Kriegsgefangenenlager Rheinberg
Das Kriegsgefangenenlager Rheinberg war das erste von den Alliierten errichtete Rheinwiesenlager. Es diente als Durchgangslager für Kriegsgefangene, die der amerikanische Stoßkeil auf seinem Weg vom Weseler Brückenkopf aus bis zur Elbe festnahm. Errichtet wurde es um den 14. April 1945 von Soldaten der 106. US-Infanterie-Division unter Heranziehung deutscher Kriegsgefangener. Dafür wurde westlich von Rheinberg, entlang der heutigen Bahnstrecke Duisburg–Xanten, ein 350 ha großes Acker- und Wiesengelände mit drei Meter hohen Stacheldrahtzäunen umgeben und hermetisch von der Außenwelt abgeschottet.
Aufgeteilt war es in acht Einzelcamps, genannt Cages (übersetzt: Käfige), ohne jegliche Behausung, sanitäre Anlagen oder gar Versorgungsstruktur. Darin pferchte man über 130.000[1] Kriegsgefangene ein, zu jeweils 8.000–30.000[2] pro Cage. Kälte, Hunger, mangelnde Hygiene und fehlende medizinische Versorgung waren Hauptursachen für schwere Krankheiten. Die Zahl der verstorbenen Kriegsgefangenen innerhalb des Lagers wird auf 3000–5000[3] geschätzt.
Ab Mitte Juni 1945 wurde es an eine britische Einheit übergeben. Es existierte bis September 1945.
Das Kriegsgefangenenlager PWTE A1
Die offizielle amerikanische Bezeichnung des Lagers war „Prisoners of War Temporary Enclosure A1“ (PWTE A1). Die Ausdehnung des Lagers war riesig. In Ost-West-Richtung reichte es von der Bahnstrecke bis kurz vor der Heydecker Ley[4], etwa auf Höhe des Rheinberg War Cemetery und des Gutshofs Haus Heideberg. Im Norden wurde es von der Alpener Straße (K 31) begrenzt und im Süden durch die heutige B 510. Rheinberg war damals ein kleiner Ort mit knapp 5.400 Einwohnern. Im März 1945 evakuierten sie die Alliierten während der Kampfhandlungen in die umliegenden Gemeinden und begannen mit der Anlage des Lagers durch die Beschlagnahmung von fruchtbaren Ackerland. Erst im April durften die Bewohner in ihre zerstörte und geplünderte Heimatstadt zurück und mit dem Wiederaufbau beginnen. Die 3000 Mann starke Besatzungstruppe musste mitversorgt werden.
Geleitet wurde PWTE A1 von einem Einsternegeneral der 106. US-Infanterie-Division. Während der Ardennenoffensive hatte die Einheit schwere Verluste durch die deutschen Soldaten erlitten. Nun wurde sie für die Bewachung des Rheinwiesenlagers eingesetzt. In das Lager kamen nicht nur Wehrmachtsangehörige aus dem Rheinland. Vielmehr war Rheinberg das Ziel[5] aller Gefangenen und Aufgelesenen aus dem US-amerikanischen Stoßkeil, der sich von dort aus, immer breiter werdend, über Wesel, Duisburg, das nördliche Ruhrgebiet, Ostwestfalen, das Lipperland, den Harz bis hin zur Elbe erstreckte. Mit Lastwagen und Güterzügen transportierte man sie aus allen eingenommenen Gebieten Deutschlands auf das Ackerland. Dabei machten die Alliierten keinen Unterschied, ob es sich bei den Gefangenen um Soldaten, Zwangsarbeiter, Schwerverletzte, Zivilisten, Männer, Frauen[6] oder Kinder handelte. Jeder, der eine Art Uniform trug, wurde festgenommen, selbst Krankenschwestern, Bahnbedienstete und Postboten. Schnell wuchs ihre Zahl auf über 70.000 heran im Alter von 7 bis 80 Jahren.
