Leopold Gasser
Die Leopold Gasser Unternehmen waren zu Zeiten der österreichisch-ungarischen Doppelmonarchie eine der angesehensten Waffenfabriken und Weicheisengießereien. Die Standorte waren in Wien-Ottakring und St. Pölten.[1]
Geschichte
Leopold Gasser (1836–1871) begann seine Tätigkeit im Jahre 1862 in einer kleinen Werkstätte ohne Motor, in der ihm drei bis vier Gesellen zur Seite standen.[2] Sein Hauptaugenmerk richtete der Meister auf die Erzeugung von Revolvern, in der er bald eine solche Meisterschaft erreichte, dass ein von ihm konstruierter Revolver (Gasser M1870) als Ordonnanzwaffe in der österreichisch-ungarischen Armee, der k.k. Landwehr, bei der k.u. Landwehr (Honvéd) und der Marine eingeführt wurde. Das wohl bekannteste Produkt der Fabrik wurde später (nach dem Patent für August Rast 1898) der Ordonnanzrevolver Rast & Gasser M1898.
Als infolgedessen die Aufträge des Hofes sich immer mehr steigerten und die erforderlichen Kräfte zur Ausführung aller übernommenen ärarischen Aufträge nicht zur Verfügung standen, sah sich Gasser zur Anschaffung von Dampfmaschinen veranlasst. Bald hatten sich jedoch die Gasser'schen Erzeugnisse durch ihre ausgezeichnete Konstruktion und Ausführung einen solchen Ruf erworben und häuften sich die Aufträge in solchem Maße, dass zur Bewältigung der erforderlichen Arbeitsleistung eine neuerliche Vergrößerung der maschinellen Einrichtung sich als notwendig erwies, und nach ungefähr zehn Jahren die erste Dampfmaschine bereits durch eine von 40 Pferdestärken ersetzt werden musste. Aus der einst so unscheinbaren Werkstätte wurde allmählich ein mächtiges Fabriksanwesen, dessen Leistungen den Ruf der Firma Gasser in weite Ferne trugen. Um 1900 war die maschinelle Ausstattung der Fabrik auf einem derartigen Niveau, dass in ihr jede Waffe in allen ihren Teilen hergestellt werden konnte.
Im Jahre 1874 wurde die Fabrik mit der Lieferung von Revolvern für die montenegrinische Regierung betraut. Durch die gesteigerte Produktion konnte auch in den Balkan und das Osmanische Reich exportiert werden.
Ihre Leistungsfähigkeit zeigte die Firma nicht nur in der Erzeugung der für Regierungen und Behörden (wie z. B. für die gesamte Sicherheitswache von Wien und vielen anderen Städten) bestimmten Revolver und Waffenbestandteile, sondern auch in der Fabrikation von Luxusrevolvern, Jagdgewehren usw., die ebenso für den heimischen Bedarf wie auch für das Ausland in großer Menge geliefert wurden. Die Erzeugung von jährlich an die 30.000 Revolvern, neben welcher eine umfangreiche Fabrikation von Gewehren und sonstigen Waffen und Waffenteilen erfolgte, zeigt den Produktionsumfang der Fabrik auf. Diese besaß eine eigene Schießstätte, in welcher sämtliche Schusswaffen ohne Ausnahme nach der Scheibe eingeschossen wurden, bevor sie zum Verkauf gelangten. Seit dem Jahre 1873 besaß die Firma für den Detailverkauf ihrer Erzeugnisse eine Niederlassung am Kohlmarkt 8 im 1. Wiener Bezirk.
Sämtliche Arbeitsräume der Fabrik, in der zeitweise bis zu 500 Arbeiter beschäftigt waren, befanden sich auf hohem sanitären Standard und waren zur Gewährleistung einer präzisen Ausführung der Arbeiten mit elektrischer Beleuchtung ausgestattet.
Durch die steigende Prosperität des Unternehmens sah sich die Firma bald veranlasst, zu einer Erweiterung ihrer Erzeugungsstätten zu schreiten. So wurde 1870 in St. Pölten eine ehemalige Kattunfabrik mitsamt Wasserwerk erworben, wo anfangs mittels Fallhämmern und Friktionspressen die Schmiedearbeiten für die Wiener Fabrik vorgenommen wurden. Die vorhandene Wasserkraft fand aber damit nicht ihre völlige Ausnützung. Um diese, wie auch die großen Räumlichkeiten, besser zu verwerten, ging die Firma 1879 an die Errichtung einer Weicheisengießerei.
Die Gießerei lag am Rand der Stadt St. Pölten und besaß eine Wasserkraftanlage von 50 Pferdestärken, 12 Schmelzöfen, 14 Temperöfen und zwei Kupolöfen. Sie beschäftigte zur Jahrhundertwende etwa 300 Arbeiter und war damit die größte Fabrik der Stadt. Die Arbeiter waren zum großen Teil in den zur Fabrik gehörigen Baulichkeiten in geräumigen, allen sanitären Anforderungen entsprechenden Wohnungen untergebracht. Das Werk verfügte auch über eine eigene wohlgeschulte und mit den neuesten Geräten ausgerüstete, aus 25 Mann bestehende Feuerwehr. Es wurde 1903 vom Stammwerk organisatorisch getrennt und in St. Pöltner Weicheisen- und Stahlgießerei Leopold Gasser umbenannt.
Der Absatz der Gasser'schen Gusserzeugnisse beschränkte sich nicht auf das Inland, sondern erstreckte sich auch auf Deutschland, Italien, Serbien, Rumänien, Bulgarien, Russland usw.
Die Leistungen der Firma Leopold Gasser fanden bei vielen Anlässen von maßgebender Seite Anerkennung. So wurde dem Nachfolger von Leopold Gasser, seinem Bruder Johann Gasser, das Goldene Verdienstkreuz mit der Krone verliehen. Im Jahre 1893 wurde er vom Kaiser mit dem Ritterkreuz des Franz-Joseph-Ordens ausgezeichnet. Viele andere Auszeichnungen, wie die Verleihung des fürstlich montenegrinischen Danilo-Ordens, der silbernen Medaille des Niederösterreichischen Gewerbevereins, sowie zahlreiche erste Ausstellungspreise und ehrende Anerkennungen gaben Zeugnis von dem hohen Ansehen, dessen sich die Firma Leopold Gasser im In- und Ausland erfreute.
In der Dauerausstellung des Heeresgeschichtlichen Museums in Wien werden mehrere Gasser-Fabrikate gezeigt.[1] Besonders beachtenswert ist dabei ein Prunkrevolver, der Kronprinz Rudolf von Gasser gewidmet wurde.[3]
Literatur
- Joschi Schuy: Gasser-Revolver. Lebenswerk einer österreichischen Büchsenmacherfamilie. Druckerei Trauner, Linz, 1992.
- Gerhard Stadler, 2006: Das industrielle Erbe Niederösterreichs, Kapitel Gasser-Fabrik, S. 597–598. ISBN 3-20577460-4
Weblinks
Einzelnachweise
- Biographien: Gasser, Leopold (Memento vom 30. Mai 2018 im Internet Archive)
- Leopold Gasser, in: Die Gross-Industrie Oesterreichs. Festgabe zum glorreichen fünfzigjährigen Regierungs-Jubiläum Seiner Majestät des Kaisers Franz Josef I. dargebracht von den Industriellen Oesterreichs 1898. Band 3. Weiss, Wien 1898, S. 145–146.
- Manfried Rauchensteiner, Manfred Litscher (Hrsg.): Das Heeresgeschichtliche Museum in Wien. Graz, Wien 2000 S. 58.