen zu rechnen.
Schon Dioskurides beschreibt Samen und Wurzel von griechischligystikón (lateinisch ligusticum bei Columella und Plinius) als erwärmend, verdauungsfördernd, diuretisch und emmenagog, auch gegen den Biss wilder Tiere. Allerdings ist die Zuordnung zu unserem Levisticum fraglich. Liebstöckel war ein beliebtes Heilmittel in Mittelalter und Barock. Hildegard von Bingen lobt ihn u. a. bei Halskrankheiten, Lonicerus als diaphoretisch, diuretisch, verdauungsfördernd und magenerwärmend, Matthiolus als emmenagog, stein- und windtreibend. Weinmann nennt ihn ein Antidot, Diuretikum, Diaphoretikum und Wundmittel, besonders bei Magenerkältung, Engbrüstigkeit und als Emmenagogum. Hufeland nutzte ihn oft bei Hydrops. Leclerc[9] nennt ihn ein Karminativum und Diuretikum. Nach Schulz wird er auch bei chronischen Katarrhen und Menostase gebraucht. In der Schweiz und im Elsass trinke man bei Halsweh Milch durch die Pflanzenstängel. Auch fördere er bei Rindern das Kalben.[10] In der Volksheilkunde wird Liebstöckel auch bei Menstruationsstörungen und als schleimlösendes Mittel eingesetzt. In der Homöopathie und der anthroposophischen Medizin wird Liebstöckel u. a. bei Mittelohrentzündung gegeben.
Andere Inhaltsstoffe
Wässrige Extrakte von Liebstöckel zeigen unter UV-Bestrahlung mit Licht der Wellenlänge 365 nm eine blaue Fluoreszenz, die durch Umbelliferon, ein Cumarinderivat, ausgelöst wird.[11]
Siehe auch
Literatur
- Ingrid Schönfelder, Peter Schönfelder: Das neue Handbuch der Heilpflanzen. Franckh-Kosmos, Stuttgart 2004, ISBN 3-440-09387-5.
- Karl Hiller, Matthias F. Melzig: Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen. 2. Auflage. Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg 2010, ISBN 978-3-8274-2053-4.
- Avril Rodway: Kräuter und Gewürze. Die nützlichsten Pflanzen der Natur – Kultur und Verwendung. Tessloff, Hamburg 1980, ISBN 3-7886-9910-8.
- Gerhard Madaus: Lehrbuch der biologischen Heilmittel. Band II. Olms, Hildesheim / New York 1979, ISBN 3-487-05891-X, S. 1746–1752 (Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1938).
Quellen
- Pan Zehui & Mark F. Watson: Levisticum, in: Flora of China, Volume 14, 2005, S. 172: Levisticum officinale – Online. (Abschnitt Beschreibung)
- Gernot Katzer-Artikel zum Liebstöckel (deutsch und englisch)
- Karlsgarten Aachen – Liebstöckel. (deutsch)
Einzelnachweise
- Heinrich Marzell: Wörterbuch der deutschen Pflanzennamen. 5 Bände (unter Mitwirkung von Wilhelm Wissmann und Wolfgang Pfeifer). Leipzig, ab 1976 Stuttgart/Wiesbaden (1937) 1943–1979; Band 3 (ab Spalte 481) und Band 4 (aus dem Nachlass) hrsg. von Heinz Paul, Band 5 (Registerband) 1958 mit Wilhelm Wissmann; Neudruck (Lizenzausgabe) Köln 2000, ISBN 3-88059-982-3, hier: Band 2, Sp. 1270 f.
- Eintrag bei Tropicos, abgerufen am 21. Juli 2012.
- Gerhard Madaus: Lehrbuch der Biologischen Heilmittel. Abteilung 1: Heilpflanzen. 3 Bände. G. Thieme, Leipzig 1938.
- Levisticum im Germplasm Resources Information Network (GRIN), USDA, ARS, National Genetic Resources Program. National Germplasm Resources Laboratory, Beltsville, Maryland. Abgerufen am 24. Mai 2018.
- Aromastoffe im Liebstöckel-Extrakt (englisch)
- https://www.bzfe.de/inhalt/kraeuter-zubereitung-und-lagerung-442.html Beschreibung zur Trocknung von Kräutern auf der Webseite des Bundeszentrums für Ernährung (https://www.bzfe.de)./
- https://www.spektrum.de/lexikon/arzneipflanzen-drogen/levisticum-officinale/8620 levisticum officinale im „Lexikon der Arzneipflanzen und Drogen“ bei Spektrum.de
- Eintrag zu Phthalide. In: Römpp Online. Georg Thieme Verlag, abgerufen am 12. November 2018.
- Henri Leclerc: La livèche. In: Janus 37, 1933, S. 281–292.
- Gerhard Madaus: Lehrbuch der biologischen Heilmittel. Band II. Olms, Hildesheim / New York 1979, ISBN 3-487-05891-X, S. 1746–1752 (Nachdruck der Ausgabe Leipzig 1938).
- P. Drosky et al. Die optischen Aufheller Fraxin und Aesculin ChiuZ 2014, 48, S. 450–459
Weblinks
- Liebstöckel. In: BiolFlor, der Datenbank biologisch-ökologischer Merkmale der Flora von Deutschland.
- Levisticum officinale W. D. J. Koch In: Info Flora, dem nationalen Daten- und Informationszentrum der Schweizer Flora. Abgerufen am 9. Januar 2016.