Eine Registrierung fand in den ersten Wochen nicht statt. Die Gefangenen wurden nur grob nach Männer, Frauen und Nichtdeutsch getrennt und auf die verschiedenen Cages verteilt. Das einzige, worauf geachtet wurde war, dass Kommandeure nicht mit ihren Einheiten zusammenkamen, da die Amerikaner die Bildung von organisierten Widerstandsgruppen fürchteten. Bei Ankunft wurden die Gefangenen gründlich durchsucht und alles was von Wert war oder als Waffe dienen konnte eingezogen, so dass vielen nur die Kleidung am Leib blieb. Im Zuge dessen wurde ihnen sogar der Status als Kriegsgefangener aberkannt. Als "Disarmed Enemy Forces" (Entwaffnete Feindeinheit) fielen sie damit sowohl aus den Genfer Konventionen, als auch der Haager Landkriegsordnung. Internationale Hilfsorganisationen hatten durch diese Regelung keinen Zutritt. Völlig entrechtet waren so die Gefangenen auf Gedeih und Verderb den Launen der amerikanischen Soldaten ausgeliefert.
Unterkünfte gab es keine. Um sich vor Wind und Wetter zu schützen, gruben sich die Eingesperrten Kuhlen und Erdlöcher, in denen sie in kleinen Gruppen als Notgemeinschaft übernachteten. Nicht selten stürzten diese Dachsbauten ein oder liefen bei anhaltendem Regenwetter mit Wasser voll. Nur den Frauen im Cage B gestand man einige Zelte zu, die mehr als Sichtschutz dienten als Regen und Kälte abzuweisen. Die Lebensmittelrationen waren auf eine obligatorische „Messerspitzenverpflegung“ reduziert, wurden zu unregelmäßigen Uhrzeiten verteilt und fiel an manchen Tagen komplett aus. Die Trinkwasserversorgung erfolgte durch Tankwagen. Für eine kleine Dose stark chloriertes Flusswasser[7] mussten die Gefangenen teilweise über 16 Stunden anstehen. Als Toiletten dienten ausgehobene Gruben mit Donnerbalken und zur Bekämpfung von Läusen setzte man DDT-Pulver ein. Waschgelegenheiten gab es keine. Die Folgen von fehlender medizinischer Versorgung, mangelnder Hygiene und unzureichender Verpflegung waren Hauptursachen für Infektionen, Krankheiten und Unterernährung.
Fluchtversuche unterband man mit Waffengewalt und wer es trotzdem wagte, wurde von den amerikanischen Soldaten angeschossen bzw. erschossen. Erschießungen erfolgten teilweise auch als Racheakt für einen gefallenen Kameraden oder auf Grund des in Amerika propagierten Deutschenhasses.[8] Für die Besatzer bestand ein absolutes Fraternisierungsverbot zu den Deutschen, um das Feindbild aufrechtzuerhalten. Trotz ständiger Schikanen arrangierten sich die Gefangenen mit den Soldaten gezwungenermaßen mehr oder weniger freiwillig. Gelegentlich kam es zwischen ihnen zu Tauschgeschäften, da Armbanduhren, NS-Militärabzeichen und selbstgefertigte Kunstwerke bei den Soldaten als Souvenirs sehr beliebt waren. Dennoch traute man den Deutschen nicht über den Weg. In den Cages herrschte durch Lagertrott und ständigen Hunger auch ein sehr angespanntes Verhältnis untereinander. Innerhalb einer Kameradschaft achtete man peinlichst darauf, dass wenigen Lebensmittelhäppchen auch gerecht verteilt wurden. Unter den einzelnen Gruppen kam es vor, dass sich die Gefangenen gegenseitig bestahlen oder Leichen fledderten, um sich z. B. mit einem Mantel das eigene Überleben zu sichern. Durch physische und psychische Überlastung bekam so mancher einen Lagerkoller.
Da das Deutsche Rote Kreuz von den Alliierten als Hilfsorganisation mit NSDAP-Verbindung temporär verboten wurde, versuchte die Bevölkerung von Rheinberg und Umgebung die hungernden Gefangenen mit Brotpäckchen zu unterstützen, welche sie über den Zaun warfen. Auf dem Papier übermittelte man so auch Nachrichten an die Angehörigen, da sonst kein Kontakt zur Außenwelt bestand. Die Spender setzten sich dabei großer Gefahr aus selbst getötet zu werden und nicht immer erreichte die Nachricht den Empfänger. Manchmal blieben die Päckchen im Stacheldrahtzaun hängen, wurden im Kampf um das bisschen Nahrung zerbröselt oder fielen in die Patroillengänge. Je nachdem, welcher Wachtrupp gerade Dienst hatte, wurden die Päckchen vor den Augen der Hungernden zertreten oder als „Raubtierfütterung“ vom Wachturm aus an die Gefangenen verteilt.
Mit der Kapitulation begann ab etwa Mitte Mai 1945 nach und nach die Registrierung der Gefangenen, um einen allgemeinen Überblick über ihre Anzahl zu erhalten. Auf einem Grundstück östlich des Bahnhofs richtete man ein Versorgungslager ein. Hier sollten die angeordneten Lebensmittelhilfen und Spenden angenommen und die Verteilung in einen geordneten Ablauf gebracht werden. Es wurden Zelte für ein Gefangenenlazarett aufgestellt und zusätzlich das das 9. Amerikanische Feldlazarett in Kamp-Lintfort für die ärztliche Behandlung deutscher Soldaten geöffnet. Als medizinisches Personal setzte man zur Unterstützung der Amerikaner deutsche Ärzte und Pflegekräfte aus dem Lager ein. Für die Lebensmittelverteilung und als Hilfspolizisten innerhalb des Lagers rekrutierte man ebenfalls Insassen. Gegenüber den anderen Gefangen erhielten die Hilfskräfte einige Privilegien und Zelte als Unterkunft, so dass sich dadurch eine Gefangenenhierachie ausbildete. Hintergrund dafür war der Besuch des Lagers einer internationalen Rot-Kreuz-Kommission Ende April.[9] Im Rahmen dessen entließ man Jugendliche und Angehörige bestimmter Berufsgruppen, die für den Aufbau einer funktionierenden Versorgungswirtschaft nötig waren, wie etwa Bauern, Eisenbahner, LKW-Fahrer und Bergleute.
Doch schon bald setzte sich wieder der alte Trott durch. Durch deutsche Hilfskräfte, die für die Versorgung rekrutiert wurden, verlief die Lebensmittelverteilung geregelter, blieb aber immer noch auf das Minimale beschränkt. Die Krankenversorgung bestand zum größten Teil weiterhin aus guten Zuspruch, da es oft an OP-Werkzeugen, Medikamenten und Verbandmaterial fehlte, und der Entlausung mit DDT. Der Großteil der Gefangenen hauste weiterhin in Erdlöchern. Nicht selten kam es vor, dass eingesetzte Hilfskräfte aus ihrer Position Vorteile und somit den Neid auf sich zogen. Wurde jemand beim Diebstahl oder einem anderen Vergehen erwischt, drohten drakonische Strafen. Nicht nur durch die amerikanischen Wachmannschaften, sondern vor allem durch die Mitgefangenen selbst. An einen Schandpfahl gebunden zu werden war dabei noch relativ harmlos. Es kam auch vor, dass man den Schuldigen in der Latrine ertränkte.
Die Umstände im Kriegsgefangenenlager Rheinberg besserten sich erst, als am 12. Juni 1945 die Britische Militärregierung das Lager übernahm. Die Aufsicht dafür erhielt der Britische Commander Officer Colonel Tom Durrant. Er kannte Deutschland aus seiner Studienzeit und hatte das Land vor dem Krieg mehrfach besucht. Nachdem er gesehen hatte, in welchem desolaten Zustand die Amerikaner nach ihrem Abzug das riesige Lager hinterließen und er erfuhr, dass die über 100.000 Gefangenen, darunter auch Frauen und uniformierte Zivilisten, seit Monaten ohne jegliche Unterkunft auf dem Acker hausten, setzte er sich mit dem AGRA-Headquater in Verbindung. Es wurden Zelte angefordert, nach Wasser gebohrt und Rohrleitungen mit Dieselpumpen für eine gesicherte Versorgung verlegt, Feldküchen errichtet und das Feldlazarett wieder aufgebaut. Schwerstkranke und Verwundete verteilte man auf umliegende funktionsfähige Krankenhäuser. Den Gefangenen wurde auch zugestanden 1x pro Woche zu duschen und ihre Kleidung zu reinigen.
Anschließend begann das Britische Militär mit der Strukturierung des Lagerbetriebs. Zur Verwaltung der Cages stand jeweils ein Britischer Offizier vor. Unterstützt wurde er von verschiedenen Non-Commissioned-Officers (N.C.O. = Unteroffizier) und einem englisch sprechenden deutschen Senior Offizier. Innerhalb der Cages hielt ein deutscher Vertrauensoffizier assistiert von einigen Unteroffizieren die Kommunikation zwischen der britischen Lagerleitung bzw. ihrem Personal und den Gefangenen aufrecht. Da es den Briten in erster Linie darum ging untergetauchte NS-Amtsträger und NS-Kriegsverbrecher aufzuspüren, ermunterte man die Gefangenen diese zu benennen, was durchaus erfolgversprechend war. Zahlreiche gefundene NS-Leute wurden ins Internierungslager nach Weeze[10] überführt und unter anderem als Zwangsarbeiter in die belgischen Kohlegruben verbracht oder zum Minenräumen aufs Feld geschickt.
Schon kurz nach der Übernahme ordnete Durrant die Entlassung unschuldig in Kriegsgefangenschaft geratener Personen an von denen keine Gefahr ausging. Frauen, Kinder, Ältere, sowie „uniformierte Zivilisten“ wie Postboten und Bahnbedienstete entließ man innerhalb der ersten Woche. Das hatte zur Folge, dass die Britische Militärverwaltung die Ausgaben für das Lager insgesamt drastisch senken konnte und vor allem bei Lebensmitteln und Medikamenten sparen wollte. Da dadurch eine ausreichende Versorgung der Gefangenen im Rahmen der Genfer Konventionen unmöglich und somit durch aufkommende Seuchen auch das Leben der eigenen Soldaten gefährdet war, verfasste Durrant einen kritischen Lagebericht. Zusätzlich veranlasste er die Aufhebung des Fraterisierungsverbotes. Kurz darauf, am 14. Juni 1945, wurde das Lager Büderich (Wesel) geschlossen und 30.000 übrig gebliebene Kriegsgefangene, die nicht aus Aufbauberufen kamen oder als Zwangsarbeiter an die Franzosen und Belgier verschoben werden konnten, zu Fuß in das Lager Rheinberg umquartiert.[11]
Aufgrund der hohen Gefangenenzahl fürchteten sich auch die Briten vor einer Lagerrevolte, da die Einheit bei einem Aufstand weit unterlegen wäre. Um dies zu verhindern, machte man den Insassen klar, dass die westlichen Alliierten als Schutzmacht vor den Russen dienten und sie so nicht im Gulag landeten. Des Weiteren wurden mit Hilfe der Gefangenen aus dem Offizierscage Kultur- und Schulungsveranstaltungen für die Kriegsgefangenen organisiert. In diesen „Stacheldrahtuniversitäten“ gaben sie ihre vielseitigen Qualifikationen und Interessen weiter und so mancher erlernte neben der englischen Sprache ein Musikinstrument oder erhielt eine berufliche Fortbildung. Papier und Schreibmaterial wurde vom Commander erbeten, Musikinstrumente wurden von Privatleuten gespendet. Trotz der genehmigten Privilegien waren die Gefangenen im Grunde nur Zwangsarbeiter[12], die für die Briten die entstandenen Kriegskosten in Form von Bodenschätzen und Agrarerzeugnissen abstotterten.
Als sich der Herbst näherte und die britische Militärverwaltung keine winterfesten Unterkünfte für die vielen tausend Gefangenen errichten wollte, wurden die Internierten ab September 1945 entlassen bzw. auf französische Lager umverteilt. Schon kurz nach der Auflösung wurde es eingeebnet um Platz für landwirtschaftliche Flächen zu schaffen.
Bodendenkmal
Die noch unbebaute Fläche des ehemaligen Rheinwiesenlagers Rheinberg ist heute als Bodendenkmal ausgewiesen. Das Hauptlager im heutigen Rheinberger Stadtteil Annaberg ist allerdings seit den 1960er bis 1970er Jahren fast vollständig von Siedlungsgebiet überbaut. Der Rest ist Landschaftsschutzgebiet und wird landwirtschaftlich genutzt.
In den Jahren 2002 und 2003 ergab sich die Möglichkeit, einen kleinen Teil des Bodendenkmals archäologisch zu untersuchen und zu erfassen. Grund dafür war der Bau einer Umgehungsstraße und einer Lagerhalle. Neben Zeitdruck und den hohen Auflagen bestand eine Schwierigkeit darin, dass die Angaben zur Lagergröße und Aufteilung trotz Zeitzeugenberichten sehr widersprüchlich sind, offizielle Angaben und Dokumente gibt es nicht. So wusste man nicht genau, auf welchen Teil des Rheinwiesenlagers man sich befand. Die Ausbeute an Funden und Ergebnissen war relativ gering. Gefunden wurden Pfostengruben, Stacheldraht und Metallüberreste, über das Gebiet verteilte Gruben und Feuerstellen, sowie wenige Glas- und Keramikscherben, Metall- und Plastikfragmente, Gebrauchsgegenstände und Knochen aus der Zeit des Lagers und danach.
Einige dieser Fundstücke zeigt das Stadtarchiv Rheinberg im Rahmen von Führungen. Weitere befinden sich im Rheinischen Landesmuseum Bonn oder sind beim Landesamt für Bodendenkmalpflege dokumentiert.
Orte der Erinnerung
In Rheinberg erinnern einige Gedenkstätten an das Rheinwiesenlager und an die vielen tausend Opfer der Gefangenschaft. Direkt am Städtischen Friedhof Annaberg, auf einer Grünfläche vor dem Leichenhaus, steht der Rheinwiesenlagergedenkstein. Der Findling ist Teil eines Mahnmals mit Fahnenmasten und erinnert an den ehemaligen Standort des Lagers 1945. Eine kleine Infotafel davor beschreibt kurz die geschichtlichen Hintergründe. Ursprünglich war vom Heimatverein eine größere Version geplant, die auf dem Kreisverkehr an der Römerstraße stehen sollte. Aufgrund von Protesten aus der Bevölkerung und Kostengründen einigte man sich auf die kleinere Version und einen anderen Platz.
Nicht weit davon entfernt, auf dem neuen Teil des Friedhofs, steht ein hohes, weißes Friedhofskreuz in Form einer Gedenkstele mit Sonnenrad.[13] Um dessen Fries ist ein Stacheldrahtmuster eingemeißelt, als Symbol für das Lager und zum Gedenken an die vielen namenlos und unbekannt Begrabenen. Es wurde 2007 von dem Rheinberger Steinmetz Dieter Knop angefertigt. Die Finanzierung dafür übernahmen sowohl die katholische als auch die evangelische Gemeinde. Bei einem ökumenischen Gottesdienst wurde es eingeweiht.
Ein weiterer Ort an dem die Erinnerung an das Rheinwiesenlager wach gehalten wird, befindet sich mitten in der Altstadt von Rheinberg. In der Pfarrkirche St. Peter gibt es ein Kirchenfenster, dass an das Rheinwiesenlager erinnert. Es befindet sich im rechten Seitenschiff in der Nähe des Eingangs und wirkt ein wenig ausgeblichen, obwohl es erst im März 1990 neu eingesetzt wurde. Dargestellt sind Kardinal von Galen und Karl Leiser mit einer Rolle Stacheldraht und Jesus am Kreuz zu dessen Fuß eine Opferschale steht in der sich jemand die Hände wäscht. Unter der Stacheldrahtrolle steht: „Wir gedenken auch hier der Opfer des Rheinberger Gefangenenlagers“.[14]
Das Tor der Toten ist wohl das bekannteste Mahnmal für die Opfer der Kriege in Rheinberg. Es befindet sich gleich hinter St. Peter auf dem Kettewall. Aufgrund des Namens, seiner Lage direkt an den Rheinwiesen und einer Pergamentrolle, die sich in einem Betonquader hinter der Gedenktafel befindet, wird der Ort des Gedenkens oft mit dem Rheinwiesenlager in Verbindung gebracht. Dem ist aber nicht so. Es ist ein Mahnmal für die Opfer der Kriege in Rheinberg. Wer bisher glaubte, auf dem Pergament befinden sich die Namen der Opfer des Kriegsgefangenenlagers, wird enttäuscht sein. Laut Archivangaben stehen darauf die 650 Namen Rheinberger Bürger, die während den Kriegsjahren gestorben oder verschollen sind. Die Menschen aus dem Rheinwiesenlager finden keine Erwähnung.[15]
Hinweis zu den Quellenangaben
Über das Rheinwiesenlager in Rheinberg existieren heute nur noch wenige Archivquellen und Zeitzeugenberichte. Da die Alliierten keine offiziellen Dokumente hinterlassen haben, weichen Datumsangaben, Zahlen über Gefangene und Todesopfer stark voneinander ab.
Literatur
- Sabine Sweetsir: Das Kriegsgefangenenlager Rheinberg 1945. Zeitzeugen sagen aus. Eine Dokumentation. Stadt Rheinberg – Stadtarchiv, 4. Auflage 1998
- Stadtarchiv Rheinberg: Verwaltungsbericht der Stadt Rheinberg 1945–1955.
- Rüdiger Gollnick: Fremd im Feindesland – Fremd im Heimatland. Spurensuche am Niederrhein. Pagina Verlag GmbH Goch, 2017, ISBN 978-3-946509-11-0
- Arthur L. Smith: Die vermisste Million – Zum Schicksal deutscher Kriegsgefangener nach dem Zweiten Weltkrieg. Oldenbourg Verlag, 1992, ISBN 978-3486645651
- Josef Nowak: Mensch auf den Acker gesät. Niemeyer Verlag Hameln, 1990, ISBN 978-3875859058
- Dietrich Kienscherf: Wie ich PoW Nr. 3 214 570 wurde. Verlag Lenover Neustrelitz, 1995, ISBN 978-3930164127
- James Bacque: Der geplante Tod: Deutsche Kriegsgefangene in amerikanischen und französischen Lagern 1945–1946. Pour le Mérite, 2008, ISBN 978-3932381461
Weblinks
- Landeszentrale Politische Bildung, Rheinland-Pfalz – Rheinwiesenlager
- Team Rehorst: Rheinberg – Kurzbericht: Ungewöhnliche Funde im Kriegsgefangenenlager Rheinberg
- Thomas Krüger und Christina Maassen: Rheinisches Amt für Bodendenkmalpflege - Ausgrabungen, Funde und Befunde 2001 und 2002; Ausgrabungsbericht über die Untersuchung des Bodendenkmals in Rheinberg (S. 349, Neuzeit). PDF als Digitalisat über Universitätsbibliothek Heidelberg (15,3 MB)
- Fritz Schubert: Lager in Büderich und Rheinberg - Amerikaner sucht Wahrheit des Grauens; in RP-Online vom 24. April 2019
- Interview mit Merrit Peter Drucker von Moriz Schwarz „Rheinwiesenlager: US-Major Merrit Drucker bittet um Verzeihung“, in Volksbetrug.net vom 8. Dezember 2014 (Memento auf Wayback Machine vom 26. September 2019)
Einzelnachweise
- Im Verwaltungsbericht der Stadt Rheinberg von 1945–1955 wird von bis zu 140.000 Kriegsgefangenen gesprochen.
- Über die Zahl der Personen innerhalb eines Cages gibt es verschiedene Angaben. Sie schwanken je nach Quelle von 8.000–50.000 Menschen. In der Anfangszeit des Lagers und während der Zusammenlegung mit dem Lager Büderich waren die Cages überbelegt. Durch Verschiebung der Gefangenen als Zwangsarbeiter in belgische und französische Kohleminen und Lager, an Krankheit und Hunger verstorbene, Entlassene und Geflohene, schwankte ihre Zahl extrem.
- Auch hier sind keine genauen Zahlen überliefert. Siehe: Arthur L. Smith "Die vermisste Million" ab Seite 45.
- Bachlauf bei Saalhoff.
- Um die angekarrten Menschenmassen unterzubringen, wurden kurz darauf weitere Rheinwiesenlager errichtet. Die Lager nummerierte man in der Reihe ihrer Erbauung durch.
- Viele von ihnen waren RAD-Maiden. Sie wurden als Ersatz für männliche Arbeitskräfte in Landwirtschaft, Kriegshilfsdienst in den Amtsstuben, Rüstungsbetrieben oder dem Bahnverkehr eingesetzt. Als Wehrmachtshelferinnen (Blitzmädel) wurden sie Funkerinnen, bedienten FLAK-Scheinwerfer und FLAK-Geschütze und flogen bei den Nachtjagdeinheiten der Luftwaffe.
- Wobei das Wasser für die Gefangenen nicht immer aus dem Rhein entnommen wurde, sondern aus der Fossa Eugeniana oder der Heydecker Ley. Zwar wurde durch die Alliierten das Abteufen neuer Schächte verboten. Durch Einleitung von Wasser aus der Kohlewäsche der Zeche Rossenray in Kamp-Lintfort war das eine ziemlich verdreckte Plörre. Zudem war die Kläranlage durch die Bombenangriffe stark in Mitleidenschaft gezogen. Die Amerikaner versorgten sich dagegen mit sauberen Trinkwasser aus den Brunnen der beschlagnahmten Gehöfte und den Pumpengemeinschaften.
- Karl-Heinz Janßen: Für Eisenhower waren die Deutschen Bestien. In: Zeit Online. Zeitverlag Gerd Bucerius GmbH & Co. KG, 8. Dezember 1989, abgerufen am 29. September 2019.
- Grund dafür war unter anderem die geplante Übergabe des Lagers an die britischen und französischen Alliierten. Aufgrund durch den Krieg entstandener Schulden und offener Rechnungen bei den europäischen Alliierten, sahen die Amerikaner es nicht weiter ein, sich um die Gefangenen in den deutschen Lagern zu kümmern.
- Gemeint ist das Lager auf dem St.-Jan-Feld in Weeze. Es befand sich in der Nähe der Sent-Jan-Kapelle.
- 15 km Fußweg hört sich erst mal nicht viel an. Die Gefangenen aus Lager Büderich (PWTE A4) waren jedoch völlig ausgezehrt, litten unter Typhus, Ruhr, Lungenentzündung, schweren Geschwüren und waren teilweise Kriegsversehrt. Als „Hungermarsch“ ging er in die Geschichte ein.
- Nachdem das Lager B frei geworden war, wurde es in ein Arbeitslager umfunktioniert. Die abkommandierten Gefangenenkolonnen wurden zur Beseitigung von Trümmern, Straßenreparatur- und Verladearbeiten eingesetzt. Später setzten sie die Briten als Zwangsarbeiter in der Landwirtschaft, zum Holzfällen und in den Bergwerken ein. Ein Platz in der Arbeiterkolonne war bei den Rheinwiesenlagerinsassen sehr begehrt, da sie so mehr Nahrung zugeteilt bekamen. Die Aussicht auf zwei Scheiben Brot mehr, veranlasste auch so manchen Intellektuellen als einfacher Arbeiter anzuheuern. Die theoretischen Grundlagen erfragten sie sich bei den einfachen Leuten. Fehlende Praxis und ungewohnte Arbeit sorgte jedoch nicht selten zu schweren Verletzungen und Tod.
- Peter Bußmann: Vor 70 Jahren entstand das Kriegsgefangenenlager in Rheinberg. In: NRZ. Funke Medien NRW, 21. April 2015, abgerufen am 26. September 2019.
- IKLK Karl Leiser: Rheinberg: Karl Leisner in St. Peter. Abgerufen am 26. September 2019.
- Franziska Gerk: Rheinbergs Ort der Erinnerung. In: NRZ. Funke Medien NRW, 28. Juli 2014, abgerufen am 26. September 2019.